Chronik.Ereignis1033 Feldzug Gwain 04: Unterschied zwischen den Versionen
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Ach ja, Alina. Das Gut dieses Handlangers der Elenterin hatte Hernán von Aranjuez auf dem Weg niederbrennen lassen. Er straffte sich, holte Luft und antwortete dann: "Ich habe die Untertanen Seiner Majestät geschont. Ja, wahrscheinlich habe ich sie sogar gerettet, haben wir in dieser Nacht doch dort einen Überfall der Wilden abgewehrt. Zweifellos wären sie massakriert worden, und mit dem Gut wäre genau dasselbe geschehen. Ich bereue nur, dass ich nicht mehr Zeit hatte. Dann hätte ich alles umpflügen lassen und Salz in die Furchen gestreut, auf dass dort niemals wieder etwas wächst oder gedeiht." | Ach ja, Alina. Das Gut dieses Handlangers der Elenterin hatte Hernán von Aranjuez auf dem Weg niederbrennen lassen. Er straffte sich, holte Luft und antwortete dann: "Ich habe die Untertanen Seiner Majestät geschont. Ja, wahrscheinlich habe ich sie sogar gerettet, haben wir in dieser Nacht doch dort einen Überfall der Wilden abgewehrt. Zweifellos wären sie massakriert worden, und mit dem Gut wäre genau dasselbe geschehen. Ich bereue nur, dass ich nicht mehr Zeit hatte. Dann hätte ich alles umpflügen lassen und Salz in die Furchen gestreut, auf dass dort niemals wieder etwas wächst oder gedeiht." | ||
Gwain von Harmamund schwieg dazu. Die Annalen des Hauses Aranjuez waren reich an Blut und Fehden, und während der Answinkrise hatte sich die halbe Familia gegenseitig ausgemordet. Zu jeder Zeit war man rasch bei der Hand gewesen, wenn es irgendwo Blut zu vergießen gab, sei es wegen Ländereien, Titel oder der Ehre. Nun ja, es war nicht an ihm, darüber zu richten. "Gute Nacht, Hernán." | Gwain von Harmamund schwieg dazu. Die Annalen des Hauses Aranjuez waren reich an Blut und Fehden, und während der Answinkrise hatte sich die halbe Familia gegenseitig ausgemordet. Zu jeder Zeit war man rasch bei der Hand gewesen, wenn es irgendwo Blut zu vergießen gab, sei es wegen Ländereien, Titel oder der Ehre. Nun ja, es war nicht an ihm, darüber zu richten. "Gute Nacht, Hernán." | ||
*''Die Geschichte rund um den Feldzug des Marschalls und den späteren Feldzug des Kaisers wird aus der Perspektive verschiedener Protagonisten in folgenden Artikeln fortgesetzt: | |||
[[Chronik.Ereignis1033 Feldzug Kornhammer 06|Schauplatz: Kornhammer, Teil 06]], | |||
<br>[[Chronik.Ereignis1033 Feldzug Ragath 10|Schauplatz: Ragath, Teil 10]], | |||
<br>[[Chronik.Ereignis1033 Feldzug Punin 05|Schauplatz: Punin, Teil 05]], | |||
<br>[[Chronik.Ereignis1033 Feldzug Falado 05|Schauplatz: Falado, Teil 05]], | |||
<br>[[Chronik.Ereignis1033 Feldzug Raschtulswall 23|Schauplatz: Raschtulswall, Teil 23]].'' | |||
Version vom 27. Dezember 2012, 12:57 Uhr
In der Baronie Schrotenstein, 18. Rondra 1033 BF
Heerlager wenige Wegmeilen südlich von Schrotenstein
18. Rondra, abends
Autor: Der Sinnreiche Junker
"Vielleicht wollen Euer Hochgeboren sich ... etwas ... Repräsentableres anziehen?", näselte der Herold beim Blick auf die blinde, verbeulte Rüstung des Aranjuezers. Auch ein Besuch beim Barbier hätte gewiss nicht geschadet, doch wagte der Mann wohl keinen ganz so offensichtlichen Tadel. Als der Condottiere ihn freilich verständnislos anblickte, zuckte der in Brokat und Seide gehüllte Höfling nur mit den Schultern, und schlug die Plane am Eingang des Feldherrenzeltes beiseite, sodass der Neuankömmling eintreten konnte.
Beinahe einen Mond war sein letzter Abstecher in die Zivilisation nach Aranjuez beziehungsweise Ragath her, länger noch der Aufbruch von der Landständeversammlung gen Kornhammer. Entsprechend heruntergekommen sah Hernán von Aranjuez aus, wiewohl er sich damit prächtig ins Bild seiner Leute einfügte, die vor einem halben Wassermaß erschöpft das Nachtlager des langersehnten Entsatzheeres erreicht hatten. Oder zumindest eines Teiles desselben, denn der Marschall hatte wohlweislich nur die beweglicheren Teile seiner Streitmacht soweit nach Osten befohlen, derweil der Hauptteil des Heeres auf der Reichsstraße gen Norden zog.
Gualterio Colonna indes mochte etwas enttäuscht drein geblickt haben, dass sich der Eingang zum Feldherrenzelt nur für seinen Onkel geöffnet hatte, doch hatte ihn Rondago von Aranjuez rasch hinfort geschoben. Und letztendlich waren beide froh, endlich die müden Glieder ausstrecken zu können. Der Magier, da man ihm noch immer ansah, dass es einiges seiner Kräfte bedurft hatte, um die Verwundeten in Grezzano soweit wiederherzustellen, dass man sie guten Gewissens auf einem Karren transportieren konnte. Und der junge Bastard, weil er die vergangenen Tage im Sattel verbracht hatte. Einmal Punin und zurück steckten in seinen Knochen, und dem musste nun auch das Ungestüm der Jugend Tribut zollen.
Einzig der scheinbar unverwüstliche Anzures Ballan hatte sich verabschiedet. Mit dem Arm in der Schlinge war er ohnehin keine große Hilfe beim Aufschlagen des eigenen Lagers, sodass er sich mit einem gemurmelten "Mal sehen, ob sich hier nicht irgendwo eine Würfelrunde auftreiben lässt ..." unter die Kaiserlichen gemischt hatte.
"Hernán von Aranjuez", meldete derweil der Herold im Inneren des Feldherrenzeltes, sobald Gwain von Harmamund den Blick vom Kartentisch gehoben hatte.
"Exzellenz", hieb sich der Condottiere die gepanzerte Rechte zum Gruß auf die Brust.
"Caballeras y Caballeros, ich denke, für heute ist alles besprochen", entließ der Marschall Seiner Majestät seine Offiziere, die daraufhin nacheinander das Zelt verließen, mancher noch mit einem Nicken für den Neuankömmling, während andere ihn bewusst ignorierten. Folgen einer bewegten Vergangenheit.
"Willkommen zurück", begrüßte ihn Gwain von Harmamund knapp, sie ergriffen für einige Momente den rechten Unterarm des jeweils anderen, dann bat der Marschall seinen ehemaligen Adjutanten an den Kartentisch. Sie hatten manchen Strauß zusammen gefochten, doch bestand kein Grund für Sentimentalitäten. "Ihr seid verwundet?", wies der Marschall auf den Gehstock, auf welchen sich sein Gast auffällig stützte.
Dieser vollführte eine wegwerfende Geste, ließ sich aber dennoch dankbar auf den angebotenen Feldstuhl nieder. "Also?", fuhr der Marschall fort. "Wie ist die Lage in Kaiserlich Selaque?"
Der Baron und Junker strich mit den in Eisen gekleideten Fingern über jene Stelle des Papieres, welches in etwa dem Gebiet des Cronlehens entsprach. "Unverändert, Eure Exzellenz." Über die augenblickliche Lage hatte er den Marschall bereits mit dem Schreiben informiert, welches sein Neffe Gualterio nach Punin gebracht hatte. Seither war wenig Weltbewegendes geschehen.
"Ich verstehe. Was könnt Ihr mir über diese unglückselige Fehde berichten?" Gwain von Harmamund war an einen anderen Tisch getreten, und hatte zwei Kelche gefüllt. Mit reichlich Wasser verdünnter Wein, wie Hernán von Aranjuez ohne große Überraschung feststellte. Dieses Thema war freilich ungleich heikler, sodass er es bewusst in seiner Depesche größtenteils ausgespart hatte. Freilich hatte er zuletzt ein wenig Zeit gehabt, sich hinsichtlich eines solchen Gespräches Gedanken zu machen. Natürlich würde man in Punin und Ragath wissen wollen, was in den letzten Wochen in dieser Ecke Almadas vorgefallen war. Und zweifellos würde man gerade in Ragath auch seine Rolle bei dem Ganzen einer kritischen Prüfung unterziehen, entsprechend vorsichtig galt es die Worte abzuwägen. Doch wo beginnen?
"Nun, wie Eurer Exzellenz bestimmt bekannt ist, brachen wir zunächst von der Landständeversammlung zu Ragath gen Kornhammer auf, Dom Hesindian dringend benötigte Verstärkung zu bringen. Wer nun diese Eskalation zu verantworten hat, vermag ich nicht zu sagen, jedoch befanden wir uns seit Ragath in der Gesellschaft Domna Rifadas. Welche reichlich unangenehm zu sein vermag, wenn Eure Exzellenz mir diese Bemerkung erlauben."
Dom Gwain winkte mit dem Anflug eines Lächelns ab, kannte er als Harmamund die wenig umgängliche Junkerin doch nur allzu gut.
"Von Praiosmin von Elenta hingegen keine Spur, weder in Ragath noch in Kornhammer. Dort erhielt Domna Richeza Zeitung, dass sich Domna Fenia von Culming, die Witwe ihres Onkels, des Alcortas mit dessen kleinem Sohne auf den Weg in die Berge gemacht habe, einen Wunderheiler aufzusuchen. Welch Narretei in diesen unruhigen Zeiten!"
Beim Gedanken daran schüttelte der Baron und Junker abermals ungläubig das Haupt, ehe er fortfuhr: "Sei's drum, wie Eure Exzellenz von Omlad her wissen, war ich Dom Ramiro in vielerlei Hinsicht verbunden, sodass die Ehre es gebot, sich der Suche nach seinen Hinterbliebenen anzuschließen. Und auch Dom Stordan, der Bruder Domna Fenias, ist mir vom Yaquirbruche her kein Unbekannter. Jener Suche jedenfalls war zunächst kein Erfolg beschieden, doch stießen wir immerhin auf Dom Gendahar von Streitzig, welcher die Vernichtung des Rossbannerordens durch die Ferkinas überlebt hatte."
"Es heißt ...", unterbrach ihn der Harmamunder "... Graf Brandil und seine werte Gemahlin seien außer sich gewesen, über die dahingehend geschickte Nachricht."
Hernán von Aranjuez mit den Schultern, und gönnte sich einen Schluck aus seinem Kelch. "Davon weiß ich nichts. Doch bedenke ich die Art und Weise, wie Domna Rifada ansonsten von Seiner Hochwohlgeboren und den Seinen spricht, meine ich mir den Tonfall jener Depesche ungefähr vorstellen zu können."
"Es heißt auch, Seine Hochwohlgeboren sei außer sich gewesen, als ein gewisser Condottiere später auf Castillo Ragath vor ihn trat?" Der Tonfall des Marschalls war beinahe lauernd.
Davon wusste natürlich Hernán von Aranjuez umso mehr. "Aye, doch davon später. Zunächst kehrten wir nach Castillo da Vanya zurück, doch hatte Praiosmin von Elenta sich dessen inzwischen bemächtigt. Dessen wurden wir freilich erst gewahr, als wir schon in den Burghof eingelassen und umzingelt waren. Dies war nun das erste Mal, dass die Elenterin auf den Plan trat, nachdem sie zuvor auf Castillo Albacim die Tore verrammelt hatte, und Land und Leute Selaques ihrem Schicksal und damit den Ferkinas überlassen hatte."
Sachte hob Gwain von Harmamund die Rechte. "Seid Ihr dessen gewiss? Habt Ihr unwiderlegbaren Beweis dafür? Oder handelt es sich dabei viel eher um Hörensagen? Bedenket, immerhin sind dies keine geringe Anschuldigungen wider eine bedeutende Vasallin Seiner Majestät."
Zähneknirschend senkte Hernán von Aranjuez sein Haupt. "Hörensagen", räumte er widerwillig ein. "Doch würd' ich meine Hand dafür ins Feuer legen, dass dem so war. Vielleicht nicht die Rechte, wohl aber die Linke. Unwiderlegbaren Beweis freilich ..."
Der Marschall nickte verstehend, und bedeutete seinem Gast mit einer Handbewegung fortzufahren. Und dieses Thema wohl besser auszusparen. "Zurück zum Burghof."
"Wie gesagt fanden wir uns dort umzingelt und mit Waffengewalt bedroht wieder. Man verdeutlichte uns, dass wir, das heißt Dom Gendahar, welcher verwundet und bei schlechter Gesundheit war, und ich, ‒ dass man uns als Feinde erachten würde, sofern wir uns nicht von Leuten der Vogtin aus Kaiserlich Selaque hinaus begleiten ließen."
"Welches Ihr zuvor ohne Erlaubnis der Cronvogtin betreten hattet ...", flocht der Gastgeber scheinbar leidenschaftslos ein.
Verdammt! Hatte der Kaiserliche Marschall, hatte Punin bereits einen Bericht der Bosquirischen Jungfer erhalten? Das sähe ihr ähnlich, dass sie ihre Widersacher längst angeschwärzt, längst ihre Version der Geschichte in Umlauf gebracht hatte! Zeit genug hatte sie ja gehabt, nachdem sie auf Castillo Albacim die Hände in den Schoß gelegt hatte.
"Eure Exzellenz wissen, dass es weder Dom Gendahar noch mir möglich war, einer solchen Aufforderung nachzukommen. Wir hatten weder Domna Fenia, noch ihren Sohn gefunden, und dazu kam nun auch die vermisste Tochter Graf Brandils. Ehre und Pflicht geboten es, sich nicht einfach so aus dem Staube zu machen. Und wir konnten doch nicht einfach zusehen, wie diese Hinterwälderinnen sich in einer solchen Lage selbst zerfleischen!"
Ob der alte Kämpe ihm da zustimmte, mochte er nur erahnen. Wiederum bedeutete ihm eine Handbewegung fortzufahren. Seufzend hob Hernán von Aranjuez wieder an: "Doch Praiosmin von Elenta wollte nicht mit sich reden lassen. Man sollte doch meinen, dass sie zumindest Dom Gendahar, immerhin einen Anverwandten des Kaisers wie des Grafen, anhören würde. Stattdessen hat sie uns angegriffen." Nun ja, das war womöglich etwas vereinfacht dargestellt, wollte man es ganz genau nehmen.
"Domna Richeza, Dom Gendahar, Dom Moritatio und ich konnten uns in den Bergfried und von dort in die Freiheit retten. Domna Rifada hielten wir für tot, doch geriet sie, wie wir erst später erfuhren, in Gefangenschaft. Wir haben uns dann getrennt, da insbesondere mit Dom Gendahars Verwundung wenig Aussicht bestand, den Verfolgern zu entkommen. Während die anderen sich in einer verlassenen Steinbrechersiedlung namens Grezzano versteckten, habe ich mich mit meinen Leuten nach Ragath durchgeschlagen. Wo ich im Übrigen meinem Vetter Rafik ein Bündel von Briefen übergeben habe, welches dem Ansehen der Elenterin kaum zum Vorteile gereichen wird."
"Es wird Euch freuen zu hören, dass Dom Rafik knapp einem Überfall entronnen ist. In seiner Herberge geschahen grässliche Morde, doch Euer Vetter ist wohlauf. Man munkelt freilich gar etwas von der Heiligen Inquisition ..."
Der Baron und Junker überlegte fieberhaft. Die Heilige Inquisition beschäftigte sich mit dem Fall? Hinsichtlich der angeblichen Liebschaft Praiosmin von Elentas mit Rakolus dem Schwarzen? Oder aus anderen Gründen? Hatte sein Vetter die belastenden Briefe noch? Der Elenterin war vieles zuzutrauen, aber schwarze Magie?
So nickte er nur knapp, und setzte seine Geschichte mit einem schiefen Grinsen fort: "Von meinem Besuch in Ragath haben Eure Exzellenz ja offensichtlich bereits gehört. Dort erhielt ich von Seiner Hochwohlgeboren den Auftrag, seine Tochter Domna Romina zu finden, welche sich nicht unter den Gefallen befunden hatte, sodass zu befürchten stand, dass die Wilden sich ihrer bemächtigt hatten. Hierzu stellte Seine Hochwohlgeboren mir den gräflichen Castellan, Dom Rondrigo vom Eisenwalde, mit einer entsprechenden Bedeckung zur Seite."
Dass er ohnehin vorgehabt hatte zurückzukehren und dementsprechend bereits bei Dom Vigo Mercenarios geworben hatte, war ein Detail, welches er nicht explizit erwähnte, doch war dem Marschall ohnehin klar, dass ein Hernán von Aranjuez diese Geschichte nicht so auf sich hätte beruhen lassen.
"Zurück in Grezzano ...", fuhr er nach einem abermaligen Befeuchten der Kehle fort "... trafen wir schließlich auf jene, die zurückgeblieben waren. Glücklicherweise hatte sich Domna Romina befreien können, und auch der kleine Praiodor war gefunden worden. Seine närrische Mutter freilich ist zu Boron gefahren, möge ihre Seele Frieden finden. Auch Eurer Exzellenz Nichte, Domna Morena traf schließlich dort ein, um mir Eurer Exzellenz Befehl zu überbringen. Es gab einige Komplikationen bis zur schlussendlichen Abreise Domna Rominas und ihrer Bedeckung, doch will ich Eure Exzellenz nicht mit derlei Details langweilen."
Der Marschall würde früh genug von seiner Nichte erfahren, dass der junge da Vanya ihr Ross gestohlen hatte, sie sich sodann zur Verfolgung zweier seiner Rösser bemächtigt hatte und daraufhin auch Domna Romina und ihrer kleinen Freundin nichts Besseres eingefallen war, als auf anderer Leute Pferde hinterher zu preschen. Sollte jemand anderes den Denunzianten spielen.
"Im allgemeinen Chaos dieser Augenblicke sah ich mich gezwungen, Domna Richeza festsetzen zu lassen. Zu ihrer eigenen Sicherheit, wie auch zur Durchsetzung des Befehles Eurer Exzellenz. Es stand zu befürchten, dass sie sich aufmachen würde, weitere Verstärkungen in die Fehde zu führen."
Ein Mundwinkel unter dem Kaiser-Alrik-Schnauzer des Marschalls zuckte. Weniger ob der alten Feindschaft der Harmamunds und der da Vanyas, denn ob der Vorstellung, dass der Condottiere es tatsächlich gewagt hatte, die Ragatische Furie gefangen setzen zu lassen. Das dürfte aufregend gewesen sein. Doch machte dieser auch schon weiter: "Schließlich kam mir der Gedanke, wie ich mehrere Fliegen mit einer Klappe würde schlagen können. Der schriftliche Befehl Eurer Exzellenz, überbracht von Eurer Nichte, sollte mir Einlass zum Castillo der da Vanyas verschaffen, welches, wie Euer Exzellenz wissen, zu nämlichem Zeitpunkte in der Hand der Elenterin war. Einmal eingelassen, wollte ich den Spieß umdrehen und meinerseits die Besatzung überraschen um mich des Castillos zu bemächtigen."
Die Falten auf der Stirn des Harmamunders vertieften sich, doch hob der Baron und Junker beschwichtigend die Hände. "Ich wollte das Castillo sodann an Domna Richeza übergeben. Wären die da Vanyas nur wieder im Besitze ihres Castillos, so wäre zumindest ein Grund zur Fortführung der Kampfhandlungen von deren Seite zwar nicht hinfällig, aber doch hinsichtlich der allgemeinen Lage nicht mehr ganz so drängend. Solange ihre Stammburg aber in der Hand ihrer Feindin war, dies war gewiss, würden sie nicht ruhen. Domna Richezas verbliebene Kräfte wären auch zu gering gewesen, um ihrerseits etwas gegen Praiosmin von Elenta zu unternehmen. Diese wiederum hatte sich auf Albacim verkrochen und konnte kaum hoffen, das Castillo ein weiteres Mal durch eine List in ihre Hände bringen zu können. Eine Belagerung freilich konnte sie sich kaum erlauben. Das Castillo ist fest und trutzig, und die Ferkinas hätten das enge Tal für jeden Angreifer zur Todesfalle machen können. Weiterhin hätten sich die Talbewohner, welchen man die Sicherheit der Mauern verwehrte, und welche die Untertanen der da Vanyas wie Seiner Majestät sind, Schutz vor den Wilden suchen können, und schlussendlich hatte ich darauf gehofft, dass Domna Richeza aus Pflichtgefühl heraus das Castillo nicht verlassen hätte, bevor nicht Domna Rifada oder jemand der ihren vor Ort gewesen wäre. Mit etwas Glück hätte ich somit genug Zeit gewinnen können, bis Eure Exzellenz vor Ort eintreffen."
"Was ist schief gelaufen?"
Hernán von Aranjuez verzog das Gesicht. Er hasste es, wenn seine Pläne keine Früchte trugen. Noch dazu wenn er – in seinen Augen – eigentlich alles richtig gemacht hatte. "Man verweigerte uns den Einlass. Und nicht nur das, Eurer Exzellenz schriftlicher Befehl wurde vernichtet. Uns blieb nichts anderes übrig als abzuziehen."
Gwain von Harmamund nickte verstehend. Einen Befehl des Kaisers – denn mit dessen Stimme sprach Seiner Majestät Marschall – zu ignorieren und zu vernichten war keine Kleinigkeit. Mit auf dem Rücken verschränkten Armen durchmaß er das Zelt mehrere Male.
"Hernach blieb mir mit den wenigen verbliebenen Leuten nichts anderes übrig, als mich selbst zu verschanzen. Mir fehlten die Kräfte, um eine der beiden Parteiungen zu irgendetwas zu zwingen, zumal dann auch noch eine Ogerhorde über uns hergefallen ist. Glücklicherweise gelang es in der Zwischenzeit Dom Gendahar und einem meiner Untergebenen, das Castillo da Vanya im Handstreich zu nehmen. Nun ja, den Rest der Geschichte kennen Eure Exzellenz."
"Habt Dank, Dom Hernán", klopfte Gwain von Harmamund seinem alten Untergebenen auf die Schulter. "Gewiss werdet Ihr Euch nun ausruhen wollen."
Nicht ganz ohne Mühen erhob sich der Condottiere, sich auf seinen Stock stützend. Dennoch gelang ihm ein halbwegs zackiger Gruß mit der Faust auf der Brust. "Erlaube mir, Euer Exzellenz eine gute Nacht zu wünschen." Damit wandte er sich um, und humpelte in Richtung des Ausganges.
"Ach ja, eine Sache noch", hielten ihn die Worte des Marschalls zurück. Dieser hatte sich mittlerweile wieder über den Kartentisch gebeugt, und sah seinen Gast nicht an. "Ihr vergaßt zu erwähnen, wie Ihr in Alina Quartier bezogen habt", erinnerte ihn Gwain von Harmamund sanft.
Ach ja, Alina. Das Gut dieses Handlangers der Elenterin hatte Hernán von Aranjuez auf dem Weg niederbrennen lassen. Er straffte sich, holte Luft und antwortete dann: "Ich habe die Untertanen Seiner Majestät geschont. Ja, wahrscheinlich habe ich sie sogar gerettet, haben wir in dieser Nacht doch dort einen Überfall der Wilden abgewehrt. Zweifellos wären sie massakriert worden, und mit dem Gut wäre genau dasselbe geschehen. Ich bereue nur, dass ich nicht mehr Zeit hatte. Dann hätte ich alles umpflügen lassen und Salz in die Furchen gestreut, auf dass dort niemals wieder etwas wächst oder gedeiht."
Gwain von Harmamund schwieg dazu. Die Annalen des Hauses Aranjuez waren reich an Blut und Fehden, und während der Answinkrise hatte sich die halbe Familia gegenseitig ausgemordet. Zu jeder Zeit war man rasch bei der Hand gewesen, wenn es irgendwo Blut zu vergießen gab, sei es wegen Ländereien, Titel oder der Ehre. Nun ja, es war nicht an ihm, darüber zu richten. "Gute Nacht, Hernán."
- Die Geschichte rund um den Feldzug des Marschalls und den späteren Feldzug des Kaisers wird aus der Perspektive verschiedener Protagonisten in folgenden Artikeln fortgesetzt:
Schauplatz: Kornhammer, Teil 06,
Schauplatz: Ragath, Teil 10,
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