Chronik.Ereignis1033 Feldzug Selaque 18

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In der Baronie Selaque, 2. Rondra 1033 BF[Quelltext bearbeiten]

Auf Burg Albacim[Quelltext bearbeiten]


2. Rondra, am späten Nachmittag[Quelltext bearbeiten]

Autor: Der Sinnreiche Junker

Die Soldaten des Grafen waren gut vorangekommen, nachdem sie nur wenig nach den Mercenarios aufgebrochen waren. Beinahe hätte man diese sogar noch eingeholt, denn immerhin war man im Gegensatz zu diesen vollständig beritten. Doch schien Hernán von Aranjuez ein gutes Tempo vorzulegen, sodass es dann bergab trotz der Rösser doch nicht mehr ganz gereicht hatte. Die Spuren, auf die man am Fuße stieß, waren freilich noch frisch, und führten hinein ins Tal der da Vanyas. Manch einer mochte vielleicht kurz gen Osten geblickt haben, als man selbst die Rösser gen Westen wandte, endlich flacheres Terrain vor sich.

Die Stimmung war freilich etwas merkwürdig. Einerseits gelöst, da man sich auf dem Heimweg befand, und auch wenn man noch lange nicht außerhalb der Gefahrenzone befand: welche Wilden würden es schon wagen, auf freiem Feld ein Dutzend schwer gewappnete Reiter anzugreifen? Und man hatte ja auch den Auftrag erfolgreich ausgeführt, Domna Romina und darüber hinaus auch Dom Gendahar und die kleine Waldwachterin waren gerettet. Andererseits war der Abschied alles andere als erfreulich gewesen, und die Reibereien, die es von Beginn an zwischen Rondrigo vom Eisenwalde und Hernán von Aranjuez gegeben hatte, hatten schließlich ihren Höhepunkte gefunden. Und mancher mochte bei aller Erleichterung auch irgendwo tief in seinem Inneren das Gefühl verspüren, dass man sich hier vorzeitig aus dem Staube machte, derweil andere zurück blieben und sich weiterhin mit wahnsinnigen Ferkinas und wilden Domnas herumschlagen mussten.

Immerhin, es dauerte nicht lange, da kam halbhoch am steilen Hang des Berges Albamonte der Hauptort der Baronie in Sicht, Selaque, und über ihm das Castillo Albacim. Nun mochte sich doch auch noch ein Gefühl der Beklommenheit in mancher Magengrube breit machen, hatten doch beinahe alle mehr oder weniger ausführlich gehört, was vor nicht allzu langer Zeit auf Castillo da Vanya geschehen war. Wie würde Praiosmin von Elenta nun sie empfangen?

Ganz sicher schien sich auch des Grafens Castellan, Rondrigo vom Eisenwalde nicht zu sein, ritt er doch an der Spitze der kleinen Gruppe neben Gendahar von Streitzig mit einer Miene, als gelte es eine Schlacht zu schlagen. Einzig Servando Cronbiegler schien bester Stimmung, sah er sich doch bereits als strahlender Held in Ragath. Nun musste ihn Domna Rahjada schließlich beachten, immerhin hatte er ihre kleine Schwester gerettet. Nun ja, nicht ganz alleine, aber er hatte seinen Anteil gehabt, im Gegensatz zu all den anderen Lakaien und Speichelleckern bei Hofe, welche die mittlere Grafentochter so ausgiebig umschwärmten.

Freilich hatte er darüber nicht seine Pflichten als Caballero vergessen, und sein Ross neben das Domna Rominas gesetzt, wo er nun den beiden Damen erklärte, was es über Castillo Albacim, welches man ob der Farbe seiner Gemäuer die „Weiße Brünne“ nannte, und wo die Vogte des kaiserlichen Eigengutes residierten, zu wissen gab. Wenn es um den hesinde- und nandusgefällige Ausbildung ging, war er gewiss nicht der Begabteste gewesen – um nicht zu sagen, stets einer der Letzten in seiner Klasse – doch die Historie, und damit verbunden die Örtlichkeiten, wo sich diese zugetragen hatte, hatte ihn stets interessiert.


Autor: Romina Alba

Domna Romina war wortkarg. Sie hatte Golshan letztendlich die eigene Kleidung gelassen und ihr einfach die Zügel eines Pferdes in die Hand gedrückt. Jetzt ritt die Wilde, sich staunend umschauend, dicht hinter ihr. Burg Albacim war in Sicht.

Dom Servando ritt nun schon ein geschlagenes halbes Stundenglas neben ihr und redete fast ununterbrochen. Er schien jede noch so kleine Schlacht und jeden noch so unscheinbaren Vogt zu kennen, der je Burg Albacim heimgesucht hatte. Sie wollte nicht dahin. Weder zu der angeblich so praiotischen Vettel, noch zu deren Sohn.

Zum wiederholten Male bohrte sich ihr Blick in den Rücken des Castellans, dem es egal war, wem sie in der Gefangenschaft begegnet sein wollte und auch, was diese freche Waldwachter Göre behauptete. Er wollte nur die Tochter seines Herrn dahin bringen, wo sie hingehörte und seiner Meinung nach auch immer bleiben sollte: Hinter die Mauern des Castillo Ragath! In Sicherheit! Wo sie niemanden gefährdete, weil man nach ihr suchen musste.

Tief spürte sie den Stich seiner derben Worte. Erinnerte sich an den Blick von Dom Hernán. Hatten sie recht? War sie nur ein verzogenes Grafentöchterchen, das sich beweisen musste? Und dadurch Männer und Frauen in Gefahr brachte? Wofür war sie dann Caballera geworden? Hatte sich geschunden und war besser geworden als viele andere?

Sie sah den selbstvergessen erzählenden Servando von der Seite an. Er schien glücklich, sie gefunden zu haben und sich kümmern zu können. Er war Caballero, genau wie von Silvansbühler und wie sie selbst Caballera waren. Doch sie hatte sich ihnen nie zugehörig gefühlt.

Sie tastet nach dem Banner. Es war nicht absehbar gewesen, dass so viele Ferkinas aus den Bergen herabsteigen würden, ja, dass es überhaupt so viele gab. Oder doch? Waren die Ritter wegen ihr gestorben oder wären sie auch tot, wenn sie nicht bei ihnen gewesen wäre? Sie hatte sich diese Frage in der Gefangenschaft so oft gestellt. Sie hatte sie den Göttern gestellt und deren Antwort waren das Banner, Domna Richeza und Golshan gewesen.

Domna Richeza hatte sich nicht einmal von ihr verbschiedet! Natürlich, sie hatte sie einfach mit der Bitte um Hilfe stehen lassen. Aber sie würde sich um das Banner und Golshan kümmern. Und danach würde sie eine gute Grafentochter sein und sich nicht mehr in solch eine Gefahr bringen.

Sie lächelte Servando nickend an, als dieser sie fragte, ob es ihr denn wirklich gut ginge. Nein, es ging ihr nicht gut, doch das ging wiederum niemanden etwas an.


Autor: von Scheffelstein

Das Rufen und Schnattern der Menschen, das aus der Vorburg in das schattige Erkerzimmer herauf drang, lenkte ihn ab. Aureolus stützte die Stirn auf die Finger und versuchte, sich zu konzentrieren. Er konnte den Dschinn rufen, wenn er in der Nähe des alten Ferkina-Schamanen Ghazal iban Muyanshîr war. Falls es sich bei dessen Begleiter um einen Dschinn handelte. Und dann? Vielleicht konnte er ihm einen Auftrag erteilen, der ihn weit fort und hoffentlich nie mehr zurück führte. Oder er konnte ihn töten. Oder bannen? Wie bannte man Dschinne?

Konnten diese verdammten Flüchtlinge nicht einmal ihre nutzlosen Mäuler halten? Wütend schlug der junge Zauberer Das Große Elementarium zu und trat ans Fenster, von dem aus er weit über die Vorburg und die sich vom Markt des Ortes Selaque weiter den Albamonte hinauf schlängelnde Straße blicken konnte.

Überall auf dem ausgedörrten Gras und zwischen den Stallungen und Werkstätten der unteren Burg lagen und saßen ärmlich gekleidete Menschen. Hier und dort brannten Feuer, und der Geruch nach gebratenem Fleisch und Kohlsuppe überlagerte den Gestank der schwitzenden Bauern. Zu den Höllen mit ihnen, dachte Aureolus, und wollte sich gerade wieder abwenden, als ein Gleißen sein Augenmerk auf sich lenkte: Dort unten auf dem Weg zum Burgtor näherten sich Reiter, deren Rüstungen in der Sonne blinkten. Ihre Banner wehten in Grün und Gold und Gold und Purpur. Wer war das schon wieder? Die da Vanyas? Die Harmamunds, mit denen seine Mutter sich neuerdings verschwesterte? Nein, das Grün passte nicht ins Bild. Das mussten Soldaten des Grafen sein.

Aureolus kniff die Augen zusammen und verfolgte, wie die Reiter um die nächste Biegung den Berg herauf kamen. Sein Herz schlug schneller, noch ehe er begriff, was seine Augen ihm zeigten: Die Blonde dort, gekleidet in schlichter Landsknechttracht, das war niemand anderes als - seine Romina! Und der große Blonde Mann hinter ihr, verflucht noch mal, das war der Drecksack, der ihm das Gesicht zertrümmert hatte! Wer aber war der junge Schönling, mit dem sich die Comtessa da so angeregt unterhielt? Bei allen Dämonen, wie konnte er es wagen, sie zum Lachen zu bringen! Seine Romina!

Was wollten die Reiter hier? Suchten sie ihn? Oder hatte, hoffte er einen unvernünftigen Augenblick lang, sich es die Domnatella doch anders überlegt?

Bestimmt nicht!, dachte Aureolus grimmig, trat vom Fenster zurück und steckte seine Bücher in eine Reisetasche, stopfte seine Tränke, Schreibzeug und ein paar Kleider hinzu und stellte den Ranzen neben die Tür. Es wäre sicherer, zu verschwinden. Aber er fürchtete, dass seine Mutter in der aktuellen heiklen Lage nur Dummheiten begehen würde. Und außerdem ... außerdem musste er die liebliche Romina noch einmal wiedersehen. Vielleicht bereute sie ja doch, nciht mit ihm gegangen zu sein?

'Dummkopf!', schalt er sich. 'Du darfst dich ihr nicht zeigen, nicht hier!'

Und dennoch: Er wollte sie sehen, er musste sie sehen, er konnte nicht anders - sein bang klopfendes Herz gebot es ihm.


Autor: Romina Alba

Romina lachte gezwungen über einen kleinen Scherz des Caballeros und bat ihn mit einer Handbewegung, ruhig zu sein. Ihr Herz wurde schwer, hier gab es unzählige bettelarme Flüchtlinge. Sie schienen Angst vor ihnen zu haben, Kinder wurden zurückgehalten und nur die hohlen Wangen und die großen Augen sprachen Bände.

Es war nicht das Einzige, was sie beunruhigte. Immer wieder strich ihr Blick über die große Burg. War er irgendwo hier? Sie sah deutlich sein schönes Gesicht und die goldenen Augen vor sich.

Ramin. Er hatte sie angelogen, hatte sie und die anderen Magnaten im Stich gelassen. Hatte sie magisch angegriffen. Nein, sie hatte er geheilt und wollte sie in Sicherheit bringen. Warum nur? Wieder glitt ihr Blick über die Fenster der Burg. Er hatte goldene, wunderschöne Augen. Junge Tsa, was hast du dir dabei gedacht, einem Magier solch praiosgefällige Augen zu geben?

Sie seufzte. Sie würde sich von ihm fern halten, wie Gendahar es gesagt hatte. Sie hatten nur kurz über die Sache geredet, und sie hatte versprochen, sofort Hilfe zu rufen, wenn er wieder auftauchen sollte. Er konnte auftauchen, wo er wollte, er war ein Magier. Es schauderte sie und wieder suchten ihre Augen nach ihm. Sie hatte soviele Fragen und doch, sie wusste nicht, ob sie die Antworten wissen wollte, ob sie die Fragen überleben würde. Wenn er wirklich der Sohn seines Vater war, schwebte sie in großer Gefahr. Wie er sie angesehen hatte! Sie kannte den Blick von vielen Männern. Doch das Ziel war stets Rahjada gewesen. Sie hätte es Gendahar sagen sollen, doch sie hatte nicht gewusst, wie. Außerdem hatte Onkelchen andere Sorgen. Bestimmt war der Sohn der Vogtin nicht hier, und bestimmt war er klug genug, sich von ihr fernzuhalten. Bestimmt sah er viele Frauen so an, schön wie er war. Sie senkte den Blick, denn man ritt durch das Tor.


Autor: SteveT

"Euer Hochgeboren! Euer Hochgeboren! Domna Praiosmin!", kam deren Leibdienerin und Kammerzofe Valbetta ohne Anzuklopfen in das Arbeitszimmer der Vogtin im westlichsten der vier Türme von Castillo Albacim gestürmt, was die 'bosqurische Jungfer' mit hochgezogener Augenbraue von ihrer Stickerei aufsehen ließ, der sie sich eigentlich gewidmet hatte, um ihre aufgewühlten Gedanken zu beruhigen.

"Herr Praios im Himmel! Was ist das für ein Betragen, Valbetta? Ich hatte ausdrücklich verlangt, nicht gestört zu werden!", tadelte sie die Zofe scharf.

"Verzeiht, Euer Gnaden! Aber es naht offenbar bedeutsamer Besuch - sie sind bereits drunten im Ort und reiten gerade über den Marktplatz!"

Praiosmin reichte ihrer Zofe ihre Stickerei und die Nadeln und erhob sich dann schwer schnaufend aus ihrem hohen Stuhl, um zum Fenster zu treten. Obwohl der schlanke Turm fast vierzig Schritt hoch war und sie sich im zweitobersten Stockwerk befand, konnte sie erwartungsgemäß nichts sehen außer das öde Umland ringsumher. Die verdammten Ferkinakken hatten alle Bäume und Sträucher in der näheren Umgebung abgehackt und in ihren Lagerfeuern verbrannt, sodass es nun aussah, als residiere sie in der Khom oder der Gorischen Wüste und nicht im immergrünen Almada. Von den Ankömmlingen konnte sie zumindest von diesem Zimmer aus nichts erkennen - aber sie würde sie schon noch früh genug erblicken.

"Weiß man bereits, um wen es sich handelt?", frug sie die Kammerzofe, die den Stickrahmen behutsam in einer Truhe verstaute. "Man erblickte die Farben Gold und Purpur, Euer Hochgeboren. Aber auch ..."

"Gold und Purpur?" wiederholte Praiosmin ungläubig. "Das sind die da Vanyas! Das sind die drecksverdammten da Vanyas! Sie wollen mich angreifen - auf meiner eigenen Burg! Die Tore schließen! Alle Wachen auf die Zinnen!"

"Nicht doch, Domna, nicht doch!", hob die Zofe abwehrend beide Arme. "Man sah auch die Farben Grün und Gold und das Zeichen der Rebe. Corporal Frazarro sprach davon, dass es scheinbar gräfliche Reiter wären, die sich uns nähern."

"Na, sieh mal einer an!", stapfte die Vogtin mit dem Fuß auf. "Jetzt, wo die Blutsäufer endlich von alleine weitergezogen sind und die Belagerung aufgegeben haben, lässt sich unser sauberer Graf herab, mir endlich Unterstützung zu schicken, die ich vor drei Wochen benötigt hätte! Na dem Commandanten werde ich den Marsch blasen! Los, los - ich muß mich umkleiden! Bring mir mein weiß-güldenes Kleid!"

Die Zofe nickte und wollte bereits gehen, blieb dann aber in der Türschwelle stehen. "Äh, welches weiß-güldene Kleid, Herrin? Ihr besitzt Dutzende davon."

"Selbstverständlich das brokatene, welches ich alljährlich bei der Landständeversammlung zu tragen pflege. Auch ein güldenes Diadem und meine güldenen Armreifen können nicht schaden - diese Leute sollen von vorneherein wissen, dass sie es mit keiner kleinen Reichsbeamtin, sondern mit einer stolzen Herrscherin zu tun haben!"

Ganz nach ihren Wünschen gekleidet und zurecht gemacht, erwartete die Reichsvogtin das Eintreffen der ihr angekündigten Reiterschar schließlich von der Loggia ihres Palas' aus. Auch wenn sie das Knacken der Nähte und das Zwicken an Schultern, Bauch und Busen daran erinnerte, dass sie damals, als dieses Kleid für sie geschneidert worden war, noch gut und gerne zwanzig Stein weniger gewogen hatte, war sie sich doch sicher, einen respekteinflößenden Ablick abzugeben. Sie warf einen kurzen Blick zu einem der Dachfenster der Kemenate hinauf, wo ihr Sohn seit seinen Kindertagen sein Zimmer hatte. Ohne ihn hinter den Vorhängen sehen zu können, war sie sich doch sicher, daß Aureolus just in diesem Moment auf die Szenerie herabblickte und alles mitverfolgte.


Autor: von Scheffelstein

Sie irrte sich und schrak zusammen, als sie seine Stimme so plötzlich und unerwartet hinter sich vernahm.

"Dreht Euch nicht um", wisperte er.

"Heiliger ..."

"Scht!", machte er und legte ihr seine unsichtbare Hand auf die Schulter. "Still! Lasst Euch nichts anmerken." Er blickte sich um. Die Dienerin war hineingegangen, sie waren allein. "Es steht viel auf dem Spiel", sagte er leise, "sehr viel. Darum hört mir zu! Wenn Ihr die da Vanyas vernichten wollt, müsst Ihr Eure Rechtschaffenheit und Kaisertreue unter Beweis stellen. Sie sollen Eure Gegnerinnen für die Bösen halten, kein Makel darf auf Euch fallen. Durch die Noticias Eurer Freundin Liguria, die Eure Leute auf dem Castillo da Vanya gefunden haben, habt Ihr hinreichend Beweise für die mangelnde Lehnstreue der Rifada da Vanya. Ihr hattet also alles Recht, Eure Vasallin zu enteignen.

Allerdings war es selbstverständlich nur der Not geschuldet, dass Ihr ... Unbeteiligte in die Sache hineinziehen musstet. Der große Blonde dort, ist das der Mann, von dem Ihr erzähltet? Der mit der da Vanya in ihr Castillo kam? Der ... wie? Streitzig? Ein bedauerliches Missverständnis. Erst jetzt, wo Ihr ihn seht, unter dem Banner der Gräflichen, erkennt Ihr ihn. Er muss zugeben, dass er ... nicht den Eindruck eines ehrbaren Magnaten macht - möge er's pardornieren, aber Kleider machen Leute, nicht wahr? Ihr wisst schon, was ich meine."

Aureolus leckte sich die Lippen. Das Klappern von Hufen wurde im Torweg zur Hauptburg laut. Gleich würden sie hier sein.

"Seid freundlich und kooperativ, geht Kompromisse ein, wenn es sein muss, aber nicht mehr als nötig. Selbstverständlich ist Eure oberste Priorität, die Wilden zu bekämpfen. Das eigenmächtige Gebahren Eurer Vasallin, die Euch in dieser Zeit der Not die Treue versagt, gefährdet dieses Ziel. Ihr habt das Castillo besetzt, um eine wichtige Verteidigungsanlage wider die Wilden kontrollieren und die dortigen Rustikalen in Sicherheit bringen zu können. - Unser Gast im Kerker unten bleibt natürlich unser kleines Geheimnis."

Der erste Reiter ritt durch das viele Schritt dicke Radmonstor in den Hof der Hauptburg der weißen Brünne. Es war niemand anderes als der alte Castellan des Grafens höchstpersönlich, der, so wusste Aureolus, seiner Mutter höchst unsympathisch war.

Dicht auf folgten ihm die übrigen Gräflichen, allen voran seine Romina und der Blonde, der Streitzig. Aurelos presste die Lippen zusammen. Seine Rache würde er noch bekommen, für diesmal musste er den Mann schonen, um des Rufes seiner Mutter wegen.

"Ich ziehe mich zurück", wisperte Aureolus, damit seine Mutter sich ruhiger fühlte, ging aber nicht hinein, sondern trat in den Hintergrund. Seine Augen hingen an Domnatella Rominas Gesicht. Er spürte, wie sein Körper nach ihr verlangte. Obwohl sie ihn nicht sehen konnte, fühlte er sich bloßgestellt. Nur gut, dass seine Mutter nicht ahnte, wie er neben ihr stand, dachte er und grinste wider Willen.


Autor: SteveT

Die Reichsvogtin nickte unleidig zu allem, was Aureolus ihr zuflüsterte, als wüsste sie dies bereits alles selbst.

Als er geendet hatte, zischte sie dorthin, wo sie ihn vermutete: "Hör auf mit diesem Blendwerk! Du weißt, dass ich keine Zauberei hier auf meinem Castillo nahe des Schreins unseres Herrn wünsche! Steck deine Nase lieber einmal ins Brevier der zwölfgöttlichen Unterweisungen, anstatt fortwährend in diese lästerlichen Machwerke von Ketzern und Geisteskranken!"

Zwei der Hellebardiere, die links und rechts des Radmonstores zur Vorburg standen, tauschten untereinander einen irritierten Blick mit hochgezogener Augenbraue. Führte ihre Herrin Selbstgespräche? Sie war ihnen schon des öfteren etwas sonderbar vorgekommen - aber da außer ihr niemand oben auf der Loggia des Palas stand, redete sie ganz offenbar mit der Luft - jedenfalls formten ihre Lippen Worte, die sie von hier unten nicht verstanden. Dann aber ritt die Reisegruppe der Gräflichen in den Hof der Hauptburg, und einer der Gardisten hob seine Fanfare zum Mund und stieß zu einem langgezogenen majestätischen Salutton hinein.

Nun wandte die Reichsvogtin ihre Aufmerksamkeit endlich den Ankömmlingen zu und schritt nach vorne zum Geländer der Loggia, auf das sie sich mit ihrer ganzen beachtlichen Leibesfülle stützte. Die Gardisten ließen ihre Blicke anerkennend auf der blonden Domnatella ruhen, die als zweite nach dem zauselbärtigen gräflichen Castellan in den Hof eingeritten war. Das war doch mal ein schöner Sonnenschein in diesen finsteren Tagen - gerade wenn man sie vis-a-vis mit ihrer eigenen Herrin sah ...

Allerdings wurde die Aufmerksamkeit der Gardisten sofort wieder an anderer Stelle gefordert, denn direkt hinter den Gräflichen war auch eine Meute ausgehungerter Selaquer Halbstarker in die Hauptburg eingedrungen, und nun hingen sie mit ihren bettelnd hochgereckten Händen, fahlen schmutzstarrenden Gesichtern und "Eine milde Gabe!"oder "Ein Obulus! Bitte ein Obulus!"-Rufen wie lästige Kletten an den Rocksäumen und Pferdedecken der gräflichen Deputation.

Das Gesicht der Reichsvogtin verdunkelte sich sofort bei diesem Anblick. "HINAUS MIT DIESEM PACK!", brüllte sie mit sich überschlagender Stimme, worauf sieben Gardisten mit gesenkten Spießen vorrückten und den jungen Burschen und Maiden - viele davon etwa in Zaidas Alter - das stumpfe Stielende ihrer Waffen in die Bäuche rammten, um sie dann mit Hieben wieder hinter das Tor zur Vorburg zurückzutreiben. Als auch der letzte jugendliche Bettler auf diese Weise aus dem Hof verjagt war, befahl Praiosmin: "SCHLIESST DAS TOR!", worauf hinter der kleinen gräflichen Equipage unter ohrenbetäubendem Getöse das Fallgatter herunterrasselte.

Einen Moment lag nun gespannte Stille über dem Burghof, da die Gräflichen Mühe hatten, ihre durch den tosenden Lärm verängstigten Rösser wieder unter Kontrolle zu bringen.

Dann aber breitete Praiosmin, nun wieder lächelnd, als habe es den vorangegangenen Zwischenfall überhaupt nicht gegeben, in großer Geste ihre massigen Arme aus.und rief Rondrigo vom Eisenwalde an: "Willkommen, werter Castellan! Seid mir vielfach willkommen! Ich hatte bereits früher auf Euer Erscheinen gehofft, um uns aus der Umklammerung dieser grauenhaften Belagerung zu lösen - aber nun seid Ihr ja endlich da, um uns den verdienten Entsatz zu bringen! Wie ich sehe, haben es die guten Götter auch gefügt, dass Ihr das zarte Töchterlein Eures Herrn aus den Fängen der Wilden befreien konntet - Praiosseidank! Auch ich habe häufig zu allen Heiligen des Himmels gebetet, dass das gute Kind lebend errettet werden möge."

Auf einen Wink von Praiosmin hin kamen vier Knechte aus dem Nebengebäude der Kemenate auf die Neuankömmlinge zu, offenbar um die Pferde der Gräflichen in Empfang zu nehmen und sie zu den Stallungen zu führen.


Autor: Romina Alba

Eine leise Verwünschung ausstoßend, brachte der Castellan sein Pferd wieder unter Kontrolle und sah zu der Vogtin auf. Er knirschte kurz mit den Zähnen und verdrängte den Gedanken, dass es vielleicht besser gewesen wäre, dem Wunsch der jungen Comtessa nachzugeben und Burg Albacim zu meiden. Er senkte kurz grüßend das Kinn.

"Praios und Rondra auch mit Euch, Hochgeboren, wir bitten im Namen des Grafen um eine Nacht Eurer Gastfreundschaft, denn wir sind auf den Rückweg nach Ragath. Der Entsatz indes ist noch in den Bergen und räumt weiter auf."

Das zarte Töchterlein des Grafen hinter Dom Rondrigo hatte andere Sorgen. Sie konnte dem scheuenden Tier ihrer ferkinischen Begleitung gerade noch in die Zügel greifen, und versuchte jetzt mit leisen Worten die Reiterin zu beruhigen, die panischer schien als das Pferd. Golshan zitterte und schaute abwechselnd zu dem Fallgitter und den aufragenden Wänden. Sie sah aus, als wolle sie jeden Moment lospreschen, wusste aber nicht, wohin. Romina versuchte ihre Aufmerksamkeit zu erlangen, indem sie leise auf sie einredete und immer wieder ihren Namen sagte. Es gelang ihr erst, als sie sie mit Hilfe von Zaida vom Pferd geholt und leicht geschütteltet hatte.


Autor: SteveT

"Selbstverständlich ist es mir eine Freude, Euch auf dieser Burg unseres Herrn, des Kaisers, Kost und Quatier zu gewähren!", nickte Praiosmin dem Castellan huldvoll zu und wank ihn heran, näher unter ihre herrschaftliche Loggia zu treten.

"Meine Knechte werden sich um Eure Tiere kümmern und sie tränken, und da gewiss auch Ihr selbst durstig und hungrig seid, wäre es mir eine Ehre, Euch und die liebreizende Comtessa zu einem kleinen Abendmahl in meine Privatgemächer einzuladen."

Sie übersah die Equipage des Castellans genauer. "Selbstverständlich werde ich auch für Eure wackeren Caballeras und Caballeros ein sättigendes Mahl im Rittersaal auftischen lassen. Dass Euer Heer den Wilden weiter zusetzt, sind sehr gute Neuigkeiten! Ich wäre ihnen gerne selbst schon auf den Leib gerückt und hätte sie einen nach dem anderen umbringen lassen - aber leider war Selaque bis drei Tage vor Eurer Ankunft von einem ganzen Stamm dieser götterlosen Kreaturen eingekreist - selbst dort oben," sie deutete auf den viele hundert Schritt über ihr liegenden Gipfel des Albamonte hinauf, "trieben sich einige dieser Bestien herum!"

Praiosmins wandernde stechende Augen, die die Bewohner Selaques furchtsam den Ucurisblick nannten, kamen schließlich auf Golshan zum Halten. "Aha! Wie ich mit Befriedigung sehe, habt Ihr ein Weibsbild dieser Barbaren lebend dingfest machen können! Sehr gut, Castellan! Wollt Ihr sie Eurem Herrn, dem Grafen, zuführen, damit er sie verurteilen kann oder wollt Ihr, dass ich Euch gleich hier dieser Last entledige und sie in den Kerker sperren lasse?

Viele der Sträflinge, die vormals in den Steinbrüchen von Grezzano ihre gerechte Strafe verbüßten, wurden von den Wilden umgebracht. Wenn die Zeiten erst wieder etwas ruhiger geworden sind, wären der Kaiser und ich selbst für jede verfügbare Hand zum Steineklopfen und Marmorbrechen dankbar!"


Autor: Romina Alba

Die Comtessa trat neben den Castellan unter die Loggia und verbeugte sich galant.

"Habt Dank für Eure freundliche Einladung, verehrte Domna Praiosmin, ich kann Euch gar nicht sagen, wie sehr ich mich danach sehne, in angenehmer Gesellschaft zu speisen. Was die Wilde betrifft, so habe ich sie höchstselbst gefangen und möchte sie in meiner Nähe haben. Ich erachte es als meine Pflicht, sie zu zähmen und dem Zwölfgöttlichen Glauben zuzuführen. Sie wird Euch nicht stören, meine zukünftige Knappin Zaida, eine Tochter der Waldwacht, wird sich um sie kümmern, wenn ich es nicht kann."

Romina lächelte warm zu der Vogtin hoch und übersah den Blick Dom Rondrigos, der sich der Worte beraubt sah. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, angespannt wartete sie darauf, dass irgendetwas geschehen würde, doch es blieb alles ruhig. In Gedanken dankte sie ihrer Knappenherrin für die strenge Ausbildung, die sie jetzt äußerlich bedeuten ruhiger erscheinen ließ, als sie es in Wirklichkeit war.


Autor: SteveT

Die alte Reichsbeamtin begann zu grinsen und rümpfte dabei gleichzeitig die Nase, was der Mimik ihres feisten Antlitzes fast komische Züge verlieh. Sie wandte sich unter amüsiertem Kopfschütteln wiederum an den alten Castellan: "Eine Wilde zu zähmen und zu unserem guten zwölfgöttlichen Glauben zu bekehren - hat man so etwas jemals schon gehört?" Sie kicherte ungläubig. "Aber das ist die Torheit der Jugend, deren gutes Recht es ist, Torheiten zu begehen, um daraus für ihr fürderes Leben zu lernen, nicht wahr Dom Rondrigo?"

Sie wandte sich wieder an Romina-Alba: "Dann passt nur gut auf Eure Wilde auf, mein Kind, dass sie Euch nicht eines Tages anfällt und Euch in die Kehle beißt wie ein wildes Tier, denn Bestien sind diese Bergbarbaren samt und sonders, das könnt Ihr mir glauben, die ich mein ganzes Leben in ihrer unliebsamen Nachbarschaft verbracht habe."

Sie schüttelte nochmals den Kopf und wank Dom Rondrigo und Romina dann zu, durch den Haupteingang des Palas zu ihr herauf zu kommen. "Der Abend dämmert bereits, und ich wäre eine schlechte Gastgeberin, wenn ich Euch nach dem langen Ritt hierher durch müßiges Gerede weiter von etwas Erholung und einem sättigenden Mahl fernhalten würde. Mein Majordomus wird Euch herauf in meine Gemächer geleiten, werter Castellan, werte Comtessa. Für Euer Geleit wird drüben im Wirtschaftshaus soeben eine Tafel hergerichtet. Ihr werdet es mir pardonnieren, liebes Kind", fügte sie mit Schalk in der Stimme noch für Romina hinzu, "dass ich nach den schlimmen Erfahrungen der letzten Wochen auf die Gesellschaft einer Wilden in meiner nächsten Umgebung lieber verzichte! Eure Knappin soll nur gut auf sie achtgeben, egal, wie zahm Ihr sie bereits glaubt."

Während dieser Worte waren Praiosmins Stallknechte unter den Gräflichen herumgegangen und hatten die Zügel von deren Rösser in Empfang genommen, die nun zum Stall geführt wurden.

"Folgt mir bitte, werte Herrschaften!", trat ein junger korpulenter Mann im grün-weißen Livree Selaques mit einem schnaufend ausgeführten Kratzfuß an Domna Lilithrud, Dom Servando, Zaida und auch Dom Gendahar heran und ging vor ihnen her auf das dreistöckige Wirtschaftsgebäude zu. Wenn Praiosmin den Streitziger als einen derjenigen wiedererkannt hatte, die damals im Castillo da Vanya Seite an Seite mit der halsstarrigen Rifada da Vanya gekämpft hatten, so ließ sie sich zumindest äußerlich nicht das Allergeringste anmerken und zog es offenbar vor, ihn als einen Teil des gräflichen Geleits wie alle anderen zu betrachten.

Unterdessen trat Praiosmins bereits angekündigter Majordomus, ein würdevoller grauhaariger Mittsechziger mit einer entstellenden Brandnarbe auf der rechten Gesichtshälfte, mit einem tiefen Bückling vor den Castellan und die Grafentochter hin und führte sie ins prächtige Innere von Castillo Albacim, wo es über eine mit grünem Teppich ausgelegte Freitreppe in den ersten Stock in das mit Stuck und reichlich Blattgold verzierte Speisezimmer der Reichsvogtin ging.


Autor: von Scheffelstein

Aureolus kletterte auf den verwaisten Schreibtisch seines verstorbenen Großonkels Radmon von Elenta und schob das Bild des Götterfürsten an der rechten Wand beiseite. Praios omnia videt war das Gemälde des Sonnengottes sinnigerweise betitelt, das Alverans Herrscher als gekrönten Patriarchen zeigte, der mahnend den Zeigefinger erhoben hatte und auf dessen anderem Arm der goldene Falke Ucuri saß, der Götterbote.

Na, bei dem alten Radmon hatte der Götterfürst wohl mehr als ein Auge zugedrückt, dachte Aureolus, während er seine Nase an die vertäfelte Wand drückte, um durch die zwei kleinen Löcher zu spähen, die auf der anderen Seite der Wand in die blattgoldverzierte Holzvertäfelung des Speisezimmers mündeten.

Dies waren nicht die einzigen Gucklöcher, durch die der alte Vogt - Praios wohl kaum zum Gefallen - seine Gäste hatte beobachten lassen. Viel pikanter waren jene, durch die man Einblick in die Schlafgemächer der Gäste erhalten konnte, und Aureolus konnte sich gut vorstellen, wie der alte Lustmolch, den er nie kennen gelernt hatte, seine Stilaugen nach den Damen verrenkte, die sich in aller Unschuld vor ihm entblößten.

Die einzige Dame aber, nach deren Anblick Aureolus sich verzehrte, und die ebenso wenig ahnte wie die Gäste seines Großonkels, dass er mehr als einmal im Stillen ihre rahjageschaffene Schönheit bewundert hatte, jene Dame, die nur Dank seiner - vielleicht - noch ihre Unschuld besaß, diese Dame saß just, in ihrem Stande kaum angemessener Kleidung, seiner Mutter gegenüber auf einem samtbezogenen Kirschholzstuhl und ließ sich von einem Diener Wein nachgießen.

Aureolus schätzte, dass man bereits den dritten oder vierten Gang aufgetischt hatte. Er war zuerst in sein Zimmer zurückgekehrt, um sich anzukleiden und hatte dann hinreichend Zeit verstreichen lassen, um sicherzugehen, dass die Damen speisten und er nicht aus Versehen jemandem über den Weg lief.

Sein Herz schmolz dahin - wieder einmal! - beim Anblick der honigblond gelockten Comtessa, deren vom Wein und der Hitze gerötete Wangen sie umso begehrenswerter erscheinen ließen. Eines Tages, schwor er sich, würde sie mit ihm speisen, eines Tages, wenn er sich nicht mehr verstecken musste!


Autor: SteveT

Mit vollen Backen kauend schob Praiosmin von Elenta das halbvolle Silbertablett mit den mit Ziegenkäse gefüllten Feigen, die als Nachgang aufgetragen worden waren, zu Romina-Alba hinüber.

"Hier! Greift nur tüchtig zu, Domnatella!", forderte sie sie schmatzend auf. "Ihr seid ohnehin so dürr wie ein Grashalm im Wind!" Aus Praiosmins Sicht traf dies wohl zu - aber aus ihrer Perspektive galt das für die meisten ihrer Mitmenschen.

"Diese jungen Leute wissen einen guten Bissen einfach nicht mehr so zu schätzen, wie wir in unseren jungen Jahren," nickte sie Rondrigo vom Eisenwalde verschwörerisch zu. "Wer damals nicht zu prassen wusste, der galt nichts in der Nobleza, denn der Ranzen, den man vor sich her trug, war das beredsamste Zeugnis dafür, ob man so solvent war wie die Gruben von Deokrath oder ob man bloß die Reste aus dem Schweinetrog klauben konnte, wie der kleinste Caldaier Heidebaron."

"Euer Hochgeboren!", trat in diesem Moment Praiosmins Majordomus unter einer tiefen Verbeugung in den Raum.

"Ja was ist denn, Meister Zalameos? Ihr seht doch, dass ich mit meinem hohen Besuch zu spaßen pflege?", herrschte ihn die Reichsvogtin ungehalten an.

"Ich bitte um Vergebung, Herrin! Aber es sind soeben gleich zwei Nachrichten für Euer Hochgeboren eingetroffen! Eine per Brieftaube, die anderen wurde von einem berittenen Boten gebracht."

Praiosmin zog eine Augenbraue in die Höhe. "Nachrichten? Ich erwarte keine Nachrichten, außer die vom kaiserlichen Hof, wann endlich Entsatz hier eintrifft! Entschuldigt bitte die Störung!", nickte sie Rondrigo und Romina kurz zu.

Meister Zalameos trat zu seiner Herrin hin und überreichte ihr auf einem Tablett die winzig kleine, zusammengerollte Botschaft. Es war nicht weiter schwer zu erraten, dass dies die Brieftauben-Nachricht sein musste.

"Sie kommt aus Kornhammer, Euer Hochgeboren!"

"Aha! Aus Kornhammer!", nickte Praiosmin bestätigt und etwas besänftigt. "Endlich lässt mich der alte Zauderer Hesindian wissen, wieso er meinem Gesuch um Waffenhilfe nicht nachkam."

Praiosmin überflog die säuberlich, aber winzig klein geschriebene Nachricht mit halb zusammengekniffenen Augen. Der alte Narr saß selbst in derselben Klemme wie sie und hatte auch noch die Nerven folgendermaßen zu enden:

'... Hoch geschätzte Domna Praiosmin, sollte Euch etwas über Aufenthalt oder Verbleib meiner Großtochter Richeza von Scheffelstein zu Ohren kommen, wäre ich Euch aufs Äußerste verbunden, würden Eure Hochgeboren mir umgehend Nachricht zukommen lassen. Domna Richeza hat am dreizehnten Tage des Praiosmondes Castillo Scheffelstein in Begleitung Eurer Vasallin, Ihrer Wohlgeboren Domna Rifada da Vanya, und des Barons von Dubios, Seiner Hochgeboren Hernán von Aranjuez, verlassen, um nach dem Verbleib meines vermissten Großneffen Praiodor von Culming-Alcorta und seiner Mutter, Ihrer Hochgeboren Fenia von Culming, zu suchen, welche auf der Suche nach einem Heilkundigen in den Raschtulswall aufgebrochen waren. Ich danke Eurer Hochgeboren und erbitte der Götter Beistand für Eure Hochgeboren in diesen schweren Zeiten.'

Praosmin hatte die letzten Sätze laut gelesen, sodass sie auch ihre Gäste mitbekamen. Lauernd sah sie danach auf und blickte dem Castellan und der Grafentochter abwechselnd direkt in die Augen: "Und? Könnt Ihr meinem geschätzten Lehnsnachbarn Dom Hesindian von Kornhammer weiterhelfen? Könnt Ihr ihm - und damit auch mir! - verraten, wo seine saubere Enkeltochter jetzt im Moment steckt?" Praiosmin säbelte mit ihrem Essmesser gereizt eine Hälfte einer gefüllten Feige ab und schlang sie mit einem Mal hinunter, um sich selbst ein wenig zu beruhigen.

"Ihr müsst wissen: Dieses Weibsbild hat sich mit meiner aufrührerischen, der Felonie für schuldig befundenen ehemaligen Vasallin Rifada da Vanya gemein gemacht, mich selbst auf das Unflätigste beleidigt und ist mit Waffengewalt gegen meine Ordnungshüter - Büttel des Kaisers - vorgegangen. Der besagte ... äh ... Hernán von Aranjuez - ja genau so heißt der Schuft in Wirklichkeit -, ein übel beleumundeter Landsknechtsführer der abgefeimtesten Sorte, gehört ebenfalls zu dieser rebellierenden Aufrührerbande, die ich anklagen und einkerkern werde!

Auf die Verbrechen Domna Rifadas steht der Tod! Wenn Ihr also etwas über den derzeitigen Aufenthaltsort dieser Briganteros und Halunken wisst, so seid Ihr vor mir als Beamtin des Kaisers verpflichtet, es mir auf der Stelle zu sagen, sodass sie ihrer gerechten Strafe zugeführt werden können!"

Funkelnd schaute sie von Romina zu Rondrigo, ob diese Eröffnung irgendeine Reaktion auf deren Gesichtern hervorrief. Zumindest der blonde Yaquirtaler, der sie begleitete, steckte mit den Aufrührerern unter einer Decke, da war sich die Reichsvogtin vollkommen sicher. Meister Zalameos, der neben seiner Herrin stehen geblieben war, zog nun auch das zweite Schreiben aus der Tasche seiner Livree. Dieses sah schon optisch deutlich unordentlicher, speckiger und zerfledderter aus, wie die vorausgegangene Nachricht.

"Kommt das etwa so vom Kaiserlichen Hof?", frug Praiosmin naserümpfend und nahm die Nachricht mit spitzen Fingern entgegen.

"Nein, Euer Hochgeboren!", schüttelte der Majordomus steif den Kopf. "Wohl aus Schrotenstein, Euer Hochgeboren!"

"Aus Schrotenstein?"

Praiosmin entrollte die Nachricht leicht angeekelt, warf einen Blick darauf und wurde dann schlagartig bleich wie die Wand hinter ihr.

'Mein Lieber Raihe Coùlu' , stand dort in ihrer eigenen kunstvoll geschnörkelten Schrift, 'voller Sehnsucht erinnere ich mich an die Freudentage Deines letzten Besuches. Der Zauber Deines Lachens, der Glanz Deiner Augen haben mich betört, Dir Dinge zu schreiben, die ich ...' Sie brach ihre lautlose Lektüre ab, aufgewühlt und mit zitternden Händen. Das war einer ihrer eigenen, schmerzlich vermissten Liebesbriefe an Rakolus, die niemals in falsche Hände geraten durften. Aber nun schickte ihn ihr irgendeine übelmeinende Person aus Schrotenstein! Das musste alles ein Alptraum sein. Die untere Hälfte des Briefes war unsauber abgerissen - offenbar war dies nur als Drohung gedacht ...

"Ist Euch nicht wohl, Herrin?", frug Meister Zalameos besorgt. "Ihr habt noch nicht alles gelesen, Herrin! Ich glaube, auf der Rückseite geht die Nachricht weiter ..."

Praiosmin blickte ihn hektisch an. Wusste er etwas? Hatte er die Nachricht vielleicht bereits selbst gelesen und zog sein Schlüsse daraus? Sie musste unbedingt mit ihrem Sohn oder mit Yegua reden - Zalameos musste für immer verschwinden, ehe er etwas ausplaudern konnte. Sie drehte die Nachricht mit zitternden Händen um und wurde noch bleicher. Diese Schrift, dieses hässliche Krickelkrakel hätte sie unter Tausenden erkannt:

'Praiosmin! Wenn Du miese Ratte dieses Schreiben liest, bin ich unterwegs in Schrotenstein, Bosquirien und Ragatien, um einen Heerhaufen aufzustellen, wie ihn Selaque noch nicht gesehen hat! Wie Du umseitig erkennen kannst, bin ich im Besitz von Beweismitteln, die Dein ekles Haupt aufs Schafott bringen können, sobald sie dem Kaiser oder der Hofkanzlei vorliegen. Deine einzige Möglichkeit, Dämonenbuhle, diesem Schicksal zu entrinnen, ist, auf der Stelle das reichsvögtische Amt, mein Castillo und auch Castillo Albacim zu räumen und Dich mit Deinem widerlichen Bastard, für dessen Existenz ich ebenfalls Beweise habe, als Eremitin in die Wildnis des Raschtulswalls zurückzuziehen! gez. Rifada Jezebela da Vanya'

Praiosmin stand so abrupt auf, dass ihr hoher Lehnsstuhl umkippte. Der Haushofmeister hob ihn erschrocken wieder auf. "Ent ... äh ... Entschuldigt mich! Genießt weiter das Mahl, Meister Zalameos wird Euch sodann zu Euren Gastgemächern führen!"

Ohne ein weiteres Wort der Erklärung rauschte Praiosmin aus dem Zimmer, die beiden verhängnisvollen Nachrichten in der Hand. Es scherte sie nicht, dass ihr alle verstört nachglotzten. Sie musste mit ihrem Sohn reden - jetzt gleich!


Autor: Romina Alba

Zum ersten Mal in ihrem jungen Leben war sich Romina bewusst, wie gut es sich anfühlte, satt zu sein. Sie hatte fast andachtsmässig gegessen und nur mit halben Ohr der Vogtin zugehört, die fast unablässig geplappert hatte. Sie hatte sogar vergessen, weswegen sie sich hier eigentlich unwohl fühlen sollte. Jetzt kam das Gefühl des Unwohlseins mit ganzer Macht zurück.

Als Praiosmin von Elenta nach Richeza fragte, tauschte die Grafentochter einen Blick mit dem ebenso schweisamen Dom Rondrigo, beide schienen nicht erpicht darauf, irgendetwas zu erzählen, beide schienen aber auch nicht lügen zu wollen.

Romina holte gerade Luft, da las die Elenterin den zweiten Brief und wurde bleich. Verblüfft sahen die beiden Ragatier, wie die kaiserliche Vogtin die Contenance verlor und panisch den Raum verließ.

Als sie draussen war, beugte Romina sich zu den Castellan und wisperte einige Worte. Der Veteran nickte und man war sich leise redend schnell einig, weder Richeza noch den Contottiere zu erwähnen und morgen früh beizeiten hier weg zu sein.

Höflich, aber schweigsam wartete Dom Rondrigo, bis die Tochter seines Herrn ausgetrunken hatte, dann ließen sich beide zu ihren Gemächern führen.


Autor: von Scheffelstein

Aureolus presste die Lippen aufeinander. Was auch immer an den Botschaften, die seine Mutter empfangen hatte, sie in Aufruhr versetzt hatte - niemals hätte sie derart ungestüm den Raum verlassen dürfen. Nicht nur, dass ihr unhöfliches Verhalten gegenüber ihren Gästen - gegenüber der Comtessa! - Aureolus sich für sie schämen ließ. Nein, es war äußerst unklug, sich seine Ängste derart anmerken zu lassen! Besser, er sah nach ihr, bevor sie Dummheiten beging.

Der junge Zauberer warf einen letzten Blick auf die angebetete Grafentochter, dann hängte er das Bild wieder vor die Löcher in der Wand, stieg vom Schreibtisch und wischte mit dem Ärmel über die Platte, um keine Spuren zu hinterlassen.

Er verließ Radmons Schreibstube durch ein Vorzimmer und wandte sich in Richtung des Treppenturms. Vor dem Thronsaal standen zwei Wachen, die beiden, die ihn vor wenigen Tagen in seinem Zimmer überrascht hatten.

"Junger Herr!", sprach ihn der ältere Gardist, Varmino, an. "Ihre Hochgeboren, die Vogtin, sucht Euch!"

"Mich?", tat Aureolus ganz erstaunt.

"Ja, junger Herr", nickte der Gardist. "Sie ist soeben zu Eurer Kammer hinauf gelaufen. In höchster Aufregung. Sie schien mir verärgert zu sein."

"Oha", sagte Aureolus und setzte ein Grinsen auf. "Wahrscheinlich hat sie Nachricht von meinen Lehrmeistern erhalten." Er zuckte zerknirscht mit den Schultern. "Immer überall beste Beurteilungen zu erhalten, ist schier unmöglich, das Studium der arkanen Künste ist kein Kinderspiel."

Der jüngere Gardist, Marcio, grinste, der ältere nickte verständig.

"Ich hoffe, sie streicht mir die Zuwendungen nicht, ohne die großzügige Unterstützung der Herrin könnte ich mir das Studium niemals leisten", tat er niedergeschlagen. "Haltet mir die Daumen!"

"Viel Erfolg!", sagte Varmino, und Aureolus eilte die Treppe hinauf.

Einige Treppen, Gänge und Türen später, lief er seiner Mutter in die Arme, die soeben schnaufend aus seiner Kammer kam.

"Aureolus ... Ramin!", stieß sie hervor.

"Still doch!", zischte er und drängte sie rasch in das Zimmer zurück, ehe sie noch jemand zusammen sah oder hörte. Er schloss die Tür hinter sich, während seine Mutter sich auf seinem Bett niederließ - das unter ihrem Gewicht bedenklich knackte und knarrte.

"Was ist in Euch gefahren, unsere Gäste fluchtartig zu verlassen? Was sollen die nun von uns denken?"

Sein Blick fiel auf die Briefe, die Domna Praiosmin in ihren zitternden Händen hielt.

"Gebt her!", sagte er und nahm sie ihr ab, während die Vogtin, erschöpft vom Laufen, um Atem rang, noch unfähig, mehr als ein Schnaufen von sich zu geben.

Aureolus überflog die Brieftaubennachricht des Kornhammer Cronvogts, hob die Augenbrauen und runzelte dann die Stirn, ließ die Notiz aufs Bett fallen und wandte sich dem abgerissenen Brief zu, las erst das Gekritzel der Junkerin und anschließend - mit einem leisen Lächeln - die Worte seiner Mutter an seinen Vater. Er legte die Botschaft neben seiner Mutter aufs Bett und sah sie an.

"So", sagte er und tippte sich mit dem Zeigefinger auf die Lippen, die Hand am Kinn. "Unschön. Aber überlegen wir in Ruhe! Zunächst einmal dürft Ihr Euch den Grund Eurer Erregung natürlich nicht anmerken lassen. Wenn man Euch fragt, nein, besser vorher, entschuldigt Ihr Euch bei unseren Gästen für Euer Betragen, mit der Erklärung, eine geliebte Verwandte sei verstorben oder von den Ferkinas entführt worden. Eine verständlicherweise aufwühlende Nachricht nach all den Verlusten in Elenta zuletzt."

Aureolus lehnte sich mit dem Rücken an den Tisch und verschränkte die Arme vor der Brust. "Was wissen wir? Wir haben also den Namen Eures Söldnerführers. Nicht Anzunares, sondern Aranjuez. Aber ob die Junkerin ihm wirklich Eure Briefe gab, ist nicht gewiss. Immerhin scheint sie sich ja noch im Besitz weiterer zu befinden." Verstimmt schüttelte er den Kopf. "Mutter, dieser ganze Ärger wäre unnötig gewesen, wenn Ihr schon vor zwei Tagen auf mich gehört hättet! Lasst Mordaza einen Dämon auf die Suche nach Euren Briefen schicken, und Ihr habt sie noch heute Abend alle wieder hier, wo auch immer sie sein mögen!"


Autor: SteveT

"Unschön?", wiederholte Praiosmin ungläubig, noch immer ein wenig nach Luft japsend, die Worte ihres Sohnes. "Mehr fällt dir dazu nicht ein? Das ist das Schlimmste, was mir - oder vielmehr was uns - passieren konnte! Sie hat die Briefe! Ausgerechnet Rifada da Vanya, diese widerwärtige Ausgeburt der Niederhöllen! Sie muss eine leibhaftige Sendbotin des Namenlosen sein, die mir der Höllenfürst schickt, um mein Göttervertrauen zu erschüttern. Und sie weiß von dir! Woher nur? Sie nennt dich meinen Sohn, will Beweise dafür haben!" Sie schüttelte den Kopf. "Was können das nur für Beweise sein? In meinen Briefen an deinen Vater wirst du nirgendwo mit einem Wort erwähnt - dein Vater wollte das seinerzeit nicht ..."

Sie überlegte fieberhaft und presste sich dabei die feisten Hände vor die Augen. Plötzlich aber ruckte ihr Kopf nach oben und ihr Blick wurde wieder hart und stechend, wie er normalerweise war, wenn sie beispielsweise mit Untergebenen sprach.

"Der Brief wurde von einem Boten hergetragen! Die Wachen sollen diesen Scheißkerl, wer immer er auch ist, packen und ihn kopfüber vom Bergfried baumeln lassen, bis er vor Angst herausposaunt, wo diese Canaille da Vanya zur Zeit steckt. Und dann werden wir sie zuerst angreifen und vernichten, ehe sie ihre Waffenknechte überhaupt zusammengetrommelt hat!"

Sie schüttelte den Kopf, nun wieder ganz entschlossen: "Nein, ihn vom Bergfried baumeln zu lassen wäre zu laut, nun da wir das Haus voller Gäste haben. Wozu hat mir dein Großonkel Radmon einen so vortrefflich ausgestatteten Torturraum hinterlassen? Sie sollen ihm die Daumenschrauben anlegen und notfalls noch sein Haupt in die Schädelpresse spannen, wenn er nicht mit der Sprache herausrückt, wo genau er dieses freche Schriftstück in Empfang genommen hat."

Sie stand auf und ging wie ein gehetztes Raubtier in der kleinen Kammer auf und ab. "Bleibt noch die Sache mit den Dämo ... nein, ich werde das Wort nicht aussprechen! Du weißt, dass ich allen Formen der Hexenkunst, besonders der sogenannten Schwarzen, mehr als abhold und eine Gegnerin bin. Aber leider bleibt uns scheinbar kein anderer Ausweg - wir müssen diese Briefe um jeden Preis wiederhaben, ehe ein Unglück geschieht!"

Sie schüttelte sich angeekelt, als sie an Mordaza Maraneta dachte - Rakolus' Schülerin, die dann selbst zur Lehrmeisterin von Aureolus geworden war. Ein irres, im höchsten Maße unheimliches Weib, die angeblich auf Burg Blutfels am jenseitigen Bosquirufer hauste. Von einer fehlgegangenen Beschwörung eines Siebengehörnten war damals in der Anklageschrift der Suprema gegen sie die Rede gewesen. Es hieß, daß sie ihre unsterbliche Seele verpfändet habe und dass ihr selbst langsam Hörner auf der Stirn wüchsen, da sie sich über kurz oder lang selbst in eine Dämonin verwandeln würde. Kein Inquisitor hatte es je vollbracht, ihr das verderbte Hexenhandwerk zu legen. Ihr Sohn sah zu dieser verlorenen Seele wie zu einem Vorbild auf - aber sie selbst durfte niemals in Zusammenhang mit einer solchen Frau - oder vielmehr: einer solchen Kreatur - gebracht werden.

"Also gut, du wirst diese Mordaza Maraneta kontaktieren! Aber sie soll nicht hierher kommen - wir treffen sie morgen Nacht, wenn unsere Gäste fort sind, an einem neutralen geheimen Ort. Sagen wir ..." Sie überlegte fieberhaft - was lag halbwegs in der Nähe und war doch verlassen und menschenleer? "Sag ihr, wie treffen sie an der alten Mühle am Flüsschen Gambari an der Grenze zu Schrotenstein!"

Dort hatten sie und Rakolus sich oft getroffen, sodass diese alte Wassermühle neben einer schmalen Holzbrücke über den Gambari immer romantisch-verklärt in ihrer Erinnerung blieb. Ganz in der Nähe lag der Schwarze See mit Burg Schrotenstein, wo sie ihren Sohn einst empfangen hatte, ohne dass sie bis heute recht wusste, wie oder vor allem wodurch ihr dieses Glück zuteil geworden war ...


Autor: von Scheffelstein

Aureolus schüttelte den Kopf. "Jeder Tag, den Ihr wartet, ist ein Tag, der Eure Feindin dem Triumph näherbringt. Bleibt Ihr hier, bewirtet unsere Gäste in aller Freundlichkeit und seht zu, was Ihr über die Pläne Eurer Feinde herausfindet. Denkt daran: Wir haben immer noch den fetten Gemahl der Vanyadâlerin! Und Beweise für meine Existenz hat die alte Vettel gewiss nicht. Allein: Unglücklicherweise bin ich ihr in den Bergen begegnet, zusammen mit ... diesem blonden Mann, dem Streitzig wohl, ihrem Sohn und der Scheffelsteienerin. Diese hat uns beide damals bei den Bâni Khadr gesehen, vor drei Jahren. Seht einfach zu, dass Ihr sie in die Finger bekommt und einen Kopf kürzer macht, dann ist jeder vermeintliche Beweis für eine Verbindung zwischen mir und Euch zunichte gemacht."

Aureolus stieß sich vom Tisch ab. "Ich kümmere mich um die Briefe. Je weniger Ihr wisst, desto reiner ist Euer Gewissen." Er lächelte schmal und öffnete die Tür, um seine Mutter hinauszubitten. Doch dann, als er sie so verzweifelt vor seinem Bett stehen sah, dauerte ihn ihr Anblick. Er ließ die Tür los, trat vor sie und nahm ihr Kinn in seine Hand, hob es ganz sacht und sah ihr tief in die Augen.

"Sorgt Euch nicht", sagte er leise. "Ihr habt Feinde, ja. Aber Ihr habt einen Sohn, der seines Vaters Namen würdig ist." Er küsste sie sanft auf die Stirn und hielt ihr den Arm hin, um ihr hinauszuhelfen.


Autor: SteveT

"Wirst du wohl vernünftig sein? Wie kann man nur so verstockt sein?", keifte Praiosmin von Elenta den jungen Mann an, der an einer stählernen Kette in Eisenmanschetten etwa einen Kopf über ihr von der Decke herabbaumelte.

"Es ist waaaaaaahr, Domna! Alles was ich sage ist wahr! Ich heiße Filignio und bin wirklich aus Schrotenstein! So glaubt mir doch!", jaulte dieser, was kaum verwunderlich war, denn seine nackten Fußsohlen hingen nur eine Handbreit über einem rotglühenden Kohlebecken.

Praiosmin schüttelte wenig überzeugt den Kopf und gab ihrem Gardisten Varmino ein Zeichen, der daraufhin das metallene Schwungrad betätigte und den Unglücklichen unter dem Rasseln der Kette noch etwas tiefer herabließ.

Es gab einen zischenden Laut, als die nackten Füße Filignios kurz die glühenden Kohlen berührten, und er schrie markerschütternd auf. Er versuchte verzweifelt die Knie anzuwinkeln und seine Füße nach oben zu ziehen.

"Überlege dir besser gut, ob du mir weiter Märchen auftischen willst!", warnte ihn Praiosmin ohne einen Hauch von Mitleid. "Wo steckt die verfluchte da Vanya? Von wo aus hat sie dich ausgeschickt?"

"Ich sage doch, Domna - ich kenne keine da Vanya!", brüllte Filignio panisch. "Unser Baron heißt so - aber mit dem haben wir nichts zu schaffen, ganz im Gegenteil, er befehdet uns!"

"Runter mit ihm!", befahl Praiosmin kopfschüttelnd. "Er lügt ja jedes Mal, wenn er den Mund aufmacht!"

Wieder sauste der Gefesselte mit den Fußsohlen in die Glut, und diesmal schrie er noch lauter. Gut, dass die Folterkammer im Keller des Palas' so dicke Mauern hatte - andernfalls wäre sein Geschrei wohl bis hinauf in die Gastgemächer zu hören gewesen.

Nach einigen Herzschlägen zog Varmino den Delinquenten wieder nach oben, und es sprudelte sofort nur so aus ihm heraus: "Gütige Zwölfe im Himmel! Erbarmen! Wie ich Euch bereits sagte, wir haben Eure Schwester, Herrin, die edle Domna Rinalda Escalada! Mein Herr will 1000 Dukaten Lösegeld für sie haben, ich aber bereue all' meine Sünden und gelobe Euch, fortan ein rechtschaffenes Leben zu führen! Ich tue alles, was Ihr sagt, Herrin - und wenn es die allergeringste Arbeit ist, aber bitte habt Mitleid mit mir! Ich diene dem Doppel-Gasparo doch nur, weil er uns meiner Mutter geraubt hat - meinen Bruder und mich. Es war falsch, Eure Schwester zu rauben, wenn Ihr mich gehen lasst, werde ich mich vor meinem Herrn dafür verwenden, Domna Rinalda sofort freizulassen und zu Euch zurückzusenden! Aber bitte habt Gnade, Herrin - ich bin nur ein schwacher, dummer Junge ..."

Praiosmin nickte zu den letzten Worten. "Damit hast du wohl recht - aber alles andere ergibt keinen Sinn - ich glaube vielmehr, dass du mich nach wie vor für dumm verkaufen willst. Ich bin meines Vaters einziges Kind, es gibt und gab keine Rinalda von Elenta! Auch kenne ich keinen Doppel-Gas ..."

"Oh doch, Herrin! Die gibt es! Ich selbst habe ihr im Bachbett des Gambari eine Stange über den Kopf geschlagen! Aber ich wollte es gar nicht tun und sie auch nicht verletzen! Es war nur ... ich hatte etwas Angst vor ihr, denn Eure Schwester flucht gar fürchterlich, und sie ist das stärkste Weibsbild, das ich in meinem ganzen Leben gesehen habe!"

Varmino wollte den Jungen gerade wieder herunterlassen, der ja doch nur Blödsinn von sich gab - aber die Reichsvogtin hatte bei den letzten Worten aufgemerkt und packte nun den Gefesselten am Kinn und zog ihn dicht zu sich selbst heran.

"So langsam wird mir Einiges klar! Und meine ... äh ... Schwester war es wohl auch, die mir eigenhändig die Nachricht schrieb, die du Unglücksseliger hierher getragen hast?"

"Ja, ja, ja!", nickte Filignio wie wild - hoch erfreut dass ihm die potthässliche mitleidlose Burgherrin anscheinend langsam endlich zu glauben begann. "Aber sie musste haargenau das schreiben, was mein Herr ... ähm ... also mein ehemaliger Fronherr, der Doppel-Gasparo, ihr auftrug zu schreiben."

Ein gefährlicher Ausdruck trat in Praiosmins Augen, und sie drückte ihre langen Fingernägel in die Wangen des jungen Mannes. "Dann hat jener ... äh ... Doppel-Gasparo wohl auch selbst den Brief gelesen, nehme ich an? Wo wohnt dieser Mensch?"

"Am Schwarzen See, Herrin! Am Schwarzen See! Auf Burg Briesach im Schwarzen See!", gestand Filignio sofort frei heraus, ehe er die Vettel wieder verärgerte und seine armen verbrannten Füße wieder in der Glut landeten.

"Und meine ... Schwester ist dort? Als Gefangene?", vergewisserte sich die Reichsvogtin nochmals lauernd.

"Ja, ja, ja! Es tut mir so leid, Herrin! Aber sie bekommt gut zu essen und es wird ihr gewiss kein Haar gekrümmt!", stammelte Filignio entschuldigend.

Praiosmin wandte sich an Varmino und zwei weitere Wachen, die links und rechts der Tür standen. "Herunter mit ihm! Prügelt ihn grün und blau und dann schmeißt diese Canaille hier zu den anderen Gefangenen ins Verlies! Diesem Gasparo und seiner Burg werden wir einmal einen Besuch abstatten, den er niemals vergessen wird!"


Chronik:1033
Der Ferkina-Feldzug
Teil 18