Chronik.Ereignis1033 Streit ums Taubental 46
Wie Domna Romina und Domnatella Zaida sich durch einen Hinterhalt nicht aufhalten ließen. Wie die Taladuris beschlossen, sich nicht länger foppen zu lassen. Wie mehrere schöne Damen und ein Kater zusammenwirkten, um Dom León aus dem Todesschlaf zu erlösen. Wie die Giftmörderin aufflog. Wie Tito der Rote seinem Namen alle Ehre machte.
Baronie Taubental, 4. Travia 1033 BF[Quelltext bearbeiten]
In den Straßen von Santa Catalina (1. Firunstunde)[Quelltext bearbeiten]
Autor: vivar
Die beiden Rösser schwitzten Blut, und Schaum stand vor ihren Mäulern. Um die Reiter war es nicht viel besser bestellt. Ein Gewaltritt lag hinter Romina, Zaida und Hagen, als sie im Morgengrauen die ersten Katen Santa Catalinas erreichten. Keiner der drei hätte sich zuvor ausgemalt, in dieser Nacht auf diese Weise der lieblichen Göttin zu opfern. Nun nur noch zum Tempel! Auf dem Pilgerfeld schien sich noch alles den glückseligen und unschuldigen Rausch des Vorabends auszuschlafen, denn es rührte sich nichts. Auch die Straße war nicht weniger friedlich als der Boronsanger, an dessen Mauer sie entlang ritten.
Mit einem Mal jedoch erklang ein surrendes Geräusch und ehe man sich's versah, stak dem Hagen von Mawet ein Bolzen im Oberschenkel und nagelte ihn an sein Ross, das gellend wieherte. Gleich darauf stürzte von links eine schemenhafte Gestalt aus einem Seitengässlein auf die Comtessa zu. Sie trug einen Caldabreser und war vermummt. Neben ihren Augen blitzte einzig und allein ein gezückter Säbel in ihrer hoch erhobenen Hand. Von rechts schwang sich ein Angroscho über die Friedhofsmauer, ein zwergisches Hackebeil in der Hand.
„Für Dom Remigio!“, rief die Vermummte, „Alstingen!“ der Zwerg. Ein Hinterhalt!
Autor: pildek
Der Schmerz riss Hagen aus seinen Gedanken. Gedanken? Der Ritt war wie in einem Tunnel gewesen und die Erschöpfung vermochte jeden Gedanken zu verwischen, noch bevor er sich dessen bewusst wurde. Sein Ross bäumte sich auf und er konnte es nicht halten. Das Wiehern oder besser das Schreien des Pferdes ging durch Mark und Bein. Er war zu überrascht, konnte sich nicht halten und rutschte aus dem Sattel. Mit letzter Kraft versuchte er, sich mit den Beinen fest zu klammern und hatte für einen winzigen Moment Erfolg, ehe der Bolzen sich aus Sattel und Pferd löste und Hagen unsanft zu Boden fiel. Im letzten Moment gelang es ihm, seinen Fall halbwegs abzufangen, während sein Pildeker, um den Reiter erleichtert, einige Galoppsprünge nach vorn machte.
Autorin: ehrenstein
Romina schien jenseits von Gut und Böse. Sie ritt wie im Fieber, schonte weder das Pferd noch achtete sie auf den Mann, der ihr folgte. Immer wieder murmelte sie ein Stoßgebet nach dem anderen und gerade als sie Rondra wieder mal angerufen hatte, surrte ein Bolzen und schlug ein. Sogleich stand ihr Körper in Flammen. Sie registrierte, dass weder sie, noch ihre Knappin oder ihr Pferd getroffen waren und nahm entschlossen ihr erschöpftes Tier fest zwischen die Schenkel.
„Zaida, festhalten!“ Dann trieb sie die rassige Stute gnadenlos genau auf die Frau mit dem Säbel zu. Kurz vor dieser nahm sie das Tier gekonnt hoch und sprang so knapp über die Renegatin, dass diese von den Füßen gefegt wurde. Romina lies eine wilden Schrei fahren und zügelte das Tier, so das es nicht weiter kam, sondern auf der Frau landete. Gleich darauf gab sie dem Tier die Sporen, dass es aufschrie und aus dem Stand angaloppierte. Es war ihr egal, was mit der Frau war. Es war ihr auch egal, was mit dem Albernier wurde. Es waren seine Leute, sollten sie ihn töten oder auch nicht. Sie würde León retten, koste es was es wolle.
Wild trieb die Grafentochter das keuchende Pferd im Galopp durch das Dorf.
Autor: vivar
Der Zwerg war gerade auf Hagen zugesprungen und wollte schon mit der Streitaxt auf den Wehrlosen eindreschen, als sich der Brust von Rominas Angreiferin ein Schmerzensschrei entrang. Stählern beschuhte Pferdehufe trampelten über sie hinweg. Das Geräusch splitternder Knochen war zu hören.
„Contessina! Nein!“ Entsetzt sah der Angroscho zwischen seiner rücklings am Boden liegenden Cumpanin und dem Albernier hin und her, der im Begriff war, sich mit Knien und Händen abzustützen, um wieder aufzustehen. Nach kurzer Verwirrung entschied der Zwerg sich dafür, zunächst letzteren mit einem herzhaften Stiefeltritt in die Leistengegend wieder zu Boden zu schicken und sicherheitshalber zusätzlich mit der stumpfen Seite der Axt auf das vom Bolzen getroffene Bein zu hauen, damit er auch erst einmal, sich in Schmerzen windend, dort liegen bliebe.
„So, du Großling!“, hielt er Hagen von Mawet das Axtblatt unter die Nase. Dieser atmete neben Staub und Dreck seltsamerweise auch Rosenduft ein, der vom graumelierten Schwarzbart des Zwergen auszugehen schien. „Jetzt zeig mal her, wo du die Zutaten hast – oder soll ich dich lieber einen Kopf kürzer machen?“
Autor: pildek
„Du Narr von einem Angroscho! Wenn du schon für einen Hinterhalt geschickt wirst, sollte dein Auftraggeber zumindest erwähnt haben, dass ich nur der Aufpasser bin und die Domna mit den Zutaten gerade über deine Freundin hinweg geritten ist!“, keuchte der Angesprochene.
Als der Zwerg zweifelnd einen erneuten kurzen Blick zu seiner Kumpanin schweifen ließ, nahm Hagen eine Handvoll Dreck und schleuderte diesen dem Angroscho entgegen, der aus Reflex seine Arme zum Schutz vor sein Gesicht hob. Sofort setzte der Albernier mit seinem Wurfmesser nach und traf den linken Arm seines Widersachers. Nicht sehr hart, aber immerhin so, dass er die Zeit bekam, sich unter Schmerzen weg zu rollen und mit dem Schwung auf den Beinen zu landen. Einen Herzschlag später hatte er auch schon seine Säbel in der Hand und lagerte sein Gewicht auf das gesunde Bein. Er wusste, dass er seine Schmerzen nicht zeigen durfte und er wusste auch, dass die Zeit gegen ihn lief. Seine Wunde blutete stark obwohl der Bolzen noch steckte und es stellte sich bereits ein leichtes Schwindelgefühl ein.
„Mann, wir sind auf derselben Seite! Welcher Idiot hat dich nur geschickt? Ich sollte bei der Domna bleiben, weil ich so bis zum Vivar komme, ohne Verdacht zu erregen! Jetzt ist sie weg und wird ihn vielleicht retten können und meine Klinge ist nicht nah genug dran, um ihn endgültig zu beseitigen.“ Hagen versuchte möglichst wütend zu klingen – ob der Situation fiel ihm das nicht schwer. Und er hoffte mit seiner Finte den Zwergen zu überzeugen.
Autor: vivar
„Wa-was? Wo-woher soll ich denn wissen, w-wer...?“, stotterte dieser verwirrt. Dann bemerkte er das Wurfmesser in seinem linken Arm, der, wie Hagen erst jetzt feststellte, auch der Waffenarm war. Der Zwerg stieß einen gebrummelten Fluch aus, kümmerte sich aber nicht weiter um das Messer, sondern rief über die Schulter seine Gefährtin an: „Contessina! Contessina! Der meint, er wär’ auf unserer – also auf Remigios’ Seite!“
Die am Boden Liegende hustete. „Der Sau...kerl...verarscht dich!“
Mit misstrauischem Blick richtete der massige Zwerg die Axt wieder gegen Hagen. „Verarschst du uns, hä? Wenn du uns verarschst, hack' ich dir die Knie ab, Großling!“
Autor: pildek
„Versuch's doch!“ zischte der Albernier. „Vorher solltest du aber mal nachdenken! Ihr wurdet geschickt, aber sicher nicht von Remigius. Lass mich raten: Der fette Seegraf war's. Hab' ich Recht? Und dann wird Dom Remigius sicher nicht erfreut sein, davon zu hören.“
Autor: vivar
„Der fette Seegraf?“ Der Zwerg kratzte sich mit der Rechten am Kopf. „Nein, es war Remigio von Alstingen selbst, der uns den Befehl gab, niemanden zum Vivar durchzulassen.“
„Ja..., Remigio... von... Alstingen... selbst“, hustete Contessina. Sie rollte sich zur Seite, ergriff ihren Säbel und quälte sich wieder auf die Beine. Ihr linker Arm war blau und baumelte leblos von ihrer Schulter, als ob all die darinnen befindlichen Knochen zu Brei zerschlagen worden wären. Schmerz verzerrte ihr durchaus ansehnliches Antlitz, als sie mit der Rechten die blutverschmierte linke Flanke abtastete. „Er selbst...“
Die Frau hustete noch einmal kräftig, dann richtete sie mit der unversehrten Hand den Säbel auf Hagen. „Komm, Turogosch. Irgendjemand will uns hier gehörig verarschen. Besser, wir verschwinden.“
Der Zwerg nickte, ohne den Albernier aus den Augen zu lassen. Langsam wichen die beiden in Richtung des Dorfausgangs und der freien Felder zurück.
Autor: pildek
„Verflucht, ich versteh gar nichts mehr!“, sagte Hagen mehr zu sich selbst. „Contessina, wie lang wartet ihr schon? Ich komm direkt vom Alcorta und Dom Gujadal aus Villanúa. Wie konntet ihr von den Zutaten wissen? Wir haben die Ehrenstein doch erst aufgegriffen und selbst Dom Cesk wusste bis vor wenigen Stunden nichts davon!“ Ihm wurde schwindelig und er ließ die Säbel sinken, nahm einen sogar als provisorische Stütze. ‚Wach bleiben Hagen, bleib verdammt noch mal wach! Und pass' auf. Sei keine leichte Beute. Bleib wach!‘ dachte der Albernier. Er blickte wieder zu den beiden Zurückweichenden, dann zu seinem Bein und die rote Lache, in der sein linker Stiefel stand, dann wieder hoch zu den beiden. Er hatte Mühe sich zu konzentrieren.
Autor: vivar
Der Zwerg wich weiter zurück. Contessina blieb einen Moment stehen, ohne jedoch den Säbel zu senken und rief trotz der Schmerzen mit dem den Almadanern eigenen Hoffärtigkeit: „Pass auf, du haferyaquirischer Tropf, damit du noch etwas lernest! Remigio von Alstingen... hm, hat auch hier im Dorf seine Augen und Ohren. Die haben uns über die Zutaten benachrichtigt und ausgesandt, jeden zu töten, der von Praios gen Taubental käme. Dich werden wir verschonen, weil du behauptest, auf unserer Seite zu stehen. Gehabe dich wohl und freue dich deines Lebens!“
Damit machte auch sie weitere Schritte rückwärts die Straße hinunter. Als die beiden Spitzbuben schließlich gute anderthalb Dutzend Schritt von Hagen entfernt waren, machten sie kehrt und nahmen regelrecht Reißaus. Bald waren sie hinter der Mauer des Boronsangers verschwunden.
Autor: pildek
Hagen blieb einen Moment stehen und sah den Flüchtenden nach. ‚Mit den kalten Alriks war es leichter‘, dachte er und sah sich nach seinem Pildeker um, der in einiger Entfernung stand und versuchte, seine Wunde zu lecken. Doch der Sattel verhinderte das und so drehte sich der Pferd bei dem Versuch im Kreis. Er bot ein sehr skurriles Bild. Mit letzter Kraft humpelte Hagen hin. Für jeden Schritt schien er eine Ewigkeit zu brauchen. Die verstohlenen Blicke der Erwachenden aus den Katen in der Nähe bemerkte er dabei nicht. Schließlich erreichte er sein Ross und konnte es beruhigen. Die Wunde war nicht tief und vermutlich störte nur der Sattel, der auf der Wunde scheuerte.
„Du musst mir helfen. Du musst mich zum Tempel tragen; ich schaffe es allein nicht mehr. Bitte!“, flüsterte er dem Tier zu und zog sich in den Sattel. Als würde das Pferd verstehen, ging es langsam los in die Richtung, in die Domna Romina verschwunden war. Hagen hielt sich mühsam im Sattel und sein Blick verschwamm.
Autorin: ehrenstein
Die Gedanken der Comtessa flogen. Sie konnte das Pferd nicht die Stufen zum Tempel hochtreiben, das erschöpfte Tier würde straucheln. Sie wusste aber nicht, ob ihre Beine sie noch die Stufen hinauf tragen würden. Kurzerhand und ohne langsamer zu werden, entschied sie sich für den längeren Weg durch den Nordteil des Dorfes, wo die Obstwiesen lagen. Laut dröhnten die Hufschläge in Rominas Ohren. Der Weg schien sich ewig zu ziehen. Von den Obsthainen erschallte das erste Vogelgezwitscher. Es roch deutlich nach frischem, frühem Morgen. Die junge Caballera schluchzte auf und trieb das stolpernde Tier durch die Klosterpforte auf den Tempel zu. Ein Schatten huschte von einer Mauer. Nur ein Kater, doch beiden Frauen schlug das Herz bis zum Hals. Hart zügelte Romina das Pferd vor dem Eingang zum Rosengarten. Sie musste sich zusammenreißen. Kühlen Kopf bewahren. Es konnte auch hier im Tempel noch Feinde geben. Sie glitt vom Pferd und hielt sich einen Moment mit zittrigen Knien am Sattel fest.
„Zaida, du bleibst immer direkt hinter mir, hörst du. Du bist meine Rückendeckung.“ Die frischgebackene Knappin nickte und stieg neben ihr ab. Das Mädchen hatte kaum Erfahrung, war ebenso erschöpft, doch sie war auch mutig und unerschrocken.
Romina versuchte ein Lächeln, klopfte dem halben Kind auf die Schulter und ließ den Sattel los. Ihre Beine trugen sie besser als erwartet. Sie zog den Säbel ihres Leutnants und stürmte entschlossen durch die Arkaden des Rosengartens in den Tempel hinein.
„Verzeih mir, liebliche Rahja“, kam es erst leise von ihren Lippen, dann wurde sie laut: „Wo ist die Zahorihexe? Man bringe mich zu ihr!“ Mit gezogener Klinge watete sie durch das Reinigungsbecken in den Tempel.
Im Rosentempel zu Santa Catalina (kurz darauf)[Quelltext bearbeiten]
Autor: vivar
Entsetzt schrien die verbliebenen Gäste und die Catalinenser, die bis jetzt an des Barons Seite gewacht hatten, auf, als die zerlumpte, verdreckte und blutverschmierte Comtessa den Vorhang beiseite schlug und in die Tempelhalle stürmte. Alle wichen von Dom León zurück, der noch immer bleich und schön dort lagerte, wo Romina ihn zurückgelassen hatte. Die Rose in seiner offenen Hand hatte beinahe alle ihre Blütenblätter verloren. Lediglich zwei kleine Blätter hingen noch am Blütenbecher.
Nur Bruder Zafir fasste sich ein Herz und stellte sich vor den schönen Vivar. Der Hospitiar breitete die Arme schützend aus und rief mit angstvollem Blick auf den Säbel: „Comtessa, seid Ihr denn bei Sinnen?“
Da alle Aufmerksamkeit dem fürchtenswerten Auftritt der säbelbewehrten Streitzigerin gewidmet war, bemerkte niemand, wie der prächtige aranische Kater, den diese zuvor auf der Mauer des Rosengartens erspäht hatte, hinter ihr durch ein offenes Fenster in den Tempel sprang und lautlos auf dem Boden landete.
‚Lurandir!’, dachte Melisandra Chaziani. ‚Bist du etwa nicht fündig geworden?’
Doch das Tier schnupperte nur kurz in der Luft, um dann zielstrebig auf den Zugang zur Krypta zuzuschleichen und darin zu verschwinden.
Autorin: ehrenstein
Die Lippen der Comtessa zitterten. Ihr Blick ruhte auf den Sterbenden. Er war so schön. Es stach in ihr Herz. Wenn es nur nicht zu spät war. Sie ließ den Säbel eine Handbreit sinken, wandte sich mit flatternden Lidern Bruder Zafir zu und holte tief Luft. „Bruder Zafir, ich war niemals so klaren Verstandes, aber selten war mein Herz so schwer und mein Körper so erschöpft. Man versuchte vielfältig zu verhindern, dass ich die Ingredienzien finde und hierherbringe.“ Sie löste mit der Linken ein Säckchen von ihrem Gürtel und hielt es ihm hin. „Bringt das hier schnell zu der Zahori, ich traue Euch. Sie soll sich eilen!
Ich aber werde hier bleiben und dafür Sorge tragen, dass Dom León noch lebt, wenn der Trank fertig ist. Bitte, eilt Euch, ich habe meinen Körper und meine Seele geschunden und mehr gesehen und versprochen, als mir lieb ist. Das Storchenei findet sich gemahlen in dem Talisman. Der Lotos ist in das Wachstuch geschlagen.“
Autor: vivar
Der Hospitiar starrte Domna Romina mit offenem Mund an. „Eine Heldin!“, brachte er schließlich hervor. „Ihr seid eine Heldin! Gelobt sei der Tag, da Ihr zuerst die Mauern dieses Klosters betratet!“ Und ehe die Comtessa es sich versehen konnte, hatte er ihren einen Kuss auf die aufgerissenen Lippen gesetzt.
Dann ergriff der junge Catalinenser den Beutel, machte kehrt, und eilte – wie zuvor der Kater – auf den Eingang zur Krypta zu. „Ich werde der alten Xsarsa ihre Zutaten bringen!“, rief er im Laufschritt. „Preis sei Rondra, Preis sei Rahja!“
Autor: damotil
Einen Augenblick hatte die Puniner Händlerin mit den aranischen Wurzeln noch dem Treiben rund um den schönen Baron zugesehen, dann aber den Entschluss gefasst, doch ihrem Vertrauten zu folgen. Sein Verhalten ließ für sie nur einen Schluss zu – er hatte die Gesuchte gefunden und sie war nicht weit. Sie war gerade ein paar Schritte gegangen, als einer der jungen Rahjageweihten an ihr vorbei eilte – dabei wenig göttliche Ruhe und Würde ausstrahlend, wie sie befand. Ein schrecklicher Verdacht befiel sie: wenn die Giftmischerin hier war, dann war womöglich die Zahori in Gefahr, die derzeit wohl die beste Hoffnung für den siechenden Dom León war. Frau Chaziani beschleunigte nun ebenfalls ihren Schritt, aber nur so, dass es nicht für Flucht oder ähnliches gehalten werden konnte. Sie verspürte wenig Lust darauf von einer Gruppe Vivargetreuer verfolgt zu werden, die sie für eine flüchtende Täterin hielten.
Autorin: ehrenstein
Die zerschundene Grafentochter war unschlüssig. Sie sah dem jungen Geweihten hinterher und dann wieder zu dem schönen Baron. Er schien wie aus Porzellan. Wie hatte sie ihn nur allein lassen können? Er schien so verletzlich, ja, er war ätherisch. Vielleicht war er zu schön für Dere, vielleicht war er für die Götter geschaffen worden und sollte nicht alt werden? Sie spürte, wie sich alles in ihr schmerzhaft zusammenzog. Daran durfte sie nicht denken. Ihr Leben würde um so vieles leerer werden, leerer um Dinge, die sie noch gar nicht kannte. Sie wischte durch die Luft und zwang sich, wegzusehen.
Wo bei allen Alveraniern war Domna Fiona? Sie sah sich um, ihr Blick blieb an Zaida hängen. Sollte sie das Kind wegschicken, die Mutter suchen oder war das zu gefährlich? Es war zum Verzweifeln, sie konnte einfach nicht überall zugleich sein. Sie würde zusammen mit dem Mädchen hier warten und beten.
Langsam, aber deutlich unter Spannung, begann sie vor der Bettstatt auf und ab zu gehen. Ihre Lippen bewegten sich im leisen Gebet, ihre Augen durchmaßen eisig den Tempel, sie gab deutlich zu verstehen, dass alle auf Abstand zu bleiben hatten.
Autor: vivar
Yashima saba Dhachmani, die Muhme des Barons, war auf die Knie gefallen, hatte die beringten Hände wie eine nach oben offene Schale ausgebreitet und begann ebenfalls murmelnd zu beten. Elena de las Dardas y Sangrín ergriff die Hand ihrer zerlumpten Schwester und drückte sie fest. Die unglückselige Leonora vom Berg zitterte bereits vor Erschöpfung, doch auch sie kniete und formte mit ihren Händen die Gebetsschale, mit der die Sterblichen die Empfänglichkeit für das Göttliche signalisieren.
Von den Catalinensern waren nach Bruder Zafirs Abgang seltsamerweise nur Schwester Isandra und ein schwarzgelockter Novize übrig geblieben. Wo mochten der Abt und die anderen sein?
Melisandra dagegen folgte – Böses ahnend – dem Catalinensermönch und dem Kater Lucrandir in die Eingeweide des Klosterhügels hinab und erreichte schließlich zeitgleich mit Bruder Zafir die Krypta. Sie hatte kaum Zeit, im Vorbeihuschen das kreisrunde Gewölbe zu bestaunen, in welchem der silberbeschlagene Sarkophag der Santa Catalina aufgebahrt war, noch die Gruften der Äbte und Äbtissinnen auf der steinernen Galerie oder die zwölf großen Kandelaber.
Bruder Zafir zog zunächst verwundert die Brauen hoch, als er feststellte, dass ihm jemand gefolgt war. Beim Anblick der betörenden Aranierin lächelte er jedoch. „Das ist aber freundlich, dass Ihr mich beglei– aber was ist das? Wo ist denn Eulalia?“ Er wies auf die Kammer der Totensalbung, aus der immer noch Feuerschein und leise Gespräche drangen, und vor der die genannte Schwester andächtige Wache gehalten hatte.
Die Aranierin interessierte sich nicht sonderlich für den Verbleib der Catalinenserin, sondern sah sich im Halbdunkel nach ihrem Vertrautentier um. Sie spürte ihn, bevor sie ihn erblickte. Ein stechender Schmerz durchfuhr sie, als ob ihr jemand in die Magengrube getreten hätte – und da kam Lucrandir auch schon in hohem Bogen aus Richtung einer der zwölf Türöffnungen herangesegelt. Er miaute ganz kläglich und sah im Flug wenig elegant aus, landete aber selbstverständlich nach Katzenart auf seinen vier Pfoten vor Melisandras Füßen. Wütend fauchte er an, wer oder was immer ihn durch die Luft befördert hatte. Dann verbarg er sich eilig hinter Melisandras bodenlangem Rock.
Aus dem Schatten trat eine Frau. Sie war von kleiner Gestalt und mochte für sehr schlank, fast für ausgezehrt gelten. Unter der kurzen Lederweste, welche die langen, sonnengebräunten Arme freiließ, zeichnete sich ein flacher Busen ab. Ein gewickelter, bodenlanger Rock verbarg ihre Beine, nicht jedoch die Füße, die jegliches Schuhwerk vermissen ließen. Das Auffälligste an der Frau war ihre kupferfarbene Lockenpracht, die ungebändigt und wild vom Kopfe abstand. Sie fiel ihr bis auf den Rücken und umrahmte ein edel geschnittenes Gesicht mit hohen Wangenknochen und grün funkelnden Augen.
Sie atmete schwer. Blut troff von ihrer rechten Hand, die ein rot glänzendes Messer umklammert hielt. „Er ist also noch nicht tot?“, verlangte sie zu wissen.
„W-wer seid Ihr und was treibt Ihr in der Krypta der Santa Catalina?“, stammelte Bruder Zafir entgeistert.
„Phelicitas de Bejar y Vivar bin ich, mein Hübscher. Von den Unter-Puniner Freiern nur 'Pheli' genannt. Tochter eines Bastards und Mutter eines solchen, sowie direkte Nachfahrin der Alena de Bejar, Baronin im Taubental, und ihres Gemahls Eslam de Vivar, der Schande über seine und ihre Familia brachte und von seiner Tochter, meiner Mutter, vergiftet ward. Ich hab' hier, zwischen den morschen Knochen meiner teuren Verwandten Zuflucht gesucht, um mich vor Praios' strafendem Licht-Blick zu verbergen. Es schien mir angebracht, denn wiewohl meine Tat vor Praios' Augen nicht bestehen mag, so mag sie es doch vor Borons, dem ich mich als Werkzeug angedient habe und der hier unten gemeinsam mit Rahja herrscht, die ich stets im Sinn hatte. Ich verbarg mich, bis mich das vermaledeite Katzentier aufstörte – und eine deiner Schwestern, Catalinenser, mir mitteilte, dass er seinen letzten Atemzug immer noch nicht getan hat. Ist das wahr? Lebt er noch?“
„Wer, bei Rahja?“
„Der schöne León, natürlich. Lebt er noch?“
„Er ringt mit dem Tode. Wir bangen bereits die halbe Nacht um ihn! Doch können wir ihn noch heilen!“ Der Hospitiar wollte einen Schritt in Richtung der erleuchteten Kammer machen, doch ‚Domna’ Phelicitas – wenn man sie so bezeichnen mochte, denn nach einer Angehörigen der Nobleza sah sie wahrlich nicht aus – hob sofort das geschwungene Klappmesser.
„Stehen geblieben, Brüderchen. Er lebt also noch, und ich bin gescheitert. Verflucht sei das Gift und diejenige, die es mir verkauft hat! So muss ich selbst Hand anlegen!“
„Nein!“, entfuhr es dem Hospitiar. „Macht Euch nicht unglücklich, Domna Phelicitas!“
„Ha! Wenn du wahres Unglück kenntest! Meines beschissenen Lebens glücklichster Tag wird heute sein, da ich den Soberan der Vivar tot sehe!“ Sie schritt, den Messerarm gegen Bruder Zafir und Melisandra gerichtet, in Richtung der Wendeltreppe, die auf die Galerie und dann nach oben in den Tempel führte.
Autor: damotil
Melisandra fixierte die Bastardin. Wut und Zorn loderten hell und wild in ihr auf. Dieses elende Miststück hatte es gewagt, Lucrandir zu treten, Blut im Tempel vergossen, führte zudem noch widerwärtige Rede an diesem heiligen Orte der Rahja, drohte ungeniert damit Dom León nun endgültig zu ermorden - und obendrein war sie jene, die sie in Gefahr zu bringen vermochte. Zwar kannte sie nicht diese Gestalt, denn bei der Übergabe hatte eine Illusion ihr wahres Aussehen verborgen, aber die augenscheinlich irrsinnige Pheli wusste deutlich zu viel. Wo war sie da nur hineingeraten? Für einige Augenblicke traf ihr Zorn nun auch ihre ehemalige Lehrmeisterin und eigentliche Inhaberin des Handelshauses, aber dann zwang sie ihre Gedanken wieder zurück an diesen heiligen Ort, tief unten in dem Leib Deres unter dem Rosentempel.
„Bruder Zafir…“, sprach sie mit harter, entschlossener Stimme. „Seht nach der Zahori! Sie ist der Schlüssel zum Leben des Barons! Geht, Bruder! Ich kümmere mich um diesen ungebetenen Gast!“
Bruder Zafir war bereits vor der wütenden und offensichtlich zu allem entschlossenen Furie zurückgewichen und diese glitt nun tänzerischen barfüßigen Schrittes weiter in die Richtung, aus der Melisandra und der Diener der schönen Göttin eben gekommen waren.
„Geht, Bruder Zafir!“, forderte Melisandra nochmals energisch gab ihm einen kleinen Schubs an der Schulter, um ihn in die Richtung zu senden. Dann packte sie ihren maunzenden Kater und folgte Pheli die Treppen hinauf. Zu gern hätte sie all die finsteren Verwünschungen, die sie kannte, auf jene vor ihr die Treppen hinaufeilende Furie herabbeschworen, aber das war zu auffällig. Nein, dass konnte nicht der Weg sein. Fieberhaft rang sie in ihrem Geist mit ihren Möglichkeiten und dann fasste sie den fast schon aberwitzigen Plan. Ein finsteres Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie Lucrandir streichelte und dann wieder absetzte. „Pheli!“, rief sie der Voranstürmenden hinterher. „Hört mich an! Erinnert Euch an das Rote Zelt zurück!“
Die Angerufene blieb abrupt stehen und wandte sich um. Ihre Augen fixierten mit zuckendem Blick die rahjagefällig gekleidete Puniner Domna, welche gerade die letzten Stufen zu Galerie hinauftrat, durch die an dieser Stelle der Weg nach oben unterbrochen wurde. „Ihr?“ Die Augen zu schmalen Schlitzen verengt, betrachtete Phelicitas de Bejar y Vivar die Frau, in der sie in der Tat die Gifthändlerin wieder zu erkennen glaubte.
„Hört mir zu!“ Melisandra dämpfte ihre Stimme etwas. Diese Scharade kostete sie alles, was sie an Selbstbeherrschung aufzubringen vermochte. „Wenn Ihr weiter stürmt, werdet Ihr durch eine der Klingen da oben sterben, die Dom León bewachen. Es wäre nichts gewonnen.“ Die Hexe baute darauf, dass ihre Worte bereits die Mörderin aufhorchen lassen würden, aber fast schon unterbewusst ließ sie ihre Kräfte begleitend auch in jenen Zauber fließen, den die Gildenmagier Bannbaladin nannten. Sie war sich nicht sicher ob er wirkte, aber es war ihr so oder so gelungen, die Aufmerksamkeit der Frau zu gewinnen. Sie musste näher an sie heran! „Hört mir zu…“, säuselte sie, erneut ihr schauspielerisches Geschick in die Waagschale werfend. „Ich habe einen Plan, wie Ihr erlangen könnt, wonach ihr begehrt. Euer Sohn braucht Euch!“
Pheli zögerte, aber nach einem bangen Moment für Melisandra stieg sie dann die zwei Stufen wieder hinab und trat näher an sie heran. „Sprich, Weib!“, herrschte sie zischend die Patrizierin an.
Wieder brauchte es deren gesamte Beherrschung, damit der inzwischen wallend in ihr lodernde Zorn sich nicht direkt Bahn brach. Behutsam machte sie einen Schritt auf Pheli zu, bis sie wenige Spann vor ihrer Kundin stand, die noch immer das Klappmesser in ihrer Hand hielt. Nur schwach erleuchteten die Öllampen die Treppen und tauchten diese in ein seltsam rötlich flackerndes Zwielicht, während neben ihnen dunkel der Schlund in die Tiefen des Tempelberges gähnte, nur abgetrennt durch eine niedrige Balustrade die an eine Rosenhecke gemahnte. Melisandra spürte das Kribbeln in ihrem Nacken. Sie wusste, dass sie hoch spielte, dass sie ihr Leben als Einsatz bei diesem Boltanspiel einbrachte, welches gleich beginnen würde. Aber diese Schlange, dieses Biest, dieses verräterisches irrsinnige Miststück würde für alles bezahlen, was sie angerichtet hatte und wenn es das letzte war, was Melisandra tat.
Sie ließ ihre Gedanken, ihre wogenden Gefühle Form annehmen, lenkte diese erneut in arkane Bahnen. Sie konnte förmlich spüren, wie Lucrandir hinter ihr die Krallen ausfuhr. Sie konnte spüren, wie die Kraft floss, wie sie sie durchdrang und wie sie Gestalt in ihren Fingern annahm. Langsam hob sie die Rechte, aber noch waren die Krallen verborgen, und deutete die Treppe hinauf, nur wenig von Phelis Hals entfernt. „Dort oben“, sprach sie mit kratzender Stimme, die kaum noch ihre Erregung zu verbergen mochte. „da… da warten sie auf Euch. Um der feigen rothaarigen Giftmörderin ihr gerechtes Ende zu bereiten.“
Zorn blitzte in Phelis Augen auf.
„Aber ich habe eine bessere Idee...“ Bei diesen Worten ließ sie ihren ausgestreckten Arm ein wenig mehr zur Seite pendeln. Dann ließ die Krallen aus beiden ihren Händen blitzartig herausfahren und mit aller Kraft, aller Geschwindigkeit, die sie aufbieten konnte, schossen ihre Hände vor, um den bloßgelegten Hals Phelis vor ihr mit einem Schlage zu zerfetzen. All ihre Wut, all ihr Zorn, all ihre Verachtung, ihr Schuldbewusstsein und ihre Angst flossen in diese beiden Hiebe ein…
Pheli hatte die Falle im letzten Moment erkannt und ihr Klappmesser hochgerissen. Die blitzende Klinge schnitt tief in Melisandras linken Arm und lenkte diesen fort. Doch der Hieb der Rechten traf und die messerscharfen Krallen rissen den blanken Hals der Bastardin auf.
Röchelnd hob diese ihre Linke an den Hals. Zwischen ihren Fingern strömte nun im Takt ihres Herzens das Blut heraus.
Die Aranierin biss die Zähne zusammen, zwang sich den pochenden Schmerz zu ignorieren und fasste nach der röchelnden und nach Luft schnappenden Pheli, um sie unter Aufbietung aller ihrer Kräfte, befeuert durch diesen lodernden Zorn in ihren Adern, in Richtung der Balustrade zu zwingen. Lucrandir kam ihr zur Hilfe. Er sprang Pheli an; rannte förmlich an ihr empor, um seine Krallen in ihr Gesicht schlagen zu können.
Erneut gelang es Pheli, ihr Klappmesser einzusetzen. Beißend drang der Stahl der Klinge in den Oberschenkel von Melisandra ein, die gellend aufschrie. Zugleich aber hieb der Kater nach den Augen der Adligen, worauf diese die Hände hochriss, um den wild gewordenen und tobenden Kater abzuwehren. Diesen Moment nutzte Melisandra für sich und stemmte sich gegen ihre Widersacherin, stieß sie zurück.
Die steinernen Rosen der Balustrade brachten Phelicitas de Bejar y Vivar schließlich zu Fall – die Giftmörderin verhakte sich mit ihrem Rock daran und stürzte rücklings über die nur drei Spann hohe steinerne Absperrung. Beide Frauen schrien markerschütternd auf – die eine vor Schmerz, hervorgerufenen durch die Klinge in ihrem Bein, die andere ob des unerwarteten Falls. Taumelnd trat die über und über mit Blut besudelte Melisandra einen Schritt von der Balustrade zurück. Stille legte sich erneut über diesen Ort – wenn man von dem bald einsetzenden kläglichen Mauzen Lucandirs und dem rasend gehenden Atem der Hexe absah. Die Welt begann sich um sie herum zu drehen und mit letzter Kraft griff sie nach der Klinge und zog diese aus ihrem eigenen Fleisch heraus. Noch schneller drehte sich nun die Welt um sie und sie sank kraftlos auf den Boden. Sie wollte nach Hilfe rufen, nach Hilfe schreien – aber mehr als ein gekrächztes „'Lfe!“ brachte sie nicht heraus…
Autor: vivar
Von dem tödlichen Ringkampf auf der Galerie der Krypta unbehelligt, hatte derweil die alte Xsarsa Espadín aus Bruder Zafirs vor Erregung zitternder Hand den Schwarzen Lotos und das Amulett mit dem Storcheneipulver entgegengenommen und schnurstracks in den dampfenden Kessel gegeben. Unter den innigen Gebeten Domnatella Aliseas, Meister Perinyo Salpenas, und des Catalinensers sowie mit dem ihr eigenen Gebrabbel, das keiner der anderen drei verstand noch verstehen wollte, rührte sie die letzten fehlenden Zutaten in den Trank ein, der durch das lange Einkochen bereits hochkonzentriert war.
Schließlich ergriff sie den zu diesem Zweck bereit gehaltenen Kelch und schöpfte die rötliche Flüssigkeit mit dem Rührlöffel hinein. Eine Weile zögerte sie, dann übergab sie Alisea von Lindholz den Kelch. „Die alte Xsarsa hat getan, was sie konnte, doch sie ist an diesem Morgen eine alte und müde Frau. Um die Stufen aus diesem Grab bis zum Tempel zu erklimmen, und dem Toten das Leben zu bringen, bedarf es junger, kräftiger Beine, wie du sie hast, Verruga. Eile dich und bring den Kelch dem schönen León! Aber verschütte nichts, sonst ist alles verloren. Ich muss mich... erst einmal... ausruhen.“ Erschöpft ließ sich die runzlige Alte auf einem Hocker nieder.
In diesem Augenblick ertönte von außerhalb der Kammer ein gellender Schrei und kurz darauf ein dumpfer Schlag. „Domna Melisandra!“, entfuhr es Bruder Zafir.
Autor: lindholz
Den Blick auf den Heilung versprechenden Trank in Ihren Händen, hauchte die junge Adlige ehrfürchtig ein: „Habt Dank. Ich werde es wie meinen Augapfel hüten.“ Und vergaß ob der Hoffnung auf ein Überleben des Barons vorübergehend gar Ihre Abneigung gegenüber der runzligen Alten. Dann eilte sie Zafir Contador hinterher, der bereits, von Sorge getrieben, den Ausgang der Kammer erreicht hatte und dabei den Geweihten der Peraine mit sich zog.
Vor dem Kloster (gleichzeitig)[Quelltext bearbeiten]
Autor: pildek
Hagen hatte inzwischen die Treppe zum Tempel erreicht und hatte Mühe, seine Sinne beieinander zu halten. Er ließ sich aus dem Sattel gleiten und wurde durch den Infernalen Schmerz in seinem Bein wieder ins Diesseits zurück gerissen. Der Blick auf die Stufen entlocke ihm ein Seufzer, aber er begann jede einzelne hüpfend zu meistern.
Autorin: beiras
Mit langen Schritten näherten sich Dom Franco und Tito dem Klosterhügel, immer noch von der Hundemeute begleitet. Wie sollte er weiter vorgehen? Was mochte bis jetzt im Kloster geschehen sein? Ob sein Vetter noch lebte? Ob die Ingredienzien ihm helfen würden? Wütend blickte Franco Tito an, der still versuchte, mit Franco Schritt zu halten. War es vernünftig, ihn gerettet zu haben? Und wie würde er dafür zahlen müssen?
„Ihr verhaltet Euch ruhig; sagt nichts. Auch, wenn Euch jemand anspricht. Habt Ihr mich verstanden? Eure Zukunft steht auf dem Spiel. Wo ist Eure Mutter?“
Tito zuckte nur mit den Schultern. Die Entführung und Verbringung in einem Sack war nicht spurlos an ihm vorüber gegangen. „Ich weiß nicht, wo sie ist. Aber sie ist sicherlich in seiner Nähe...“, spie er aus.
Dom Franco nickte. Mittlerweile hatten sie den Platz vor dem Kloster erreicht. Einer seiner Mercenarios hob den Kopf als er den Baron erkannte und ging ihnen entgegen. „Es herrscht ein reges Kommen...“ Dom Franco nickte kurz. „Wir gehen auch rein. Ich möchte mir selbst ein Bild der Lage machen. Gib ihm deinen Umhang.“
Einen Moment zögerte der Mann, dann zog er seinen Umhang aus und reichte ihn Tito, der sich diesen stirnrunzelnd umwarf. „Zieht die Kapuze tief ins Gesicht. Wir wissen nicht, was uns im Tempel erwartet.“
Diese Erklärung erschien Tito sinnvoll, so dass er tat wie ihm geheißen.
Die beiden Männer erklommen die Stufen zum Tempel, leichtfüßig wie die Hunde, die ihnen folgten. Weit vor ihnen humpelte ein einsamer Mann die Treppenstufen hinauf. Dom Franco hatte das Gefühl, dass ihm die Tiere noch helfen würden. Als sie oben angekommen waren, widmete der Aristokrat dem humpelnden Kerl, wohl ein Bettler, nur einen kurzen Blick der Verachtung. Dom Franco griff in den schweren Stoff von Titos Umhang und schob ihn vor sich her. Eilig durchquerten Dom Franco und Tito den Rosengarten. Das Portal wurde von zwei Ehrensteiner Gardisten und zwei seiner Mercenarios bewacht. „Mögen die Zwölfe wohlwollend auf unsere heutigen Taten blicken“, sagte Dom Franco. Daraufhin traten der Baron und der Möchtegernbaron an den Wachen vorbei in den Tempel. Wie verabredet sagte Tito kein Wort.
Autorin: ehrenstein
Morisco, einer der zwei Männer mit dem Wappen derer von Ehrenstein, war auf Hagen zugetreten und wollte gerade etwas sagen, als auch schon Dom Franco samt Hunden vorbeirauschte. Kurzentschlossen wechselte der Ragather Veteran die Priorität und überließ den unbekannten, blutbesudelten Recken den Bangourer Mercenarios. Die gräflichen Gardisten folgten indes dem behundeten Magnaten.
Im Rosentempel zu Santa Catalina (kurz darauf)[Quelltext bearbeiten]
Im Tempelraum zuckten die beiden verbliebenen Catalinenser und ihre Gäste ob der beiden Schreie zusammen. Alles wandte sich in die Richtung des Krachs. Nur zögerlich machte der eine oder andere einen Schritt.
Die Comtessa war stehengeblieben. Sie ballte kurz die Fäuste. Ihr Herz schlug bis zum Hals. Sollte sie nachschauen gehen und den Vergifteten alleine lassen? Was, wenn die Ingredienzien zerstört worden waren? Aber da hatten zwei Frauen geschrien, kein Mann. Sie schaute zu Dom León und versuchte den Kloß in ihrem Hals hinunterzuschlucken. Wenn ihn hier jemand erstach, war es egal, was mit dem Heilmittel war. Aber ohne das Heilmittel war er auch verloren.
Sie keuchte und wollte sich gerade abwenden, als Dom Franco samt seinen Kötern die Halle betrat. Sie spannte sich, drehte kurz den Säbel in der Rechten, um ihn wieder locker zu halten und glitt gewandt vor die Liege des Barons. Sie senkte die Waffen gerade soviel, wie es noch schicklich war, ohne direkt zum Kampf aufzufordern und zog die Augen zusammen. „Dom Franco de Beiras, Ihr habt aus Versehen Eure Hunde mit hier hineingebracht. Ich bin mir sicher, das war ein Versehen und Ihr bringt die Biester directamente zurück nach draußen.“
Ihre Stimme war ärgerlich und duldete keine Widerrede. Sie hatte nur noch wenig Ähnlichkeit mit der adretten, elegant gekleideten Grafentochter, die sie vorher gewesen war. Sie trug nur noch ihre wattierte, jetzt vielfältig zerrissene Unterkleidung, war blutbesudelt und schien überall zerkratzt. Ihre Haartracht hatte sich aufgelöst, die blonden Locken bildeten eine wirre Mähne. Nur ihre blauen Augen waren unverändert kühl, kontrolliert, aber auch wild entschlossen.
Ihre Knappin Zaida stellte sich direkt zu dem Vergifteten und achtete nur auf die Hunde.
Autor: lindholz
Mit sicheren Schritten hastete derweil Domnatella Alisea durch die Heimstatt der hochgeborenen Toten. Mochte ihr Bruder auch noch so oft darüber gespottet haben: In diesem Augenblick zahlte es sich aus, dass sie schon als junges Mädchen mit einem Buch auf dem Haupt durch die Zimmer stolziert war und an ihrer perfekten Haltung gefeilt hatte, während ihre Schwester ihre Zeit damit verschwendete, die ebenso staubigen wie staubtrocken Wälzer zu lesen! Nur kleine Wellen an der Oberfläche der im Fackelschein rötlich schimmernden Flüssigkeit zeigten, dass sie überhaupt bewegt wurde.
Am Fuß der Treppe hinauf zur oberen Ebene der Krypta konnte Alisea zu den beiden Geweihten aufschließen. Die Götterdiener knieten neben einer im Schatten der Stufen liegenden Gestalt. Die junge Adlige konnte nur ein barfüßiges Frauenbein ausmachen, das in einem unnatürlichen Winkel abknickte.
„Die Attentäterin lebt nicht mehr“, verkündete Perinyo Salpena mit ausdrucksloser Stimme.
„Möge Rethon das Licht in ihrer von Schatten verfinsterten Seele finden“, ergänzte der Hospitiar des Rahjatempels, darum bemüht, selbst einer Verbrecherin nicht die ewige Verdammnis zu wünschen.
Schweigend machten sich die Drei an den Aufstieg, doch schon am ersten Treppenabsatz wartete der nächste grausame Fund auf sie. Wie leblos lag die zusammengesackte Gestalt der Domna Melisandra da. Rotes Blut verunstaltete ihre Kleidung und breitete sich als trüb schimmernde Lache auf dem von Menschenhand geformten Stein des Bodens aus. Sofort eilte Bruder Perinyo zu der danieder gesunkenen Gestalt. Noch immer sickerte der Lebenssaft aus einer tiefen Wunde am Oberschenkel und selbst als Laie konnte Domnatella Alisea erahnen, dass es nicht gut um die Fernhändlerin stand.
„Tut, was Ihr könnt, Euer Gnaden“, brachte die blonde Yaquirtalerin mit belegter Stimme hervor. „Ich werde oben berichten, was hier geschehen ist und jemanden zu Euch schicken.“
Perinyo Salpena war bereits dabei, das Bein mit seinem Gürtel abzubinden. Leider war seine Kleidung ansonsten so verdreckt von Schweiß und Straßenschmutz, dass sie als provisorisches Verbandszeug völlig ungeeignet war.
„Bruder Zafir, ich brauche Euer Gewand“, sprach er kurzentschlossen den Diener der Rosengöttin an. Dieser hatte wohl damit gerechnet, in dieser Nacht sein Gewand abzulegen. Vielleicht hatte er sogar nicht ausgeschlossen, dass ein Mann es in Streifen reißen würde, wie es Perinyo Salpena nun tat, doch sicherlich war er von rahjagefälligeren Umständen ausgegangen. Dennoch tat er sein Bestes, dem Heiler zur Hand zu gehen, als dieser das Hosenbein der Domna behutsam abtrennte und einen Druckverband anlegte. Der würzige Duft wilden Knoblauchs breitete sich in den steinernen Hallen aus, während der junge Orondini seine Göttin um ihren Beistand anrief: „Peraine, milde Helferin, füge zusammen, was entzweit. Spende Lebenskraft, wo Leben vergossen wurde…“
Zu Alisea von Lindholz drangen die Worte nur noch als fernes Säuseln, während sie endlich die bedrückende Krypta hinter sich ließ und in den großen Festsaals des Klosters eilte. Nur noch wenige Schritte trennten sie von der Liege des Barons, in dessen blassen Händen eine fast verwelkte Rose von seinem nahenden Ende kündete. „Ich habe den Heiltrank! Doch Domna Melisandra ist schwer verletzt und benötigt dringend Hilfe!“, verkündete die junge Yaquirtalerin aufgeregt.
Autor: vivar
„Eile dich, mein Kind!“, rief Yashima saba Dhachmani und winkte der jungen Lindholzerin zu. „Die Bläue des Himmes kündigt schon vom Morgen!“ Unruhig irrte der Blick der feisten Khunchomerin zwischen Domnatella Alisea, der zerschundenen Domna Romina und dem düsteren Dom Franco hin und her, wanderte über dessen verhüllten Begleiter und die schwarzen Hunde und gelangte schließlich zu den hohen eslamidischen Glasfenstern des Tempels, hinter denen tatsächlich bereits der Tag zu erahnen war.
Autor: lindholz
Die Domnatella nickte ernst und eilte zur Ruhestatt des Barons. Den Becher in der einen Hand nahm sie auf dem Rand der Liege Platz. Behutsam bettete sie den Kopf des sterbenden Lebemannes in ihren Schoß, öffnete sanft seine Lippen und begann damit, ihm das Antidot einzuflößen. In einem dünnen Rinnsal tröpfelte die hoffnungsverheißende Arznei in den Mund des Vivars.
Für einige Herzschläge befürchtete Alisea, dass der Baron schon zu geschwächt war, doch dann verzogen sich seine wohlgeformten Augenbrauen, als sein dahindämmerndes Bewusstsein bemerkte, das etwas ihm den Rachen füllte und mühsam begann er zu schlucken. Die schöne Lindholzerin beugte sich erleichtert hinab. „Trink, trink, mein schöner Leon. Es ist noch zu früh, um mit dem düsteren Herrn Boron anzubandeln.“
Autor: pildek
Hagen selbst nahm den Strom der Neuankömmlinge, die an ihm vorbei eilten, wie ein Außenstehender wahr. Hatte der mit den Hunden ihn gegrüßt? Was wollte der Soldat, hatte er was gesagt? ‚Konzentrier Dich!‘ dachte er und verlagerte sein Gewicht auf das verletzte Bein. Niederhöllischer Schmerz war die Antwort darauf und ein grimmiges Grinsen: „Geht doch!“ murmelte er leise.
Eine leichtbekleidete Frau, die zu ihm kam, fragte: „Bei der lieblichen Göttin, was ist Euch widerfahren?“
„Es geht, meine Schöne,“ sagte der Albernier. „Bringt mich hinein, ich glaub es könnte sich lohnen.“ Durch die Tür konnte er Domna Romina sehen und hinkte mit Hilfe der Rahjani auf den Pulk von Leuten zu.
Autorin: beiras
Fast wie in Stein gemeißelt saßen die Hunde hinter ihrem Herrn. Die Unruhe der Menschen schien sie wenig zu stören. Als erste Reaktion auf die barschen Worte der Comtessa befahl Dom Franco den Tieren durch eine Handbewegung, sich hinzulegen. Sein Blick weilte auf dem Leib seines Vetters, der noch immer regungslos auf der Bettstatt lag. Eine blonde Jungfer flößte ihm etwas ein. Er lebte also noch. Doch bevor sich dieser Gedanke in seinem Kopf festsetzen konnte, hörte er aus der Tiefe des Abgangs zur Krypta den Ruf: „Die Mörderin ist tot!“
Neben Dom Franco zuckte Tito bei den Worten, so dass sich dessen Griff an Titos Arm verstärkte. Innerhalb eines Wimpernschlags fällte er eine Entscheidung. „Verzeiht, wenn ich in aller Eile meine treuen Wachhunde mit in diesen heiligen Ort gebracht habe. Es geschah nicht, um die Ruhe dieses Ortes zu stören. Und Ihr seht, sie sind keine Bedrohung. Nicht für Euch und für niemanden hier, schon gar nicht für meinen Vetter. Viel mehr dienen sie auch seinem Schutz. Denn sie sollen meinen Begleiter daran hindern, zu fliehen oder sein Werk zu vollenden...“ Seine Stimme war schärfer geworden.
Mit einem Ruck riss er dem verdutzten Tito die Kapuze vom Kopf. Ungebändigte schwarze Locken, eine scharf gebogene Adlernase ungläubig aufgerissene Smaragdaugen kamen zum Vorschein. „Sehr her! Dieser Jüngling war es, der kurz vor dem Attentat Dom León verhöhnte... der von seinem Tode sang!“ Während seine Worte durch die Halle drangen, hielt Dom Franco Tito am Schlafittchen fest.
Autor: vivar
Dieser blickte den Baron von Bangour zunächst an, als könne er nicht begreifen, was dieser soeben ausgesprochen hatte. So wie der Tag anbrach, so dämmerte es auch dem rot gewandeten Jüngling, dass er betrogen worden war. „Hund! Hund und Sohn von einem Hund!“, schrie er, die Fratze von Hass verzerrt. Etwas blitzte im Kerzenschein auf, und ehe Dom Franco es sich versah, hatte er einen Schnitt in der Wange.
Mehr vor Verwunderung als vor Schmerz ließ Dom Franco Tito von Taladurs Nacken los, um sich mit den Fingern der Rechten über das Gesicht zu fahren und mit einer gewissen Enttäuschung festzustellen, dass sein eigenes Blut, dass an diesen klebte, keineswegs blau, sondern von gewöhnlichem Rot war. Dann griff er wieder nach dem Jüngling.
Dieser aber tauchte unter seiner Hand weg und stürmte, die erhobene Faust um den Messergriff geballt, auf die Liege des Vergifteten zu. „Was Mutter nicht vollbracht, soll mir gelingen!“, schrie er. „Ehrvergess’ner Wüstling! Fahr in die Niederhöllen, León de Vivar!“
Unmerklich nur hatte Franco de Beiras mit der unverletzten Hand gewunken. Im selben Augenblick sprangen die schwarzen Hunde lautlos auf und fielen Tito von Taladur an. Der eine schnappte nach seinem Bein, ein anderer nach dem Arm, wieder ein anderem direkt nach seiner Kehle. Der Jüngling schrie gellend vor Schmerz auf, stürzte zu Boden und musste dort mit Entsetzen erkennen, dass ihm eines der Tiere direkt auf die Brust gesprungen war und mit blutigen Lefzen nur wenige Fingerbreit von seinem Gesicht verharrte. Während die anderen den zu Fall gebrachten Meuchler umringten, wartete das brave Tier auf den Tötungsbefehl seines Herrn. Stolz wedelte es mit dem Schwanz, um dessen Aufmerksamkeit zu erregen.
Autorin: ehrenstein
Es ging Schlag auf Schlag. Die junge Comtessa schaute nicht einmal hin, als der Heiltrank gebracht wurde. Sie stand nur lauernd da, tauschte zwei Blicke mit ihren beiden Gardisten, die sich langsam rechts und links um den Pulk von Dom Franco herumbewegten.
Als der Magnat den Trovere entlarvte und dieser nach vorne stürmte, trat sie in seinen Weg und ging in eine tiefe Grundstellung. Doch der Aufprall, auf den sie sich vorbereitet hatte, blieb aus. Statt dessen lag der Mann schreiend vor ihr unter einem der riesigen Hunde. Langsam, ganz langsam bückte sich die junge Caballera und hob mit der Linken das Messer auf, das der Attentäter fallen gelassen hatte. Sie betrachtet die Klinge, drehte das Messer, um es als Linkhand zu benutzen und schaute auffordernd zu Dom Franco.
Autor: vivar
Eine Lilie und die Worte Zylva Feroza waren in die blutige Klinge des Klappmessers eingraviert.
Autorin: beiras
„Lasst ab!“, erklang es ruhig, aber bestimmt aus dem Munde Dom Francos, der langsam auf den am Boden liegenden Tito zuging. Langsam ließen die Hunde von ihrer „Beute“ ab, blieben aber neben Tito sitzen und knurrten leise. Nur der große Rüde, der sich auf der Brust positioniert hatte, sprang hinab und blickte seinen Herrn erwartungsvoll an. Es war augenscheinlich, dass die Tiere zur Jagd ausgebildet waren und im Rudel hervorragend agierten.
Dom Franco griff in seinen Stiefel und förderte einen Dolch hervor, den er ruhig in der Hand hielt. Er machte nicht den Eindruck, Tito angreifen zu wollen, sondern eher als wolle er diesem zu verstehen geben, dass Widerstand keinen Sinn machen würde. Sein Blick suchte den der Comtessa, die noch immer zwischen Tito und Dom Leóns Lager stand.
Autorin: ehrenstein
Diese erwiderte den Blick, fast schien sie enttäuscht. „Mit Eurer Erlaubnis, Baron.“ Ohne auf Erwiderung zu warten, deutete sie mit dem Säbel auf den zitternd am Boden liegenden Mann und blickte zu ihrem Gardisten.
„Morisco, festnehmen, fesseln und knebeln! Wenn er flüchtet oder sich wehrt, töte ihn.“ Sie verzog unwillig den schönen Mund, als der erfahrene Getreue kurz zögerte. Zu viele Fragen brannten auf seiner Seele. Doch er hob sie sich bis später auf, nickte und ließ ein zackiges „Jawohl, Euer Hochwohlgeboren“ hören. Dann näherte er sich ruhig den Hunden und dem Mann. Bei beiden angekommen, fischte er einen Lederriemen aus der Gürteltasche, griff nach dem gesunden Arm des Barden und zog ihn halb hoch.
„Je weniger du dich wehrst, Tonto, umso weniger wird’s wehtun.“ Er schlang den Lederriemen um das gesunde Handgelenk und griff nach dem verletzten Arm, um die Hände aneinander zubinden.
Autor: vivar
Der Trovere blutete zu stark, um sich zu wehren. In seinem eigenen Lebenssaft auf dem Boden liegend, versuchte er dennoch, das Haupt zu verdrehen, um mit seinen Augen die Comtessa zu erblicken. Mühsam bewegten sich seine Lippen, während er sich von Morisco fesseln ließ.
„Schwester“, flüsterte er mehr, als dass er sang, „holde,
ach, ich wollte
mit dir trinken, da ich ahn,
dass die dunklen... Flügel nah’n.
Bin verachtet und verkannt
Bin auch wert ’s Baronsgewand.
Liege nun am Grabes...rand
Mutter! greift nach meiner Hand!“
Morisco wollte ihm mit dem Knebel den vorlauten Mund stopfen. Doch das war gar nicht notwendig. Beim Anblick seiner Bisswunden verdrehte Tito die Augen, öffnete den Mund und verlor das Bewusstsein. Der Gardist blickte ratlos zu seiner Herrin.
Ehe diese jedoch reagieren konnte, ließ sie ein Raunen herumfahren. Der erste Praiosstrahl war durch die Fensterscheibe des Rosentempels gefallen und ließ Domnatella Aliseas Haar wie Gold erglänzen. Auch ihr Gesicht ward von dem Licht des Götterfürsten aufs Überderischste erhellt und ihre grauen Augen leuchteten herrlich. Dies war das erste, was León de Vivar erblickte, als er die Augen aufschlug. Verzückung und Enttäuschung spielten in seinem Antlitz und konnten sich nicht gegen einander durchsetzen. Verwirrung gewann das Spiel. Verständlicherweise war seine erste Frage: „Bin ich... bin ich denn tot, dass ich einen Alveraniar erblicke?“
Autor: lindholz
Domnatella Alisea lächelte hingerissen zu dem jungen Baron hinab, in dessen bleiches Gesicht mit dem Sonnenlicht auch das Leben zurückkehrte. In einer Geste der Vertrautheit fuhr sie ihm durch das volle schwarze Haar und zupfte ihm eine Strähne aus den dunklen Augen. „Ihr seid noch auf Dere, Euer Hochgeboren. Wie froh ich bin, dass meine Gebete…“, sie warf einen Seitenblick in den Saal, „…unser aller Gebete erhört wurden.“
Während die schöne Yaquirtalerin dem wie aus einem Schlaf Erwachenden half, sich aufzurichten, säuselte sie kokett: „Doch wenn Ihr Euch in meiner Nähe in alveranischen Gefilden wähnt, so sollten wir dieser Tatsache bei Gelegenheit genauer nachspüren.“ Domnatella Aliseas Blick fiel auf die Rose in den Händen des Barons und ihre Augen weiteten sich vor Erstaunen: Statt eines letzten, einsamen Blütenblattes an einem welken Stiel reckte sich ihr Rahjas geheiligte Blume in kräftigem grün und mit einem vollen Blütenkopf in leuchtendem Almadinrot entgegen.
Autorin: beiras
Dom Franco blickte zu Tito hinab, der in einer immer größer werdenden roten Lache lag. Er hatte schon Männer an weniger blutenden Wunden verrecken sehen. Nicht mehr lange und er würde sich um Tito keinerlei Gedanken mehr machen müssen. Das hoffte er auch, denn ansonsten würde er es vielleicht bereuen, seinem Hund den Todesbiss verweigert zu haben. Doch ein weiterer Toter in Rahjas Halle, auf Befehl eines Barons... die Stimmung der Anwesenden hätte umschlagen können.
Aber nun, da sein Vetter die Augen wieder geöffnet hatte, mochte die Aufmerksamkeit sich wieder ihm zuwenden und es würde sich vielleicht die Möglichkeit ergeben, sich mit Tito ohne Zeugen noch einmal zu befassen.
Autorin: ehrenstein
Tief drang der von Praios gesegnete Anblick in die ermattete Seele Rominas. All die Anspannung der Nacht fiel von ihr ab und hinterließ eine eigenartig süße Leere. Sie spürte deutlich die körperliche Erschöpfung, die sie zu Boden zwingen wollte, doch sie gab dem nicht nach. Noch war es nicht vorbei. Die Vergiftung war überwunden, doch jetzt strömten Kräfte auf Santa Catalina zu, die dem Vivar die Baronie oder vielleicht doch noch das Leben kosten konnten. Sie mussten beweisen, dass der Koscher Usurpator die Vergiftung befohlen hatte, dann würde Dom Gujadal sich zurückziehen und seine Getreuen mitnehmen. Sie musste Domna Fiona finden und den Gefangenen befragen.
Romina wurde durch die leisen Worte der Lindholzerin aus den Gedanken gerissen. Was säuselte das Mädchen da. Ihre Gebete hatten ihn gerettet und jetzt soll er sogleich mit ihr ins rahjanische Liebesspiel versinken. Sie lachte spöttisch und hart.
„Natürlich, Kind, dein selbstloses Einflößen des Heiltranks, den andere mit ihrem Blut bezahlt haben, hat Rahja dazu bewogen, den schönsten Mann Deres nicht in der Blüte seiner Jahre zu sich zu nehmen. Ihr solltet heiraten, dann trifft sich die Schönheit ebenso wie die Unbedarftheit.“ Sie legte Titos Messer auf ein Tischlein neben der Liege. „Das Messer hier trägt die Lilie der Vivar, vielleicht könnt Ihr nicht einmal mehr Eurer Familia trauen.“ Sie schaffte es nicht, den zynischen Ton zu verbergen. Ihr fielen die Worte von Dom Gujadal ein. Er hatte den Bruder des Barons. Wie und wann sollte sie ihm das beibringen? Ihr Blick schweifte zum Fenster. Bestimmt waren die Truppen schon auf dem Weg. Sie sah zurück zu Dom León und versuchte einzuschätzen, wie belastbar der Mann so kurz nach der Vergiftung war.
Autor: lindholz
„Auch wenn das Wort des Grafen des lieblichen Ragatien den stolzen Waldwachter wohl nur wenig kümmert, freut es mich doch zu hören, dass diese Verbindung den Segen des Ragather Grafenhauses hätte. Besonders da Ihr, verehrte Comtessa Romina, diesen Vorschlag macht, die Ihr doch selbst so wenig vom Glück in solchen Dingen gesegnet seid.“ Die junge Lindholzerin erhob sich elegant von der samtenen Liege und schenkte der erschöpften Grafentochter ihr schönstes Lächeln.
„Doch lag es mir selbstverständlich fern, die Taten jener schmälern zu wollen, die Ihr Leben für das Wohl des Barons in die Waagschale warfen. Wie Ihr es tatet, Euer Hochwohlgeboren, oder auch die arme Melisandra Chaziani, an die ich inniglich noch einmal erinnern möchte. Findet sich vielleicht eine Trage und zwei kräftige Männer, die sich bereit erklären würden, die Domna aus den Grüften herauf zu tragen?“ Alisea von Lindholz wandte den Blick an die Tempeldiener, da sie wenig Hilfe von der Ragatierin und ihren Lakaien erwartete.
Autor: vivar
„Was?“, entsetzte sich Dom León. „Ich bin kaum dem Tode entronnen, und da sprecht Ihr schon vom Heiraten, meine Damen? Ich hätte wohl lieber weiter schlummern sollen...“ Der schöne Baron blickte von Domnatella Alisea zu Domna Romina und bemühte sein Siegerlächeln, das ihm jedoch beim Anblick der zerschundenen Comtessa auf den Lippen erstarb. „Domna Romina, teure Domna Romina! Wer hat Euch so zugerichtet? Doch nicht etwa der da?“ Er wies auf den wimmernd am Boden liegenden Trovere.
Schwungvoll erhob sich Dom León und tat einen Schritt auf Domna Romina zu. Doch Schwindel erfasste ihn, und er musste sich wieder setzen. Seine Tante nutzte diese Gelegenheit, um ihm jauchzend um den Hals zu fallen und sein Gesicht gleichermaßen mit Küssen wie mit Freudentränen zu bedecken.
Autorin: ehrenstein
Romina unterdrückte das Schmunzeln nicht, dass sich auf ihre Lippen stahl, sondern schenkte es breit und großzügig Domna Alisea.
Doch sie wurde schnell wieder ernst. Es war nicht der Zeitpunkt, sich mit dem Gänseküken zu streiten. Noch während die Verwandte des Vivar diesem überschwänglich zusetzte, schickte sie ihre beiden Getreuen los, um den Rahjanis beim Bergen der schönen Fernhändlerin zur Hand zu gehen. Dann zog sie die Tulamidin etwas von ihrem Neffen weg, schob sich dazwischen und ging in die Hocke. Ihre Beine zitterten, es tat weh, aber das Stehen fiel ihr zunehmend schwerer.
„Verzeiht.“ Sie schaute zu dem verwirrten Baron hoch. „Es duldet keinen Aufschub. Ich war im Katzenwald und bin auf dem Weg dort hinaus über Bewaffnete gestolpert, die es auf Euch abgesehen haben, Dom León. Sie werden von Gujadal Al'Kasim höchstselbst angeführt, der einige Magnaten aus der Südpforte bei sich hat.“ Sie holte tief Luft, ihr Blick war undeutbar. Sie roch nach Seewasser, Wald und Blut durchsetzt mit etwas Schwefel.
„Ich weiß, Ihr seid gerade erst erwacht, doch ich muss Euch leider mitteilen, dass der Südpforter Grafenspross Euren Bruder festhält. Ihr sollt den Alstinger als Baron akzeptieren, sonst seht Ihr Dom Amando nicht wieder. Der Al'Kasim ließ mich ohne meine Leute, aber mit den Ingredienzien ziehen. Ich ritt auf dem Pferd Eures Bruders und hatte einen Getreuen der Südpforters dabei, der aber von Leuten des Alstingers hier im Dorf angeschossen wurde. Auch wenn es so scheint, als wüsste die Rechte nicht, was die Linke tut, sind es doch viele, die Euch an die Baronie und wohl auch ans Leben wollen. Ihr habt eine Möglichkeit, den Al'Kasim loszuwerden.
Wir müssen beweisen, dass der Alstinger hinter der Vergiftung steckte. Dann wird er sich zu Recht und wie es ihm die Ehre diktiert zurückziehen. Überlegt Euch gut, was Ihr wollt. Ich werde mich jetzt waschen und die Kratzer versorgen. Ich beeile mich. Dann könnt Ihr weitere Fragen stellen und ich schreib Euch auf, wen ich alles bei Dom Gujadal getroffen habe.“ Sie erhob sich steif, verzog das Gesicht und trat zurück.
Autor: lindholz
Mit Genugtuung stellte Domnatella Alisea fest, dass sich die Grafentochter für den Moment geschlagen gab und folgte dementsprechend vorbehaltslos den Ausführungen der Comtessa. Nachdem diese geendet hatte, gab die Yaquirtalerin zu bedenken: „Es wird schwer sein, einen solchen Beweis auf Aussagen zu stützen. Die hinterhältige Person, die den Anschlag in die Wege geleitet hat, weilt im Gegensatz zu Euch, werter Dom León, nicht mehr in dieser Welt, sodass sie keinen Auftraggeber mehr nennen kann. Und auch um jenen Burschen steht es augenscheinlich nicht gut.“ Sie deutete auf den Roten Tito, der in seiner Blutlache seinem Namen auf eine Weise Ehre machte, die er sich selbst wohl nie ausgemalt hatte. Mitleidig blickte die junge Domnatella auf den Sterbenden hinab. Es musste schrecklich sein, sein Leben in solcher Ohnmacht langsam schwinden zu sehen.
„Unsere einzige Hoffnung bleibt wohl Meister Perinyo. Vielleicht ist ein Geweihter der Peraine noch in der Lage, das Leben dieses Mannes zu erhalten.“
Autor: vivar
Dom León stand auf, griff sich aber sofort mit beiden Händen an den Kopf. „Ah, diese Kopfschmerzen! Mit Verlaub, meine Holden, aber ich glaube nicht, dass ich Euch folgen kann. Der Alstinger kämpft also in meinem Dorf gegen die Getreuen der Al'Kasims, während Ihr auf meines Bruders Ross in den Katzenwald reiten wollt, um dort ein Bad zu nehmen? Nein..., das war es nicht. Ihr seid auf meines Bruders Ross hergekommen, der im Katzenwald sitzt, irgendjemand ist gestorben und um meinen Bruder wieder zu sehen, muss ich den Al'Kasims sagen, wer mich vergiften wollte? Rahjaimhimmel, woher soll ich denn das wissen? Das wüsste ich doch selbst gern!“
Autorin: beiras
„Setzt Euch, werter Vetter. Auch wenn die Zeit es fordern mag, dass gehandelt wird, so mag es Euch leichter fallen, die Geschehnisse zu ordnen, wenn Ihr Euch dabei nicht zu sehr anstrengt. Denn eines sollten wir alle hier nicht vergessen,“ er blickte in die Runde, „dieser Mann ist vor nicht all zu langer Zeit vergiftet worden und nur dank eines Heiltranks in letzter Sekunde ins Leben zurück geholt worden.“ Während Dom León dankbar dem Rat seines Vetters folgte und sich wieder niederließ, glitt dessen Blick zu Tito, der bewusstlos am Boden lag. Nicht mehr lange und jede Hilfe würde zu spät kommen. „Wer ist der Giftmörder?“, fragte er Domnatella Alisea.
Autor: pildek
Hagen hatte sich inzwischen mit Hilfe Schwester Isandras an die Gesellschaft herangearbeitet und hatte sich unweit an der kühlen Wand niedergelassen. Er genoss die ihm Zuteil werdende Aufmerksamkeit und Pflege, schloss die Augen und eine Welle von Müdigkeit brach über ihn herein. Ganz entfernt drangen die Gespräche zu ihm durch und er lächelte als er die wirre Zusammenfassung Dom Leóns vernahm. ‚Der ist ja genauso planlos wie ich, witzig! Aber mit dem Gift ist das doch recht klar. Oder nicht?‘
„Ich hätte da so eine Ahnung!“, hörte Hagen sich sagen und war selbst über die Klarheit seiner Worte überrascht. Er hatte die Augen immer noch geschlossen und verzog das narbige Gesicht weil die Hand, die seine Wunde reinigte, überrascht an einer schmerzenden Stelle innehielt und die bisherige Geschicklichkeit missen ließ. Dass die meisten Umstehenden sich nach ihm umdrehten, merkte der Schwertgeselle nicht einmal.
„Herr von Vivar, ich hatte mir Euer Almada immer ganz anders vorgestellt und eigentlich bin ich ja nicht hier, um Euer Leben zu bewahren. Im Gegenteil, nehmen sollte ich es oder Euch zumindest in die Khôm schicken. Nun sitze ich hier im falschen Lager in meinem eigenen Blute, habe mich mit niederhöllischen Mächten rumgeschlagen und wurde durch die eigenen Leute verwundet. Warum auch immer edle Menschen für jemanden wie Euch bereit sind, durch die Niederhöllen zu gehen, ist mir schleierhaft! Sei es drum.“
Er öffnete die Augen und blickte Dom León an, der irritiert den Albernier ansah. „Der Alstinger hat Euch ja ordentlich schlecht gemacht und hat ein wirklich schönes Bild eines eitlen Pfauen gemalt, der seine Widersacher alanfanisch beseitigt. Dumm nur, dass er offensichtlich selbst solche Mittel einsetzt.
Die beiden am Boronsanger,“ er blickte zu Doma Romina, „denen ich diesen Scheiß mit dem Bein zu verdanken habe, hat er selbst entsandt, um jeden vom Vivar fern zu halten und der Angroscho Turogosch hat mich sogar nach den Zutaten gefragt. Woher konnte er das wissen? Hatte ja erst den Seegrafen im Verdacht, aber die Frau, Kontessia oder so, hat’s selbst gesagt.
So, Ihr müsst jetzt nur noch eine Brücke zu der Mörderin schlagen! Bei Rondra, ich kenne einige Leute, die diese Neuigkeiten sicher nicht gern hören werden!“
Autorin: beiras
Dom Francos Aufmerksamkeit galt nun diesem verletzten Streiter, der hier so klar aussprach, wen er für den Giftmörder hielt. Die Frau und der Angroscho, die Franco am Boronsanger getroffen hatte und denen er Tito sozusagen abgekauft hatte, hatten also getan, worum er sie gebeten hatte: Jeden davon abhalten, die benötigten Zutaten zum Kloster zu bringen. Und wie man nun sah, waren sie gescheitert. Hoffentlich so sehr, dass sie ihm ihn Zukunft keine Probleme bereiten konnten. Er hasste Mitwisser....
Autorin: ehrenstein
Die Comtessa drehte sich um und bekam große Augen.
„Dom Hagen, Ihr lebt!“ Sie eilte zu ihm und ging bei ihm auf ein Knie. Ihr Blick flog über seinen Körper. „Wie geht es Euch? Verzeiht, doch ich konnte nicht bleiben, ich dachte, sie würden Euch verschonen, wenn sie Euch erkennen würden. Es war keine Zeit mehr. Könnt Ihr reiten?“
Sie sah zu Schwester Isandra. „Lege einen festen Verband an, im Notfall binden wir ihn auf dem Pferd fest.“ Ihre Hand legte sich auf seinen Unterarm. „Ihr müsst zurückkehren, schon um Eurer eigenen Sicherheit willen. Berichtet Dom Gujadal von dem Geschehenen, mag er entscheiden. Für mich ist es klar. Diese beiden Attentäter hier waren nur dafür da, die Sache im Falle der Rettung zu Ende zu führen. Für das Giftattentat brauchte es schwarze Magie, denn die Knappin Dom Leóns wurde verhext. Sie wurde dazu gebracht, ihren eigenen Herrn während eines hohen Rahjafestes zu vergiften. Nur ein Mann mit Geld und Einfluss könnte so etwas tun. Ein Mann, der perfide ist, der Rahja verachtet und ein Zeichen setzen wollte.“ Sie machte eine Pause und erhob sich schwerfällig. „Inwiefern hattet Ihr Euch Almada anders vorstellt? Ihr erlebt es in seiner reinsten Form. Wir Almadanis halten die Ehre hoch. Höher als alles sonst. Und Giftmord ist das ehrenrührigste Verbrechen, das es gibt.“
Sie deutete auf Dom León. „Aber auch das ist Almada! Galanterie und Schönheit, Rahja in ihrer reinsten männlichen Form. Was kann er dafür, dass eine Göttin ihn so sehr segnete? Soll er sich deswegen in Sack und Asche hüllen und keine der Frauen anschauen, die ihm huldigen?"
Entsetzen flackerte in Dom Leóns Gesicht auf.
"DAS wäre nicht sehr rahjagefällig", fuhr die Grafentochter fort und der Vivar atmete hörbar aus. "Wir dienen Rondra und würden alles für sie tun. Er dient Rahja und er sollte in dem Tempel seiner Göttin hinterhältig umgebracht werden. Ich tat es für die Zwölfe und auch für ihn, denn ich habe erkannt, dass auch er nur seiner Bestimmung folgt.“ Sie sah zu Dom León. „Und es ist wahrlich nicht die einfachste Bestimmung.“
Sie senkte unter diesen schwarzen Augen den Blick und drehte sich wieder dem Albernier zu. „Allein, dass der Alstinger die alanfanische Methode erwähnte, spricht für sich. Er wollte sich im Vorhinein rechtfertigen. Unsereins denkt nicht einmal an solch eine Möglichkeit, egal wie heiß die Fehde wütet. Als eine von Streitzig spreche ich aus Erfahrung.“ Sie ballte die Linke. Ihre Wangen glühten und aus ihrer Augen sprach die Leidenschaft. „So wurde ich selbst auch schon vergiftet und entkam Väterchen Boron nur knapp. Die Rebenthalerin, die dafür verantwortlich ist, würde von mir erschlagen wie ein Hund, aber niemals würde ich ihr dasselbe antun, was sie mir antun wollte.“
Sie holte tief Luft und ihr Blick wurde bittend. „Ich bitte Euch inständig, macht diesem elenden Treiben ein Ende. Verhindert, dass der Sohn einer der ehrenhaftesten Frauen des Reiches sich in solche Machenschaften verstrickt.“ Sie stockte kurz, ihr Blick flackerte. „Und sagt ihm, dass ich vor einigen Monden sehr glücklich war, nicht heiraten zu müssen, denn diesen Mann wünsche ich nicht einmal einer Ungläubigen. Er wird es verstehen und wissen, was ich meine.“
Autor: pildek
Hagen blickte zu Domna Romina hinauf und ignorierte seine Pflegerin, die straff aber auch schmerzhaft den Verband anlegte. „Ja, ich lebe noch. Einen Havener Bullen streckt man nicht so einfach nieder.“ Sein angedeutetes Lachen erstarb in einem trockenen Husten und die Bewegung machte sich erneut mit Schmerz bemerkbar. „Ihr habt der Frau mit Eurem Pferd ordentlich zugesetzt und der Angroscho allein hat sich wohl nicht getraut. Ich hatte mich zwar zu erkennen gegeben, aber offensichtlich kannten die mich nicht. Naja, ist ja gut gegangen und das bisschen Gerede war ja am Ende doch sehr informativ.
Ich werde auch reiten und Dom Gujadal offensichtliches wie zumindest für mich verborgenes Wissen übermitteln. Gebt mir nur noch einen Moment! Und es wäre schön, wenn jemand etwas zu trinken und etwas zu essen bringen könnte. Ich brauche aber ein frisches Pferd! Mein treues Pildeker Ross hat einen Bolzen abbekommen. Die Wunde liegt genau unter dem Sattel und ich würde es wohl zu Tode schinden, wenn ich wieder aufsäße.“
Hagen schwieg einen Moment und konnte im Gesicht der Domna Erleichterung erkennen. Diese wollte sich gerade abwenden als er noch mal die Stimme erhob:“ Ach, und was ich mir von Almada vorgestellt habe … . Es hatte mehr mit lauschigen Abenden mit Wein, Tanz und Gesang und ähnlichen Dingen zu tun und weniger mit Blut und Dämonen. Ich dachte, davon hätte ich für ein Leben genug gesehen!“
Autorin: ehrenstein
Die Comtessa legte den Säbel beiseite, griff sich einen der Weinkrüge, die vom Fest immer noch da standen und fühlte einen Becher. Sie drückte den Becher Dom Hagen in die Hand. „Rahjenwein, er wird Euch Kraft geben. Etwas essen solltet Ihr erst, wenn Ihr Euch danach hinlegen könnt.“
Sie nahm den nächsten Becher, füllte ihn, drehte sich um und ging damit zu León. Ihre Lippen lächelten verhalten, doch ihre Augen strahlten, als sie ihm den Becher hinhielt. „Willkommen zurück im Leben, León de Vivar!“
Sie schenkte einen dritten Becher ein und stellte den Krug ab. „Ihr erlaubt, dass ich mich zurückziehe und in einen Zustand bringe, die diesen Mauern eher entspricht.“ Sie deutete eine Verbeugung an, glitt zwei Schritte rückwärts, griff sich wieder den Säbel und wandte sich zum Gehen an ihre Knappin. „Komm, Zaida und bring deine Schwester mit!“ Der schwer verletzte Barde wurde von ihr keines Blickes gewürdigt, als sie an ihm und den Hunden vorbeikam.
Autor: vivar
Dom León wollte etwas erwidern, nahm stattdessen aber stumm den Weinkelch aus ihren Händen entgegen. Was für eine Frau! Tief in ihm begann er, ihren und des Alberniers Worten lauschend, zu erahnen, was die Comtessa durchgemacht hatte, um ihn zu retten. Hätte sie nicht der erste Anblick nach seinem Erwachen sein sollen? Gewiss, sie war kein herausgeputzter Alveraniar wie Domnatella Alisea, sondern zerlumpt, verdreckt und vermutlich seit Anbeginn der Nacht auf den Beinen. Doch wie so davon schritt, die Klinge immer noch in der Hand, gab sie das vollkommenste Ebenbild einer rondragefälligen Reckin ab.
Diese Frau war eine Heldin, eine den Leyendas entstiegene Caballera der alten Schule, und sie hatte Leib und Leben riskiert, um ihn aus seinem Todesschlaf zu erwecken. Zum ersten Mal konnte Dom León seinen Bruder und dessen Bewunderung für rondrianische Frauen verstehen. Er zuckte zusammen. Amando!
Mühsam sammelte er seine Gedanken. „!Fragt außerdem Eurem Herrn, Dom... Hagen, wann ich meinen... meinen geliebten Bruder wieder sehen darf, und sagt Eurem Herrn, dass wir ihn ohne sein kriegerisches Gefolge durchaus auch als Gast im Namen Rahjens auf unserem Fest willkommen heißen wollen. Ihr sollt sogleich ein Pferd erhalten. Seid im Übrigen vorsichtig mit dem Wein. Mich hat er um eine der verheißungsvollsten Nächte meines Lebens gebracht.“
Hagen von Mawet blickte verunsichert den Becher in seiner Hand an, dann stellte er ihn auf dem Boden ab und erhob sich ächzend. "Ich werde sogleich losreiten. Wo ist das Pferd?"
Schwester Isandra ergriff ihn bei der Hand und führte ihn hinaus.
Dom León indes wandte sich in die Runde: „Kann sich jetzt einmal jemand für den Burschen dort auf dem Boden Sorge tragen? Er hat wohl mein Leben bedroht, aber es wäre schändlich, ihn auf diesem heiligen Boden ausbluten zu lassen. Damit ich ihm ein ordentliches Gerichtsverfahren angedeihen lassen kann, muss er aber zunächst einmal den Tag überleben! Wo ist denn... ah, Maestro Perinyo! Ihr hier in Santa Catalina? Einerlei, Ihr kommt wie gerufen!“
Freundlich lächelte er den im Aufgang der Krypta erschienenen Perainegeweihten an. Auf seine in grüne Robe gehüllten und auf die nackten Schultern des Bruder Zafir stützte sich die aranische Händlerin Melisandra Chaziani. Sie konnte nur mit einem Bein auftreten und wirkte unter ihrer kupferfarbenen Haut blass.
Perinyo Salpena nickte müde, ahnend, was von ihm verlangt werden würde. Nachdem er und der Hospitiar ihre Patientin vorsichtig auf einer der Liegen abgesetzt hatten, trat er auf den Baron zu und wollte nach dessen Arm greifen, um seinen Puls zu fühlen, in der Ansicht, Hochgeboren verlange nach einer Überprüfung seiner Gesundheit.
Der aber entzog ihn fast verärgert den Arm. „Nicht doch, Ihr Tor! Den Kerl auf dem Boden sollt Ihr heilen!“
Entsetzt sah der Perainegeweihte auf den jungen Barden in der roten Lache. Argwohn verursachte die Hundemeute ringsumher. Er hatte heute schon genug Blut gesehen. Doch die Weisung des schönen Barons und mehr noch die Gebote der Ährenherrin verpflichteten ihn, sich auch dieses Patienten anzunehmen. Er ging am Haupt des Verwundeten in die Hocke, stellte fest, dass er, wie wohl nicht mehr bei Bewusstsein, noch röchelnd atmete und dass eine Bisswunde in seiner Kehle klaffte. Vorsichtig drehte er den Leib Titos auf die Seite, und begann, ihm den Hals zu verbinden, um weiteren Blutverlust zu verhindern.
Derweil hatten Domna Romina und die Las Dardas-Zwillinge gerade (zum wiederholten Male in dieser Nacht) das kniehohe Reinigungsbecken im Eingangsbereich des Tempels durchmessen und wollten hinaus in den Garten treten. Dabei stolperten sie geradewegs in die Zahori Nuerta Espadín hinein, die mit der Armbrust in der Hand atemlos durch die Rabatte gestürmt kam. „A las armas! A las armas!“, schrie sie aus Leibeskräften. „Der Alstinger greift an!“
|