Chronik.Ereignis1033 Feldzug Selaque 26

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In Kaiserlich Selaque, 4. Rondra 1033 BF[Quelltext bearbeiten]

Auf dem Castillo da Vanya[Quelltext bearbeiten]


4. Rondra, morgens[Quelltext bearbeiten]

Autor: von Scheffelstein

Dulcinea schwang ihre langen Beine über die Bettkannte und quälte sich in die Stiefel. Sie hatte in Kleidern geschlafen, da sie am gestrigen Abend zu müde gewesen war, sie auszuziehen. Die arrogante Domna Yegua hatte ihnen nach einigem Hin und Her doch noch ein Quartier auf ihrer Burg angeboten. Immerhin, denn Dulcinea hätte um nichts auf der Welt in einer der erbärmlichen Hütten im Dorf übernachten wollen.

Das Zimmer, das man ihr zugewiesen hatte, hatte allerdings auch schon bessere Tage gesehen, dachte Dulcinea. An einer der dunkel vertäfelten Wände zeichnete sich ein großes helles Rechteck ab, wo offenbar mal ein Bild gehangen hatte. Der Rahmen war fort, das Gemälde selbst lag auf dem Boden neben der Tür, als hätte es jemand achtlos dort hingeworfen. Die Leinwand war an den Rändern unsauber abgeschnitten, und das Bild warf Falten, die die Körper der gemalten Personen verzerrten. Zwei Kinder, ein Mann und eine Frau waren abgebildet, der Mann in Gelehrtentracht, die Frau in Rüstung.

Dulcinea betrachtete die Frau eine Weile mit gerunzelter Stirn, bis ihr auffiel, was an dem Gemälde seltsam anmutete. Es war die Tatsache, dass die Frau wie eine gestandene Kriegerin aussah und nicht wie eine schlecht verkleidete Jahrmarktdarstellerin. Dabei hatte ihr Großvater immer wieder betont, dass Frauen zu gar nichts in der Lage wären, am Wenigsten dazu, Haus und Hof mit der Waffe zu verteidigen. Entweder, das Bild war falsch, oder Großvater Rigoroso hatte vielleicht doch nicht ganz recht gehabt.

Einen Moment lang brütete Dulcinea über diesem Gedanken, dann bekam sie Durst und wandte sich den halbhohen Schränken an den Wänden zu. Irgendwo musste es doch einen Krug oder gar eine verstaubte Flasche geben! Jeder normale Mensch hatte Schnaps oder Brand in seinem Schlafzimmer, denn wer wollte schon bis in die Küche hinuntergehen, wenn ihn der Durst überkam, erst recht in einer so großen Burg?

Doch beim Durchsuchen der Schränke überkam Dulcinea der Gedanke, dass hier offenbar keine normalen Menschen wohnten, ja, mehr noch, dass diese verdammte Yegua sie in einer unbenutzten Abstellkammer untergebracht hatte. Nichts als Nutzloses Zeug lag in den Regalen: Mädchenkleider, ein paar schwarz angelaufene Schmuckstücke, eine Stoffpuppe, ein Holzpferd, ein paar Stickereien, eine Fiedel – alles angestaubt und offenbar seit vielen Jahren nicht mehr benutzt.

Eine eisenbeschlagene Kiste weckte ihre Neugier, auch wenn sie die Hoffnung, etwas Trink- oder wenigstens Essbares zu finden, bereits aufgegeben hatte. In der Kiste lag allerlei Tand, der noch sinnloser war als der Rest und jede Ordnung vermissen ließ: Eine getrocknete Rosenblüte, von der einige Blätter abfielen, als Dulcinea sie berührte, eine andere Blüte, die offenbar zwischen Steinen getrocknet worden und daher platt war, einige Tierzähne von Bär oder Wolf, eine tote Schlange, eine verrostete Pfeilspitze, verschiedene bunte Vogelfedern an einer Schnur, die kunstvolle Schnitzerei eines Schwans und eine etwas abstraktere von einer Eule, eine Kette aus glatten Steinen an einem Lederband, ein Tierschädel ...

Unwillkürlich musste Dulcinea an die hässliche Trommel denken, die ihr Vater aus Ragath mitgebracht hatte. Ein riesiges, furchtbares Ding aus dunklem Holz, in das an den Seiten echte Menschenschädel eingebaut waren. Der Schlägel war noch abstoßender. bestand er doch aus dem aufgespießten Schädel eines menschenfressenden Ungeheuers.

"Das ist die Schädelpauke des Kanishkar", hatte Ordonyo di Alina stolz verkündet, als er mit ihr auf dem Junkergut Valenca aufgetaucht war.

"Wo sind die Söldner?", hatte Dulcinea gefragt und sich dafür eine Ohrfeige eingehandelt. Söldner waren offenbar rar in Ragath dieser Tage, und eine Audienz beim Grafen hatte Ordonyo nicht erhalten. Stattdessen war er in das Haus irgendeines Ritters eingebrochen und hatte dieses hässliche Instrument gestohlen. Wozu das gut sein sollte, konnte Dulcinea sich nicht ausmalen. Ein paar wackere Söldner erschienen ihr nützlicher als eine Schädelpauke. Aber ihr Vater hatte gesagt, sie werde schon sehen, mithilfe der Pauke würden ihre Feinde schon bald zu Brei geschlagen werden. Dulcinea hatte sich vorgestellt, wie ihr Vater mit dem Schlägel auf gerüstete Caballeros losginge und sich die Frage verkniffen, wie er denn alleine gegen ein Söldnerbanner angehen wolle, denn das hätte nur weitere Ohrfeigen bedeutet.

Es passte ihr gar nicht, wieder in Selaque zu sein, denn es hatte gerade angefangen, ihr in Valenca zu gefallen, wo die Junkerin Aldea de Vargas sie nach allen Regeln der Gastfreundschaft bewirtete und ihr Sohn Ramón sich sogar zu dem einen oder anderen Boltanspiel hatte bewegen lassen, auch wenn er ein hoffnungsloser Spieler war, gegen den sie sogar dann gewann, wenn sie nicht mogelte.

Gerade wollte Dulcinea die Truhe wieder schließen, als ihr ein Stück Büttenpapier ins Auge fiel. 'Für meine geliebte Schwester' stand darauf. Die Schrift war ein wenig kindlich und furchtbar krakelig – so wie sie nur von einem Jungen stammen konnte, dachte Dulcinea.

Für meine geliebte Schwester. Ob Dulcineo Rigoroso ihr ebensolche Worte geschrieben hätte? Ihr Zwillingsbruder hatte nie das Mannesalter, ja nicht einmal das Knabenalter erreicht. Dulcinea nahm das Papier in beide Hände, faltete es zusammen und stopfte es in ihren Geldbeutel. Vor ihrem inneren Auge sah sie den tapferen Dulcineo, der ihr zuzwinkerte. Was er ihr wohl geschenkt hätte? Dulcinea betrachtete das Sammelsurium in der Kiste und entschied sich schließlich für die Kette aus Steinen. Manche schienen einfache Flußkiesel mit einer schönen Zeichnung zu sein, andere waren durchscheinend wie Kristall: blau oder grün oder violett, und zwei waren aus geschliffenem Vulkanglas.

"Für meine geliebte Schwester", sagte sie mit Dulcineos Stimme, schloss die Augen und legte sich die Kette um den Hals. Einige Herzschläge lang spürte sie dem Gewicht der Steine nach und der zarten Berührung der Finger an ihrem Hals – und lächelte. Dann öffnete sie die Augen, schob die Kiste zurück in den Schrank und griff nach ihrem Umhang.

Der Durst war nicht kleiner geworden, der Hunger größer, und sicher wartete ein unerfreulicher Tag auf sie. Höchste Zeit, sich zu stärken, ehe ihr Vater noch auf die Idee käme, vor einem ausgiebigen Frühstück abzureisen.


Im Raschtulswall nahe Vanyadâl[Quelltext bearbeiten]

4. Rondra, am frühen Nachmittag[Quelltext bearbeiten]

Autor: SteveT

"Na los, kommt schon! Macht dem störrischen Biest Beine! Da müssen wir rauf!" Ungeduldig wandte sich Junker Ordonyo di Alina zum x-ten Mal zu seinen drei Begleitern um. Während ihm seine Tochter Dulcinea noch so dicht auf dem Fuß folgte, dass er ihre Schnapsfahne riechen konnte, die sie schon seit dem frühen Vormittag wieder umwehte, mühten sich Ricardo und Pachotto leidlich ab, das aufmüpfige Lamah, ein Ferkina-Kamel, an einem groben Strick hinter sich her zu ziehen.

Er war einerseits froh, die beiden Waffenknechte noch auf dem besetzten Castillo da Vanya angetroffen zu haben, die ihm schon früher gedient hatten, als Gut Rigoroso noch stand. Dafür hatte er den alten Jacopo, den Diener von Aldea de Vargas wieder nach Valenca zurücksenden können, ohne dass er sich vor dessen Herrin groß in Schulden gestürzt hätte.

Sein Pferd bei einem zwielichtigen Viehzüchter, dessen Hof etwas außerhalb des götterverlassenen Nestes Vanyadâl gelegen hatte, gegen dieses veritable Ekelpaket von einem Viech auszutauschen, war vielleicht keine so gute Idee gewesen - auch wenn ihm der Züchter für den Weg ins Gebirge dringend dazu geraten hatte. Kein Wunder, der Bursche war ihm gleich nicht geheuer gewesen, da schon seine hässliche Visage verraten hatte, dass er selbst nicht zu knapp Ferkinablut in den Adern hatte.

Der Junker deutete auf einen markant geformten Berg, dessen Steilwände sich in einiger Entfernung vor ihnen bis in den wolkenverhangen Himmel aufschwangen. "Das ist die Ogerklaue! An seinem nördlichen Fuß wartet mein Amigo bei den Wilden auf uns, und wenn er erst sieht, was wir ihm Schönes mitbringen, wird er sich nicht lumpen lassen und die Mercenarios zu blutigem Klump schlagen lassen, die mein Hab und Gut angezündet haben!"

Er registrierte wohl, dass seine Tochter und seine beiden Waffenknechte leise aufstöhnten, als sie die Entfernung zu dem besagten Berg sahen, der zwar in der Luftlinie direkt vor ihnen lag, aber wegen zahlreicher tiefer Schluchten und Höhen dazwischen alles andere als leicht zu erreichen war.

"Keine Bange!", munterte er sie entgegen seiner sonstigen Art sogar etwas auf. "Sobald wir meinen Verbündeten getroffen haben und alles in meinem Sinne in die Wege geleitet wurde, verlassen wir diese Berge so schnell wieder, wie es nur geht! Wir begeben uns dann nach Selaque, denn Praiosmin, die fette Sau, schuldet mir etwas! Für meinen tapferen Einsatz wird sie mir Elenta geben müssen - andernfalls sorge ich dafür, dass auch Selaque wieder Besuch von Kreaturen erhält, die sie lieber niemals innerhalb der Grenzen ihres Lehens sehen möchte."

Im Laufe der Zeit kamen sie besser voran - das Lamah, das nicht nur die in eine Holzkiste verpackte schwere Trommel, sondern auch all ihr Gepäck und ihren Proviant schleppte, erwies sich tatsächlich als ausgezeichneter Kletterer, wenn es auch hin und wieder dem vor ihm her gehenden Pachotto ohne jede Vorwarnung in den Nacken rotzte, worauf dieser jedesmal entsetzt und voller Ekel aufschrie und dem Tier tausenderlei qualvolle Todesarten ankündigte.

Einmal glaubte Ricardo, in etwa einer Dutzend Meilen Entfernung eine Gruppe Menschen auf einem Bergkamm erspäht zu haben, ohne hinterher sagen zu können, ob es Wilde oder möglicherweise gar ihre zwölfgöttergläubigen Feinde, der Spießhaufen des Mistkerls Hernán von Aranjuez, gewesen waren.

Sie hatten gerade die Talsohle einer tiefen Schlucht durchquert und einen schnellfließenden Wildbach durchwatet, als Ordonyo mit einem Mal einen gurgelnden Schmerzensschrei hinter sich hörte und herumwirbelte.

Ricardo lag blutend am Boden, den Oberkörper unterhalb der Schulter von einem Speer mit beinerner Spitze durchbohrt. Pachotto ließ sofort die Führungsleine des Lamahs los und warf sich hinter einem Felsbrocken in Deckung. Geistesgegenwärtig ergriff wenigstens Dulcinea den Strick des furchtsam vorwärts trabenden Tieres und ging dann selbst hinter einer Felsnadel in Deckung, bemüht es festzuhalten.

Allein, dies erwies sich als keine gute Idee, denn als seine Tochter nur einen Wimpernschlag später wieder hinter der Felsnadel hervortrat, da wurde sie von hinten von einem halbnackten Wilden mit langem Bart und kahlrasiertem Schädel umklammert, der es offenbar auch gewesen war, der den Speer geschleudert hatte.

Ordonyo zog panisch sein Krummschwert - von beiden Enden der Schlucht her kam nun ein Dutzend weiterer Wilde angerannt - unmündige Knaben zwar größtenteils, aber doch allesamt bewaffnet und mit Muskeln gesegnet, dass sie es jederzeit mit einem erwachsenen Mann aufnehmen konnten.

"Halt! Wir kommen in Frieden!", brüllte Ordonyo, obwohl er genau wusste, dass wahrscheinlich kein einziger von ihnen Garethi verstand. "Frieden!", widerholte er radebrechend auf Tulamdiya. "Wir Freunde!"

Der Muskelprotz, der seine Tochter von hinten mit den Armen umklammert hielt und sie dabei sogar einen Spann vom Boden anhob, als wäre die lange und schlaksige Dulcinea leicht wie eine Feder, grinste bloß und entblößte dabei seinen hässlichen angespitzten Eckzähne.

'Ein Sayad Zhul!', dachte Ordonyo still bei sich, ohne wirklich viel über diese 'Blutjäger' oder über das Volk der Bâni Khadr zu wissen. Immerhin konnte er sich ob dessen Anblick nun fast sicher sein, zumindest den 'richtigen' Wilden über den Weg gelaufen zu sein, denn auch Ghazal iban Muyanshîr, der verrückte Zauberer der Blutsäufer, mit dem er dann und wann Informationen austauschte, wurde gelegentlich von derartigen Gestalten begleitet. Dessen Name gebrauchte Ordonyo nun als Losung, da er hoffte, die Wilden damit gnädig zu stimmen:

"Ghazal iban Muyanshir! Hört ihr? Ghazal iban Muyanshir! Bringt uns zu ihm!"


Autor: von Scheffelstein

"Lass mich los, du stinkender Bastard", kreischte Dulcinea, doch der Wilde lachte nur und schüttelte sie wie einen ungehorsamen Welpen. Dulcinea vergrub ihre Zähne in seinem Arm, aber er ließ sie nicht los, sondern riss nur an ihrem Haar und versetzte ihr einen Kopfstoß gegen den Schädel, dass ihr fast schwarz vor Augen wurde.

Vorwurfsvoll blickte Dulcinea ihren Vater an, der irgendeinen Ferkina-Namen brüllte, die Sprache der Wilden jedoch genauso wenig zu beherrschen schien wie sie. Die Ferkinas redeten auf den Junker ein, doch der wiederholte nur immer wieder den Namen, und dann warf der Wilde Dulcinea zu Boden und band ihr die Hände auf den Rücken, und ein anderer fesselte ihren Vater und Pachotto, während ein Junge Ricardo den Speer aus der Brust riss, woraufhin dieser erst aufschrie, dann stöhnte und schließlich verstummte, den leeren Blick in den wolkenverhangenen Himmel gerichtet.

Der glatzköpfige Wilde mit den spitzen Zähnen riss Dulcinea erneut in die Höhe und trieb ihr den Schaft seiner Axt in den Rücken. Fluchend stolperte sie vorwärts.

"Ein toller Plan, Vater!", schimpfte sie, aber nicht einmal der Ärger konnte ihre Angst lindern. "Was machen die jetzt mit uns? Warum sind wir mit nur zwei Mann in die Berge? Das ist doch Wahnsinn!" Ihre Stimme überschlug sich. "Ich will nach Hause!", kreischte sie, aber ihr Vater knurrte nur etwas und fluchte leise, als ihn ein Speerschaft im Rücken traf. "Hilfe!", rief Dulcinea, und ihre Stimme hallte unheimlich von den Wänden wider.

"Halt deinen dummen Mund!", zischte Ordonyo, und Dulcinea biss sich auf die Lippen. Ach, wenn sie nur Dulcineo wäre, Dulcineo Rigoroso, der würde die Wilden mit seinem Rapier aufspießen oder sie um den Finger wickeln und mit ihnen Geschäfte machen. Aber sie war nicht Dulcineo, und wenn die Geschichten stimmten, die man sich über die Barbaren erzählte, dann würde sie bald schon am eigenen Leib erfahren, wie es war, als Frau in die Händen der Wilden zu geraten. Oh, wie sie es hasste, Dulcinea di Alina zu sein, wie sie es hasste, hasste, hasste, im falschen Leib gefangen zu sein!

Eine Weile versank sie in Selbstmitleid und hasserfüllten Gedanken, während die Barbaren sie unbarmherzig den Berg hinauf trieben. Dulcinea wusste nicht, ob eine Stunde vergangen war seit ihrer Gefangennahme oder zwei, aber die schwüle Hitze raubte ihr fast den Atem, und ihre Kehle brannte und verlangte nach Wein, Brand, Schnaps, irgendetwas, um den Durst zu löschen.

Plötzlich blieb der Wilde, der das komische Spuck-Tier führte, stehen, und die anderen Barbaren drängten Dulcinea, Ordonyo und Pachotto auf einem schmalen Felsplateau an die Wand und hießen sie, sich zu setzen. Zwei der Männer stiegen den Weg weiter bergan, zwei der anderen, die zurückgeblieben waren, redeten ganz offensichtlich über Dulcinea, und auch ohne ihre Sprache zu verstehen, erkannte die Junkerstochter anhand ihrer Gesten und ihres Gelächters genau, worüber sie sprachen, und dass sie sich unverhohlen über ihre Hässlichkeit lustig machten, kränkte sie beinahe mehr als die Tatsache, dass sie für sie nichts als Beute war, kaum mehr wert als das Lamah.

Wenn sie zurück in Selaque waren, nahm sie sich vor, würde sie ihr Haar zu einem Eslamszopf flechten, wie die Männer ihn trugen, und sie würde die flachen Brüste unter einem weiten Hemd verbergen, statt ihren Kummer mit einem Mieder noch zu betonen, und dann würde sie lernen, sich in ihren Bruder zu verwandeln, und endlich, endlich das unbeschwerte Leben führen, das sie verdiente.

Doch ehe Dulcinea sich weiter das ersehnte Leben vorstellen konnte, kehrten die Wilden zurück, begleitet von einem spinnenbeinigen alten Hutzelmännchen, zahnlos und mit wirr abstehendem Haar und brustlangem Zottelbart.

Der Alte grinste breit, als er Ordonyo sah, schüttelte den Kopf und schnalzte mit der Zunge. "Tsk, tsk, El'Saksağan", sagte er, "du bringen schlecht Geschenk. Ghazal weiß nicht, was hässlicher, Lamah oder dürres Weib, das nie gebären Söhne." Er fasste der empört aufschreienden Dulcinea an den Busen und dann unter das Kinn und zwängte ihren Kiefer auf wie bei einem Gaul, dessen Zähne man prüfte. "Dies nicht Gebärerin von auserwählte Sohn von Sonnenstier. Weib ist helles Haar und schöne Augen, nicht so. Shâr will sie nicht mögen, selbst zu hässlich für alten Ghazal. Vielleicht gut genug für junge Shachzar für erste ..."

Dulcinea spuckte ihm ins Gesicht und trat mit den Füßen nach dem Alten. "Hau ab! Finger weg!", rief sie. "Vater, tut doch was!"


Autor: SteveT

"Ist das deine Art, einen alten Freund Willkommen zu heißen, alter Halunke!", zischte Ordonyo dem spindeldürren Greis zu und verzog das Gesicht, um zu zeigen, wie sehr ihm seine enggeschnürten Fesseln in die Handgelenke schnitten.

"Ich habe mein Wort gehalten, Ghazal! Nun zeig', ob du Ehre hast und halte auch deins! Dieses Weib dort ist meine Tochter, also lasst eure gierigen Finger von ihr - sie ist nicht für euch bestimmt! Das, wonach du verlangst, ist in der Kiste dort drüben auf dem Lamah! Diese Totenschädel-Trommel deines Freundes Kanishkar samt ihrem widerlichen Schlägel!"

Kaum hatte er den Namen Kanishkar ausgesprochen, traten die beiden jungen Wilden, die ihn gerade noch festgehalten hatten, erschrocken zwei Schritte zurück und musterten ihn mit offenstehendem Mund und weitaufgerissenen Augen, als ob ihnen irgendetwas Angst eingejagt hätte.

Ghazal iban Muyanshîr zischte ihnen etwas im unverständlichen Kauderwelsch der Blutsäufer zu, worauf sie kleinlaut nickten und Ordonyo die Fesseln lösten - sie hielten ihn jedoch dafür nun beide an den Armen fest. Der Alte humpelte, auf einen bizarren Stecken gestützt, an dem allerlei Tierknochen baumelten, zu dem Lamah hinüber, das zunächst Anstalten machte, ihn zu beißen. Der Schamane aber redete in einem fremden Singsang auf das Tier ein und legte ihm zwei Finger der rechten Hand unterhalb der Augen auf die Nüstern. Sofort stand das Lamah brav und still wie ein wohlerzogenes Lämmchen.

Der Nuranshâr versuchte, die schwere Holzkiste aus eigener Kraft vom Rücken des Tieres herunterzuheben. Als er aber merkte, dass dies seine Kräfte übersteigen würde, nickte er Shachzar, dem jungen Sayad Zhul zu, der Dulcinea gefangen hatte. Dieser kam sofort zu ihm herüber und hob die Kiste so leicht vom Lamahrücken herunter, als enthielte sie nur Federn. Er stellte sie auf dem nackten Felsboden ab und frug den Schamanen etwas in der Zunge der Bâni Khadr. Als dieser daraufhin einen Schnalzlaut mit der Zunge von sich gab, was offenbar so viel wie Zustimmung bedeutete, zog Shachzar sein mächtiges Steinbeil aus seinem Rückengurt und ließ es auf das zwergische Vorhängeschloss niedersausen, das Ordonyo eigens in Ragath zum sicheren Verschließen der Kiste für teures Geld erworben hatte.

Shachzar schlug den Deckel der Kiste auf und trat sichtlich überrascht einen Schritt zurück, als ihm aus der Kiste die leeren Augenhöhlen mehrerer Totenschädel entgegen starrten. Ghazal kicherte über seine Reaktion. Vier der Totenschädel waren, je einer auf jeder Seite, offenbar als reine Verzierung an den Rand der großen Kriegstrommel oder -pauke genagelt, die sich im Inneren der Kiste befand. Das Trommelfell des Instruments schimmerte zartrosa wie Menschenhaut - wie die Haut von Mittelländern. Erschrocken hatte den hünenhaften Sayad Zhul aber wohl vor allem der Trommelschlägel, der - abgesehen von einem runenverzierten hölzernen Griff - zum Großteil aus einem weiteren Totenschädel bestand. Allerdings aus einem Schädel, der doppelt und dreimal so groß wie der eines Menschen war und dessen völlig intakte Zahnreihen mit Reißzähnen von der Länge eines Stiletts aufwarteten.

"Wie du es verlangt hast", rief Ordonyo di Alina dem alten Schamanen nun wieder deutlich selbstbewusster zu. "Die Schädelpauke des Kanishkar, die euch eure Feinde einst aus eurem Lager gestohlen haben! Nun habt ihr sie zurück - also haltet auch ihr euer Wort!"

Fasziniert starrte der junge Sayad Zhul auf das schamanistische Relikt von Kanishkar dem Weissager, der den Bâni Khadr und ihren Blutfeinden, den Bân Gassarâh, gleichermaßen als eine Art Heiliger galt. Kurzentschlossen nahm er den bizarren Schlägel und ließ ihn zweimal dumpf auf das Trommelfell knallen, ehe Ghazal ihn daran hindern konnte. Der tiefe sonore Donnerhall der Kriegstrommel war so laut und ging so durch und durch, noch verstärkt durch Dutzende Echos, die von den umliegenden Gebirgswänden widerhallten, dass Ordonyo, Dulcinea und Pachotto - aber offensichtlich auch die Ferkinas - glaubten, ihnen würde der Schädel davon zerspringen. Der Schall war fraglos meilenweit, vielleicht im halben Raschtulswall und ganz sicher bis auf Reichsgebiet zu hören.

Ghazal fluchte etwas Unverständliches und riss die Arme mit seinem sonderbaren Stecken hoch zum Himmel. Sofort und unvermittelt schoss eine kräftige Windböe über das Plateau, die die drei Almadanis von den Beinen riss, den Übeltäter Shachzar aber fünf Schritte rückwärts, bis an den Rand des Plateaus wehte, wo er sich gerade noch festhalten konnte, ehe er in die gähnende Tiefe stürzte. Ghazal iban Muyanshîr schimpfte nun wie ein Rohrspatz auf ihn ein, ehe er sich bückte und behutsam den Trommelschlägel aufhob.

"War klug nicht von dumme Shachzar!", wandte er sich schließlich fast ein wenig entschuldigend an Ordonyo. "Jetzt Menschefresser gelockt bevor ihr weg und bevor bereit ich!"

"Was soll das heißen?", schluckte Ordonyo. "Du meinst, nur wegen dieser zwei Schläge sind sie schon unterwegs hierher? Sie sollen den Mistkerl fressen, der meinen Besitz niedergebrannt hat. Nicht mich, meine Tochter oder dich!"

Ghazal kicherte erneut wie ein Irrer und rollte dabei wild mit den Augen. Auf einen Wink von ihm hin, ließen die beiden jungen Ferkinas Ordonyo los, der sich sogleich vorsichtig bückte, um auch Dulcineas und Pachottos Fesseln zu lösen. Tatsächlich hinderte ihn niemand daran.

"Hör zu!", führte die Elster weiter aus: "Mein Feind hält sich mit seinen Kriegern vermutlich in dem Steinlager auf, das wir in unserer Sprache Grezzano nennen. Es kann aber auch sein, dass er sich hier in euren Bergen herumtreibt. Ist es sicher, dass das funktioniert? Ich meine, dass nur so ein bisschen - zugegebenermaßen sehr, sehr lautes - Getrommel wahrhaftig Oger anlockt? Das Ganze erscheint mir doch ein bisschen ... ähm, sagen wir mal, schwer zu verstehen ..."

"Nix verstehen, wirst sehen!", zischte Ghazal, offenbar ein wenig beleidigt zurück. Wagte es dieser Blutlose, der von Glück reden konnte, dass er ihn bislang immer lebend und vollständig davonkommen hatte lassen, allen Ernstes, seine Zauberkraft infrage zu stellen? "Ihr jetzt geht!", befahl er ihnen, womit er zu deren Erleichterung auch Dulcinea und Pachotto miteinzuschließen schien.

"Ghazal bereit muss sein, wenn große Fettglänzer kommen!" Er deutete in die Richtung, aus der man die drei Mittelländer herangeführt hatte. Ordonyo nickte verstehend und zog sich unter einer angedeuteten Verbeugung zurück. Kurz dachte er daran, das Lamah mit ihrem Proviant und sonstigen Besitztümern einzufordern, aber die grimmigen Blicke der Ferkinas verrieten ihm, dass es besser war, ohne weitere Verhandlungen so schnell wie möglich das Weite zu suchen ...


Chronik:1033
Der Ferkina-Feldzug
Teil 26