Pfalzgrafschaft Geiersgau
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Die Pfalzgrafschaft Geiersgau - früher Gaugrafschaft geheißen - ist eines von drei pfalzgräflichen Kronlehen des Königreiches Almada. Das Land rund um die namensgebende Kaiserpfalz Geierschrei an der Brigella war früher traditionell dem Contador (Schatzmeister) unterstellt, um derart dessen Unkosten zu decken, die ihm beim Eintreiben des Zehnts für die Almadinkrone anfielen.
Heute dient die ebenso wehrhafte wie ungastliche Kaiserpfalz - obwohl sie natürlich nach wie vor Besitztum und Wohnstätte der Kaiser des Neuen Reiches ist - Pfalzgraf Ragnus von Bonladur und seinen ungeliebten Zehntleuten als Amtssitz, die für die Eintreibung von Großem und Kleinem Zehnt, Blutzehnt und Kopfsteuer, sowie diversen landesspezifischen Sondersteuern wie z.B. der Castelleria verantwortlich sind.
Ihr »Einzugsgebiet« umfasst den gesamten westlichen Teil Almadas bis zur Brigella.
Durch den Zerfall der Südpforte in dutzende kleiner Taifasreiche ist das in Almada schon immer gefährliche Steuereintreiben zum sprichwörtlichen "Anbändeln mit Marbo" geworden. Neue wie alteingesessene lokale Machthaber verweigern der Krone den ihr zustehenden Zehnt oder sie lauern gar die Zehntleute in heimtückischen Hinterhalten auf, um ihnen die beim Lehnsnachbar eingetriebenen Steuergelder gleich wieder abzujagen. Pfalzgraf Ragnus als pragmatisch denkender Mann - korrupt und korrumpierbar wie alle anderen almadanischen Beamten auch -, versucht das Beste aus der verfahrenen Situation zu machen, was in seinem Falle bedeutet, zunächst einmal die eigenen Pfründe zu sichern und die Geiersgau frei von Eindringlingen jeglicher Art zu halten.
Der Großteil der Pfalzgrafschaft ist vom dichten Grün der Brigellawälder bedeckt, einem der größten zusammenhängenden Waldgebiete ganz Mittelaventuriens, die man in diesem Teil Almadas Paenolonforst heißt, was von einigen hier lebenden Elfensippen herührt.
Die Wälder sind so ausgedehnt, daß man tagelang unter grünem Blätterdach reiten kann, ohne auf ein einziges Anzeichen menschlicher Besiedlung zu stoßen. Der Paenolonforst ist ein hervorragendes Jagdrevier mit Hirschen, Rehen und wilden Sauen in großer Zahl, auch einige Schwarzbären und große Luchse gibt es hier, die es auf das Vieh der Bauern abgesehen haben.
Am Himmel kreisen - besonders seit den Dürrejahren und dem Viehsterben der Cañocacha - ganze Schwärme von Khom- und Schwarzgeiern, die dem Land seinen Namen gaben - auch wenn ihre Schreie eher einem heiseren Krächzen gleichen. Die Aasvögel sind die einzigen Bewohner der Südpforte, die viel Nahrung finden in dieser dunklen, unrühmlichen Zeit, denn überall kommt es zu Kämpfen und kleineren Scharmützeln, deren Tote meist ausgeplündert unbestattet liegenbleiben - als Festmahl für die Geier.
Die Kaiserpfalz Geierschrei ist eine der kleineren und unbedeutenderen der kaiserlichen Pfalzen - aber dennoch eine beeindruckende und uneinnehmbar scheinende Festung auf einem schroffen Uferfelsen der Brigella unweit von deren Quelle, die aus der nordöstlich anschließenden Baronie Taubental herabschießt.
Der hier zur Regierungszeit Hal I. herrschende Gaugraf Kelsor von Rengor ließ als allererste Amtshandlung das große Verlies unter der Burg wieder herrichten und alle Zellen mit neuen Gittern und Schlössern versehen. Als Schüler des Reichsgroßgeheimrats Dexter Nemrod und als Inquisitionsrat der Suprema achtete er sehr auf die Aufrechterhaltung der praiosgefälligen Ordnung im Lande. Man munkelte, daß schon eine einzige Nacht im Kerker von Geierschrei ausreiche, um Deliquenten alle Untaten zugeben zu lassen, die sie jemals begangen hatten und die man ihnen vielleicht auch nur zur Last legte. Wie der Gaugraf zu diesen vielen Geständnissen kam, ist nicht überliefert - aber Gerüchten nach, soll sein bereits vor langer Zeit verstorbener Vater seine eiskalten Finger im Spiel gehabt haben. Tatsächlich zitterten viele Gefangene wie Espenlaub und waren in einer einzigen Nacht ergraut, als man sie am nächsten Morgen zum Verhör abholte.
Ein weitaus anheimelnder Ort ist das kleine Städtchen Rengor (1.103 Einwohner), Herz und Hauptort des Lehens. Hier treffen alle Quellen des Wohlstandes dieser Gegend aufeinander: die ab hier schiffbare Brigella, der lichte Wald, die Prallhänge der »Rengorer Reblaus«, eines feinherben Weißweins, die mit Olivenbäumen bestandenen Hügel, sowie das Geschick der ortsansässigen Handwerker. Rengors Einwohnerzahl ist in den letzten Jahren stark angestiegen, da der von einer Ringmauer umfriedete Ort eines der letzten (noch) sicheren und unzerstörten Refugien in der gesamten Südpforter Mark ist.
Ein Tempelbau am Marktplatz beherbergt Schreine aller Zwölfgötter.
Endivarol weiter flußabwärts an der Südgrenze der Pfalzgrafschaft kann dagegen eher als großes Dorf bezeichnet werden. Der an beiden Flußufern von dichtem Wald umgebene Ort inmitten den Paenolonforstes, an den steilen Uferhängen der Brigella gelegen, wird vom schmucken Schloß Reiherfels überragt - einst Sitz der stolzen und kunstliebenden Junker von Endivarol. Heute herrscht hier Concabella, die hübsche Nichte des Pfalzgrafen.
Der Weiler Schafberg im Zentrum des Lehens auf der Kuppe des gleichnamigen Hügels wird in regelmäßigen Abständen vom "Wüterich vom Schafsberg" heimgesucht - einem uralten, irrsinnigen Troll, bei dem sich Zeiten voller Melancholie (wegen seiner Einsamkeit) mit Anfällen wilder Raserei abwechseln. Die Schafsberger hoffen, daß irgendein tapferer durchziehender Recke dem Unhold irgendwann für immer den Garaus macht oder ihn zumindest vertreibt,
In dem Weiler Strauch scheint die Zeit stehengeblieben zu sein - die Bewohner leben immer noch wie im Eslamidischen Zeitalter von der Köhlerei, der Schweinezucht und dem Holzschlag. Von allen technischen und gesellschaftlichen Neuerungen der letzten einhundert Jahre hat man hier nicht viel mitbekommen - geschweige denn vom Tagesgeschehen im näheren Umland.
Ganz anders im namensähnlichen Dorf Busch am Ufer des Tschelak-Sees an der Grenze zur Baronie Schelak. Der hiesige Landedle Agnello di Barriza hat sich dem Kriegsherrn Stordan von Culming angedient und unterstützt diesen in seinem Kampf gegen andere Taifaherrscher. Dafür hat er sich selbst - mit Duldung des Culmingers, aber natürlich in Unkenntnis seines eigenen Lehnsherrn - zum "Grafen vom See" ausgerufen und 'herrscht' von seinem befestigten Edlengut Casa Barriza am östlichen Seeufer über ein kleines Taifasreich rund um den Tschelak-See. Da er es nur für eine Frage der Zeit hält, bis es zu einem militärischen Aufeinandertreffen mit der Familia Bonladur oder anderen Kriegshaufen kommt, hält "Graf" Agnello händeringend nach weiteren Verbündeten Ausschau.
Der Ort Busch ist ungeachtet seiner Eskapaden durch seine Karpfenzucht im Tschelak-See (Tsche-Lak steht im Elfischen für "See der Träume) und vor allem durch seine Teer-Tümpel und Pechsiedereien leidlich wohlhabend, da letztere zur Herstellung von Pechfackeln oder auch zum Abdichten von Booten ein in ganz Almada begehrtes Handelsgut liefern.