Chronik.Ereignis1033 Feldzug Raschtulswall 23
Im Raschtulswall, 28. Travia 1033 BF[Quelltext bearbeiten]
Nahe des Hauptlagers der Bân Gassârah[Quelltext bearbeiten]
28. Travia, mittags[Quelltext bearbeiten]
Autor: von Scheffelstein
Mit zusammengekniffenen Augen blickte Mharbal iban Azad hinab auf die Passstraße. Die Falle, die er den blutlosen Reitern in ihren schweren Eisenkleidern hatte stellen wollen, war zur Falle für seine eigenen Leute geworden.
Der Haran der Flachländer kämpfte klüger, als er erwartet hatte. Zwar hatte dieser die Reiter, wie Mharbal gehofft hatte, in einer langen Reihe in die Schlucht geführt, die zum Lager der Bân Gassârah führte. Doch waren die Stammeskrieger nicht dazu gekommen, die Felsklötze und Speere auf sie hinab zu schleudern. Plötzlich waren zahlreiche Flachländer hinter den Bân Gassârah aufgetaucht, gerade, als wenn sie gewusst hätten, wo Mharbal seine Krieger verstecken würde. Schnelle, starke Männer und Weiber hatte der fremde Haran geschickt, besser bewaffnet als Mharbals Leute, und ihre Metallwaffen hatten Leder und Haut durchschnitten, und dann hatten die Flachländer die Bân Gassârah von den Plateaus in die Schlucht hinabgestoßen, und die, die noch lebten, waren von den schweren Reitern niedergemacht worden.
Mharbal hatte gewartet, bis die Reiter die Schlucht verließen, um ihnen am Ausgang eine neue Falle zu stellen und er hatte ihnen seine berittenen Krieger und seine Speerkämpfer entgegen geschickt, und wirklich hatten die Bân Gassârah viele der fremden Reiter mit ihren langen Speeren zu Fall gebracht, und auf den kleineren Bergpferden hatten Mharbals Krieger die blutlosen Reiter umkreist und ihnen und ihren Pferden trotz ihrer Eisenkleider tödliche Wunden zugefügt.
Nun aber waren die Flachländer wieder an einem Ort aufgetaucht, an dem Mharbal sie nie vermutet hätte. Der fremde Haran musste seine Krieger noch in der Nacht dorthin geschickt haben, denn sonst hätten die Bân Gassârah sie früher bemerkt. Hundert Männer und Weiber mit Bögen waren an der Bergflanke hinter Felsen hervorgetreten, und ihre Pfeile schossen tödlich wie Falken im Sturzflug auf die Reiter herab. Auch einige der Blutlosen gingen zu Boden, wenn die Pfeile eine ungeschützte Stelle ihrer nur teilweise in Eisen gekleideten Pferde trafen, und selten einmal durchschlug ein Pfeil die Eisenkleider der Fremden und tötete einen Flachländer. Während die meisten Pfeile von den eisernen Hemden abprallten oder nicht tief genug einzudringen schienen, um zu töten, durchschlugen sie die nackten Oberkörper, die Felle und Lederkleider der Bân Gassârah.
Bald schon lagen viele seiner Stammeskrieger tot im Staub, und die, die noch lebten, wurden von den fremden Reiter niedergeritten oder diese töteten sie mit ihren Eisenschwertern und gebogenen Klingen.
"Nuranshâr, sieh!" Ussâm iban Narrzul, der mit einigen jungen Kriegern in der Nähe Wache gehalten hatte, kletterte zu Mharbal herauf und hielt ihm einen Pfeil hin, der sich hierher verirrt hatte. Die breite, scharfkantige Spitze war gesplittert, denn anders als die Pfeile, die die Flachländer meist verwendeten, war dieser nicht aus Metall, sondern aus geschliffenem Vulkan-Stein. Kein Wunder, dass diese Pfeile den Eisenreitern nichts anhaben konnten!
Die Geister hatten wahr gesprochen: Der Haran der Blutlosen war von einem Nur Zhulach besessen! Er kämpfte gerissen wie ein Iban Gassârah.
Mharbal biss die Zähne aufeinander und strich sich den wilden Bart unter der federgeschmückten Turach. "Lauf, Ussâm!", befahl er dem jungen Krieger dann. "Lass Zulshavs Horn blasen! Die Krieger sollen sich zurückziehen. Ich will den fremden Haran sprechen! Die Blutlosen sollen Gäste in unserem Lager sein, und dann werden wir entscheiden, wer der Shâr aller Shârim ist."
28. Travia, nachmittags[Quelltext bearbeiten]
Im Hauptlager der Bân Gassârah
Autor: von Scheffelstein
Das also war der Junge, von dem er geträumt hatte! Er war genauso bleich und hellhaarig und schlank, wie die Geister ihn ihm gezeigt hatten. Er hatte bewiesen, dass er seine Männer in den Krieg zu führen wusste. Aber nur die Flachländer wählten einen Mann zu ihrem Haran, zu ihrem Shâr, den selbst ein altes Weib der Bân Gassârah mit den Händen erwürgen konnte.
Mharbal musterte den Führer der Blutlosen, wie er da auf seinem nachtschwarzen Pferd saß, in einem starren Eisenpanzer, mit einem goldenen Band um seinen Kopf. Das helle Haar flatterte im Wind. Neben ihm saß ein Junge auf einem weißen Pferd, der ein schwarzes Gewand trug, das halb seinen Kopf bedeckte. Dennoch konnte Mharbal sehen, dass er genauso blass und hellhaarig war wie der Haran selbst, genauso bartlos und sogar noch jünger. Er trug einen langen Stock in der Linken und sprach leise mit seinem Führer.
Zu beiden Seiten der Jungen standen Männer – oder Weiber? – in ebenso schwarzen Gewändern wie dem des Jungen auf dem weißen Pferd. Sie waren bewaffnet mit Schwertern und langen Spießen und verbargen ihre Gesichter hinter silbern glänzenden Masken.
Zur Rechten des Harans saß ein alter Mann auf einem schwarzen Pferd, ganz in Eisen gekleidet, das hässliche Gesicht von Brandnarben bedeckt, die von seinem Hals bis zur Stirn unter dem Eisentopf auf seinem Kopf reichten, die den grauen Bart durchsetzten und die Brauen spalteten. Der Alte wirkte viel mehr wie ein Krieger als der, den die Blutlosen ihren Haran, ihren Shâr, nannten.
Hinter den Jungen, dem Alten und den Maskenträgern reihten sich die Krieger der Blutlosen, Männer und Weiber, viele in Eisenkleidern und auf Pferden, viele in löchrigen Eisenhemden zu Fuß, manche in lächerlich bunten Gewändern. Überall wehten farbige Tücher, auf denen Tiere oder Pflanzen zu sehen waren oder Waffen, und Mharbal fragte sich, ob sie die Wesen zeigten, die die Krieger erschlagen hatten, um zum Mann zu werden. Aber wer würde sich damit rühmen, ein Pferd getötet oder eine Rose gebrochen zu haben?
Der junge Haran hob eine Hand und begann zu sprechen in der Singsang-Sprache der Flachländer, von der Mharbal nur wenige Worte verstand. Aber der fremde Führer sprach kurz, und dann sprach der Junge an seiner Seite in den Worten der Bân Ferkina, und er sprach gut, wenngleich auch er die Stimme eines singenden Weibes hatte.
"Ich, Hal Secundus, Shârim-Shâr über das Reich der Mitte, Shâr über das Land des Mondes, bin gekommen, um Blut und Opfer von den Bân Gassârah zu fordern, die mein Volk angegriffen und meine Lande verwüstet haben", übersetzte der Junge auf dem weißen Pferd die Worte seines Harans. "Ich fordere, dass die Bân Gassârah sich mir unterwerfen und mir dienen und keiner ihrer Krieger je einen Fuß in meine Lande setzt, wenn ich es nicht gestatte, dass keiner der Bân Gassârah je Hand anlegt an eine Hütte, ein Zelt, ein Feld, ein Weib, einen Mann, ein Kind oder ein Tier aus meinen Landen, oder ich werde sie vernichten bis auf den letzten Mann, das letzte Weib und das letzte Kind ihres Stammes."
Die Shârim der Bân Gassârah und viele der Krieger schrien den Blutlosen Kampf und Tod und Hass entgegen, aber Mharbal hob die Hände und ließ sie verstummen. "Wer Shâr eines Stammes der Bân Gassârah sein will", wandte er sich an den Jungen im dunklen Gewand, "der muss den alten Shâr dieses Stammes töten, mit eigenen Händen. Wer Shâr aller Shârim sein will, der muss den Shârim-Shâr töten oder den besten der Shârim der Bân Gassârah, in einem Kampf Mann gegen Mann."
Der Junge übersetzte Mharbals Worte in die Sprache der Flachländer. Eine Weile herrschte Schweigen, und die Krieger der Blutlosen und die Krieger der Bân Gassârah betrachteten sich finster, während alle auf eine Antwort des Flachländer-Harans warteten. Schließlich sagte dieser etwas, und der Junge an seiner Seite fragte: "Wer ist der Shârim-Shâr der Bân Gassârah?"
Mharbal lächelte verschlagen. "Die Bân Gassârah sind ein Stamm von vielen Stämmen, und ich bin ihr Haran und Nuranshâr. Aber einen Shârim-Shâr hat es seit vielen Wintern nicht gegeben. Der Stärkste und Klügste der Shârim aber ist Feridun iban Kasz, und wer Shâr aller Shârim sein will, muss sich mit ihm messen."
Feridun an seiner Seite lachte höhnisch. "Nuranshâr, diesen Wurm zerquetsche ich zwischen meinen Fingern."
Wieder dauerte es einen Moment, bis der junge Blutlose die Worte seinem Haran übersetzt hatte, dann ließ dieser antworten: "Gut, Wir werden gegen Feridun iban Kasz kämpfen."
Unruhe entstand unter den Blutlosen, insbesondere der alte Krieger auf dem schwarzen Pferd schien nicht einverstanden und redete auf seinen Haran ein. Krieger, der er war, wusste er, dass der hellhaarige Junge Feridun nicht gewachsen war, feige aber, wie er war, riet er seinem Haran gewiss davon ab, sich dem Kampf zu stellen. Der junge Führer der Blutlosen aber hatte mehr Mut als seine alten Krieger: "Wir werden gegen Feridun iban Kasz kämpfen", ließ er abermals verkünden. "Wenn Wir siegen, sind Wir Shârim-Shâr der Bân Gassârah, und der Stamm hat Unserem Wort zu folgen und sich Uns zu unterwerfen. Tut er es nicht, werden Wir ihm den Krieg erklären von jetzt an bis zum Ende aller Tage und nicht ruhen, bis dass die Bân Gassârah vom Angesicht der Welt getilgt sind."
Damit stieg er von seinem Pferd, winkte ein junges Weib und ließ sich die eisernen Platten von den Armen und Beinen und Händen nehmen, bis nur noch ein Panzer seine Brust bedeckte und ein Eisenhemd seine Arme. Vom Sattel seines Pferdes nahm er ein langes Schwert, dessen Griff mit roten Steinen bedeckt war.
Feridun schnaubte. "Nuranshâr, es liegt keine Ehre darin, ein Kind zu erschlagen! Die Krieger werden über mich lachen!"
"Die Krieger werden lachen, wenn du nicht kämpfst", erwiderte Mharbal. "Erschlage ihn, und du wirst Shârim-Shâr der Bân Gassârah sein, und alle Weiber, die der Blutlose mitgebracht hat, werden dein sein."
Feridun iban Kasz trat vor, und die Krieger machten ihm Platz. "Töte ihn! Zerquetsche die Made!", riefen sie.
Feridun stellte sich dem hellhaarigen Jungen gegenüber und zog seine Krummschwerter. Auch der Haran der Blutlosen zog seine Waffe. Die Klinge war aus schwarzem Metall. Feridun ließ die Schwerter um seine Handgelenke kreisen. Seine Haut glänzte rötlich im Licht der tiefstehenden Sonne. Er war kaum größer als der Haran der Flachländer, aber wo dieser wie ein unreifer Junge wirkte, war Feridun ein Krieger mit jeder Faser seines Körpers. Die Muskeln wölbten sich wie Berge an seinen Schultern, die Sehnen an seinen lederumwickelten Unterarmen traten hervor, als er die Schwerter durch die Luft zog, ein Lächeln teilte seinen dichten Bart in dem narbenversehrten Gesicht, während der Junge, ernst und bleich und makellos, das Schwert hob, das viel zu groß für ihn schien.
Einmal, zweimal umkreiste Feridun den Blutlosen, während dieser sich mit ihm bewegte, das Schwert mit beiden Händen vorgestreckt. Dann griff Feridun an, wirbelte einmal um seine Achse, und der Junge konnte gerade noch das Schwert hochreißen, ehe Feriduns Klingen seinen Hals trafen. Von der Wucht des Aufpralls wurde der Flachländer zurückgeworfen, und die Bân Gassârah jubelten und grölten.
Feridun bleckte die Zähne, während der Junge vorwärts taumelte. Mühelos wehrte der Iban Gassârah den Angriff des Blutlosen ab, ließ ihn ein weiteres mal kommen, ein drittes Mal, dann fiel er ihm in den Angriff, drückte mit beiden Klingen das schwarze Schwert zurück, bis es dicht vor dem Gesicht des Flachländers lag und dieser sich zurückbiegen musste, um sich nicht an der eigenen Waffe zu schneiden. Blitzschnell sprang Feridun zurück, und als der Junge das Schwert hob, schnellte er vor und trat ihm mit der Sohle seines fellumwickelten Stiefels so hart gegen den gepanzerten Bauch, dass der Blutlose rückwärts fiel und beim Aufschlag die Waffe verlor.
Unruhig umklammerten die Flachländer ihre Schwerter und Bögen und Spieße, und das Pferd des alten Kriegers tänzelte auf der Stelle, und es war dem Alten anzusehen, dass er überlegte, ob er einen Angriff befehlen sollte. Feridun ließ seine Waffen niedersausen, aber der junge Haran drehte sich, schneller, als man ihm zugetraut hätte, nach links und nach rechts, und die Klingen schlugen neben ihm in den Boden. Funken stoben von Steinen auf, Staub hüllte die Kämpfenden ein. Der Blutlose wälzte sich herum, tastete nach seinem Schwert und kam hustend und keuchend auf die Beine, entging stolpernd einem weiteren Angriff Feriduns.
Der Shâr der Zhulamar lachte, ließ abermals seine Klingen kreisen, wirbelte herum – und die Krummschwerter trafen den Flachländer an Brust und Oberarm. Während sich in dem Eisenpanzer nur eine Delle zeigte, hatte Feriduns Klinge tief in das Hemd aus Ringen geschnitten. Der Junge tastete nach der Wunde unter seiner linken Schulter, und als er die Hand zurückzog, war sie blutig.
Etwas im Blick des Flachländers veränderte sich, seine dunklen Augen glommen vor Wut und er fletschte nun seinerseits die Zähne. Als Feridun erneut angriff, stürzte der Junge brüllend vorwärts und drosch mit wilden Schlägen auf den Shâr ein, der ein um das andere Mal zurücksprang, und das schwarze Schwert verfehlte die Muskeln an Feriduns Bauch um Haaresbreite.
Feridun aber machte drei rasche Schritte zur Seite, sprang an einem Felsen ab und trat dem Blutlosen ins Gesicht, dass dessen Kopf zurückflog, und das goldene Band ihm vom Kopf fiel. Der Shâr setzte nach, Metall prallte auf Metall, die beiden Kämpfer lösten sich voneinander, dann traf Feriduns Krummschwert mit der breiten Seite das Kinn des Flachländers, das sich erst tiefrot und dann rasch blau verfärbte.
Mit jedem Treffer aber, den der Shâr setzte, wurde der junge Haran wütender, und obwohl er schwer atmete, schien er seine Erschöpfung nicht zu spüren, sondern prügelte nun seinerseits mit raschen Schlägen auf Feridun ein, und die schwarze Klinge schnitt tief in Feriduns Schulter. Der Shâr betrachtete die Wunde erstaunt, dann drang er auf den Blutlosen ein, Schlag folgte auf Schlag, die Klingen blitzten im roten Sonnenlicht und Feridun schlug das Schwert des Jungen beiseite und versetzte ihm mit dem Knauf der zweiten Waffe einen Schlag gegen den verletzten Arm. Stöhnend, halb auf sein Schwert gestützt, ging der Blutlose in die Knie.
Feridun trat ihm das Schwert aus der Hand, und der Flachländer fiel auf alle Viere. Der Shâr wandte sich den Bân Gassârah zu, kreuzte die Klingen vor seiner Brust, schlug sich brüllend mit den Fäusten gegen die Schultern und reckte die Waffen in die Luft, ehe er sich umwandte, um den Knienden zu erschlagen.
Ein Aufschrei ging durch die Reihen der Flachländer, und einige Männer und Weiber zogen ihre Schwerter und sprangen hervor, um ihrem Führer beizustehen. Der Atem des jungen Harans ging rasch, er hatte den Kopf erhoben und blickte den Shâr der Zhulamar an wie ein verwundetes Tier, aber seine Stimme, gepresst, wie sie war, klang zornig, als er den Seinen Einhalt gebot. Erst hörten die Blutlosen nicht auf ihn, und mehrere der Bân Gassârah griffen ebenfalls zu ihren Waffen. Dann stieß der Haran der Flachländer erneut einen wütenden Befehl aus, und der alte Krieger auf dem schwarzen Pferd hieß die Männer und Weiber zurückzutreten, obwohl er selbst so aussah, als hätte er am liebsten in den Kampf eingegriffen.
Ohne Feridun aus den Augen zu lassen, hob der junge Haran eine Hand, als wolle er den Shâr aufhalten, der sich ihm langsam, siegesbewusst näherte. Feridun lächelte höhnisch, ließ seine Schwerter kreisen, hatte es nicht eilig, genoss seine Überlegenheit. Plötzlich aber ging ein Raunen durch die Bân Gassârah, und dort, wo die gefallenen Krieger der Blutlosen im Schatten des Berges neben ihren toten Pferden lagen, bewegte sich etwas. Über den zerschmetterten Leibern der Flachländer in ihren Eisenkleidern stieg Nebel auf, und aus dem Dunst lösten sich zwei Gestalten, grau und durchscheinend, aber ebenso gepanzert und bewaffnet wie die toten Krieger. Lautlos schritten sie auf Feridun zu, und ihre Schritte hinterließen keine Spuren im Staub.
"Feridun!", schrie Zhandur iban Khordad seines Vaters Brudersohn zu, und gerade, als Feridun die Klingen auf den Hals des knienden Jungen niedersausen ließ, waren die Nur Zhulach heran, und Feriduns Schwerter prallten an den Schwertern der Blutgeister ab, geräuschlos.
"Was ...?", entfuhr es Feridun, als die Geister ihn angriffen, und eine der Schattenklingen traf ihn am Bein und die andere in die Flanke, und er taumelte rückwärts. Die Nur Zhulach bewegten sich schwerfällig in ihren durchscheinenden Eisenkleidern, und Feridun umkreiste sie mit einer raschen Drehung und stieß dem ersten sein Krummschwert durch den Augenschlitz. Der Geisterkrieger löste sich auf in Dunst und Nebel.
Der junge Haran der Blutlosen griff nach seinem Schwert und rappelte sich auf, während Feriduns Klinge von dem zweiten Nur Zhulach abgewehrt wurde. Der Junge setzte sich das goldene Band auf das verschwitzte Haar, gerade als Feridun den Nacken des Geistes unterhalb des Eisentopfes traf und der Shâr den Kopf halb vom Leib des toten Kriegers trennte, ehe Kopf und Körper im Dunst vergingen.
Lauernd wie Berglöwen umkreisten Feridun und der Blutlose sich, und während Feridun weniger siegesgewiss schien als zuvor und stark aus seinen Wunden blutete, schien der Junge seinen Schmerz nicht zu spüren. Wieder und wieder prallten die Waffen aufeinander, und der Blutlose traf Feriduns Bein, und Feridun durchschnitt das Eisenhemd des Flachländers an dessen Unterarm. Doch während die Bewegungen des Shârs an Geschmeidigkeit einbüßten, fauchte und brüllte der Haran der Blutlosen, und seine Schläge wurden kräftiger und kräftiger, auch wenn sie an Genauigkeit verloren.
Ein beidhändiger Schlag prellte Feridun eines der Krummschwerter aus der Hand, die zweite Klinge des Shârs verpasste dem jungen Haran einen Schnitt an der Wange. Wütend hieb der Blutlose auf den Shâr der Zhulamar ein, rammte ihm den Ellenbogen ins Gesicht, und Feridun spuckte Blut und packte die Kehle des Jungen mit seiner großen Hand. Der fremde Haran keuchte und krächzte und rollte mit den Augen, und Feridun hob sein Krummschwert, um ihm dessen Spitze in den Hals zu rammen, aber der Junge stieß urplötzlich seinen Kopf nach vorne, und das goldene Band traf Feriduns Nase. Blut spritzte über beide Gesichter, und der Flachländer löste sich von Feridun und brüllte wie ein zorniger Stier und hieb dem Shâr kraftvoll auf den Waffenarm. Die schwarze Klinge durchtrennte Muskeln und Sehnen und Knochen, und Feridun stolperte rückwärts, einhändig, waffenlos.
Der junge Haran aber setzte nach, immer noch brüllend, und ein Schlag zertrümmerte Feriduns Kiefer und ein zweiter riss eine tiefe Wunde in seinen Bauch, und der Shâr ging zu Boden. Der Junge aber hielt nicht inne. Wie ein Besessener schlug er auf den auf dem Rücken Liegenden ein, und die schwarze Klinge zerhackte Fleisch und Knochen, und selbst, als Feridun sich längst nicht mehr rührte, fuhr die Waffe wieder und wieder auf ihn herab, bis sein Leichnam aussah, als sei Ras'Ragh selbst im Blutrausch über ihn hergefallen.
Totenstille lag über dem Plateau, und die Krieger der Flachländer schienen ebenso ungläubig wie die Bân Gassârah, als ihr junger Haran sein Schwert aus dem Toten riss und in den dunkler werdenden Himmel reckte. Mharbal verstand die Worte des Fremden nicht, aber er wusste, wie Siegesgeschrei sich anhörte, und dass der Junge den stärksten Krieger der Bân Gassârah besiegt hatte, Mann gegen Mann, das hatten alle gesehen, und dass die Geister auf seiner Seite waren, war keinem verborgen geblieben. Die Pferde der Flachländer wieherten unruhig, als der Junge zu seinen Männern zurückging und seinen schwarzen Hengst bestieg. Wild sah er aus, gefährlich, das zornige Gesicht blutbespritzt, das helle Haar unter dem Goldband von trocknendem Blut verklebt, wie ein Mann, wie ein Krieger, wie ein Shâr.
"Bân Gassârah!", rief Mharbal. "Die Geister haben wahr gesprochen: Ein Nur Zhulach ist in den Leib des jungen Kriegers gefahren und Raschtula hat ihn zum Shâr-Anach-Nûr bestimmt. Er hat Feridun iban Kasz getötet und so ist er Shârim-Shâr unseres Stammes. Folgt ihm, und er wird die Bân Gassârah in eine große Zukunft führen!"
Zögernd senkten die Bân Gassârah ihre Waffen, aber erst, als Zhandur iban Khordad niederkniete und seine Axt vor sich auf den staubigen Boden legte, knieten auch die anderen und legten ihre Waffen dem jungen Haran zu Füßen, dem Shârim-Shâr ihres Stammes.
Mharbal trat vor, und der Junge im dunklen Gewand übersetzte seine Worte. "Shârim-Shâr, die Bân Gassârah folgen dir! Unsere besten Krieger sollen dir dienen, und alle Stämme, die sich uns unterworfen haben, sollen deinen Namen nennen als den Namen ihres Shârs, so wahr ihr Blut das Blut eines Iban Ferkina ist. Zhandur iban Khordad, dessen Vater der Bruder des Vaters von Feridun iban Kasz war, wird für dich kämpfen, wie er für einen Bruder kämpft von seinem Blute, und seine besten Krieger werden dich begleiten, um jeden zu töten, der den Namen des Shâr-Anach-Nûr nicht ehrt."
Zhandur iban Khordad und sieben und fünf seiner Männer traten an Mharbals Seite. Und während das Licht des Tages schwand und die letzten Strahlen der Sonne das bleiche, blutverkrustete Gesicht des Shârim-Shâr erhellten, verkündete der Junge im schwarzen Gewand die Worte des Shâr-Anach-Nûr:
"Ihr, die ihr dem Shârim-Shâr des Reiches der Mitte folgt, dem Shâr des Landes des Mondes, sollt seine Krieger sein, die mit ihrem Blut und ihrem Leben für ihn kämpfen, und man soll euch kennen und fürchten als Madabiljim, die sich dem Mondherrn opfern!"
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