Chronik.Ereignis1033 Streit ums Taubental 47: Unterschied zwischen den Versionen

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Dom Rondrigo rollte mit den Augen und dachte sich seinen Teil über die beiden Yaquirtaler Turteltauben. Nach kurzer Zeit hatten die Adligen wieder jene Wegbiegung erreicht, an der man die Zwerge gelassen hatte und an der Väterchen Argmoschix und seine Brüder, Söhne und Brudersöhne noch immer darüber diskutierten, wie mit der Nachricht über den vermeintlichen Übergang der Baronswürde von Dom León auf Dom Remigius umzugehen wäre. Als sie entdeckten, dass die Großlinge zurückgekehrt waren und sich bedenklich vermehrt hatten, brachen sie ihre Beredung ab.
Dom Rondrigo rollte mit den Augen und dachte sich seinen Teil über die beiden Yaquirtaler Turteltauben. Nach kurzer Zeit hatten die Adligen wieder jene Wegbiegung erreicht, an der man die Zwerge gelassen hatte und an der Väterchen Argmoschix und seine Brüder, Söhne und Brudersöhne noch immer darüber diskutierten, wie mit der Nachricht über den vermeintlichen Übergang der Baronswürde von Dom León auf Dom Remigius umzugehen wäre. Als sie entdeckten, dass die Großlinge zurückgekehrt waren und sich bedenklich vermehrt hatten, brachen sie ihre Beredung ab.

Version vom 10. Juni 2013, 05:24 Uhr

Der Orondinische Dreikampf


Baronie Taubental, 4. Travia 1033 BF

In den Hügeln von Aralar (1. Tsastunde)

Autor: vivar

„Nun sind Seine Hochgeboren entweder unterwegs auf Golgaris Schwingen oder wieder unter den Lebenden“, stellte die Caballera Yppolita di Dalias y las Dardas mit Blick auf die Praiosscheibe besorgt fest, die zu ihrer Rechten über den bewaldeten Bergrücken des Tosch Mur stand und die Hügel von Aralar in ihr heiliges Licht tauchte.

Domna Siona von Lindholz, die neben ihr am Kopf der kleinen Kolonne ritt, schüttelte das Haupt. „Ob Seine Hochgeboren tot oder lebendig sind, können wir nicht wissen. Sein Schicksal ist für uns verborgen und einzig die gütigen Zwölfe könnten uns darüber erleuchten. Welches Schicksal sich ihm auch offenbart hat, es liegt außerhalb unserer Macht, etwas daran zu ändern.

Viel eher sorge ich mich um mein eigen Fleisch und Blut, das von den garstigen kleinen Leuten aus diesem Orondo verfolgt ward. Vielleicht haben sie meinen Amaros bereits gefangen genommen oder ihm – Peraine verhüte es! – in ihrer Blutgier gar etwas angetan!“ Die Edle erzitterte bei dem bloßen Gedanken daran.

„Peraine verhüte es!“, bekräftigte die Caballera. „Doch selbst wenn sich derart Abscheuliches zugetragen haben sollte, so bedenket, dass Euer Filius ein echter Held ist, ein neuer Caralus! Seine Tat und sein Opfermut waren es, die es mir erlaubten, Seine Gnaden Salpena nach Taubental zu bringen, damit dieser Seine Hochgeboren retten könne.“

Domna Yppolita hatte gehofft, damit der besorgten Mutter Trost zuzusprechen. Diese aber war bei dem Wort „Opfermut“ lediglich erbleicht und hatte ihr Ross angetrieben. Schon waren sie und ihre Knechte hinter einer Biegung verschwunden, mit welcher der schlammige Karrenweg die Mäander der linkerhand gluckernden Inoscha nachahmte. Der Daliaserin blieb nichts übrig, als ihrerseits dem Gaul in die Flanken zu treten.

Als sie Domna Siona erreichte, musste sie wie diese ihr Pferd zügeln. Aus entgegengesetzter Richtung stampfte ein Dutzend Zwerge auf sie zu. Sie trugen knielange Eisenmäntel, die bei jedem Schritt schabende metallische Geräusche machten. Geschultert trugen sie schwere Handbeile. An ihren schwarzen Hüten mit breitem Rand erkannte Yppolita sie als jene Erzzwerge, die bereits den Perainetempel zu Orondo belagert hatten. Nun trugen sie jedoch handbreite Hutbänder aus Eisen.

„Drodda, Xomaschax! Dor Mordosch![1]“, schrieen sie den Reiterinnen entgegen.


Autor: lindholz

Siona von Lindholz verstand kein Wort der holpernden Zwergensprache, doch ihr blieb kaum eine Wahl, als seitlich ins Gras auszuweichen. Viel zu nah waren die Angroschim, als dass man ihre Reihen im Galopp hätte durchbrechen können. Unruhig trippelte das Pferd und verursachte schmatzende Geräusche als sich die Hufe nur widerwillig von dem durchtränkten Boden lösten.

Auch wenn es der Edeldame schwerfiel, sich selbst gleich einer säbelschwingende Amazone durch die Reihen der Zwerge fegen zu sehen; für Ihren Augenstern hätte sie es getan! Doch wie die Lage war, musste sie mit hilflos ansehen, wie die Bewaffneten an ihnen vorbeistapften. Heftig rang sie mit den Tränen, doch ihre Lippen blieben stumm, während das Herz hinausschrie: „Was habt ihr meinem Jungen angetan?“

Ihr Blick irrte suchend über die Marschierenden, doch wenn das Kleinwüchsige Volk überhaupt sein Gutes hatte, dann, dass man einen menschlichen Gefangenen kaum übersehen konnte. Ihr Sohn war nicht hier und selbst wenn sie fragen sollte, so würde man ihr niemals weiterhelfen. Im schlimmsten Fall würde man sie in einen Kampf verwickeln, den sie bei dieser Übermacht nicht gewinnen konnten. Siona von Lindholz schlug die Augen nieder, damit man die Demütigung der Ohnmacht nicht darin sah. Ihre behandschuhten Hände verkrampften sich so heftig um die Zügel, dass die Yaquirtaler Domna zu spüren glaubte, wie die Spitzen ihrer Fingernägel selbst durch das feste Leder in ihre Handflächen schnitten.


Autor: vivar

Die Kolonne war schon einige Schritt weiter, als plötzlich der letzte der Zwerge sich mit der flachen Hand an die Stirne schlug und rief: „Ka Angrosch garaschmox! Domedna rogelna rardoschixna nom Perangritosch matar!“[2]

Sofort blieben die Kerle stehen, drehten sich um und betrachteten erst ihren Gefährten, dann Yppolita di Dalias mit steinernem Blick. Dann steckten die Erzzwerge Köpfe und Hüte zusammen und begannen ein wirres Gebrabbel, das wiederum abrupt endete, als ein Schwarzbart sein Beil wider Domna Yppolita streckte und sprach: „Großlingsfrau, du bist es! Unseren Heiler hast du uns geraubt, und uns zum Goblin gehalten, als du uns unser eigenes Bier ausgeschenkt hast! Wie kannst du es wagen, wieder gen Aurom-Dûm[3] zu reiten?“


Autor: dalias

Mut war eine feine Tugend. Yppolita wusste sie zu schätzen. Für die eigenen Handlungen und Taten einzustehen, selbst, wenn Ungemach dafür drohte. Keinen Charakterzug schätzte sie mehr an Menschen, als den Rücken gerade zu halten und ungebeugt durchs Leben zu gehen. Mehr als einmal war ihr ein kalter Schauer über den Rücken gejagt, wenn in ihren Romanen und Schauspielen der Held dem nahezu allmächtigen Erzwidersacher nebst dem nordmärkischen Gruße[4] ein „Ich stehe hier und kann nicht anders!“ entgegenhielt. Doch wann ist die richtige Zeit für Heldenmut? Stumm musterten die Zwerge sie. Aus der Ferne vermeinte Caballera Yppolita das Krähen eines Hahns zu vernehmen.

„Meint Ihr mich, werter Herr Angroscho?“, murmelte Yppolita mit zaghafter Stimme und klopfte sich dabei mit der Hand auf die Brust, „Ihr... Ihr müsst Euch irren! Noch nie zuvor war ich in Aurom-Dûm..., Euch und Eure Gefährten kenne ich ebenfalls nicht. An solch stattliche Herren würde ich mich gewiss erinnern... Wohl aber habe ich mehrere Schwestern, die mir sehr ähnlich sehen... Eine davon ist eine rechte Herumtreiberin und Possenreißerin, nicht auszuschließen, dass Ihr sie für mich haltet... Gehabt Euch wohl!“ Ihr Gesicht war rot bis über beide Ohren, als sie sich zu Domna Siona umdrehte.


Autor: vivar

Die Brauen des Angroscho wanderten erstaunt nach oben. „Großlingsfrau, ich bin Olgrux Sohn des Olgrak aus der Sippe der Aurixim! Erkennst du mich nicht wieder?“

Mit zitternden Lippen leugnete Domna Yppolita dies.

Olgrux Sohn des Olgrak kratzte sich mit der freien Hand am Kopf. „Sollte ich mich getäuscht haben? Ihr Großlinge seht aber auch alle gleich aus. Ich hätte schwören können, dass du Alveranis Gloria Yppolita di Dalias y las Dardas, Erbjunkerin zu Dalias, Sherbeth und Malkethoza, Caballera zu Las Colinas bist. Gut, dass ich es nicht getan habe! Falls dieses Weib deine Schwester sein sollte, so bist du zu bedauern. Wir werden ihr nämlich die Knie abhacken, wenn wir sie aufspüren.“ Er klopfte zur Bekräftigung auf sein Beil und die anderen elf taten es ihm gleich.

Da sie nun schon einmal angehalten hatten, machten sie keine Anstalten, weiter zu marschieren. Stattdessen rief ein weiterer Zwerg: „Ihr habt Olgrux' Frage nicht beantwortet! Was wollt ihr Großlinge dort?“ Er deutete gen Firun, wo in einigen Meilen Orondo lag.


Autor: lindholz

„Ich pflege meine geschäftlichen Belange nicht auf der Straße zu diskutieren. Oder seid Ihr befugt für den Herrn Aurom-Dûms zu sprechen?“, gab Domna Siona giftig zurück. Die Wut als Schild über ihre Verzweiflung legend, funkelte sie den Angroscho an: „Da Ihr hier waffenstarrend durch die Lande zieht und mit den Äxten erschöpften Reisenden vor der Nase herumfuchtelt, scheint etwas Beunruhigendes vorgefallen zu sein. Darum will ich Euch verzeihen, dass Ihr einer Adligen so respektlos begegnet. Ich kann Euch jedoch versichern, dass unser Anliegen weder Orondo noch Eure Sippe bedroht. Wenn Ihr uns jetzt entschuldigen würdet? Ihr schient es ja auch eilig zu haben.“

Mit einem Wink gab die Yaquirtaler Edeldame ihren Wächtern zu verstehen, die Tiere hinter der Kolonne wieder auf den Karrenweg zu lenken und ließ auch ihre Stute wieder antraben. Das Bild ihres Sohnes, dessen Oberschenkel in einer Masse aus zerfetztem Fleisch endeten; der verzweifelt seine Hände auf die Wunden presste, aus denen das Blut viel zu heftig hervorquoll, schlug wie eine Sturmflut gegen die Dämme klaren Denkens, die ihren Verstand schützten. Sie musste hier weg, bevor die Wellen den kostbaren Schutzwall endgültig in die schwarzen Tiefen des Meeres gerissen hatten!


Autor: vivar

„Meint Ihr den Herrn über Aurom-Dûm oder den Herrn unter Aurom-Dûm, meine Dame?“, schob sich ein Graubart nach vorne. Offensichtlich war er im Umgang mit Menschen erfahrener als seine jüngeren Brüder, denn er verwendete im Gegensatz zu diesen die Höflichkeitsform. „Dieser bin ich selbst, Argmoschix Sohn des Aurix aus Aurix’ Sippe, und zu jenem sind wir just unterwegs. Falls Ihr also mit einem von beiden Herren sprechen wollt, sprecht mit mir oder kommt mit uns zum Baron.“


Autor: dalias

„Ach dann, werter Herr Argmoschix, Herr von Aurom-Dûm“, lachte Caballera Yppolita auf. Mit einem breiten Grinsen und ausladender Gestik versuchte sie ihre Aufregung zu überspielen. Die Rettung des Amaros von Lindholz war vergessen, stattdessen sorgte sich die Daliaserin nun um ihr eigenes Wohlergehen und die Unversehrtheit ihrer Beine. Beunruhigt glitt ihr Blick über den dichten, stählernen Ring der Zwerge. „Wir alle“, Yppolita deutete auf die berittenen Menschen, „sind Pilger, die nach Santa Catalina zogen, um der Heiligen und ihrer Göttin unsere Aufwartung zu machen. Von eben dort kommen wir nun... und wir können Euch versichern, dass der rechtmäßige Baron allen Anfechtungen zum Trotz jetzt auf dem Baronsstuhl sitzt.“


Autor: vivar

Bei der Erwähnung der Märtyrerin packten die Angroschim ihre Äxte wieder fester und zogen grimmig die Nasen kraus. Manche fluchten gar. In ihren eigenen Geschichten war Catalina alles andere als eine Heilige, sondern eine Störerin der vom Weltenmechanikus selbst gefertigten Ordnung gewesen.

Väterchen Argmoschix aber hob die Hand und gebot seinen Brüdern Einhalt. „Wisset, Domnas“, rief er kalt, „dass die Großlingsfrau Catalina in Aurom-Dûm nicht wohlgelitten ist. Ebenso wenig sind es ihre Jünger. Ebenso meiden aufrechte Kinder Angroschs das Dorf der tanzenden Rosenpriester. Es sei denn, sie haben ein wirklich ernstes Wörtchen mit ihnen zu bereden. Das letzte Mal geschah dies vor 458 Jahren, als der Herr von Vivar sich anschickte, den Rosenpriestern Grund und Boden zu schenken. Leider konnten ihn auch kluge Worte nicht von der Irrigkeit seines Tuns überzeugen. Seitdem haben die Herren von Vivar viel Wirrwarr in diese Täler gebracht. Dies hat zu enden. Darüber müssen wir mit dem Baron sprechen. Zur Not mit den Äxten.

Euch aber, Domnas, warne ich nur noch einmal: Kehrt um, wenn Euch Euer Leben lieb ist und verlasst das Taubental.“ Seine Stimme hatte alle Höflichkeit verloren.


Autor: lindholz

„Würden wir umkehren, so würden wir doch direkt in die Unruhen laufen, die ihr offenbar nach Santa Catalina zu tragen gedenkt“, erwiderte Siona von Lindholz mit zunehmender Ungeduld. „Mir erscheint es da wesentlich sinnvoller, wenn wir unsere Reise wie geplant fortsetzen. So, wie es uns der Herr über Aurom-Dûm geraten hat.“

Da die meisten der Zwerge bereits an ihnen vorbei gezogen waren, als Olgrux, der Sohn des Olgrak, die Caballera wieder erkannt hatte, gab die Domna ihren Begleitern mit einem Wink zu verstehen, den morastigen Wiesengrund wieder zu verlassen und auf den Weg zurückzukehren. Auch ihrer eigenen Stute drückte sie sanft die Fesseln in die Seite und das Tier setzte sich begleitet von schmatzenden Lauten in Bewegung.

„Vielleicht werdet ihr aber feststellen, dass Waffengewalt völlig überflüssig ist. Wie meine Begleiterin bereits andeutete, hat sich ein neuer Herr den Baronsstuhl gesichert. Ich bin sicher, mit ihm könnt Ihr Eure Forderungen wesentlich besser besprechen als mit einem Baron aus dem Hause Vivar.“


Autor: vivar

„Es gibt also schon wieder einen neuen Baron, der Euch nach Aurom-Dûm geschickt hat?“, fragte der alte Zwerg und strich sich über den Bart. „Wer sollte das sein, Domnas?“


Autor: lindholz

„Wie viele Herren haben denn rechtmäßigen Anspruch auf den Baronstitel vom Taubental?“, erkundigte sich Domna Siona enerviert, während ihr Pferd endlich die Hufe wieder auf den etwas weniger durchweichten Boden des Karrenweges setzen konnte. Als sie den unnachgiebig starrenden Blick des Erzzwerges gewahrte, führte sie dennoch aus: „Dom Remigius von Alstingen, Bruder der verstorbenen Hochgeboren Buriana von Alstingen, mögen die Götter ihrer Seele gewogen sein. Kann ich den Herren Angroschim sonst noch mit irgendwelchen Auskünften behilflich sein oder dürfen wir nun endlich unsere Reise fortsetzen?“


Autor: vivar

„Versteh’ einer Euch Großlinge. Kaum hat man sich an die Alstinger Sippe gewöhnt, kommt ein Vivar daher und nennt sich Baron. Und ehe man sich’s versehen hat, ist es schon wieder die Alstinger Sippe, die über das Taubental gebietet.“ Argmoschix schüttelte verständnislos den Kopf. „Immerhin mögt Ihr Recht haben damit, dass der junge Remigius ein vernünftigerer Gesprächspartner ist als der flatterhafte Vivar. In seiner Zeit als Vogt über Aurom-Dûm sind die Aurixim und die Großlinge gut miteinander ausgekommen. Wenn er Euch sendet, dann gewiss mit einer Botschaft für uns? Euer Ziel kann ja kein anderes als unsere Siedlung sein.“

Erwartungsvoll blickten die Zwerge die beiden Domnas an.


Autor: dalias

„So ist es auch, so ist es auch...“, beschied Caballera Yppolita mit ausladender Geste und immer schneller werdender Stimme, „Hochgeboren Baron Remigius, ehedem Vogt über Aurom-Dûm, ist Eurer Weisheit, reichen Tugend und großen Machtfülle nur allzu gewiss, felsenfester und ehrenwerter Dom Argmoschix. Daher trug er mir auf, nach Aurom-Dûm zu ziehen, und Euch Seiner Hochgeboren Kommen anzukündigen. Zu Aurom-Dûm will er Rat mit Euch halten und sich Eures Wohlwollens versichern. Sein Herz brennt mit dem Verlangen, Euch die Ehre zu erweisen, zu Euch zu ziehen und Euch an Eurem tiefen Orte anzutreffen. Würde Seine Hochgeboren erfahren, dass Ihr ihm entgegen gezogen seid – verzeiht mir diese Wortwahl, – wie ein Untertan und Hintersasse, würde Hochgeboren Remigius dies sicher höchst beschämen. Eurer Ehre und Würde und der Eures ganzen hohen Hauses würde damit kein leichter Stoß getan sein.

Aus diesem Grunde scheint es mir am ratsamsten, Ihr zöget wieder nach Aurom-Dûm, um dort die baldige Ankunft Hochgeboren Remigius‘ zu erwarten. Verzeiht dieses hektisch-großlingsche Durcheinander – diese Nacht erst hat Hochgeboren Remigius den Taubentaler Baronsstuhl bestiegen und Kämpfe wurden gefochten. Es liegt noch vieles im Argen... Manches ist Durcheinander geraten. Doch als erste Amtshandlung will Seine Hochgeboren zu Euch, weiser und mächtiger Dom Argmoschix, fahren, und Euren geschätzten Rat einholen, wie es weiter im Taubentale und in specie mit den Rosenpriestern zu halten sei. Zu diesem Behufe hat Seine Hochgeboren mich zu Euch geschickt, da er seinen Kämpen und Knechten die Ruhe nach dem großen rondrisch erfochtenen ucurischen Siege nur zu gerne gönnen wollte. Darüber aber wollte Seine Hochgeboren nicht versäumen, Euch durch meine geringen Worte, seine barönliche Aufwartung gemacht zu haben.

Aber zieht nur wieder gen Aurom-Dûm, wackere Angroschim. Seine Hochgeboren wird in Bälde zu Euch kommen. Doch wir müssen weiter gen Orondo und den Menschen über Aurom-Dûm, seinen Untertanen, von der glorwürdigen Rückkehr ihres alten und gerechten Herrn künden – auch dass sie alles für seine baldige Ankunft bereiten sollen, damit Seine Hochgeboren Euch dort oben in Orondo auch mit Lamm, Ziegenfleisch, Käse und reichlich Wein gastlich halten kann. Zudem wurde meiner wohlgeborenen Begleiterin aufgetragen, einen Verräter aus Orondo – mit welchem Hochgeboren aus alten Tagen noch eine Rechnung offen hat – festzusetzen und nach Santa Catalina zu schaffen, ehe er von der Siegesnachricht des Herrn von Alstingen zur Flucht angestachelt, sich über die Berge davon machen könne. Deswegen sind wir in derartiger Eile, felsenfester und ehrwürdiger Dom Argmoschix...“

Räuspernd blickte Caballera Yppolita in die Runde der Zwerge.


Autor: vivar

„Hrm!“, machten diese beeindruckt, und „Hrm!“ machte auch ihr Anführer, während er sich geschmeichelt ob der Rede der Caballera mit den Fingern durch den Bart strich. Dann bildeten die kleinen Kerle einen Kreis und begannen lautstark wie ein Bienenstock zu bereden, zu brummeln und zu brabbeln, wie mit dieser neuen Wendung der Dinge umzugehen wäre. Während ihrer Unterredung wippten sie aufgeregt auf ihren kleinen Fußballen vor und zurück. Dabei vergaßen sie vollkommen die Anwesenheit der Großlinge, welche daraufhin ungehindert weiter ziehen konnten.

Nach nur einer knappen Meile eiligen Ritts mussten die beiden Domnas und ihre Begleiter jedoch erneut Halt machen. Ein Haufen Reiter, ebenfalls im guten Dutzend, näherte sich im Eiltempo von Norden. Sie waren leicht gerüstet und bewaffnet. Ein berittener Bannerjunge trug einen silbernen Löwen auf fünffach rotblau gespaltenes Tuch vor ihnen her. Ihr Anführer war ein hoch gewachsener Edelmann Anfang Dreißig – erkennbar an seinem Caldabreser mit blauroter Pfauenfeder – und an dessen Seite ritt ein junger Geweihter der Peraine mit dunkelblondem, kurz geschorenem Haar ritt.

Domna Siona kniff die Augen zusammen. War das...?


Autor: lindholz

"Herrin, es ist Euer...", begann Espejo, doch Domna Siona hatte ihren Sohn bereits erkannt und brachte den Anführer ihrer Leibwache mit einem geistesabwesenden Wink zum Schweigen. Währenddessen beugte sich der vermeintliche Diener der Göttin des Ackerbaus zu seinem Begleiter herüber. Ein paar Worte wurden gewechselt, dann setzte der hochgewachsene Caldabreserträger seine Truppen mit einem militärisch-scharfen Ruf darüber in Kenntnis, dass von der kleinen, berittenen Schar kein Angriff zu erwarten war.

Siona von Lindholz, Yppolita di Dalias und ihre Begleiter näherten sich nun den beiden Männern im langsamen Schritt. Ohne ein Wort zu sagen, entbot Siona von Lindholz ihrem ungehorsamen Kinde die Rechte zum Handkuss. Dieser nahm sie entgegen und führte die feingliedrigen Finger mit einem schelmischen Lächeln, aber echter Reue in den Augen zum Mund. Seine Mutter drückte die Hand ihres in finsteren Visionen schon verloren geglaubten Sohnes fest, als befürchtete sie, er könne wie ein Traumgebilde zerfließen. In ihrem Blick lag Anklage wie Sorge, Erleichterung ebenso wie Verzeihen. Und zwei schimmernde Tränen perlten über die rosigen Wangen der immer noch schönen Domna.

Während die Yaquirtaler Edle ein spitzenbesetztes Tüchlein zückte, um die Tränen zu trocknen, wand sich Amaros von Lindholz ihrer Begleiterin zu: "Domna Yppolita, wie schön zu sehen, dass Ihr Santa Catalina sicher erreicht habt. Ich hoffe, Ihr könnt mir meine kleine Scharade verzeihen? Darf ich die Gelegenheit nutzen, Euch Dom Rondrigo de Braast vorzustellen?"

Der Edle von Deokrath beugte das Haupt zum Gruß.

"Und dies, Dom Rondrigo, sind meine Mutter, Domna Siona von Lindholz und die tapfere Caballera Yppolita di Dalias, von der ich Euch bereits berichtete", fuhr der Adept der arkanen Künste fort.


Autor: dalias

Die genannte Caballera nickte artig. „Es ist mir eine Ehre und Freude, Eure Bekanntschaft zu machen, wohlgeborene und ehrenfeste Doms.“ Die Stimme Yppolitas klang heiser. Der Müdigkeit, die ihre Glieder in ihrem Griff hielt, und der Sorgen über den Ausgang all dieser Taubentaler Irrungen und Wirrungen zum Trotz zwinkerte die Caballera dem ansehnlichen jungen Adligen und Magus, den sie als Lakai kennen gelernt hatte, spitzbübisch zu. Sie musste sich eingestehen, dass ihm der Adlige gut zu Gesicht stand. In einer sauberen Magierrobe machte er bestimmt eine noch formidablere Figur.


Autor: lindholz

Domna Siona erwiderte die beidseitige Vorstellung mit einer freundlichen Floskel, warf jedoch auch ihrem Sohn einen fragenden Blick zu. Der blonde, junge Mann räusperte sich daraufhin und begann zu erklären. "Dom Rondrigo war mein Retter in der Not: Ich hatte es mit Hesindes und Phexens Hilfe aus Orondo geschafft, doch es hatte mich tief in die Wälder verschlagen. Um ehrlich zu sein, hatte ich völlig die Orientierung verloren und konnte mich durch die dichten Kronen der Bäume nur selten an den Sternen orientieren. Die axtbewehrten, bärtigen Wadenbeißer in meinem Nacken machten es auch nicht besser."

Der junge Mann verzog das Gesicht zu einem gequälten Lächeln, bevor er fortfuhr: "Schon hatten sie mich in die Enge gedrängt, als ich, dem letzten mir verbleibendem Fluchtweg folgend, durch ein Gebüsch brach und endlich die Ruine von Montevivar vor mir in den Himmel ragte. Dort traf ich auf Dom Rondrigo und seine tapferen Mannen. Er war von seiner Hochgeboren León de Vivar über den Usurpationsversuch dessen Widersachers in Kenntnis gesetzt worden und nach einigen...", Amaros hüstelte, "... anfänglichen Missverständnissen, haben wir festgestellt, dass wir auf der gleichen Seite stehen."


Autor: dalias

„Sei es, wie es sei! Eure Schwestern, Dom Amaros, und Eure Töchter, wohlgeborene Domna Siona“ – dabei blickte Yppolita vom Sohn zur Mutter – „sind noch in Santa Catalina im Taubental. Ebenso mein geschätzter und höchst verehrter Vetter. Remigius von Alstingen ist dorthin mit Heeresmacht unterwegs oder könnte mittlerweile schon dort eingetroffen sein. León de Vivars Rose könnte bei Sonnenaufgang schon gänzlich verwelkt und vergangen sein... Lasst uns hoffen, dass Perinyo Salpena dies durch ein geeignetes Remedium zu verhindern wusste. Doch sollten wir nicht länger verweilen, sondern gen Santa Catalina aufbrechen. Auf dem Weg dorthin jedoch, werter Dom Amaros, bester Dom Rondrigo, werden wir einige scharfe Zwergenäxte passieren müssen... Seid also auf der Hut!“


Autor: vivar

„Mit den Orondiner Erzzwergen hatten wir bereits eine nächtliche Begegnung“, nickte Rondrigo de Braast. „Sie waren sehr interessiert daran, Eures Sohnes habhaft zu werden, Domna Siona, und störten uns daher in unserer Nachtruhe. Da wir ihn aber – nach besagten... Missverständnissen – als Gast an unserem Feuer auf Montevivar aufgenommen hatten, Brot und Fleisch mit ihm geteilt hatten und er uns obendrein die bedrückenden Einzelheiten von der Vergiftung des braven León mitteilen konnte, haben wir Domnito Amaros natürlich, wie ihr seht, nicht mehr herausgerückt – obwohl uns Descendientes mit den urtümlichen Bewohnern des Tosch Mur mehr verbindet als mit Euch Yaquirtalern.“

Als er sah, wie die beiden Damen die Stirn runzelten, winkte er ab. „Einerlei. Die Zwerge setzten sich außerhalb der Ruine fest, um uns zu belagern. Da die Zeit drängte und, nach Eurem Bericht, Domna Yppolita, dies noch immer tut, brachen wir das Lager ab und wagten im Dunkel der Nacht einen beherzten Ausbruch. Wir eilten in einem reichlich halsbrecherischen Ritt gen Orondo und weiter, so dass wir die Kleinen Leute bald abhängten. Sie sind aber gewiss immer noch hinter uns. Wir befinden uns also zwischen zwei Zwergenhaufen und müssen ohnehin an einem vorbei. Wo lagern diese Kerle denn?“


Autor: dalias

„Kaum eine Meile von hier, direkt auf dem Karrenweg sahen wir sie zuletzt“, gab Domna Yppolita Bescheid, „sie waren gerade dabei, zu beratschlagen, ob sie weiter gen Santa Catalina ziehen oder sich doch lieber wieder gen Orondo – Aurom-Dûm, wie sie es nennen – wenden sollten, da wir ihnen recht efolgreich vorgauklen konnten, dass es mit dem ihnen sehr angenehmen Remigius von Alstingen einen neuen Baron im Taubental gäbe, der ganz begierig darauf sei, mit ihnen, den Angroschim unter Aurom-Dûm, bald Rat zu halten. Ein Angroscho namens Argmoschix führt die Stimme in ihrem Kreise. Er scheint ein recht bedächtiges und wohlverständiges, wenn auch störrisches Väterchen zu sein.“

„Doch sehe ich kein anderes Mittel als rohe Gewalt, um ihren Kreis durchbrechen zu könnnen und auf diesem Weg nach Santa Catalina zu gelangen. Denn Domna Siona und mich werden sie wohl so ohne weiteres erneut nicht passieren lassen und Euch, Dom Amaros, erst recht nicht. Habt Ihr, Dom Rondrigo, oder einer Eurer Getreuen denn eine genauere Kenntnis dieser Lande? Kennt Ihr vielleicht gar einen Schleichweg oder sonstige verstohlene Pfade durchs Gehölz, abseits des Weges hier an der Inoscha?“


Autor: vivar

Dom Rondrigo schüttelte energisch das Haupt. „Über verhehlte Pfade weiß ich nichts, Domna Yppolita – und es ist auch keines Braasters Art, sich solcher Phexereien zu bedienen. Doch über diesen Pfad, auf dem wir uns befinden, weiß ich interessantes zu berichten. Seit Urzeiten herrscht ein besonderer Rechtsbrauch auf dem Weg zwischen Orondo und Santa Catalina. Wenn ein Zwerg einem Descendiente den Weg verlegt, so kann dieser die Passage für sich und sein Gefolge erzwingen, indem er den Zwerg zum Orondinischen Dreikampf herausfordert.“

„Zum Orondinischen Dreikampf?“, wunderte sich Domna Siona. „Was ist das für ein Wettstreit?“

„Das weiß ich auch nicht“, zuckte Dom Rondrigo die Schultern. „Ich weiß nur, dass, wenn der Descendiente den Dreikampf gewinnt, die Zwerge ihm den Weg freigeben müssen. Verliert er, so muss er umkehren. Geht der Wettstreit jedoch unentschieden aus, so darf der Descendiente passieren, und die Zwerge dürfen die Inoschabrücke von Santa Catalina überqueren.“

Domna Siona zog die Brauen hoch. „Woher stammt dieser seltsame Rechtsbrauch?“

„Als ich noch ein Knabe war, erzählte mir mein Vater Berengar, Boron hab ihn selig, viele Leyendas des Tosch Mur. Eine der Leyendas sagt, dass einst Santa Catalina durch Zwergenhand auf dem Hügel, auf dem in heutigen Tagen ihr Kloster steht, den Tod fand. Seitdem war jedem Zwerg der Zugang zu dem heiligen Ort versagt. Daraufhin sollen die Zwerge allen Menschen den Weg zwischen Santa Catalina im Taubental und Orondo verlegt haben. Aller Handel zwischen den beiden Dörfern kam zum Erliegen.

Als Ramón Azucena, der Stammvater der Vivar, einige Jahrhunderte später in diese Lande kam, soll er im Orondinischen Dreikampf mit den Zwergen Orondos eine Ausnahme für ihn, seine Nachkommen und deren Familias erwirkt haben. Da wir Descendientes alle miteinander verwandt sind, weitete sich der Rechtsbrauch auf uns alle aus. Die Feindschaft zwischen Zwergen und Rahjajüngern wurde immer schwächer. Heute ist es Zwergen nur noch während des Hochfests der Heiligen verboten, Santa Catalina zu besuchen – was für den Jahrmarkt auf dem Pilgerfeld freilich ein schwerer Schlag ist, denn zwergische Handwerkskunst werdet Ihr dort vergeblich suchen. Gleichzeitig hat seit Menschengedenken kein Angroscho mehr einem Menschen auf dem Weg zwischen Santa Catalina und Orondo aufgelauert.

Da der Fall nun aber eingetreten ist, können wir uns auf diesen alten Rechtsbrauch berufen, um an den Zwergen vorbeizukommen.“


Autor: lindholz

„Da uns die Regeln jenes Dreikampfes unbekannt sind, ist kaum abzusehen, welchen Ausgang solch ein Wettbewerb nehmen wird und welche Risiken er birgt“, gab Domna Siona zu bedenken, „Doch ist es wohl der einzige Weg, der uns offen steht und zumindest die Hoffnung in sich trägt, dass jegliches Blutvergießen vermieden werden kann. Darum werden ich und die meinen Euch mit allen Kräften unterstützen, die uns derzeit zur Verfügung stehen, Dom Rondrigo.“

Nach kurzem Überlegen stimmten auch die anderen den Worten des Braasters zu und man brach wieder auf.


Autor: dalias

Während des kurzen Ritts kam Yppolita di Dalias y las Dardas nicht umhin, dem neben ihr reitenden Dom Amaros von Lindholz ab und an einen verstohlenen Blick zuzuwerfen. Die nächtliche Flucht durch den herbstlichen Wald hatte ihre Spuren an der einstmals grünen Geweihtenrobe und ihrem gegenwärtigen Träger hinterlassen. Doch trotz des Drecks an Haupt, Haaren und Kleidung, trotz der sichtbaren Zeichen von Müdigkeit und Anstrengung kam die Caballera nicht umhin zu bemerken, was für ein ausnehmend attraktiver, junger Mann neben ihr ritt. Er maß knapp neun Spann und war von schlankem, geschmeidigen Wuchs. Die edle Blässe seiner Haut verriet ganz und gar den Academicus und Adligen. Sein kurzes Haupthaar glänzte im sanften Morgenlicht golden. Seine Augen von den Farben der derischen Oceane und Meere schenkten ihr ein freundliches, mildes Lächeln, als er ihres Blickes gewahr wurde, mit dem sie ihn zu lange – viel zu lange – bedacht hatte.

Ihr Kopf wirbelte abrupt zur anderen Seite. Sie fühlte, wie das Blut in ihre Wangen schoss und sie errötete. Hinter ihr hörte sie die Stimme seiner Mutter, die sich mit Dom Rondrigo de Braast unterhielt. Sie kniff die Augen zusammen. Bei Rondra und Rahja verfluchte sie ihre Einfalt. Eigentlich brauchte sie sich gar nichts aus Dom Amaros zu machen. Er würde nie im Leben für sie empfinden, wie sie für ihn empfand. Er war zwar nicht der Gockel im Taubental, dieser Dom León, doch unleugbar schön war er. Sie aber, sie war einfach hässlich. Ihre Nase war zu groß, jeder sah dies auf den ersten Blick, dass den Göttern hier ein bedauerlicher Fehler unterlaufen war. Ihr Gesicht war ohne jeden Liebreiz. Ihre Hüften waren zu breit und ihr Bauch zu dick. Niemals würde sich Dom Amaros für sie interessieren. Zu allem Überfluss war er ausgesprochen tapfer: Er hatte es alleine mit einem Dutzend Angroschim aufgenommen. Und sie dagegen hatte sich vor seiner Mutter als feige, sich selbst verleugnende Lügnerin entpuppt. Am liebsten wäre sie auf der Stelle auf Mausegröße geschrumpft und hätte sich in einer der Satteltaschen verkrochen. Doch das Schlimmste war, dass sie arm war. Sie hatte nichts, kein Geld und nun noch nicht einmal mehr ein eigenes Pferd. Würde sie nicht diesen großen alten Namen vor sich hertragen, wäre sie ein Nichts, ein Niemand. Sie konnte gut nachempfinden, warum ihr Bruder Ranudo diesen Namen so sehr liebte. Ansonsten hatten er und sie keinen einzigen Schatz in dieser Welt.

Doch dieser Name, der Name Dalias, entfernte sie am weitesten von ihm. Mochten über all die anderen Gräben und all das Trennende Brücken geschlagen werden können, konnte niemals eine Dalias einem Lindholz den Hof machen und um ihn werben. Aber ihr Herz kannte eine andere Sprache. In dieser war Amaros von Lindholz mehr als nur ein Glied in einer uralten Kette von Feindschaften, Fehden, Verachtung und Hass. Über all dem lag etwas Wunderbares – Santa Catalinas heiliges Wirken. In all dem Chaos und den Wirren, der Vergiftung eines Barons und einem bewaffneten Angriff auf ein Pilgerfest, lag also auch der Grund und der Anfang von etwas unschuldig Schönem. Fieberhaft sammelte Caballera Yppolita die Krümel an Mut, die ihr geblieben waren, und drehte ihren Kopf zu Amaros von Lindholz. Als sie in seine unergründlich tiefen graublauen Augen blickte, wusste sie, dass sie etwas sagen musste. Sie wusste, dass sie etwas von sich und ihren Gefühlen offenbaren musste.

„Dom Amaros“, krächzte die Caballera mit kläglich heiserer Stimme und müde lächelnden Augen, „nicht nur Eure Mutter ist froh, dass Ihr diese Nacht so wohl überstanden habt – während meines Ritts mit dem Perainegeweihten nach Santa Catalina waren meine Gedanken mehr als nur einmal bei Euch... ich bin sehr froh, Euch gesund und wohl wiederzusehen...“ Errötend senkte Caballera Yppolita die Lider und wandte ihr Gesicht wieder etwas von Amaros ab.


Autor: lindholz

Für einige Augenblicke ließ sich der junge Zauberer die an ihn gerichteten Worte durch den Kopf gehen, während er mit Überraschung die zunehmende Farbe im Gesicht der neben ihm Reitenden verfolgte. In seine eigenen Gedanken versunken, drangen die an Domna Siona gerichteten Worte des Braasters nur dumpf und unverständlich zu ihm. Schließlich jedoch glätteten sich die nachdenklichen Falten um die schön geschwungenen Brauen. Seine Lippen formten ein müdes, aber ehrliches Lächeln, als er zu sprechen begann: „Ich danke Euch für Eure Worte, Domna Yppolita, die meinem müden Geist Lab und Wohltat sind. Und welch Freude es ist, zu erfahren, dass Seine Gnaden Salpena Santa Catalina in Eurer Begleitung wohlbehalten erreicht hat. Doch verratet mir: Waren unsere Mühen von Erfolg gekrönt? Konnte Bruder Perinyo seine Hochgeboren vor dem allzu frühen Schritt über die Schwelle des Todes bewahren?“

„Ich vermag es nicht zu sagen, Dom Amaros.“, gestand die Caballera mit belegter Stimme, „Eure verehrte Mutter wollte keinen Moment verstreichen lassen, derweil Euer Schicksal noch von dunklen Wolken überschattet lag, und ich begab mich mit ihr auf die Suche.“ „Welch edles Wesen ihr in Euch tragt, Domna Yppolita, dass Ihr Euch erneut solchen Strapazen aussetztet. Wahrlich, ich wünschte mir, Euch wäre statt dieser Beschwerlichkeiten ein erquickendes Bad vergönnt gewesen!“

Der junge Yaquirtaler ließ eine kurze Pause folgen, bevor ihn sein neugieriges Wesen dazu antrieb, seine Rede mit einer winzigen Zweideutigkeit zu beenden: „Wie sehr muss es Euch danach verlangt haben, von den duftenden Kissen eines weichen Lagers umfangen zu werden. Und ich kann Euch nur versichern, wie sehr ich dieses Begehren mit Euch teile.“


Autor: dalias

Caballera Yppolita schlug ihre Augenlider nieder. Auf seine Worte war Yppolita nicht vorbereitet. Sie war verunsichert, diese richtig verstanden zu haben. Teilte er etwa ihr Verlangen oder waren seine Worte bloß ein bösartiges Spiel mit ihr und ihrer Unzulänglichkeit? Das Lächeln wich von ihren Lippen und sie blickte ihn kurz an. Bald würden sie jene Stelle am Weg erreichen, an welcher sie die Zwerge zuletzt in Beratschlagungen vertieft verlassen hatten. Ihr Geist war müde, matt, ausgelaugt. Doch konnte sie seine Worte nun nicht unbeantwortet lassen. Vielleicht durfte sie es wagen, zu hoffen.

„Dom Amaros, Eure Worte – voll des Lobes – gebühren nicht mir, sondern ganz Eurer traviafrommen Frau Mutter und dem praiosfürchtigen Dom Rondrigo“, sprach Yppolita mit einem neckischen Zwinkern, „mein Teil war der geringste von allen. Doch bin ich geehrt, Euch – so die Götter wollen – in den lieblichen Rosengarten Rahjas, der Santa Catalina im Taubental ohngezweifelt ist, zurück zu geleiten. Ich hoffe, dass wir beide dort in den Genuss jener Ruhe, Erholung und Vergnügung kommen mögen, derer wir in dieser sich unendlich spannenden Nacht entraten mussten.“


Autor: vivar

Dom Rondrigo rollte mit den Augen und dachte sich seinen Teil über die beiden Yaquirtaler Turteltauben. Nach kurzer Zeit hatten die Adligen wieder jene Wegbiegung erreicht, an der man die Zwerge gelassen hatte und an der Väterchen Argmoschix und seine Brüder, Söhne und Brudersöhne noch immer darüber diskutierten, wie mit der Nachricht über den vermeintlichen Übergang der Baronswürde von Dom León auf Dom Remigius umzugehen wäre. Als sie entdeckten, dass die Großlinge zurückgekehrt waren und sich bedenklich vermehrt hatten, brachen sie ihre Beredung ab.

Der silberbärtige Argmoschix Sohn des Aurix hakte die Daumen in den Gürtel und zog höchst erstaunt die silbernen Brauen in die Höhe. „Bei Angroschs ehernen Zehennägeln! Ihr schon wieder!“, richtete er Stimme und Blick auf Domna Yppolita. „Wir sprachen gerade über Euch. Wer Ihr wirklich seid und ob Ihr wirklich in des jungen Remigius’ Auftrag nach Orondo fahren wolltet. Ist denn das der Verräter, den Ihr suchtet?“ Er nickte mit dem Kopf in Richtung Dom Rondrigos.


  1. Rog.: „Aus dem Weg, (weibliche) Sonnenkinder! Damit ihr nicht sterbt!“
  2. Rog.: „Bei Väterchen Angrosch! Die schwätzerische verrückte kühne Frau, die ich schon unter den heiligen Perainebäumen (bei Nacht) gesehen habe!“
  3. Rog.: „Gold-beständig-prächtige Halle“, Orondo.
  4. Dem von den Almadanis aufgrund seiner Vulgarität den Nordmärkern zugeschriebene Gruß wurde von einem Garether Mundartdichter ein schönes literarisches Denkmal gesetzt.