Chronik.Ereignis1033 Feldzug Selaque 18: Unterschied zwischen den Versionen
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Auf einen Wink von Praiosmin hin kamen vier Knechte aus dem Nebengebäude der Kemenate auf die Neuankömmlinge zu, offenbar um die Pferde der Gräflichen in Empfang zu nehmen und sie zu den Stallungen zu führen. | Auf einen Wink von Praiosmin hin kamen vier Knechte aus dem Nebengebäude der Kemenate auf die Neuankömmlinge zu, offenbar um die Pferde der Gräflichen in Empfang zu nehmen und sie zu den Stallungen zu führen. | ||
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'''Autor:''' [[Benutzer:Romina Alba|Romina Alba]] | |||
Eine leise Verwünschung ausstoßend, brachte der Castellan sein Pferd wieder unter Kontrolle und sah zu der Vogtin auf. Er knirschte kurz mit den Zähnen und verdrängte den Gedanken, dass es vielleicht besser gewesen wäre, dem Wunsch der jungen Comtessa nachzugeben und Burg Albacim zu meiden. Er senkte kurz grüßend das Kinn. | |||
"Praios und Rondra auch mit Euch, Hochgeboren, wir bitten im Namen des Grafen um eine Nacht Eurer Gastfreundschaft, denn wir sind auf den Rückweg nach Ragath. Der Entsatz indes ist noch in den Bergen und räumt weiter auf." | |||
Das zarte Töchterlein des Grafen hinter Dom Rondrigo hatte andere Sorgen. Sie konnte dem scheuenden Tier ihrer ferkinischen Begleitung gerade noch in die Zügel greifen, und versuchte jetzt mit leisen Worten die Reiterin zu beruhigen, die panischer schien als das Pferd. Golshan zitterte und schaute abwechselnd zu dem Fallgitter und den aufragenden Wänden. Sie sah aus, als wolle sie jeden Moment lospreschen, wusste aber nicht, wohin. Romina versuchte ihre Aufmerksamkeit zu erlangen, indem sie leise auf sie einredete und immer wieder ihren Namen sagte. Es gelang ihr erst, als sie sie mit Hilfe von Zaida vom Pferd geholt und leicht geschütteltet hatte. | |||
Version vom 30. April 2012, 08:56 Uhr
In der Baronie Selaque, 2. Rondra 1033 BF
Auf Burg Albacim
2. Rondra, am späten Nachmittag
Autor: Der Sinnreiche Junker
Die Soldaten des Grafen waren gut vorangekommen, nachdem sie nur wenig nach Mercenarios aufgebrochen waren. Beinahe hätte man diese sogar noch eingeholt, denn immerhin war man im Gegensatz zu diesen vollständig beritten. Doch schien Hernán von Aranjuez ein gutes Tempo vorzulegen, sodass es dann bergab trotz der Rösser doch nicht mehr ganz gereicht hatte. Die Spuren, auf die man am Fuße stieß, waren freilich noch frisch, und führten hinein ins Tal der da Vanyas. Manch einer mochte vielleicht kurz gen Osten geblickt haben, als man selbst die Rösser gen Westen wandte, endlich flacheres Terrain vor sich.
Die Stimmung war freilich etwas merkwürdig. Einerseits gelöst, da man sich auf dem Heimweg befand, und auch wenn man noch lange nicht außerhalb der Gefahrenzone befand: welche Wilden würden es schon wagen, auf freiem Feld ein Dutzend schwer gewappnete Reiter anzugreifen? Und man hatte ja auch den Auftrag erfolgreich ausgeführt, Domna Romina und darüber hinaus auch Dom Gendahar und die kleine Waldwachterin waren gerettet. Andererseits war der Abschied alles andere als erfreulich gewesen, und die Reibereien, die es von Beginn an zwischen Rondrigo vom Eisenwalde und Hernán von Aranjuez gegeben hatte, hatten schließlich ihren Höhepunkte gefunden. Und mancher mochte bei aller Erleichterung auch irgendwo tief in seinem Inneren das Gefühl verspüren, dass man sich hier vorzeitig aus dem Staube machte, derweil andere zurück blieben und sich weiterhin mit wahnsinnigen Ferkinas und wilden Domnas herumschlagen mussten.
Immerhin, es dauerte nicht lange, da kam halbhoch am steilen Hang des Berges Albamonte der Hauptort der Baronie in Sicht, Selaque, und über ihm das Castillo Albacim. Nun mochte sich doch auch noch ein Gefühl der Beklommenheit in mancher Magengrube breit machen, hatten doch beinahe alle mehr oder weniger ausführlich gehört, was vor nicht allzu langer Zeit auf Castillo da Vanya geschehen war. Wie würde Praiosmin von Elenta nun sie empfangen?
Ganz sicher schien sich auch des Grafens Castellan, Rondrigo vom Eisenwalde nicht zu sein, ritt er doch an der Spitze der kleinen Gruppe neben Gendahar von Streitzig mit einer Miene, als gelte es eine Schlacht zu schlagen. Einzig Servando Cronbiegler schien bester Stimmung, sah er sich doch bereits als strahlender Held in Ragath. Nun musste ihn Domna Rahjada schließlich beachten, immerhin hatte er ihre kleine Schwester gerettet. Nun ja, nicht ganz alleine, aber er hatte seinen Anteil gehabt, im Gegensatz zu all den anderen Lakaien und Speichelleckern bei Hofe, welche die mittlere Grafentochter so ausgiebig umschwärmten.
Freilich hatte er darüber nicht seine Pflichten als Caballero vergessen, und sein Ross neben das Domna Rominas gesetzt, wo er nun den beiden Damen erklärte, was es über Castillo Albacim, welches man ob der Farbe seiner Gemäuer die „Weiße Brünne“ nannte, und wo die Vogte des kaiserlichen Eigengutes residierten, zu wissen gab. Wenn es um den hesinde- und nandusgefällige Ausbildung ging, war er gewiss nicht der Begabteste gewesen – um nicht zu sagen, stets einer der Letzten in seiner Klasse – doch die Historie, und damit verbunden die Örtlichkeiten, wo sich diese zugetragen hatte, hatte ihn stets interessiert.
Autor: Romina Alba
Domna Romina war wortkarg. Sie hatte Golshan letztendlich die eigene Kleidung gelassen und ihr einfach die Zügel eines Pferdes in die Hand gedrückt. Jetzt ritt die Wilde, sich staunend umschauend, dicht hinter ihr. Burg Albacim war in Sicht.
Dom Servando ritt nun schon ein geschlagenes halbes Stundenglas neben ihr und redete fast ununterbrochen. Er schien jede noch so kleine Schlacht und jeden noch so unscheinbaren Vogt zu kennen, der je Burg Albacim heimgesucht hatte. Sie wollte nicht dahin. Weder zu der angeblich so praiotischen Vettel, noch zu deren Sohn.
Zum wiederholten Male bohrte sich ihr Blick in den Rücken des Castellans, dem es egal war, wem sie in der Gefangenschaft begegnet sein wollte und auch, was diese freche Waldwachter Göre behauptete. Er wollte nur die Tochter seines Herrn dahin bringen, wo sie hingehörte und seiner Meinung nach auch immer bleiben sollte: Hinter die Mauern des Castillo Ragath! In Sicherheit! Wo sie niemanden gefährdete, weil man nach ihr suchen musste.
Tief spürte sie den Stich seiner derben Worte. Erinnerte sich an den Blick von Dom Hernán. Hatten sie recht? War sie nur ein verzogenes Grafentöchterchen, das sich beweisen musste? Und dadurch Männer und Frauen in Gefahr brachte? Wofür war sie dann Caballera geworden? Hatte sich geschunden und war besser geworden als viele andere?
Sie sah den selbstvergessen erzählenden Servando von der Seite an. Er schien glücklich, sie gefunden zu haben und sich kümmern zu können. Er war Caballero, genau wie von Silvansbühler und wie sie selbst Caballera waren. Doch sie hatte sich ihnen nie zugehörig gefühlt.
Sie tastet nach dem Banner. Es war nicht absehbar gewesen, dass so viele Ferkinas aus den Bergen herabsteigen würden, ja, dass es überhaupt so viele gab. Oder doch? Waren die Ritter wegen ihr gestorben oder wären sie auch tot, wenn sie nicht bei ihnen gewesen wäre? Sie hatte sich diese Frage in der Gefangenschaft so oft gestellt. Sie hatte sie den Göttern gestellt und deren Antwort waren das Banner, Domna Richeza und Golshan gewesen.
Domna Richeza hatte sich nicht einmal von ihr verbschiedet! Natürlich, sie hatte sie einfach mit der Bitte um Hilfe stehen lassen. Aber sie würde sich um das Banner und Golshan kümmern. Und danach würde sie eine gute Grafentochter sein und sich nicht mehr in solch eine Gefahr bringen.
Sie lächelte Servando nickend an, als dieser sie fragte, ob es ihr denn wirklich gut ginge. Nein, es ging ihr nicht gut, doch das ging wiederum niemanden etwas an.
Autor: von Scheffelstein
Das Rufen und Schnattern der Menschen, das aus der Vorburg in das schattige Erkerzimmer herauf drang, lenkte ihn ab. Aureolus stützte die Stirn auf die Finger und versuchte, sich zu konzentrieren. Er konnte den Dschinn rufen, wenn er in der Nähe des alten Ferkina-Schamanen Ghazal iban Muyanshîr war. Falls es sich bei dessen Begleiter um einen Dschinn handelte. Und dann? Vielleicht konnte er ihm einen Auftrag erteilen, der ihn weit fort und hoffentlich nie mehr zurück führte. Oder er konnte ihn töten. Oder bannen? Wie bannte man Dschinne?
Konnten diese verdammten Flüchtlinge nicht einmal ihre nutzlosen Mäuler halten? Wütend schlug der junge Zauberer Das Große Elementarium zu und trat ans Fenster, von dem aus er weit über die Vorburg und die sich vom Markt des Ortes Selaque weiter den Albamonte hinauf schlängelnde Straße blicken konnte.
Überall auf dem ausgedörrten Gras und zwischen den Stallungen und Werkstätten der unteren Burg lagen und saßen ärmlich gekleidete Menschen. Hier und dort brannten Feuer, und der Geruch nach gebratenem Fleisch und Kohlsuppe überlagerte den Gestank der schwitzenden Bauern. Zu den Höllen mit ihnen, dachte Aureolus, und wollte sich gerade wieder abwenden, als ein Gleißen sein Augenmerk auf sich lenkte: Dort unten auf dem Weg zum Burgtor näherten sich Reiter, deren Rüstungen in der Sonne blinkten. Ihre Banner wehten in Grün und Gold und Gold und Purpur. Wer war das schon wieder? Die da Vanyas? Die Harmamunds, mit denen seine Mutter sich neuerdings verschwesterte? Nein, das Grün passte nicht ins Bild. Das mussten Soldaten des Grafen sein.
Aureolus kniff die Augen zusammen und verfolgte, wie die Reiter um die nächste Biegung den Berg herauf kamen. Sein Herz schlug schneller, noch ehe er begriff, was seine Augen ihm zeigten: Die Blonde dort, gekleidet in schlichter Landsknechttracht, das war niemand anderes als - seine Romina! Und der große Blonde Mann hinter ihr, verflucht noch mal, das war der Drecksack, der ihm das Gesicht zertrümmert hatte! Wer aber war der junge Schönling, mit dem sich die Comtessa da so angeregt unterhielt? Bei allen Dämonen, wie konnte er es wagen, sie zum Lachen zu bringen! Seine Romina!
Was wollten die Reiter hier? Suchten sie ihn? Oder hatte, hoffte er einen unvernünftigen Augenblick lang, sich es die Domnatella doch anders überlegt?
Bestimmt nicht!, dachte Aureolus grimmig, trat vom Fenster zurück und steckte seine Bücher in eine Reisetasche, stopfte seine Tränke, Schreibzeug und ein paar Kleider hinzu und stellte den Ranzen neben die Tür. Es wäre sicherer, zu verschwinden. Aber er fürchtete, dass seine Mutter in der aktuellen heiklen Lage nur Dummheiten begehen würde. Und außerdem ... außerdem musste er die liebliche Romina noch einmal wiedersehen. Vielleicht bereute sie ja doch, nciht mit ihm gegangen zu sein?
'Dummkopf!', schalt er sich. 'Du darfst dich ihr nicht zeigen, nicht hier!'
Und dennoch: Er wollte sie sehen, er musste sie sehen, er konnte nicht anders - sein bang klopfendes Herz gebot es ihm.
Autor: Romina Alba
Romina lachte gezwungen über einen kleinen Scherz des Caballeros und bat ihn mit einer Handbewegung, ruhig zu sein. Ihr Herz wurde schwer, hier gab es unzählige bettelarme Flüchtlinge. Sie schienen Angst vor ihnen zu haben, Kinder wurden zurückgehalten und nur die hohlen Wangen und die großen Augen sprachen Bände.
Es war nicht das Einzige, was sie beunruhigte. Immer wieder strich ihr Blick über die große Burg. War er irgendwo hier? Sie sah deutlich sein schönes Gesicht und die goldenen Augen vor sich.
Ramin. Er hatte sie angelogen, hatte sie und die anderen Magnaten im Stich gelassen. Hatte sie magisch angegriffen. Nein, sie hatte er geheilt und wollte sie in Sicherheit bringen. Warum nur? Wieder glitt ihr Blick über die Fenster der Burg. Er hatte goldene, wunderschöne Augen. Junge Tsa, was hast du dir dabei gedacht, einem Magier solch praiosgefällige Augen zu geben?
Sie seufzte. Sie würde sich von ihm fern halten, wie Gendahar es gesagt hatte. Sie hatten nur kurz über die Sache geredet, und sie hatte versprochen, sofort Hilfe zu rufen, wenn er wieder auftauchen sollte. Er konnte auftauchen, wo er wollte, er war ein Magier. Es schauderte sie und wieder suchten ihre Augen nach ihm. Sie hatte soviele Fragen und doch, sie wusste nicht, ob sie die Antworten wissen wollte, ob sie die Fragen überleben würde. Wenn er wirklich der Sohn seines Vater war, schwebte sie in großer Gefahr. Wie er sie angesehen hatte! Sie kannte den Blick von vielen Männern. Doch das Ziel war stets Rahjada gewesen. Sie hätte es Gendahar sagen sollen, doch sie hatte nicht gewusst, wie. Außerdem hatte Onkelchen andere Sorgen. Bestimmt war der Sohn der Vogtin nicht hier, und bestimmt war er klug genug, sich von ihr fernzuhalten. Bestimmt sah er viele Frauen so an, schön wie er war. Sie senkte den Blick, denn man ritt durch das Tor.
Autor: SteveT
"Euer Hochgeboren! Euer Hochgeboren! Domna Praiosmin!", kam deren Leibdienerin und Kammerzofe Valbetta ohne Anzuklopfen in das Arbeitszimmer der Vogtin im westlichsten der vier Türme von Castillo Albacim gestürmt, was die 'bosqurische Jungfer' mit hochgezogener Augenbraue von ihrer Stickerei aufsehen ließ, der sie sich eigentlich gewidmet hatte, um ihre aufgewühlten Gedanken zu beruhigen.
"Herr Praios im Himmel! Was ist das für ein Betragen, Valbetta? Ich hatte ausdrücklich verlangt, nicht gestört zu werden!", tadelte sie die Zofe scharf.
"Verzeiht, Euer Gnaden! Aber es naht offenbar bedeutsamer Besuch - sie sind bereits drunten im Ort und reiten gerade über den Marktplatz!"
Praiosmin reichte ihrer Zofe ihre Stickerei und die Nadeln und erhob sich dann schwer schnaufend aus ihrem hohen Stuhl, um zum Fenster zu treten. Obwohl der schlanke Turm fast vierzig Schritt hoch war und sie sich im zweitobersten Stockwerk befand, konnte sie erwartungsgemäß nichts sehen außer das öde Umland ringsumher. Die verdammten Ferkinakken hatten alle Bäume und Sträucher in der näheren Umgebung abgehackt und in ihren Lagerfeuern verbrannt, sodass es nun aussah, als residiere sie in der Khom oder der Gorischen Wüste und nicht im immergrünen Almada. Von den Ankömmlingen konnte sie zumindest von diesem Zimmer aus nichts erkennen - aber sie würde sie schon noch früh genug erblicken.
"Weiß man bereits, um wen es sich handelt?", frug sie die Kammerzofe, die den Stickrahmen behutsam in einer Truhe verstaute. "Man erblickte die Farben Gold und Purpur, Euer Hochgeboren. Aber auch ..."
"Gold und Purpur?" wiederholte Praiosmin ungläubig. "Das sind die da Vanyas! Das sind die drecksverdammten da Vanyas! Sie wollen mich angreifen - auf meiner eigenen Burg! Die Tore schließen! Alle Wachen auf die Zinnen!"
"Nicht doch, Domna, nicht doch!", hob die Zofe abwehrend beide Arme. "Man sah auch die Farben Grün und Gold und das Zeichen der Rebe. Corporal Frazarro sprach davon, dass es scheinbar gräfliche Reiter wären, die sich uns nähern."
"Na, sieh mal einer an!", stapfte die Vogtin mit dem Fuß auf. "Jetzt, wo die Blutsäufer endlich von alleine weitergezogen sind und die Belagerung aufgegeben haben, lässt sich unser sauberer Graf herab, mir endlich Unterstützung zu schicken, die ich vor drei Wochen benötigt hätte! Na dem Commandanten werde ich den Marsch blasen! Los, los - ich muß mich umkleiden! Bring mir mein weiß-güldenes Kleid!"
Die Zofe nickte und wollte bereits gehen, blieb dann aber in der Türschwelle stehen. "Äh, welches weiß-güldene Kleid, Herrin? Ihr besitzt Dutzende davon."
"Selbstverständlich das brokatene, welches ich alljährlich bei der Landständeversammlung zu tragen pflege. Auch ein güldenes Diadem und meine güldenen Armreifen können nicht schaden - diese Leute sollen von vorneherein wissen, dass sie es mit keiner kleinen Reichsbeamtin, sondern mit einer stolzen Herrscherin zu tun haben!"
Ganz nach ihren Wünschen gekleidet und zurecht gemacht, erwartete die Reichsvogtin das Eintreffen der ihr angekündigten Reiterschar schließlich von der Loggia ihres Palas' aus. Auch wenn sie das Knacken der Nähte und das Zwicken an Schultern, Bauch und Busen daran erinnerte, dass sie damals, als dieses Kleid für sie geschneidert worden war, noch gut und gerne zwanzig Stein weniger gewogen hatte, war sie sich doch sicher, einen respekteinflößenden Ablick abzugeben. Sie warf einen kurzen Blick zu einem der Dachfenster der Kemenate hinauf, wo ihr Sohn seit seinen Kindertagen sein Zimmer hatte. Ohne ihn hinter den Vorhängen sehen zu können, war sie sich doch sicher, daß Aureolus just in diesem Moment auf die Szenerie herabblickte und alles mitverfolgte.
Autor: von Scheffelstein
Sie irrte sich und schrak zusammen, als sie seine Stimme so plötzlich und unerwartet hinter sich vernahm.
"Dreht Euch nicht um", wisperte er.
"Heiliger ..."
"Scht!", machte er und legte ihr seine unsichtbare Hand auf die Schulter. "Still! Lasst Euch nichts anmerken." Er blickte sich um. Die Dienerin war hineingegangen, sie waren allein. "Es steht viel auf dem Spiel", sagte er leise, "sehr viel. Darum hört mir zu! Wenn Ihr die da Vanyas vernichten wollt, müsst Ihr Eure Rechtschaffenheit und Kaisertreue unter Beweis stellen. Sie sollen Eure Gegnerinnen für die Bösen halten, kein Makel darf auf Euch fallen. Durch die Noticias Eurer Freundin Liguria, die Eure Leute auf dem Castillo da Vanya gefunden haben, habt Ihr hinreichend Beweise für die mangelnde Lehnstreue der Rifada da Vanya. Ihr hattet also alles Recht, Eure Vasallin zu enteignen.
Allerdings war es selbstverständlich nur der Not geschuldet, dass Ihr ... Unbeteiligte in die Sache hineinziehen musstet. Der große Blonde dort, ist das der Mann, von dem Ihr erzähltet? Der mit der da Vanya in ihr Castillo kam? Der ... wie? Streitzig? Ein bedauerliches Missverständnis. Erst jetzt, wo Ihr ihn seht, unter dem Banner der Gräflichen, erkennt Ihr ihn. Er muss zugeben, dass er ... nicht den Eindruck eines ehrbaren Magnaten macht - möge er's pardornieren, aber Kleider machen Leute, nicht wahr? Ihr wisst schon, was ich meine."
Aureolus leckte sich die Lippen. Das Klappern von Hufen wurde im Torweg zur Hauptburg laut. Gleich würden sie hier sein.
"Seid freundlich und kooperativ, geht Kompromisse ein, wenn es sein muss, aber nicht mehr als nötig. Selbstverständlich ist Eure oberste Priorität, die Wilden zu bekämpfen. Das eigenmächtige Gebahren Eurer Vasallin, die Euch in dieser Zeit der Not die Treue versagt, gefährdet dieses Ziel. Ihr habt das Castillo besetzt, um eine wichtige Verteidigungsanlage wider die Wilden kontrollieren und die dortigen Rustikalen in Sicherheit bringen zu können. - Unser Gast im Kerker unten bleibt natürlich unser kleines Geheimnis."
Der erste Reiter ritt durch das viele Schritt dicke Radmonstor in den Hof der Hauptburg der weißen Brünne. Es war niemand anderes als der alte Castellan des Grafens höchstpersönlich, der, so wusste Aureolus, seiner Mutter höchst unsympathisch war.
Dicht auf folgten ihm die übrigen Gräflichen, allen voran seine Romina und der Blonde, der Streitzig. Aurelos presste die Lippen zusammen. Seine Rache würde er noch bekommen, für diesmal musste er den Mann schonen, um des Rufes seiner Mutter wegen.
"Ich ziehe mich zurück", wisperte Aureolus, damit seine Mutter sich ruhiger fühlte, ging aber nicht hinein, sondern trat in den Hintergrund. Seine Augen hingen an Domnatella Rominas Gesicht. Er spürte, wie sein Körper nach ihr verlangte. Obwohl sie ihn nicht sehen konnte, fühlte er sich bloßgestellt. Nur gut, dass seine Mutter nicht ahnte, wie er neben ihr stand, dachte er und grinste wider Willen.
Autor: SteveT
Die Reichsvogtin nickte unleidig zu allem, was Aureolus ihr zuflüsterte, als wüsste sie dies bereits alles selbst.
Als er geendet hatte, zischte sie dorthin, wo sie ihn vermutete: "Hör auf mit diesem Blendwerk! Du weißt, dass ich keine Zauberei hier auf meinem Castillo nahe des Schreins unseres Herrn wünsche! Steck deine Nase lieber einmal ins Brevier der zwölfgöttlichen Unterweisungen, anstatt fortwährend in diese lästerlichen Machwerke von Ketzern und Geisteskranken!"
Zwei der Hellebardiere, die links und rechts des Radmonstores zur Vorburg standen, tauschten untereinander einen irritierten Blick mit hochgezogener Augenbraue. Führte ihre Herrin Selbstgespräche? Sie war ihnen schon des öfteren etwas sonderbar vorgekommen - aber da außer ihr niemand oben auf der Loggia des Palas stand, redete sie ganz offenbar mit der Luft - jedenfalls formten ihre Lippen Worte, die sie von hier unten nicht verstanden. Dann aber ritt die Reisegruppe der Gräflichen in den Hof der Hauptburg, und einer der Gardisten hob seine Fanfare zum Mund und stieß zu einem langgezogenen majestätischen Salutton hinein.
Nun wandte die Reichsvogtin ihre Aufmerksamkeit endlich den Ankömmlingen zu und schritt nach vorne zum Geländer der Loggia, auf das sie sich mit ihrer ganzen beachtlichen Leibesfülle stützte. Die Gardisten ließen ihre Blicke anerkennend auf der blonden Domnatella ruhen, die als zweite nach dem zauselbärtigen gräflichen Castellan in den Hof eingeritten war. Das war doch mal ein schöner Sonnenschein in diesen finsteren Tagen - gerade wenn man sie vis-a-vis mit ihrer eigenen Herrin sah ...
Allerdings wurde die Aufmerksamkeit der Gardisten sofort wieder an anderer Stelle gefordert, denn direkt hinter den Gräflichen war auch eine Meute ausgehungerter Selaquer Halbstarker in die Hauptburg eingedrungen, und nun hingen sie mit ihren bettelnd hochgereckten Händen, fahlen schmutzstarrenden Gesichtern und "Eine milde Gabe!"oder "Ein Obulus! Bitte ein Obulus!"-Rufen wie lästige Kletten an den Rocksäumen und Pferdedecken der gräflichen Deputation.
Das Gesicht der Reichsvogtin verdunkelte sich sofort bei diesem Anblick. "HINAUS MIT DIESEM PACK!", brüllte sie mit sich überschlagender Stimme, worauf sieben Gardisten mit gesenkten Spießen vorrückten und den jungen Burschen und Maiden - viele davon etwa in Zaidas Alter - das stumpfe Stielende ihrer Waffen in die Bäuche rammten, um sie dann mit Hieben wieder hinter das Tor zur Vorburg zurückzutreiben. Als auch der letzte jugendliche Bettler auf diese Weise aus dem Hof verjagt war, befahl Praiosmin: "SCHLIESST DAS TOR!", worauf hinter der kleinen gräflichen Equipage unter ohrenbetäubendem Getöse das Fallgatter herunterrasselte.
Einen Moment lag nun gespannte Stille über dem Burghof, da die Gräflichen Mühe hatten, ihre durch den tosenden Lärm verängstigten Rösser wieder unter Kontrolle zu bringen.
Dann aber breitete Praiosmin, nun wieder lächelnd, als habe es den vorangegangenen Zwischenfall überhaupt nicht gegeben, in großer Geste ihre massigen Arme aus.und rief Rondrigo vom Eisenwalde an: "Willkommen, werter Castellan! Seid mir vielfach willkommen! Ich hatte bereits früher auf Euer Erscheinen gehofft, um uns aus der Umklammerung dieser grauenhaften Belagerung zu lösen - aber nun seid Ihr ja endlich da, um uns den verdienten Entsatz zu bringen! Wie ich sehe, haben es die guten Götter auch gefügt, dass Ihr das zarte Töchterlein Eures Herrn aus den Fängen der Wilden befreien konntet - Praiosseidank! Auch ich habe häufig zu allen Heiligen des Himmels gebetet, dass das gute Kind lebend errettet werden möge."
Auf einen Wink von Praiosmin hin kamen vier Knechte aus dem Nebengebäude der Kemenate auf die Neuankömmlinge zu, offenbar um die Pferde der Gräflichen in Empfang zu nehmen und sie zu den Stallungen zu führen.
Autor: Romina Alba
Eine leise Verwünschung ausstoßend, brachte der Castellan sein Pferd wieder unter Kontrolle und sah zu der Vogtin auf. Er knirschte kurz mit den Zähnen und verdrängte den Gedanken, dass es vielleicht besser gewesen wäre, dem Wunsch der jungen Comtessa nachzugeben und Burg Albacim zu meiden. Er senkte kurz grüßend das Kinn.
"Praios und Rondra auch mit Euch, Hochgeboren, wir bitten im Namen des Grafen um eine Nacht Eurer Gastfreundschaft, denn wir sind auf den Rückweg nach Ragath. Der Entsatz indes ist noch in den Bergen und räumt weiter auf."
Das zarte Töchterlein des Grafen hinter Dom Rondrigo hatte andere Sorgen. Sie konnte dem scheuenden Tier ihrer ferkinischen Begleitung gerade noch in die Zügel greifen, und versuchte jetzt mit leisen Worten die Reiterin zu beruhigen, die panischer schien als das Pferd. Golshan zitterte und schaute abwechselnd zu dem Fallgitter und den aufragenden Wänden. Sie sah aus, als wolle sie jeden Moment lospreschen, wusste aber nicht, wohin. Romina versuchte ihre Aufmerksamkeit zu erlangen, indem sie leise auf sie einredete und immer wieder ihren Namen sagte. Es gelang ihr erst, als sie sie mit Hilfe von Zaida vom Pferd geholt und leicht geschütteltet hatte.
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