Chronik.Ereignis1033 Feldzug Raschtulswall 02
Kaiserlich Selaque, 16. Praios 1033 BF[Quelltext bearbeiten]
In der Junkerschaft Vanyadâl, auf dem Castillo da Vanya[Quelltext bearbeiten]
Der Großinquisitor[Quelltext bearbeiten]
Autor: von Scheffelstein
Die Landedle zu Eslamsstolz schlief wie ein Stein. Als sie erwachte, war die Sonne längst über den Bergen aufgegangen. Im ersten Moment wusste Richeza nicht, wo sie sich befand. Verwundert starrte sie an die dunkel vertäfelten Wände. Ihr Blick blieb an einem Gemälde hängen. Es zeigte eine Familie: Eine große Frau in Gestechrüstung, mit einem Helm unter dem Arm. Daneben ein breitschultriger, bärtiger Mann in der Tracht eines Gelehrten. Davor, sitzend, zwei Mädchen, etwa zehn und dreizehn Jahre alt.
Die Erinnerung kehrte zurück: Sie war auf dem Castillo da Vanya, der Burg ihrer Tante Rifada. Richeza betrachtete die Frau auf dem Gemälde. Im ersten Moment glaubte sie, es handele sich um Domna Rifada. Doch weder sah der Mann an ihrer Seite nach dem erbarmungswürdigen Dom Berengar aus, noch hatte Domna Rifada zwei Töchter. Nein, dies mussten Domna Leonida da Vanya und ihr Gemahl sein, dessen Name Richeza entfallen war. Ihre Großeltern.
Das ältere der Mädchen, gewandet in einen halblangen Wappenrock, die Hände auf die Oberschenkel gestützt, lächelte stolz in Richtung des Malers. Das musste Domna Rifada sein. Das jüngere Mädchen war die einzige, die nicht zum Maler sah. Es hatte den Kopf zur Seite gewandt, den Blick erhoben, als folge er einem Vogel oder Schmetterling, der auf dem Bild nicht zu sehen war. Es trug ein helles Kleid, die Füße dicht über dem Boden verschränkt. In den Händen hielt es einen Blumenstrauß.
Richeza stand auf, um das Bild aus der Nähe zu betrachten, streckte die Hand aus und verharrte dicht über der lebensecht gemalten Figur ihrer Mutter. Fast verspürte sie den Drang, in das Bild hineinzugreifen, sacht den Kopf des Mädchens zu wenden, damit es sie ansah.
Irritiert wandte die Edle sich ab, ließ sich stattdessen auf ihre Hände und Füße nieder, um mit den morgendlichen Übungen zu beginnen, mit denen sie ihre Arme und Beine kräftigte und so der Zeit zu trotzen versuchte.
Nach einer Weile erhob sie sich keuchend und trat ans Fenster. Auf dem Hof erblickte sie ihre Tante und deren Gemahl. Offenbar stritten die beiden. Das hieß, Domna Rifada herrschte den Mann an, ungeachtet der Dubioser Mercenarios, die neugierig vom Stall herüberblickten. Dom Berengar sah aus wie ein geprügelter Hund, der mit großen Augen zu seiner Herrin aufsah. Fast tat er Richeza leid.
Als die Junkerin den Palas betrat, zog Richeza sich an. Bald darauf verließ sie ihr Gemach.
Autor: Der Sinnreiche Junker
„Heda! Haltet nicht Maulaffen feil, sondern wetzt die Klingen und bringt das Gepäck in Ordnung!“, zischte der Baron seinen allzu neugierig gaffenden Leuten zu. „Wird ohnehin nicht der letzte Streit gewesen sein.“, brummte er mit verdrehten Augen, und schob den breit grinsenden Anzures in Richtung des Palas. „Und Du besorg gefälligst Badewasser. Frag doch das Mägdlein, bei dem Du Dich die Nacht gewärmt hast.“
„Ich war nur...“, protestierte der Angesprochene mit einem etwas besorgten Seitenblick in Richtung Domna Rifadas. Ob sie wohl etwas gehört hatte?
„Jaja, Du warst nur kurz draußen um Wasser abzuschlagen. Vor allem kurz. Jetzt troll Dich schon.“
Autor: SteveT
Als Richeza den großen Speisesaal des Castillos betrat, zu dem sie eine selig lächelnde Küchenmagd geführt hatte, saßen dort bereits mehrere Personen zum Frühmahl an der langen Tafel versammelt.
Auf einem hohen Scherenstuhl am Kopfende der Tafel thronte ein grauhaariger und –bärtiger Greis im weiß-güldenen Ornat hochrangiger Diener des Götterfürstens. Eine große güldene Sonnenscheibe mit einem leicht erhabenen Greifenwappen, die er als Amulett um den Hals trug, fünf goldene Sphärenkugeln an seinem Gürtel und die rote Filzkappe auf seinem Haupt verliehen seinen geistlichen Würden optischen Ausdruck - doch auch ohne all diesen Schmuck wären seinen Stand und seine Autorität für jedermann in seiner Umgebung unübersehbar gewesen. Das auffälligste an ihm war fraglos der wache, durchdringende Blick seiner schwarzen Augen, die sich bei ihrem Eintreten sofort Richeza zuwandten, als ob er ihr geradewegs ins Herz oder in ihre Gedanken schauen könnte. Zwei Schritt hinter seinem Stuhl standen schweigend zwei weißgewandte Ritter des Bannstrahl-Ordens, ein Mann und eine Frau, die sich mit unbewegten Gesichtern auf ihre Anderthalbhänder stützten.
Domna Rifada, die zur Linken des Praiosdieners saß, war sichtlich schlechter Stimmung. Missmutig klatschte sie sich mit Honig gesüßtes Mus und Getreidebrei auf den Teller und füllte danach noch einen zweiten Teller, den sie auf den Platz ihr direkt gegenüber, zur Rechten des Praiotis, schob - offenbar der Platz, der Richeza zugedacht war.
Dom Hernan war noch nirgendwo zu erblicken, obwohl auch für ihn bereits eingedeckt war. Dom Berengar, Rifadas Ehegemahl, saß fünf Schritt entfernt am anderen Kopfende der Tafel und löffelte ebenfalls schweigend eine Portion Getreidebrei, er nickte Richeza freundlich zu. An einem weiteren, kleineren Tisch in der Saalecke, der offenbar dem Gesinde zugedacht war, saßen die drei Kriegerinnen, die Rifada gestern Nacht begleitet hatten und ließen sich dasselbe karge Frühmahl schmecken.
"Aha. Das ist sie wohl!", stellte der Großinquisitor der Heiligen Reichskirche fest. "Zuletzt sah ich sie kurz nach ihrer Geburt. Sie hat die stolze Haltung des alten Hesindian, aber die schönen und sanften Gesichtszüge ihrer Mutter."
Rifada hob zweifelnd eine Augenbraue und folgte seinem Blick: "Täuscht Euch nicht in ihr, Oheim. Dies ist tatsächlich Madalenas Tochter - Eure Großnichte. Aber sie ist lange nicht so zartbesaitet wie ihre Mutter. Ich würde sagen, sie schlägt vom Wesen her eher nach mir..."
Amando Laconda da Vanya legte die Stirn in Falten und hoffte, dass sich diese Bemerkung bei seiner jungen Großnichte nicht ebenfalls auf den Umgang mit rebellischen Amazonen-Weibern oder auf mangelnden Respekt vor den Weisungen der eigenen, praiosbestimmten Lehnsherrin bezogen.
"Tritt nur näher, mein Kind!", wank er Richeza schließlich an seine Seite und hielt ihr die rechte Hand mit dem dicken Siegelring der Reichskirche zum Kusse entgegen. "Es ist schön, dich nach all den langen Jahren endlich einmal in persona kennenzulernen. Dein Ruf ist dir vorausgeeilt, und manches Mal kamen mir selbst in Ragath oder auf Reisen Erzählungen über dich zu Ohren." Seine schwarzen Augen bohrten sich nun in Richeza. "Unter anderem erzählt man sich in neuerer Zeit, dir sei der leibliche Sohn des Frevlers Rakolus von Schrotenstein begegnet. Berichte mir alles, was du über diesen Knaben weißt!"
Obwohl seine Stimme die ganze Zeit freundlich blieb, kam es Richeza so vor, als riete oder befehle ihr eine innere Stimme nachdrücklich, ihrem Großonkel nur die Wahrheit und nichts als die Wahrheit anzuvertrauen.
Autor: von Scheffelstein
Richeza erwiderte das Lächeln Dom Berengars und nickte ihrer Tante zu, ehe sich ihr Blick auf den Großinquisitor richtete. Seine Worte entgingen ihr nicht. Hielt er sie wirklich für das Ebenbild ihrer Mutter? Die Edle musste an das Gemälde in der Schlafkammer denken und an das verträumte Mädchen, dessen Blick der Maler nicht hatte einfangen können. Bislang hatte ihr jeder eingeredet, sie sei das lebende Ebenbild ihrer Großmutter. Der anderen Großmutter. Über den mütterlichen Teil ihrer Familie wusste sie, wie sie in den letzten Tagen zunehmend gemerkt hatte, fast nichts.
Richeza neigte den Kopf, um dem Großinquisitor einen Kuß auf die beringte Hand zu drücken, wie er es verlangte. Der Geweihte war im Sitzen beinahe ebenso groß wie sie im Stehen. "Guten Morgen …", sagte die Edle und zögerte einen Augenblick, wusste sie doch nicht, wie sie den Mann anreden sollte. Doch gewiss nicht mit Großonkel, oder? Andererseits hatte er selbst sie mit "Kind" angeredet. Ebenso wie ihre Tante. Richeza war sich nicht sicher, ob ihr diese Anrede gefiel, hatte es aber bislang vorgezogen, sich darüber auszuschweigen. Wie aber redete man einen Großinquisitor an? Richeza hatte keine Ahnung. Von Praioten hatte sie sich bislang ferngehalten.
"… Dom Amando", beendete sie von daher ihren Satz mit einem unsicheren Lächeln, das ihr bei seinen weiteren Worten und seinem eindringlichen Blick auf den Lippen gefror. "Rakolus?", fragte sie irritiert. Ihr Magen knurrte.
"Verzeiht", sagte Richeza, warf einen kurzen, sehnsüchtigen Blick auf den dampfenden Brei auf ihrem Teller und wandte sich wieder dem alten Geweihten zu. Rakolus war tot, soweit sie gehört hatte. Immerhin, das war gut … "Rakolus' Sohn?" Sie runzelte die Stirn. "Nun, wenn es sein Sohn war. Mag schon sein. Das heißt: Es ist wohl so. Sicher weiß ich nur, dass es der Sohn der a… äh… Domna Praiosmins Sohn war." Eine Befragung durch einen Praioten auf nüchternen Magen. Na, der Tag fing ja gut an! Richeza seufzte.
"Verzeiht mir, Dom Amando, wenn ich meinem Gedächtnis erst auf die Sprünge helfen muss", erklärte die Domna mit dem betörendsten Lächeln, das sie in der gegebenen Situation zustande zu bringen vermochte. Sie nickte auf ihren Teller. "Es war ein langer Ritt gestern, wir sind fast vom Regen fortgespült, beinahe vom Blitz erschlagen worden und erst mitten in der Nacht hier angekommen."
Ohne eine Antwort abzuwarten, setzte sich die Edle und stopfte sich zwei Löffel voll Brei in den Mund. Der Honig zauberte ein Lächeln auf ihre Lippen, das flaue Gefühl in ihrem Magen schwand. Nach zwei weiteren Bissen legte die Edle den Löffel neben den Teller und hob entschuldigend die Hand. "Verzeiht mir, Dom Amando", sagte sie, "jetzt geht es mir besser." Sie strich sich über das Kinn, während ihre Augen durch Domna Rifada hindurchschauten. "Der Junge …", murmelte sie. "Lasst mich überlegen."
Gedankenverloren nahm Richeza den Löffel wieder auf, schob sich zwei weitere Male Brei in den Mund und zupfte sich an der Lippe.
"Um ehrlich zu sein: Viel kann ich Euch nicht über den Burschen sagen. Es ist drei Jahre her. Ich war damals mit Dom Boraccio d'Altea in den Bergen unterwegs. Ferkinas jagen, um es kurz zu sagen. Na ja, genau genommen befreiten wir einige Hirtenmädchen aus deren Lager. Mädchen aus Aracena. Und dort im Lager stieß ich auf weitere Gefangene. Hätte die … äh … Domna Praiosmin fast nicht erkannt. Sah nicht gut aus. Die Gefangenschaft hatte ihr wohl zugesetzt. Bei sich hatte sie diesen Knaben. Ihren Sohn, wie sich herausstellte. Aureolus, nannte sie ihn. Er war so an die dreizehn, vierzehn Sommer alt. Blonde Haare. Ziemlich hellblond. Augen? Hm. Grau? Blau? Ich weiß es nicht genau. Nein, Halt: Irgendwas war mit seinen Augen. Irgendwie waren sie merkwürdig. Ich weiß aber nicht mehr genau. Er sah recht hübsch aus. Na ja, für einen … also … ich meine: Man könnte ihn wohl als gutaussehend bezeichnen. Ändert aber nichts daran, dass er ein ziemlicher Kotz… Oh, entschuldigt! Ihr versteht schon: Er war ein unglaublich arroganter Bursche für sein Alter. Respektlos. Hochmütig. Wie dem auch sei: Wir nahmen Domna Praiosmin und ihren Sohn mit. Zurück nach Kornhammer. Doch auf dem Weg zur Burg … des Vogtes, kam uns der Junge abhanden. Es war in Fer Henna, einem befestigten Außenposten. Ich glaube, es war in der Nacht. Das Tor war verschlossen. Weiß der …", Richeza biss sich auf die Zunge, "… Knabe allein, wie er da herausgekommen ist."
Die Edle hielt kurz inne und nahm einen Schluck Wein aus dem Becher, den eine Dienerin ihr in der Zwischenzeit eingeschenkt hatte. "Viel mehr kann ich Euch leider wahrlich nicht sagen. Nur, dass Domna Praiosmin ziemlich aufgebracht war. Verständlich wohl. Seither hat ihn keiner mehr in Almada gesehen, soviel ich weiß. Ich jedenfalls nicht. Nein. Ich weiß nichts über ihn." Erstmals wandte sie ihren Blick wieder dem Großinquisitor zu, hielt seinen dunklen, wissenden Augen stand. Nachdenklich wiegte sie den Kopf. "Außer vielleicht, dass ihm seine Mutter nicht gleichgültig ist. So wie er wiederum seinem Vater … nicht gleichgültig war."
Amando Laconda da Vanya sah sie noch immer an. Richeza lachte irritiert und zuckte mit den Schultern. Erneut griff sie nach ihrem Löffel, stieß ihn in den nicht mehr ganz so heißen Getreidebrei, hob ihn zum Mund, hielt dann aber inne und sah ihren Großonkel noch einmal an. "Nun aber, Dom Amando – Ihr seid doch nicht wirklich hier, nur um nach diesem Bengel in den Bergen suchen zu lassen, oder?"
Autor: SteveT
"Nein - sondern um mir vorzuwerfen, ich sei eine schlechte Lehnsfrau!", antwortete Rifada spitz an ihres Soberans statt. Ihre schon bei Richezas Eintreten finstere Miene hatte sich bei der ungehörigen Interrogatio ihrer Nichte noch vor dem Frühmal noch weiter verdüstert.
Nun ließ sie geräuschvoll ihren Löffel auf den Teller fallen und deutete auf Richeza: "Bei allem Respekt - da hört Ihr es gleich nochmal, aus Richezas unschuldigem Mund! Sie ist eine Hur... eine Dämonenbuhle, die sich dem verderbten Rakolus hingegeben und ihm gar noch einen sicher genauso verdorbenen Sohn geboren hat! Wie könnte ich so jemand Gefolgschaft leisten? Sie versteht so viel vom Kriegführen wie ein Zwerg vom Reiten - würde ich ihren Befehlen Folge leisten, würden sich hier im Tal schon die Ferkinas tummeln!"
Amando Laconda brachte sie mit einem mißbilligenden Blick zum Schweigen und wandte sich dann wieder Richeza zu, die er noch einen Moment aufmerksam ansah, so als müsse er sich erst vergewissern, dass sie ihm auch wirklich alles berichtet hatte, was ihr Geist an Wissen über Rakolus' Sohn barg. Dann nickte er zu ihrer geäußerten Vermutung.
"Wie dir vielleicht schon einmal zu Ohren gekommen ist, meine Tochter, ist uns, die wir die Weihen des Herrn empfangen haben, die heilige Gabe gegeben, uns untereinander in der Gemeinschaft des Lichts auf geistigem Wege auch über große Entfernungen austauschen zu können. Vor zwei Tagen erreichte mich auf geistigem Wege der Hilferuf Domna Ligurias, einer engen Vertrauten und Ordentlichen Inquisitionsrätin der Suprema.
Ich selbst hatte Hochwürden Liguria nach der eben von dir selbst geschilderten Rückkehr von Domna Praiosmin von Elenta aus den Bergen an deren Hof nach Selaque gesandt, um der Reichsvogtin als Hofgeweihte zu dienen und gleichzeitig über das Seelenheil von Domna Praiosmin zu wachen."
Rifada schnaubte verächtlich. Der Großinquisitor ignorierte es und fuhr fort: "Unglücklicherweise entsandte Domna Praiosmin meine Inquisitorin im vergangenen Jahr nach Elenta, in ihren nicht weit von hier gelegenen Heimatort, und statte sie mit den Rechten einer Castellanin und Administradora aus, da die dortige vorherige Administradora schon lange tatenlos dem Treiben einer in der ganzen Gegend bekannten Hebamme zugesehen hatte, die Domna Liguria binnen weniger Tage als Hexe überführen und dem Feuertod zur Läuterung überantworten konnte."
Der Großinquisitor wank der Dienerin, auch ihm etwas von dem verdünnten Wein nachzuschenken, der zum Frühmahl gerreicht wurde und fuhr dann fort: "Hochwürden Liguria verblieb - entgegen meiner ursprünglichen Weisung, aber dann doch mit meiner Billigung - in Elenta und brachte vieles in gefällige Ordnung, was vorher lange im Argen gelegen hatte. Am vorgestrigen Tage aber wandte sie sich in großer Aufregung und Bestürztheit an mich - Elenta wurde offenbar von Bergbarbaren in nie gekannter Zahl angegriffen und zahlreiche unschuldige Seelen wurden auf grausame Weise vom Leben zum Tode befördert. Ich versprach ihr sofortige Hilfe vom Castillo da Vanya aus - aber mitten in unserem Austausch verlor ich plötzlich die Verbindung zu ihr, sodass ich annehmen muss, dass sie zu ihrer letzten Reise vor das Angesicht des Herrn abberufen wurde.
Das ist aber noch nicht alles Übel. Noch am selben Tage erreichte mich eine Botentaube mit einer Nachricht von Domna Praiosmin selbst, daß Selaque und Castillo Albacim von den Wilden eingeschlossen seien. Es erschien uns ratsam, von Schrotenstein aus zunächst hierher zu reisen, um unser Gefolge durch zusätzliche Waffenknechte der Familia zu verstärken.
Wie ich aber gleich nach meiner Ankunft erfahren musste", er warf Dom Berengar einen vernichtenden Blick zu, worauf dieser mit eingezogenen Schultern noch tiefer in seinen Stuhl rutschte, sodass er noch gerade eben über die Tischplatte ragte, "hat man Domna Praiosmin die dringend benötigte Waffenhilfe treulos verweigert." Er kippte den Inhalt seines Weinkruges mit einem Zug hinunter.
Rifadas Augen begannen zornig zu blitzen. "Mein Gemahl handelte nur nach meiner Weisung! Zufürderst gilt es, das Vanyadâl zu schützen - Elenta oder Selaque sind mir gleichgültig, solange die Dämonenbuhle dort das Sagen hat! Soweit es mir vom Zusammentritt der Landstände zu Ragath bekannt ist, beabsichtigt Graf Brandil ohnehin, den Orden vom wundersamen Rossbanner der Heiligen Hadjinsunni zu Blutfels unter Führung seiner eigenen Tochter Romina Alba gen Selaque zu entsenden, um Castillo Albacim zu entsetzen. Ich stehe bei Richeza im Wort, sie bei der Suche nach einem Heiler für ihren siechen Vetter Praiodor zu unterstützen. Wir beabsichtigten ohnehin, heute nach Elenta zu reiten, und wir werden uns dann dort ein Bild der Lage machen und Euch Bericht erstatten, Oheim!"
Amando Laconda da Vanya hatte bei der Erwähnung des rondrianisch gesinnten Ordens kurz eine Augenbraue gehoben, aber auch die Erwähnung des Heilers oder auch die Suche nach ihm jetzt zu dieser Unzeit schienen ihm nicht sonderlich zu schmecken. Da er es jedoch nicht auf einen Streit mit seiner Nichte vor zahlreichen anderen Augen und Ohren ankommen lassen wollte, frug er ganz ruhig, wieder an Richeza gewandt: "Was ist das für ein Heiler und was fehlt dem Jungen? In diesem Landstrich, meine Tochter, treiben sich viele Scharlatane, verrückte Eremiten und auch Hexen und Druiden herum. Du wirst verstehen, daß ich euch nicht erlauben kann, mit derlei Frevlern in Kontakt zu treten."
Autor: von Scheffelstein
Als Domna Rifada so unvermittelt auf sie zeigte, zuckte Richeza zusammen. Für einen Augenblick hatte es den Anschein, als fühle sie selbst sich von den Worten der Junkerin angesprochen. Sichtlich angespannt folgte sie dem Streitgespräch zwischen ihrer Tante und ihrem Großonkel, zog es aber offenbar vor, sich nicht einzumischen. Schweigend löffelte sie ihren Teller leer.
Als Dom Amando erneut das Wort an sie richtete, rutschte die Edle unbehaglich auf ihrem Stuhl nach vorne und straffte sich. Den Blick auf den Großinquisitor geheftet, fuhr sie sich mit der Zunge über die Zähne, ehe sie antwortete:
"Mein Vetter ist seit Jahren nicht wohlauf. Er erkrankte an dieser Seuche, die vor einigen Sommern die Südpforte heimsuchte, vielleicht hörtet Ihr davon. Seiner guten Konstitution ist es zu verdanken, dass er nicht starb, so wie die meisten Kinder. Er hat sich aber nie von dieser Krankheit erholt und wäre seither mehrmals fast übers Nirgendmeer gesegelt."
Langsam atmete die Edle aus. "Nun hörte ich von meinem Großvater, Domna Fenia, Praiodors Mutter, sei mit dem Jungen hierher nach Selaque oder gar in die Berge gereist, um einen Heiler für ihren Sohn zu finden." Sie zuckte mit den Schultern. "Ich habe keine Ahnung, was das für ein Heiler ist." Leicht schob sie das Kinn vor, blickte den Priester fast herausfordernd an. "Ich weiß nur eines, Dom Amando: Ich werde meinen Vetter finden. Koste es mich, was es wolle!"
Autor: SteveT
Ein kurzes, gütiges Lächeln huschte über das vorher scheinbar so strenge Anlitz Seiner Eminenz. Rifada hatte offenbar mit ihrer Einschätzung hinsichtlich des Wesens ihrer Nichte Recht gehabt - sie war ein stolzer Trotzkopf wie Rifada selbst oder wie es auch seine eigene Schwester Leonida zeit ihres Lebens immer gewesen war. Es war erstaunlich, wieviele Charaktereigenschaften offenbar durch das Blut von Generation zu Generation weitergegeben wurden, selbst wenn die Angehörigen der Familia an verschiedenen Orten aufwuchsen.
Er blickte abwechselnd von Rifada zu Richeza und nickte dann: "Nun gut - ich glaube, ich kann euch weiterhelfen, wenn ihr mir dafür aus Elenta
Bericht erstattet und euch der Waffenhilfe für den Ort Selaque nicht weiter verschließt."
Rifada wollte ihm kopfschüttelnd ins Wort fallen, aber der
Großinquisitor bedeutete ihr mit einer energischen Handbewegung, zu schweigen und ihm weiter zuzuhören: "Der Name des Heilers, den ihr
wahrscheinlich sucht, ist Tsacharias Krähenfreund - er lebte bis zur Entsendung von Domna Liguria in einer Kate in einem Hain etwas außerhalb
Elenta, nahe der ersten Berge des Raschtulswalls. Er genoß einen guten Ruf als Heiler und wurde von den Bewohnern Selaques gar der "Mann
mit den heilenden Händen" genannt. Meinen Informationen nach, wurde er auch vom Therbunitenkloster zu Ragath dann und wann bei schwierigen
Fällen zu Rate gezogen. Es wäre also möglich, daß die Mutter des armen Kindes - ich nehme an, wir sprechen über die mir persönlich bekannte
Domna Fenia von Culming - von der Reputacion des Heilers hörte, und ihre Hoffnung auf Heilung ihres Sohnes in ihn setzte. Allein - besagter
Tsacharias ist seit der Ankunft meiner Ordensschwester in Elenta flüchtig, was unseren Verdacht bestätigt, daß er bei seinen angeblichen
Wunderheilungen auch auf verbotenes Wissen oder gar auf druidische Riten zurückgriff. Aus eben diesem Grund wird der besagte Tsacharias
Krähenfreund steckbrieflich gesucht. Solltet ihr ihn tatsächlich finden, so erwarte ich, daß ihr ihn dingfest macht und nach Ragath bringt, wo er vor
dem Hochtribunal der Suprema Aufklärung über seine Heilmethoden leisten muss.
Desweiteren solltet ihr Domna Fenia davon abhalten, ihren Knaben
mit dem gottgefälligen Namen von einem solchen Scharlatan mit okkulten Praktiken behandelnd zu lassen. Ich bin mir gewiß, dem Jungen kann
im Tempel der Sonne zu Ragath weitaus besser geholfen werden. Bringt ihn nur zu mir, ich werde persönlich alles in meiner Macht stehende in die
Wege leiten, um ihm die bösen Pestilenzmächte der Krankheit auszutreiben, die den Jungen seit langem in ihren Klauen halten."
"Ja, man wird sehen!" nickte ihm Rifada zu, was Dom Berengar einen kalten Schauer über den Rücken laufen ließ, denn wenn sein Gemahlin sagte:
"Man wird sehen" meinte sie damit in Wahrheit "ich werde es so handhaben, wie ich selbst für richtig halte!" Er sah ihr schon an der trotzig
hochgereckten Nasenspitze an, daß sie nicht im Traum daran dachte, sämtlichen Weisungen ihres Soberans Folge zu leisten.
Zu seiner Überraschung antwortete sie aber ganz friedlich und aufgeräumt: "Schluß jetzt damit! Wir haben noch einen weiteren Gast, den Baron von
Dubios. Wenn er schon darauf besteht, uns zu folgen, so muß er doch nicht all unsere privaten Familienangelegenheiten mitbekommen!"
Autor: Der Sinnreiche Junker
Just in jenem Moment öffnete ein Diener die Tür, um nach einer kurzen Verneigung den soeben genannten Baron einzulassen.
„Guten Morgen.“, sprach dieser mit entschuldigendem Lächeln, bis er der Gegenwart des Großinquisitors gewahr wurde. Eine schwierige Frage der Etikette verlangte nach einer Lösung: sollten zuerst die Gastgeber begrüßt werden, oder aber der hoch- und höhergestellte Gast, Travia oder Praios genüge getan werden?
Schließlich neigte er zunächst das Haupt in Domna Rifadas und sodann in Dom Berengars Richtung, ehe er sich mit einem aus angemessener Entfernung gesprochenen „Praios zum Gruße.“ Amando Laconda da Vanya zuwandte. Nachdem er womöglich auf Verlangen, nicht aber aus eigener Initiative dessen Ring geküsst hatte, komplettierte er schließlich die Runde mit einer kurzen Verneigung in Domna Richezas Richtung.
„Verzeiht meine Verspätung, ich musste mich um meine Leute kümmern. Ich hoffe doch, man hat schon ohne mich begonnen.“
Autor: SteveT
"Man hat, man hat!" beruhigte ihn Amando Laconda da Vanya mit seiner sonoren Stimme und musterte Dom Hernan aufmerksam, während sich dieser zum Kuss über seinen Siegelring beugte. "Meinen Glückwunsch zu Eurer Belehnung, Baron! Dubios ist ein schöner Landstrich - möge das wachsame Auge des Herrn Praios über Euer Haus und Eure Regentschaft wachen und möget Ihr allzeit den Pfad der Erkenntnis eines göttergefälligen Lebens beschreiten."
Der Großinquisitor überließ es bewußt seinem Gast, ob er diese Worte erbaulich oder als Mahnung und Warnung verstehen wollte und wies ihm den bereits eingedeckten Platz neben Richeza zu.
Das war also 'des Rabenmauls schwarzer Junker', wie man ihn zur Zeit der Answinkrise genannt hatte - ein ehemaliger Gefolgsmann des Usurpators und zudem ein Magnat, der als beutehungriger Condottiere in fremder Leute Händel sein Geld verdiente. Was waren das für Zeiten, wo solche Schergen zu Baronen des Heiligen Neuen Reiches erhoben wurden? Er verbarg derlei Gedanken aber hinter seiner in Falten gelegten Stirn und wartete höflich, bis eine Küchenmagd Dom Hernans Teller randvoll mit Mus und Getreidebrei gefüllt hatte. "Greift nur tüchtig zu, mein Sohn! Und dann berichtet mir, was Euch hierher in unser entlegenes Tal geführt hat. Wollt Ihr mit Euren Waffenknechten gegen die Ferkinas zu Felde ziehen?"
Domna Rifada erhob sich derweil und nickte Richeza zu, ebenfalls aufzustehen, da sie beide ihr Mahl beendet hatten. "Wenn die Herren uns entschuldigen wollen? Wir lassen euch für den Rest des Mahls allein - wir haben noch wichtige Dinge vor unserer Abreise zu erledigen." Dom Berengar wollte sich ebenfalls erheben und ihr folgen, aber sie bedeutete ihm, sitzenzubleiben, und ihrem Oheim und dem Gast weiter Gesellschaft zu leisten. Im Hinausgehen wandte sie sich an den Dubianer:
"Dom Hernan - wenn Ihr uns nach Elenta begleiten wollt, so erwarten wir Euch in einer Stunde abreisefertig drunten im Hof!" Dann fiel die schwere Tür hinter ihr und Richeza ins Schloß.
Autor: Der Sinnreiche Junker
"Ja und Nein, Eure Eminzenz.", nahm Hernán von Aranjuez Platz. "Ich begleite die beiden Domnas mit einigen Mercenarios als Bedeckung auf der Suche nach Domna Fenia von Culming und ihrem Söhnchen. Sie ist wohl auf der Suche nach einem Heiler..."
Kurz wandte sich der Baron um, ob besagte Domnas den Saal denn schon verlassen hatten, und fuhr dann mit freilich dennoch gesenkter Stimme fort: "...womit wir immerhin dieser gefährlichen Tage nicht die größten Narren in eurem entlegenen Tale sind."
Sodann machte er sich an sein Frühstück, und wäre Domna Rifadas Mahnung nicht gewesen, man könnte beinahe meinen, der Aranjuezer fühle sich nicht allzu wohl in der Gegenwart des Großinquisitors, und trachte danach, sein Mahl möglichst rasch zu beenden.
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