Chronik.Ereignis1033 Streit ums Taubental 48

Aus Almada Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Die Hoffnung stirbt zuletzt

Wie die Schelaker Union abermals in einen Hinterhalt der Vivar'schen geriet. Wie Rondra mit Dom Remigius war, Praios aber gegen ihn. Wie Kor das Schlachtenglück wendete. Wie der Sieger dem sterbenden Verlierer seinen letzten Wunsch nicht gewähren konnte und dieser darob selig entschlief.


Baronie Taubental, 4. Travia 1033 BF[Quelltext bearbeiten]

Am nördlichen Rand von Santa Catalina im Taubental (1. Tsastunde)[Quelltext bearbeiten]

Autor: vivar

Remigius Stordan Grobhand von Alstingen verwandelte links und rechts mit seiner Ochsenherde Helme zu Sieben und Schädel zu Brei. Er sah sich abermals verraten und das reizte ihn wie einen tollen Stier. Halmdahl von Sindelsaum, der schändliche Halmdahl von Sindelsaum, hatte ihm erneut einen Hinterhalt gelegt. Gemeinsam mit blauen Kürassieren unter dem weißblauen Lilienbanner hatten sich die Koscher Hunde am Waldrand verborgen. Als die Schelaker Unionstruppen, verstärkt durch Frau Salandra von Therenstein und ihre Söldner, gerade den Schutz der Bäume verlassen hatten und das Taubental mit seinem reichen Kloster und dessen fetten Obstwiesen schutzlos vor ihnen lag, waren die Vivar'schen wie toll aus dem Gehölz gebrochen und den Verbündeten in beide Flanken gefahren.

Nun trennte Dom Remigius ein Wall aus Säbeln, Schwertern und Speeren vom Ziel seines Feldzugs. Im Orkkrieg hatte er selbst oft Hinterhalte gegen die Verbände der Schwarzpelze verwendet. Sie waren wenig rondragefällig, boten aber einer zahlenmäßig unterlegenen Einheit viele Vorteile – unter anderem den des Erstschlags und damit den des Überlebens. Umso mehr erzürnte es ihn, dass diese Taktik nun gegen ihn selbst angewandt wurde. „Ich wünschte, der Alcorta und der Al'Kasim kämen und rollten diese Bastarde von hinten auf“, presste der Alstinger hervor, während er einem blauen Reiter den Säbelarm zermalmte.

Rondraseidank war er nicht gänzlich unvorbereitet gewesen. Er hatte seine Mannen in voller Montur durch den Wald vorrücken lassen. Auf seinen Befehl hin hatten sie eiligst Schlachtformation eingenommen, so dass es nun, mit den Armbrustern ‚Dom’ Emilios und denen des Grubolosch Sohn des Gneis hinter den Reitern verborgen, nicht mehr allzu ungünstig aussah. Der Tag war noch nicht verloren.

Dennoch hatten mindestens ein halbes Dutzend der Seinen bereits ihr Leben gelassen. Das lag an dem zweiten Verräter an Dom Remigius' gerechter Sache. Da es sich dabei um den Herrn der Gerechtigkeit höchstselbst handelte, nahm jener ihm den Verrat besonders übel. War Remigius von Alstingen nicht rechtmäßiger Herr im Taubental? War ihm dieses Recht nicht von der Kaiserin bestätigt worden? Zog er nicht gegen einen Giftmörder und Schänder aller Gebote Frau Traviens, der Gattin des Lichtfürsten, zu Felde? Stritt nicht sogar ein Geweihter des Praios, sein Vetter Pherad von Gernebruch, auf seiner Seite? Und trotzdem hatte es der Herr Praios in seiner Unergründlichkeit für richtig befunden, sich genau in jenem Augenblick in all seiner Pracht über den Bergen zu zeigen, in dem jene Wendehälse heimtückisch über die Streiter des Guten herfielen.

Das Licht der Praiosscheibe spiegelte sich in den Helmen der Koscher Feldritter – Verräter! – und auf den gepanzerten Schultern der Kellfaller Kürassiere – Verräter auch sie, die einst Dom Remigius' Bruder Alwinian als Burghauptmann gehorcht hatten. Es stach in die Augen der Schelaker Unionstruppen, durchdrang die Sehschlitze der Nordmärker Topfhelme und machte jeden Hieb zu einem Glücksspiel.

Doch Praios mochte blenden, wie er wollte; Rondra und ihr Sohn waren heute mit dem Alstinger. Seine Orkensturmveteranen waren den milchbärtigen Kürassern, von denen kaum einer jemals ein Schlachtfeld aus der Nähe gesehen hatte, haushoch überlegen. Die Gernebrucher Zwerge schossen und luden unerschütterlich wie Granit ihre schweren Armbruste und die von Frau von Therenstein angeworbenen Armbruster spickten die Koscher mit Bolzen. Frau von Therenstein selbst focht in erster Reihe mit jener tödlichen Eleganz, die sie schon bei der Reconquista Omlads bewiesen hatte, gegen die alte Inarés von Viryamun – das garstige alte Weib mit dem langen Silberhaar, mit dem er sich bereits als Vogt von Orondo herumgeärgert hatte, war unverkennbar. Der Vivar selbst oder Halmdahl von Sindelsaum waren nicht zu entdecken. Vermutlich schlief der eine zwischen den Brüsten irgendeiner Tempelhure seinen Rausch aus und der andere heulte wohl über den Verlust seines Edlenguts. Der Alstinger grinste böse unter seinem Visier. Waldhaus anzuzünden, war strategisch betrachtet unnötig gewesen. Doch für die Rache an dem Koscher war es genau das Richtige. Gleichzeitig wurde ihm bewusst, dass seine Feinde ohne echten Anführer kämpften. Sein Grinsen wurde breiter.

„Bald brechen sie ein!“, brüllte er, die Vorfreude des Triumphes in der Stimme.

„Und dann gnade ihnen Rondra!“, rief Firnmar, der das Alstinger Banner trug, lachend zurück.

Gerade wollte Dom Remigius den Befehl geben, einen Bresche in den dünner werdenden Schwertwall der Vivartreuen zu schlagen, als er hinter sich das Trampeln von Hufen und den Ruf „Pro Gloria et pecunia!“ vernahm. Das Entsetzliche ahnend, wandte er den Blick und entdeckte die schwarzen Panzerreiter. Salsavûr! Der Mann war wie ein toller Wolf, der, wenn er sich einmal verbissen hatte, nicht mehr losließ. ‚Dir werde ich das Fell gerben, Wolf!’, war des Alstingers grimmiger Gedanke. Kaum hatte er beschlossen, sich gegen die neuen Feinde zu werfen, da traf ihn etwas mit Gewalt am Hinterkopf. Sein Helm schepperte und sein Schädel dröhnte. Er hatte die verfluchte Kürasserin vergessen!

„Feige Hure!“, schrie er und schwang blind die drei tödlichen Stahlkugeln gegen seine Gegnerin, was diese buchstäblich wie einen Strohhalm in der Körpermitte einknicken ließ. Sie rutschte wie ein Sack Bornlandknollen vom Pferd, während ihr Arm unkontrolliert den Säbel über den Hals seines Streitrosses zog. Erneut fluchte der Alstinger, während er versuchte, den vor Panik wiehernden Gaul zu bändigen. Es wollte ihm nicht gelingen. Stattdessen stieg das Tier in die Höhe. Remigius von Alstingen schrie wütend auf und fühlte einen schmerzhaften Stich, als eine Degenklinge durch einen nur von Ketten geschützten Teil seiner Rüstung links unterhalb der Rippen in den Magen eindrang.

Die alte Vettel Inarés! Wo bei allen Dreigehörnten kam die denn so plötzlich her? Und was war mit der Therensteinerin? Die Viryamunerin war unter seinem Schild durchgetaucht und sah ihn kalt an. „Das ist dein Ende, Rescendiente. Fahr in die Niederhöllen“, zischte sie kalt.

„Nicht ohne dich!“ Der Alstinger stieß ihr von oben den Schildfuß in die Schulter und setzte mit der Ochsenherde nach. Ob er sie erwischt hatte oder nicht, bekam er nicht mehr mit. Er verlor endgültig das Gleichgewicht, wurde abgeworfen und stürzte wie ein geschlachteter Ochse zu Boden. Dort ging der neue Tag ohne Abenddämmerung in die Nacht über. Sein letzter Gedanke galt Veit. Wo war sein Sohn?

(1. Perainestunde)[Quelltext bearbeiten]

Dom Remigius erwachte in rotem Nebel. Schmerz pulsierte in seinem Kopf und in seinem Magen. Irgendetwas war kalt und klebrig. Jemand oder etwas fingerte an seinem Hals herum. Panisch versuchte der Alstinger sich mit der Rechten dagegen zu wehren. Dabei stellte er fest, dass auch diese dämonisch schmerzte und sich nicht mehr bewegen ließ.

Die Finger öffneten sein Visier und blendende Helligkeit durchstach den roten Nebel. „Er ist es!“, rief jemand.

Ein Schatten fiel über Dom Remigius’ Gesicht, als ein schwarz gepanzerter Hüne sich über ihn beugte. „Es ist vorbei, Herr von Alstingen“, sagte Dartan di Salsavûr. „Euer Gefolge ist tot, versprengt oder in unserer Gefangenschaft. Hauptsächlich tot. Ihr Herr, seid mein persönlicher Gefangener und ich gedenke, Euch meiner Nichte Odina als Brautgabe für ihren Verlobten Amando de Vivar und dessen Familie zu überlassen – wenn Ihr bis dahin überlebt.“

Der Alstinger verzog das Gesicht. Das Sprechen fiel ihm schwer. „Sucht... Euch ein anderes Geschenk, Herr von Salsavûr. Ich tauge für eine solche Schande nicht, denn mein letztes Stündlein hat geschlagen.“ Er krallte sich mit der linken Hand im Gras fest, um nicht vor Schmerz aufzuschreien.

„Dann mögen die Gnötter gnädig mit Euch sein. Ihr habt Blut und Verderben über diese Lande gebracht und tragt Schuld am Tod auch Eurer eigenen Gefolgsleute.“ Der Condottiere der Schwarzen Adler richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Remigius von Alstingen konnte erkennen, dass ihn außer dem gepanzerten Hünen noch weitere seiner Feinde umringten: in blutbefleckter schwarzer Brünne die junge Odina di Salsavûr, die er mit ihrem Verlobten gefangen genommen hatte, um León de Vivar zum Abdanken zu pressen, der sichtlich zerlumpte aranische Söldner, und schließlich der verdreckte und blutverschmierte Sindelsaumer an der Seite der bleichen Zauberin Lariana Lampérez, die nichts als eine schulterlose Seidenrobe trug.

„Ihr!“, stieß der Alstinger hasserfüllt hervor. „Halmdahl von Sindelsaum, größter Verräter aller Zeiten, und Lariana Lampérez, die ehemalige Hofzauberin auf Castillo Chellara, die bereits zu León de Vivar übergelaufen ist, als der Leichnam meiner Schwester noch warm war! Hat der Lüstling dich etwa so feucht gemacht, dass du willig in seinen Harem gekrochen bist, Schlange? Und du, Sindelsaum? Welche Jungfrau hat er dir zugeführt im Gegenzug für deinen Verrat? Die Niederhöllen erwarten euch beide!“

Die Magierin stand bleich und schwieg. Der Koscher wollte etwas erwidern, doch der Condottiere kam ihm zuvor. „Ihr redet lästerlich, Herr von Alstingen. Betet lieber, dass Ihr von den Niederhöllen verschont bleibt. Denn das ist der Ort, an den heimtückische Giftmörder für gewöhnlich gehen.“

„Ein Giftmörder, ich?“, keuchte Remigius von Alstingen ungläubig.

„Maestra Lariana erzählte uns, dass Ihr Euch nicht auf Euer Schwert allein verlassen hättet, um Euch die Baronie Taubental einzuverleiben, sondern auch jemanden aussandtet, Dom León zu vergiften. Die Zauberin und Herr von Sindelsaum, die ich zunächst für Eure Kreaturen hielt, waren losgezogen, um ein Gegenmittel zu suchen.“

„Was redet Ihr? Ich soll den Vivar vergiftet...? Das hat sich diese verlogene Schlange Lariana nur ausgedacht! Ich kämpfte für mein praiosgegebenes Recht mit den Methoden Rondras, aber ich bin doch – in Peraines Namen! – kein Giftmörder! Das schwör' ich bei allen Heiligen!“ Er hustete. „Doch wartet – Ihr spracht von einem... Gegenmittel. Was ist nun mit dem Lüstling?“

Dartans Miene verfinsterte sich. „Das Mittel hätte bis zum Morgengrauen gefunden werden müssen. Leider wurden die Suchenden durch Euch aufgehalten. Seine Hochgeboren León de Vivar ist wohl bereits auf Golgaris Schwingen unterwegs.“

„Ich hätte dem Schuft lieber... selbst den Schädel eingeschlagen.“ Erneut hustete der Alstinger. Dieses Mal schmeckte er Blut auf den Lippen. „Aber was Ihr sagtet, Herr von Salsavûr, lässt mich... lässt mich wieder an des Herrn Praios’ Gerechtigkeit glauben: Der Giftmörder meiner Schwester, zur Strecke gebracht durch einen Giftmörder. Ha! Fast macht es mich lachen!“ Der neuerliche Hustenanfall war so heftig, dass er Blut spuckte.

„Es war ein Taubenknöchelchen, kein Gift“, sagte Maestra Lariana leise.

„Schweig, ...Zauberin! Du... lügst! Deine... Worte... sind... Gift!“

Der Condottiere blickte die Zauberin fragend an.

„Meine vormalige Herrin, Domna Buriana II. von Alstingen im Taubental, erstickte am 30. Travia vergangenen Jahres an einem Taubenknöchelchen. Dies geschah während eines Festmahls, an dem auch Dom León Dhachmani de Vivar im Taubental, mein jetziger Herr, geladen war.“

„Wart Ihr etwa dabei, Maestra?“, wollte der Condottiere wissen.

Lariana Lampérez schüttelte den Kopf.

„Wie könnt Ihr es dann wissen?“

Die Magierin lächelte fein. „Domna Buriana hat es mir selbst erzählt.“

Ungläubig starrte Dom Remigius die kindliche Frau an. Schlagartig fiel ihm die Erscheinung Burianas an der Escarrabrücke ein. Zur Geisterstunde hatte ihn seine Schwester als leuchtende Gestalt zur Umkehr gemahnt. Hatte seine Schwester etwa keinen Eingang in die zwölfgöttlichen Paradiese gefunden und spukte noch immer ruhelos im Taubental herum? Er dachte an all die Sünden, die er in seinem Leben begangen hatte und schauderte. War ihm Ähnliches vorbestimmt?

„Herr... Salsavûr... vor meinem... Ende“, hauchte er mehr, als dass er sprach. Der Condottiere beugte sich wieder zu ihm herab, um ihn besser zu verstehen. „Verwehrt... einem Sterbenden nicht seine zwei... letzten Bitten. Erstens: Mein Erstgeborener... Veit... tut ihm... nichts zu Leide.“

„Ich wollt’, Ich könnt Euch dies gewähren“, antwortete Dartan di Salsavûr, „doch Euer Sohn ist verlustig, zusammen mit einem Koscher Ritter namens Rodgrimm von Koschtal. Wir haben sie gesucht, aber nicht gefunden. Ihr Schicksal liegt nicht mehr in meiner Hand. Was ist Eure zweite Bitte?“

Aber Remigius von Alstingen hörte ihn nicht mehr. Vetter Rodgrimm, die treue Seele! Er würde Veit retten! Noch war nichts verloren! Auch wenn es vor seinen eigenen Augen immer schwärzer und das Rauschen der Flügel in seinen Ohren immer lauter wurde, bestand Hoffnung, dass sein Sohn oder dessen Tochter dereinst wieder über das Taubental herrschen würde. Dom Remigius war gescheitert, doch auch der Usurpator Vivar war tot und hinterließ keinen rechtmäßigen Erben. Veit, sein Fleisch und Blut, würde an der Spitze eines Heeres der Kaiserin zurückkehren und in ihm würde die Familie von Alstingen und auch Dom Remigius fortbestehen.

Als der schwarze Totenvogel landete, hatte sich ein Lächeln der Zuversicht im Antlitz des Remigius Stordan Grobhand von Alstingen festgesetzt.