Chronik.Ereignis1036 Besuch im Vanyadâl 20
Baronie Dubios, 4. Tsa 1036 BF[Quelltext bearbeiten]
Landedlengut Quaranca, vormittags im Dubianer Forst[Quelltext bearbeiten]
Autor: Der Sinnreiche Junker
Der Condottiere versteckte das herzhafte Gähnen hinter dem nietenbesetzten Lederhandschuh. Viel zu früh. Viel zu kalt. Und vor allem hatte er nie den Reiz von Treib- und Drückjagden nachvollziehen können. Treiber und Hundemeuten scheuchten das Wild in seinen Einständen auf, und an den bekannten Wechseln warteten die Jäger. Bei größeren Jagdgesellschaften streng nach Rang geordnet, versteht sich. Hätte beispielsweise Graf Brandil zur Jagd geladen, so stünde nun er hier an ihrer Stelle, mit dem Privileg des ersten Schusses. Es sei denn, es gab einen (ranghöheren) Ehrengast. Dann folgte, verteilt an diesem Wechsel, die gräfliche Familia und mit etwas Glück der eine oder andere bedeutende Baron. Die Niederadligen schließlich bekamen am letzten Wechsel bestenfalls noch ein paar Hasen vor Bogen und Armbrust.
"Langweilt Euch meine Gesellschaft, Geliebter?" Der leicht spöttische Unterton seiner Verlobten riss ihn aus seinen Gedanken. Offenbar hatte sie aus dem Augenwinkel entweder doch das Gähnen gesehen, oder aber die verräterische Handbewegung, mit welcher er es hatte verbergen wollen.
"Niemals, meine Teuerste. Nur diese Art des Jagens." Immerhin entschädigte ihn der Anblick seiner Verlobten für diese vergleichsweise wenig aufregende Angelegenheit. In ihrem eng anliegendem Jagdkostüm war sie im ersten Tageslicht der Mittelpunkt von Castillo Quaranca gewesen, und das nicht nur, weil die goldenen Intarsien ihres waldgrünen Wamses warm die ersten Strahlen der Praiosscheibe einfingen.
"Meine Schwester hat mir erzählt, Ihr teiltet ihre Leidenschaft für Falknerei. Was bitteschön ist aufregender daran einem Vogel bei der Jagd auf einen anderen zuzusehen?"
"Nun ja, gewisslich hat Domna Concabella Euch dann auch erzählt, dass es bei der Falknerei nicht nur um die Jagd an sich geht, sondern auch um Zucht und Abrichten der..."
"...langweilig", unterbrach die Grafentochter ihn, und hielt sich demonstrativ die in einem Wildlederhandschuh steckende schlanke Hand vor den Mund, so als wäre es nun an ihr zu gähnen. "Und erzählt mir nichts von der Schönheit der Vögel und ihres Fluges. Langweilig, langweilig, langweilig."
"Wie Ihr meint, meine Liebe. Gewiss könnt Ihr dann nachempfinden, dass ich lieber dort unten wäre." Er deutete hinab ins bewaldete Tal. "Aug' in Aug' mit einem Keiler, den Wurfspieß oder die Saufeder in der Hand. Das, Teuerste, ist Jagen. Nicht was wie hier tun."
"Womit wir wieder bei der ursprünglichen Frage wären: langweilt Ihr Euch in meiner Gesellschaft?"
Hernán von Aranjuez seufzte ob ihrer Schnippigkeit. "Glaubt nicht, dass ich nicht bemerkt habe, dass Ihr mir grollt."
Rahjada von Ehrenstein-Streitzig wendete kurz das schöne Antlitz in seine Richtung, die Augen leicht zusammen gekniffen. Dann blickte sie wieder in Richtung des Wildwechsels. "Warum sollte ich Euch grollen? Weil Ihr, statt meine und meiner Familia Feinde auszuradieren, lieber gemeinsame Sache mit ihnen macht?"
"Ihr wisst, dass das nicht wahr ist. Hier geht es um Praiosmin von Elenta." Nun war es an ihm beleidigt zu klinge. Zumindest ein wenig.
Seine Verlobte indes winkte nur ab. "Ach, hört doch auf. Ihr benehmt Euch als wärt Ihr irgendein kleiner Landjunker. Schickt Eure Soldaten, schickt Eure Mercenarios. Warum müsst Ihr Euch selbst daran beteiligen?"
Einen Moment lang schwieg der Baron und Junker. "Weil ich dann befürchten müsste, dass Ihr die Sache an die Elenterin verratet. Ich hoffe Ihr habt etwas mehr Skrupel Rifada da Vanyas Kletterseil durchschneiden zu lassen, wenn Ihr wisst, dass auch Euer Verlobter dran hängt."
Wiederum wandte sich Rahjada von Ehrenstein-Streitzig halb um, und einen Augenblick lang teilten sie beide das gleiche, gefährliche Lächeln. "Wenn ich Euch gewähren lasse...", sprach sie schließlich "...versprecht Ihr dann, dass es das letzte Mal war, dass Ihr Euch auf die Seite dieser grässlichen Vettel schlagt?"
Der Aranjuezer kaute auf seiner Unterlippe herum. "Uns verbinden Angelegenheiten der Ehre", begann er vorsichtig. "Es wäre daher töricht ein solches Versprechen abzugeben." Natürlich gefiel er diese Antwort nicht; man konnte sehen, wie sich ihr Körper verspannte. Doch wie maß man solcherlei Schulden? Die Vanyadâlerin hatte damals im Burghof von Castillo da Vanya ihren Rückzug, ihre Flucht gedeckt, war bereit gewesen ihr Leben zu opfern. Sicherlich, er war ihr und den ihren in der Folge gleichfalls behilflich gewesen, teils ebenfalls unter Gefahr für Leib und Leben, doch wann war die Waage ausgeglichen? Konnte derlei Schuld überhaupt jemals getilgt werden, oder war er in einem ständigen Kreislauf gegenseitiger Gefälligkeiten gefangen?
Abermals rissen ihn die Worte Rahjada von Ehrenstein-Streitzigs aus seinen Gedanken: "Dann werdet Ihr sicherlich verstehen, Liebster, dass ich für meinen Teil dann nicht versprechen kann, mich nächstes Mal nicht gegen sie zu stellen. Sie ist eine geschworene Feindin meiner Familia. Je eher sie ins Gras beißt, desto besser."
So unvernünftig wie sich Rifada da Vanya teilweise gebärdete, war dies ohnehin nur eine Frage der Zeit. Hernán von Aranjuez nickte. Soviel musste er seiner zukünftigen Gemahlin wohl oder übel zugestehen. "Mit etwas Glück trifft sie ohnehin demnächst der Schlag, so wie sie sich über Euch echauffiert", versuchte er es mit einem Scherz.
Rahjada von Ehrenstein-Streitzig lachte nicht. "Wie alt ist ihre Tante Belisetha mittlerweile?" Ein berechtigter Einwand. Bedachte man das hohe Alter der Alt-Baronin von Schrotenstein und den mehr als rüstigen Eindruck, den Rifada da Vanya erweckte, war wohl kaum mit einem baldigen Ableben zu rechnen. Es sei denn jemand hülfe ein wenig nach.
"Touché", musste er einräumen. "Aber wenn Praiosmin von Elenta einmal aus dem Weg ist, glaube ich nicht, dass wir noch viel von ihr hören werden. Sie war wahrscheinlich seit Jahrzehnten nicht mehr in Ragath, und ist jetzt auch nur wegen dieser Sache aus ihren Bergen herabgestiegen. Ist ihre Herrschaft im Vanyadâl erst einmal unumstritten, mag sie ruhig dort bleiben und ihren Groll pflegen. Und eines mehr oder weniger fernen Tages wird diese Fehde dann auch mit ihr sterben."
"Die da Vanyas werden ihre Ansprüche niemals aufgeben", schüttelte die Grafentochter das Haupt. "Würdet Ihr etwa? Oder würde ich? Sie werden uns immer hassen."
"Mhm...nun gut, aber wer bleibt dann in einigen Jahren noch? Seine Eminenz ist sogar noch älter als Domna Belisetha und noch dazu kinderlos. Deren Sohn Lucrann ist ledig und wahrscheinlich nur eine seiner Reisen nach Weiden von einer Anklage wegen Felonie entfernt. Nachdem der bedauernswerte Dom Moritatio den Ferkinas zum Opfer fiel, bleibt Domna Rifada nur noch ihre Tochter Gujadanya. Aber die lebt auf Keshal Rondra, und glücklicherweise leben wir nicht zu Zeiten Hals, wo man solchen Leuten Grafentitel gegeben hat, nur um uns Altadeligen ins Gesicht zu spucken. In ein paar Jahren hat sich der da Vanya-Spuk von selbst erledigt."
"Ihr habt die Scheffelsteinerin vergessen."
"Domna Richeza?" Hernán von Aranjuez runzelte die Stirn. "Sie ist so viel da Vanya wie ich ein Harmamund. Natürlich vergisst man nicht woher man kommt, insbesondere wenn die Not groß ist. Aber ich mache mir ja auch nicht tagtäglich Gedanken über die Nachfolge Seiner Durchlaucht."
Mit hochgezogenen Augenbrauen sah Rahjada von Ehrenstein-Streitzig ihren Verlobten an, so als wolle sie sagen: ich wäre enttäuscht, wenn Ihr nicht genau dies sehr wohl tätet. Stattdessen aber sah sie wieder hinunter zum Wildwechsel. "Ich glaube es ist soweit."
In der Tat war in der Ferne Hundegebell zu hören, sodass die ersten Tiere wohl alsbald in ihr Schussfeld laufen würden. Mit der Ruhe des alten Soldaten setzte der Baron und Junker den Fuß in den Bügel der Leichten Armbrust und legte die Zahnradwinde auf um ihre Waffe zu spannen...
Mark Ragathsquell, 5. Tsa 1036 BF[Quelltext bearbeiten]
Burg Harmamund, am späten Abend[Quelltext bearbeiten]
Autor: Der Sinnreiche Junker
Hernán von Aranjuez fluchte götterlästerlich. Sie hatten von Heldor über die Reichsstraße nach Ciragad beinahe ebenso lange gebraucht, wie von dort bis hierher in Sichtweite des Castillos der Familia von Harmamund. Zwischen Ragath, wo sie zum ersten Mal die Rösser gewechselt hatten, und Ciragad (wo sie zum zweiten Mal wechselten) hatten sie im letzten Licht des kurzen Wintertages beinahe ihre Tiere zu Schanden geritten. Einen Mann hatten sie zurücklassen müssen, dessen Pferd sich auf dem verschneiten Weg hinter Ciragad ein Bein gebrochen hatte. Und das, obwohl sie ihr Tempo merklich gedrosselt hatten. Das gequälte Wiehern in der Ferne klang ihm immer noch in den Ohren, ehe der Mann das Tier von seinem Leiden erlöst hatte. Doch die Angelegenheit duldete keinen Aufschub.
Kurz sah der Condottiere zu dem Reiter neben sich. Sein Ross machte im Vergleich zu ihm noch einen frischen Eindruck. Feuchtigkeit glänzte auf der Stirn des Mannes. Schweiß und geschmolzene Schneekristalle, die sich ansonsten zumindest kurz in seinem Bart verfingen. Unter der Nase war ihm der Rotz in die kurzen Härchen über der Oberlippe gefroren. Die fiebrig glänzenden Augen verrieten, dass der Mann restlos durchgefroren war, und das trotz mehrerer Lagen an Kleidung. Unter ihren Gewändern trugen sie nach Eisenfressermanier zusätzlich Lederkoller, darüber aber Pelz und weite Umhänge. Dennoch schnitt der kalte Wind bei vollem Galopp durch jeden Stoff, durch Mark und Bein. Der verkniffene Blick ließ erahnen, dass die trotz der Handschuhe klammen Finger die Zügel mit letzter Kraft hielten. Hernán von Aranjuez, der, das wusste er, gerade keinen Deut besser aussah als sein braver Anzures, fluchte götterlästerlich und richtete seinen Blick wieder auf das letzte Wegstück vor ihnen. Die Angelegenheit duldete keinen Aufschub.
Noch vor wenigen Wassermaßen waren sie behaglich in Heldor beeinander gesessen und die Rückkehr seiner Verlobten von Castillo Quaranca erwartet. Stattdessen war ein Bote erschienen, geschickt von einem Heldorer Wirt. Reisende hatten sich darüber unterhalten, dass Morena von Harmamund angeblich eine da Vanya gehängt hatte. Hatte sich die Fürstennichte Domna Rifadas bemächtigt, die noch vor drei Tagen sein Gast auf Aranjuez gewesen war? Sogleich war dem Baron und Junker klar gewesen, dass Ärger ins Haus stand. Nicht nur, weil er seiner Verlobten lediglich einige eilig gekritzelte Zeilen hinterlassen hatte - einige nicht minder eilig gekritzelte Zeilen waren an Fürst Gwain nach Punin gegangen. Dann hatten sie ihre Pferde gesattelt, auf dass er sich persönlich vom Wahrheitsgehalt dieser Sache vergewissern konnte. Die Gerüchte waren freilich nicht mehr einzufangen, und wer wusste schon, wann sie wen erreichen würden? Früher oder später die Falschen. Also galt es Maßnahmen zu ergreifen.
Denn sollte dies Gerücht der Wahrheit entsprechen, war diese Geschichte geeignet ganz Ragatien in Brand zu stecken. Uralte Feindschaften, uralte Bündnisse, Familienbande - die wenigsten würden sich einer solchen Blutfehde entziehen können. War nicht Rolban von Quirod, dieser alte Trunkenbold, ein Vetter dieses Beinahe-Felonisten Lucrann da Vanyas? Domna Rifada selbst war väterlicherseits eine halbe Ragathsquellerin. Was würde der alte Scheffelsteiner tun, da seine Nichte gewisslich auf Seiten der da Vanyas fechten würde? Grollte Bernfried von Falado seinem Fürsten noch? Immerhin hatte ihn dieser 1027 BF der Mitgliedschaft im seinerzeit noch verfehmten Bund der Almadinhüter beschuldigt? Die meisten Rescendientes wetzten zweifellos ohnehin bereits seit dem Tage heimlich die Messer, an dem ein ehemaliger Answinist den Fürstenthron bestiegen hatte. Er selbst hatte einen Ausgleich zwischen den Harmamunds und Brandil von Ehrenstein vermittelt, doch wenn sich der Graf für sie erklärte, würde das wohl Graytenaus ins gegnerische Lager treiben. Ein Ludovigo Sforigan würde sich wohl der Seite anschließen, welche den meisten Gewinn versprach. Kaum vorstellbar, dass seine Konkurrentin Radia von Franfeld für die gleiche Partei zu den Fahnen rufen würde. Kopf-ab Radia wiederum war mit einem Viryamun verheiratet, was die Descendientes in die Sache hinein ziehen konnte...
Hernán von Aranjuez brummte der Schädel. Er fluchte götterlästerlich. Die Angelegenheit duldete in der Tat keinen Aufschub. Als sie endlich, endlich das Ende der Zugbrücke erreicht hatten, wo zwei Kohlebecken wenig Licht und keine Wärme spendeten, hob er die Faust um Anzures und den verbliebenen Reiter das Halten zu bedeuten. Die Brücke war herabgelassen, doch galt dies zu dieser Stunde gewiss auch für das Fallgatter hinter dem verschlossenen Tor. "Hernán von Aranjuez", rief er zur Wache hinauf, die nur schemenhaft auf dem Torhaus zu erkennen war, als sie sich zwischen zwei Zinnen nach vorne lehnte. "Öffnet, in der guten Götter Namen." Obgleich er durchaus desöfteren auf der Burg zu Besuch war, konnte er wohl kaum hoffen im Halbdunkel erkannt zu werden. So musste der silberne Rabenschnabel auf schwarzem Grund, der an der Lanzenstange des Begleitreiters flatterte einstweilen genügen.
Autor: von Scheffelstein
An den Wänden des Rittersaales hingen Schilde in den Farben und mit dem Wappen der Familia von Harmamund. Auf Granitsockeln standen diverse Gestechrüstungen, gegenüber des Erkerfensters an der Kopfseite des schmalen Saales sogar die eines Reiters samt Lanze auf einem gerüsteten Holzpferd. Die meisten der Rüstungen hatten laut der Gravuren in den Sockeln dem einstigen Harmamunder Grafen Balbiano dem Älteren gehört.
"Hernán von Aranjuez." Die Hausherrin hatte den Saal beinahe lautlos betreten und schenkte dem noch immer Stehenden ein breites Lächeln, als der sich zu ihr umdrehte. Allein, die dunklen Augen blieben kühl und unterzogen den Gast einer knappen Musterung. "Welch seltener Gast seit Mutters Tod." Sie wies mit der Rechten auf die samtbezogenen Stühle, die den dunklen Tisch in der Saalmitte umstanden und wartete, und ließ sich selbst auf einem der Stühle nieder.
Das sorgfältig geschminkte Gesicht täuschte über ihre verblasste Jugend hinweg, das rotgelbe Brokatkleid mit dem Stehkragen und das Goldcollier mit dem einzelnen roten Stein betonten den makellosen und nicht zu tiefen Ausschnitt, der mehr von ihrem Busen erahnen als sehen ließ.
Morena Solivai von Harmamund bedeutete dem hinter ihr eingetretenen Diener mit beiläufigem Wink, das Silbertablett auf dem Tisch abzustellen. Der Lakai stellte einen Teller Salzbrot, zwei Schälchen mit Öl und eines mit geschmolzener Lauchbutter auf den Tisch und goss der Junkerin und ihrem Gast süßen Valporaner in die Silberpokale.
"Habt Ihr es in dieser Nacht nicht mehr nach Aranjuez geschafft, Dom Hernán, oder was verschafft mir die Ehre Eures späten Besuchs?"
Autor: Der Sinnreiche Junker
Der späte Gast hatte sich lediglich seiner Handschuhe entledigt, und hielt die bloßen Finger in Richtung der Flammen des Feuers im Kamin, vor welchem er stand. Für die reiche Ausstattung des harmamunder Rittersaales hatte er wohl kein Auge, wiewohl er freilich auch nicht zum ersten Male hier war. Offenbar hatte man ihm auch eine Schüssel mit Wasser gereicht, um sich zumindest im Gesicht ein wenig frisch zu machen. Zumindest deuteten einige derangierte Locken an Stirn und Schläfen darauf hin.
Klirrend, nicht nur ob der Silbersporen, wandte sich Hernán von Aranjuez um, als die Hausherrin den Rittersaal betrat. "Habt Dank, aber Nein", beugte er leicht das Haupt, und hob sogleich abwehrend die Hände. Die er dann auch lieber wieder in Richtung der Wärme des Kaminfeuers streckte. Überhaupt wandte er sich halb von Morena von Harmamund ab, sodass es schwer fiel, seinen Gesichtsausdruck zu deuten. Denn falls sie geglaubt hatte, dass er ob seiner schmutzigen Reitkleidung nicht auf dem Samtpolster der Stühle Platz nehmen wollte, wurde sie umgehend eines Besseren belehrt.
"Sparen wir uns die Höflichkeiten", erklärte er nicht unhöflich aber bestimmt. "Auf der Reichsstraße geht das Ondit, Ihr hättet Rifada da Vanya aufgeknüpft." Eher Feststellung denn Frage, wobei der Baron und Junker weiterhin in die knisternden Flammen starrte, sodass nicht ganz klar war, was er davon halten mochte.
Autor: von Scheffelstein
Für einen kurzen Moment erstarrte das Gesicht der Harmamund, so kurz nur, dass ihr Gast es nicht bemerkte, der ihr den Rücken zukehrte. Im nächsten Augenblick nämlich brach Morena von Harmamund bereits in schallendes Gelächter aus.
"Ein trefflicher Scherz, Dom Hernán", rief die Junkerin aus, und nachdem sich die erste Heiterkeit gelegt hatte, von der er nicht ganz sicher sein mochte, ob sie ehrlich war, nahm sie einen bedächtigen Schluck aus dem Pokal, blickte auf ihr verzerrtes Spiegelbild auf dessen Oberfläche und lächelte sinnend. "Ich gebe zu, gar manches Mal gelüstete es mich, der alten Krähe ob ihrer Unverschämtheiten den Hals umzudrehen. Doch wie Ihr ebenso gut wisst wie ich, ist es wohl leichter, einem Widergänger die ewige Ruhe zu schenken, als der friedlosen Vanyadâlerin."
Sie schüttelte leicht den Kopf. "Wenn sie sich nicht Hals und Bein gebrochen hat, Dom Hernán, - ohne mein Zutun, versteht sich –, dann versprüht sie wohl just in diesem Moment weiterhin ihr Gift gegen alles, was den Namen Harmamund oder Ehrenstein trägt, da seid gewiss."
Ihr Blick wanderte über den lockigen Hinterkopf des Dubianers. "Aber sagt: Wer hat Euch diesen Bären aufgebunden, wer ein solch lachhaftes Gerücht verbreitet?"
Autor: Der Sinnreiche Junker
Der Baron und Junker machte keine Anstalten in ihr Lachen einzufallen. "Wie ihr vielleicht wisst...", hob er ruhig an "...unternehme ich Einiges an Anstrengungen, um über die Vorgänge in meiner Baronie und darüber hinaus informiert zu sein." Kurz sah er auf, und ihre Blicke mochten sich treffen. Doch weniger mochte es sein ausdrucksloses Antlitz sein, der Morena von Harmamund beunruhigte, denn die zu lange Pause nach seinen Worten. Wusste er von ihr und Rasdan di Vascara? Und dabei bereitete der Fürstennichte gewiss nicht Sorge, ob nun jemand wusste, dass sie und der Junker das Lager teilten.
"Daher weiß ich, dass Rifada da Vanya sich dieser Tage in der Mark herum treibt." Seine Worte klangen fern in ihren Ohren. Zweifellos saßen seine beiden Getreuen gerade mit ihrem Gesinde in der Küche - neben dem Rittersaal einer der wenigen warmen Orte in der Burg - und fraternisierten, wie es nur Gemeine tun. "Wäre es da nicht ein großer Zufall, dass ausgerechnet dieser Tage, völlig ohne jedwede Grundlage, das Gerücht umgeht, man hätte ihr hier auf Burg Harmamund einen Strick um den Hals gelegt?"
Wiederum gestattete sich Hernán von Aranjuez eine etwas zu lange Pause, derweil er sich den Schürhaken griff, und die Holzscheite im Kamin traktierte. Funken stoben, ehe er sich nun doch mit einem sachten Lächeln an Harmamunderin wandte, den Schürhaken noch immer in der Hand: "Ich glaube allerdings nicht an Zufälle. Also, Domna Morena, was war hier los?"
Autor: von Scheffelstein
Morena von Harmamund musterte ihren Gast, ihr Lächeln nun deutlich unterkühlt und nicht ohne einen spöttischen Zug. "Ich wüsste nicht einmal, ob ich einen Strick auf dem Castillo fände, der nicht risse, wenn ich die Krähe in ihrem Eisenkleid daran aufknüpfte", sagte sie. "Doch seid versichert: Der alten Vettel ist kein Leid geschehen, auch wenn ich sie sicher in Gewahrsam nähme, würde ich ihrer habhaft. Vielleicht interessiert Euch, dass La Dimenzia just in jener Nacht den Flammen zum Opfer fiel, als ich drei da Vanyas dort begegnete: Der Alten, ihrer greisen Tante und ihrer streitbaren Nichte. Wie Euch möglicherweise bekannt ist, gehörten die Ländereien des Klosters einst größtenteils zu den Besitzungen meiner Familia. Und die Vanyadâlerin hat es seit Langem darauf abgesehen, unserer Familie zu schaden, wo es nur geht. Als ich in der Nacht nach dem Brand zum Kloster zurückkehrte, fand ich nur die greise Domna Belisetha dort, verletzt und in schlechtem Zustand und ohne Aussicht auf Pflege, sind doch nicht nur einige Fraternellos, sondern auch der Abt bei dem frevlerischen Anschlag ums Leben gekommen. Selbstverständlich konnte ich die Domna nicht schutzlos im Kloster lassen und brachte sie deshalb nach Harmamund in Sicherheit."
Sie machte eine kurze Pause und lächelte leicht. "Deshalb und – wie Ihr Euch denken könnt –, um die verdammte Vanyadâlerin aus der Reserve zu locken, denn diese und ihre Nichte waren flüchtig. Einstweilen wird mein ehrenwerter Bruder im Kloster nach dem Rechten sehen. Die kleine Scheffelstein erschien dann vor zwei Tagen hier am Tor und dankte im Namen des Soberans der da Vanyas für die sichere Verwahrung Domna Belisethas. Es dunkelte bereits, und ich bat sie als Gast zu bleiben, denn zu dieser Zeit ist das Reisen zweier schutzloser Domnas durch die Mark nicht ungefährlich, zumal Domna Belisetha, wie gesagt, verletzt ist."
Sie seufzte leichthin und nahm einen Schluck aus dem Pokal, ohne den Gast aus ihrem Blick zu entlassen. "Aber Ihr kennt sie, wie ich meine: Die Furie wittert Gefahr und Verrat, wo immer man ihr mit freundlicher Fürsorge begegnet, und statt sich als Gast zu fühlen, wenn man ihr Schutz gewährt, möchte sie einem am besten den Fehdehandschuh vor die Füße werfen. Oder auch zwei." Wieder ein Schluck aus dem Pokal und ein dunkler, unergründlicher Blick.
"Bis ein Gericht über Schuld oder Unschuld der Domnas da Vanya entscheiden wird, bis Domna Belisetha nicht genesen ist und die Vanyadâlerin sich Rede und Antwort stellt, werden die Damen ein wenig meine Gastfreundschaft genießen, ob sie sich ihrer dankbar erweisen oder nicht. Überzeugt Euch selbst, wenn Ihr mögt, dass sie in den besten Gemächern untergebracht sind und es ihnen an nichts mangelt." Sie stellte den Pokal auf den Tisch und deutete noch einmal auf Brot und Öl und Butter. "Aber sagt nicht, dass Ihr nur hergekommen seid aus Sorge um den Hals der alten Krähe. Seid auch Ihr mein Gast in dieser Nacht, wenn Ihr mögt und meine Gastfreundschaft weniger fürchtet als die streitbare kleine Scheffelstein. Seid unbesorgt: Harmamund hat noch weitere annehmbare Gästezimmer, und nicht in aller Türen steckt der Schlüssel außen."
Autor: Der Sinnreiche Junker
Unfreiwillig umspielte ein Lächeln die unrasierten Züge des Condottiere. In der Tat konnte er sich recht gut vorstellen, wie Richeza von Scheffelstein auf den Vorschlag reagiert haben dürfte, einstweilen als Gast auf Burg Harmamund zu verweilen. Höfliche Umschreibung für Gefangenschaft hin oder her. Nur zu gut erinnerte er sich an ihr störrisches Verhalten während des Ferkinakrieges, als sie sich gleichfalls zu ihrer beider Ungemach nicht in das Unausweichliche fügen wollte. Er stellte den Schürhaken wieder in den dafür vorgesehenen Ständer zurück, und trat dann doch an den Tisch. "Ich danke Euch für Eure Offenheit, Domna Morena. Gewiss werdet Ihr meine Sorge verstehen, dass ein solches Gerücht, so falsch es auch sein mag, die halbe Grafschaft ins Chaos stürzen könnte. Und dann möchte ich mich nicht erst darauf vorbereiten, wenn die Greifen der da Vanyas schon vor Heldor oder Aranjuez über den Reihen ihren Reisigen flattern."
Damit brach er ein Stück des Brotes und tunkte es in die freilich nur noch lauwarme Butter. Gastfreundschaft ging schließlich in beide Richtungen: die Hausherrin versprach dem Gast Schutz und Unversehrtheit unter ihrem Dach, und der Gast versprach im Gegenzug, sich unter diesem Dach der Hausherrin nicht gegen sie zu stellen. Obgleich die Hausherrin nicht wirklich überzeugend dargelegt hatte, warum sie die da Vanyas nun genau der Brandstiftung verdächtigte. Nachdem er den Bissen mit einem Schluck aus dem Silberpokal herunter gespült hatte, fuhr er fort: "Gestattet mir einen wohlmeinenden Rat: Ihr solltet dennoch darüber nachdenken, die beiden in kirchlichen Gewahrsam zu überstellen. Eine Verbringung in den Inquisitionsturm von Ragath wäre eine Möglichkeit, Domna Richeza sofort, Domna Belisetha nach Wiederherstellung ihrer Reisefähigkeit. Nicht nur würdet Ihr damit dieses gefährliche Gerücht Lügen strafen, sondern Euch gleichzeitig absichern, sollte sich Euer Verdacht am Ende doch nicht bestätigen. Und auch Seine Eminenz als Oberhaupt des Hauses da Vanya wird sich wohl kaum Beklagen können, wenn seine Sippgesellinnen bis zur Klärung des Sachverhaltes der Obhut der Heiligen Inquisition übergeben werden."
Autor: von Scheffelstein
Morena von Harmamund schien einen Moment über die Worte ihres Gastes nachzudenken, dann schüttelte sie leicht den Kopf. "Nein", sagte sie, "bei allem Respekt: Die Inquisition werde ich sicher nicht mit dieser Angelegenheit betrauen. Das wäre so, als wollte ich den Soberan der da Vanyas selbst über seine Sippschaft Gericht sitzen lassen. Es wurde ein Kloster Borons entweiht. Dann soll auch die Kirche Borons über die Schuld oder Unschuld der Domnas entscheiden. Eine Überstellung an den Komtursitz der Golgariten zu Punin wäre wohl angemessen."
Autor: Der Sinnreiche Junker
Falten zeigten sich auf der Stirn ihres Gastes, als dieser skeptisch die Augenbrauen hob. Offenbar wäre es ihm nicht in den Sinn gekommen, jemanden wie den Großinquisitor der Parteilichkeit zu verdächtigen. Gleich ob es sich um seine Angehörigen handelte. Geschweige denn, dies laut auszusprechen. Oder hoffte die Junkerin nur, dass sie auf ein Gericht der Boronkirche über ihren Bruder Einfluss würde nehmen können? So zuckte er schließlich mit den Schultern: "Ich glaube nicht, dass der kämpferische Arm der Boronkirche wirklich für derlei Freveltaten zuständig ist, doch ist bis zur endgültigen Anberaumung eines Prozesses, vor welchem Gericht auch immer, eine kirchliche Verwahrung gewisslich so gut wie die andere."
"Hm...", strich er sich sodann nachdenklich über das bärtige Kinn. "Vermutlich wird Domna Richeza sich aber ohnehin weigern, Eure Obhut ohne Domna Belisetha zu verlassen. Vielleicht solltet Ihr also vorsorglich ein Schreiben aufsetzen lassen, dass sie somit auf eigenen Wunsche hier verbleibt, bis zur vollständigen Wiederherstellung Domna Belisethas. Damit hätte dann sie den Schwarzen Alrik, und Ihr wäret für alle Fälle abgesichert. Zuvor aber würde ich gerne mit den beiden Domnas sprechen, vielleicht vermag ich sie ja zu überzeugen, um größeren Schaden für alle abzuwenden. Wenn Ihr gestattet, versteht sich..."
Autor: von Scheffelstein
Morena von Harmamund warf dem Dubianer einen skeptischen Blick zu. "Eure Überzeugungskraft im Hinblick auf die Ragatische Furie erscheint mir, mit Verlaub, in der Vergangenheit eher weniger ausgeprägt gewesen zu sein. Nur ungern würde ich diese Angelegenheit mit einer weiteren Duellforderung belasten. Aber vielleicht zeigt sich Domna Belisetha Euren Argumenten ja zugänglicher. Mögt Ihr Euer Glück mit ihr versuchen und soll diese dann als stellvertretende Soberana auf ihre Großnichte einwirken."
Autor: Der Sinnreiche Junker
"Frau Hesinde sagt, es sei nie zu spät noch ein wenig Weisheit zu erlernen", zuckte der Condottiere mit den Schultern, um dann mit einem Lächeln hinzuzufügen: "Falls nicht, so bin ich freilich recht sicher, dass es dieses Mal nicht ich sein werde, der ihren Handschuh aufheben muss."
"Es ist schon spät", stellte er schließlich fest, und strich sich abermals abwägend übers Kinn. "Doch duldet die Angelegenheit keinen Aufschub, fürchte ich. Würdet Ihr die beiden Domnas wecken lassen, sofern sie schon zu Bett gegangen sind?"
Autor: von Scheffelstein
Morena von Harmamund begegnete dem Blick ihres Gegenübers ungerührt, dann stellte sie den Pokal energisch auf den Tisch. "Man wird Euch zu Domna Belisetha führen." Sie nickte dem Diener zu, und dieser zog sich mit einer leichten Verbeugung aus dem Raum zurück. "Und Ihr werdet eine angemessene Unterkunft finden, so es Euch bei diesem Wetter nicht gleich wieder hinaus in die Kälte zieht." Sie erhob sich und wies mit offener Hand auf eine Gardistin, die soeben durch die Tür eintrat, durch welche der Diener entschwunden war. "Bitte. Und eine gute Nacht, Dom Hernán."
"Wenn Ihr mir folgen mögt?", wandte sich die Gardistin an den Gast und trat aus der Tür, um ihm Platz zu machen.
Autor: Der Sinnreiche Junker
Nachdem man sich verabschiedet hatte, folgte der Baron und Junker schweren Schrittes der Gardistin hinauf zur Kemenate, in welcher Belisetha da Vanya untergebracht worden war. Nach langen Ritten, an kalten Tagen spürte er die alte Beinwunde, sodass er nach vielen Treppenstufen recht froh war, dass man derweil auch für ihn ein Quartier bereitete. Und, als er den vorausgeeilten Diener neben einer Türe stehen sah. Höflichkeitshalber klopfte er noch einmal an, wiewohl dieser ihn ja schon angekündigt hatte. Somit überraschte es ihn nicht, dass er drinnen die greise Alt-Baronin von Schrotenstein vor dem Kamin sitzend vorfand. Oder war das die Schlaflosigkeit, welche man dem Alter nachsagte?
Hernán von Aranjuez konnte sich nicht entsinnen, wann er Belisetha zuletzt gesehen hatte. Natürlich lag das zuvörderst an ihrem nichtsnutzigen Herumtreiber von einem Sohn, dessen Regierungsgeschäfte sie allzu oft in Schrotenstein führen musste. "Verzeiht die späte Störung, Domna Belisetha. Doch duldet die Angelegenheit wie ich fürchte keinen Aufschub", sprach er höflich, nachdem er knapp das Haupt geneigt hatte. Geräuschvoll ließ er sich ihr gegenüber in den Sessel fallen, nur um dann festzustellen, dass er den Weg hier hinauf eigentlich hätte nutzen können, um darüber nachzudenken, wie er hier eigentlich anfangen sollte.
"Ich bin hier, weil das Gerücht umgeht, dass Domna Morena eine da Vanya gehängt hätte. Nachdem Eure Nichte, Domna Rifada, vor wenigen Tagen kurzzeitig mein Gast auf Aranjuez war, fürchtete ich Schlimmes. Ich brauche ja Euch am allerwenigsten auseinander zu setzen, welche Folgen eine solche Tat für die gesamte Grafschaft hätte. Domna Morena versicherte mir nun, dass dies Gerücht falsch sei, und alle in ihrer Obhut befindlichen Angehörigen des Hauses da Vanya wohlauf seien...?" Fragend, Bestätigung erheischend blickte er seine Gegenüber an.
Autor: von Scheffelstein
Belisetha da Vanya betrachtete ihren Besucher aus dunklen Augen einen Moment. "Hernán", sagte sie. "Hernán von Aranjuez." So als wäre ihr sein Name soeben in den Sinn gekommen. Ob der Diener ihn doch nicht angekündigt hatte? "Ihr seid Eleas kleiner Sohn. Bedauerlich, was mit Eurer Mutter geschehen ist." Sie sah sich nach dem Diener um, aber man hatte sie allein gelassen. Belisetha da Vanya seufzte und deutete mit der Rechten auf die Ablage über dem Kamin, auf der ein Krug und Becher standen. Ihre Linke hing in einer Schlinge um ihren Hals.
"Ich bin es gewohnt, meinen Gästen eine angemessene Bewirtung zuteilwerden zu lassen. Ich bedauere, dass Ihr Euch nun selbst helfen müsst."
Wieder sah sie Hernán sehr aufmerksam an. "Domna Morena hat niemanden gehängt. Am allerwenigsten meine Nichte. Sie ist nicht hier, und wäre sie es …" Sie schüttelte den Kopf. "Wenn Ihr glaubt, man könne Leonidas Tochter einfach eine Schlinge um den Hals legen, dann kennt Ihr sie schlecht."
Sie machte eine Pause, dann runzelte sie die Stirn. "Allerdings könntet Ihr unserer Gastgeberin bestellen, dass ich mich wohl genug fühle, um am morgigen Tag die Heimreise nach Quazzano anzutreten, gemeinsam mit meiner Großnichte. Denn obwohl mein Bruder, so hat mir das Mädchen versichert, ein Schreiben schickte und um meine … Freilassung … bat, erachtet es Domna Morena nicht für notwendig, seiner Bitte nachzukommen. Vielmehr scheint sie sich in den Kopf gesetzt zu haben, Rifada der Brandstiftung und des Frevels zu verdächtigen." Sie schüttelte den Kopf.
"Wenn Ihr Euch Sorgen um die Grafschaft macht, dann solltet Ihr Euch bemühen, dieses haltlose Gerücht alsbald aus der Welt zu schaffen und meine Nichte von meinem Wohlergehen überzeugen. Sie hat nicht vergessen, was Morenas Urgroßvater unserer Familia angetan hat und wird nicht dulden, dass unser Name noch einmal in Verruf gebracht wird." Der Blick der greisen Fürstentochter, der Hernán traf, war streng und bestimmt.
"Im Übrigen wäre mir wohler, wenn ich wüsste, dass auch meine Großnichte, Richeza von Scheffelstein, nicht Streit mit Domna Morena begänne, denn sie hat Rifadas Temperament. Ich habe den Verdacht, Domna Morena fürchtet, wir könnten gegen sie konspirieren, deshalb hat man sie mittags in eine andere Kammer gebracht. Ich denke aber, dass sie in meiner Gegenwart weniger geneigt wäre, Streit mit unserer … Gastgeberin zu beginnen, als wenn sie allein Gelegenheit hat, über deren insolente Verdächtigung nachzudenken."
Belisetha da Vanya blickte kurz zum Fenster, als ein Windstoß an dem geschlossenen Laden rüttelte, dann wandte sie sich wieder dem Besucher zu. "Aber sagt: Was war Rifadas Anliegen, Euch auf Aranjuez zu besuchen? Und in welchem Verhältnis steht Ihr zu ihr?"
Autor: Der Sinnreiche Junker
Der späte Gast hob nur dankend die Hände, als Belisetha da Vanya, selbst ja eigentlich auch nur 'Gast', ihm bedeutete sich ob ihrer Verletzung selbst zu bedienen. Für einen kurzen Moment sann er darüber nach, wie seine längst verstorbene Mutter, immerhin ein Jahrzwölft nach seiner Gegenüber geboren, heute wohl aussehen würde. Dann aber sah Hernán von Aranjuez wieder auf. "Nun, das beruhigt mich sehr", nickte er auf ihre Bestätigung hin, dass ansonsten niemand zu körperlichem Schaden gekommen war.
"Um Eure letzte Frage gleich eingangs zu beantworten...", hob der Baron und Junker sodann an zu sprechen, erlaubte sich jedoch eine bedeutungsschwere Pause, derweil er die greise da Vanya musterte. Dann hatte er sich wohl entschieden, inwiefern er ihr über das Treffen mit ihrer Nichte Auskunft zu geben gedachte: "Domna Rifada suchte mich bezüglich Praiosmin von Elentas auf. Wie Ihr vielleicht wisst, war auch ich bei jenem unglückseligen Zwischenfall im Burghof von Castillo da Vanya zugegen." Den Rest würde sie sich zweifellos selbst zusammen reimen können.
So legte er die Fingerspitzen aneinander, und zog bedauernd die Mundwinkel nach unten. "Ich fürchte allerdings", seufzte er "dass Domna Morena nicht nur Eure Nichte jener Freveltaten verdächtigt, sondern gleichfalls Eure Großnichte wie auch Euch. Zumindestens wohl der Komplizenschaft. Immerhin ist es mir gelungen, unser beider Gastgeberin davon zu überzeugen, dass es, um eine weitere Eskalation zu vermeiden, für alle Parteien das Beste wäre, wenn Eure Großnichte und Ihr bis zur endgültigen Klärung des Sachverhaltes im Gewahrsam der Golgariten verbleibt. Wäre dies für Euch akzeptabel?" Fragend sah er sie an, und kehrte einfach mal unter den Teppich, dass sein ursprünglicher Vorschlag ein wenig anders lautete. Es musste ja nicht gleich dem Großinquisitor zu Ohren kommen, dass Morena von Harmamund an seiner Lauterkeit zweifelte.
Autor: von Scheffelstein
Die kleine, alte Frau straffte sich ein wenig und klopfte mit zwei runzligen Fingern ihrer unversehrten Hand auf die Sessellehne.
"Nein", sagte sie mit einer ungewohnten Schärfe. "Das ist gänzlich inakzeptabel. Ihr sprecht nicht nur mit der Tochter einer Fürstin, sondern auch mit der Schwester eines der höchsten Würdenträger der Heiligen Reichskirche. Ich werde mich nicht von irgendwelchen Ordenskriegern nach Punin schleifen lassen, als sei ich eine rustikale Brigantin oder entstammte einem verfehmten Geschlecht!"
Rote Flecken zeichneten sich auf den Wangen der Wildenfester Junkerin ab, die nicht nur der Wärme in der Kemenate zuzuschreiben waren.
"Was glaubt Domna Morena, wohin ich wohl flüchten sollte, wenn sie mich aus ihrer Obhut" – sie spie das Wort nun beinahe aus – "entließe? Wenn sie die Stirn hat, eine Klage vor dem Hoch- oder Reichsgericht gegen ein Mitglied unserer Familia zu erheben, dann werde ich dort erscheinen und meine Aussage treffen, dessen seid gewiss!"
Sie schüttelte energisch den Kopf. "Einstweilen rate ich ihr, mich und auch meine Großnichte bei Anbruch des morgigen Tages ziehen zu lassen. Was glaubt Ihr wohl, wie meine Nichte reagieren wird, wenn ihr zu Ohren kommt, man habe mich oder Domna Richeza wie gemeine Verbrecherinnen abführen lassen? Eine solche Impertinenz wider die Ehre unserer Familia wird sie in höchstem Maße erzürnen." Belisetha da Vanya umklammerte die Sessellehne für einen Moment, ehe sie ihren gichtigen Zeigefinger in Hernáns Richtung schüttelte. "Und das mit Recht, junger Dom Hernán, und das mit ganzem Recht." Sie ächzte und ließ sich in den Sessel zurücksinken. "Wenn diese unerfreuliche Angelegenheit ein gutes Ende nehmen soll, dann muss jemand alsbald mit Rifada sprechen. Jemand, der einen guten Einfluss auf sie nehmen kann. Und das bin entweder ich oder es ist mein Bruder. Niemand sonst vermag sie davon abzuhalten, Domna Morena wie einem Huhn ans Genick zu gehen, und das wird sie andernfalls, dessen seid ebenfalls gewiss."
Die dunklen Augen wanderten über Hernáns Gesicht. "Und was Praiosmin von Elenta angeht …" Sie verfiel in Schweigen und schüttelte mehrmals den Kopf. "Begeht keine Dummheiten, Dom Hernán", sagte sie dann. "Wenn Ihr in Sorge um die Grafschaft seid, dann begeht keine Dummheiten." Düster schüttelte sie erneut den Kopf.
Autor: Der Sinnreiche Junker
Die Augen des Condottiere verengten sich bei Belisetha da Vanyas Rede, und seine Lippen wurden zu einem schmalen Strich. Es bedurfte wahrlich keines Geschichtsbuches, um zu verstehen, warum die da Vanyas von einem Fürstengeschlecht, welches einstmals die Geschicke des ganzen Landes bestimmte, heute auf den Stand von in die Peripherie abgeschobenen Grenzbaronen und -junkern gefallen war. Und man ihnen selbst so eine fleischgewordene Lächerlichkeit wie Praiosmin von Elenta vor die Nase setzte. Hörbar atmete er aus und ein, ehe er bemüht ruhig antwortete: "Wahrscheinlich wisst Ihr nicht, dass ich in jungen Jahren ein ganz passabler Boltanspieler war. Und als solcher sage ich Euch, dass Ihr Euer Blatt überreizt, Domna Belisetha. Am Ende könnt Ihr nur spielen, was Ihr auf der Hand habt. Und das ist momentan nicht viel."
"Außerdem", streckte er sich in seinem Sitz durch "solltet Ihr nicht vergessen, dass Domna Morena nunmehr selbst die Nichte eines Fürsten ist. Und womöglich dereinst Fürstin nach ihm sein wird. Für Euch mag das nur ein weiteres Ärgernis das Haus Harmamund betreffend sein. Für Dritte könnte es der Grund sein, sich ihrer und nicht Eurer Sache anzuschließen."
Der Baron und Junker seufzte, dann stemmte er sich hoch. "Ich bedaure, dass Ihr die Dinge so seht. Aber mehr konnte ich bei Domna Morena nicht erreichen." Auf ihre Warnung die Elenterin betreffend, schien er gar nicht mehr eingehen zu wollen. Das schien sich ohnehin erledigt zu haben, in Anbetracht dessen, was gerade am Horizont aufzog.
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