Chronik.Ereignis1033 Feldzug Selaque 25
In der Baronie Selaque, 3. Rondra 1033 BF[Quelltext bearbeiten]
Im Vanyadâl[Quelltext bearbeiten]
3. Rondra 1033 BF, abends[Quelltext bearbeiten]
Autor: SteveT
Verstohlen blickte sich Moritatio nochmals nach allen Seiten um, schlug dann die Kapuze der groben Wollkutte zurück, die er in der verlassenen Hütte vorgefunden hatte, die ihnen nun als Versteck am Ort seiner eigenen Geburt diente, und klopfte dann zweimal kurz und zweimal lang an die von innen verriegelte Bohlentür derselben, worauf ihm der alte Heiler nach einem kurzen Augenblick auftat.
Moritatio trat ein, schloss die Tür sofort wieder hinter sich und schob den Riegel vor. Dann erst ließ er ein aus einem groben Tuch geschnürtes Bündel zu Boden fallen, das er vorher unter seiner Kutte verborgen gehalten hatte.
"Einen halben Laib Käse und ein paar Granatäpfel - mehr konnten mir unsere Leute nicht geben, da sie wegen der Wilden bereits selbst am Hungertuch nagen!", stöhnte er niedergeschlagen. "Die Felder verdorren, weil sich keiner mehr aus dem Haus traut. In der letzten Woche waren die Blutsäufer dreimal da, erzählten sie mir!"
Die vorwurfsvollen Blicke, mit denen die eigenen Hörigen ihm dies kundgetan hatten, würde er niemals vergessen - unausgesprochen lag darin die Frage: Ihr seid die stolzen und ruhmreichen da Vanyas - wieso beschützt Ihr uns nicht? Warum ist Eure mächtige Burg für uns verschlossen, die unsere Vorväter im Schweiße ihres Angesichts für Euch erbauten? Moritatio konnte den einfachen Leuten darauf keine sie zufriedenstellende Antwort geben - er wusste ja selbst nicht, wie alles soweit gekommen war.
Er trat ans Bett der fiebernden Richeza, strich ihr zärtlich über die Wange und küsste sie dann ganz sacht auf die Stirn, beobachtet von Tsacharias Krähenfreund, der darüber ein amüsiertes, kaum wahrnehmbares Lächeln aufsetzte.
"Immer noch nicht?", frug ihn Moritatio streng. "Ist sie immer noch nicht aufgewacht?" Der Alte schüttelte gütig und bedächtig den Kopf, ihn schien es nicht weiter zu beunruhigen, dass sich seine schöne Cousine, sein Leben, seit zwei Tagen schon in Fieberträumen wand und während all dieser Zeit nur einmal kurz die Augen geöffnet hatte, ohne ihn anzusehen und sich ein- oder zweimal von dem Alten auf den Eimer unter dem Bett hatte helfen lassen, während er selbst nicht da war.
"Hört zu, Alter!", fuchtelte ihm der junge Vanyadâler verärgert mit dem Zeigefinger unter der Nase herum. "Ihr wisst, dass ich kein Freund Eures frommen Rohalsjünger-Gewäschs bin und dass ich Euch lange Zeit für einen Dummschwätzer und Quacksalber gehalten habe. Das mit dem Jungen oder auch mit den anderen Verletzten, die wir während unserer Reise zu beklagen hatten, habt Ihr aber recht gut hinbekommen. Ihr scheint also tatsächlich etwas von Eurem Handwerk zu verstehen. Wieso könnt Ihr also Richeza nicht helfen? Wollt Ihr es am Ende etwa nicht? Ich muss Euch wohl nicht erinnern, dass Euer Schicksal und auch das Eurer Schwester nach wie vor davon abhängt, ob sich meine Mutter vor dem Tribunal der Suprema entlastend für Euch verwendet! Also tut um Tsas Willen etwas, um meiner Base zu helfen - sie ist noch so jung und darf nicht sterben!"
Ehe er weiterreden konnte, klopfte es plötzlich von draußen energisch an die Hüttentür: "AUFMACHEN HIER! IM NAMEN DER VOGTIN!", rief eine laute, befehlsgewohnte Frauenstimme. Moritatio schluckte mit einem dicken Kloß im Hals, legte den Finger an die Lippen und zog den Stumpf seines abgebrochenen Rapiers. Er presste sich seitlich im toten Winkel neben der Tür an die Hüttenwand und nickte Tsacharias zu, dass er aufmachen und das Reden oder besser noch Abwimmeln übernehmen sollte. Wenn der Alte klug war, so gab er Richeza, die man auch vom Eingang aus im Bett liegend sehen konnte, als seine kranke Enkelin oder dergleichen aus. Wenn aber einer von Praiosmins Schergen in die Hütte eintrat, so würde er sofort zustechen müssen. Es gab keinen anderen Weg.
Autor: von Scheffelstein
Tsacharias Krähenfreund seufzte, dann öffnete er die Tür und trat so in den Eingang, dass Moritatio unmöglich an ihm vorbeistechen konnte. Von draußen drang Fackellicht in die düstere Hütte. Für einen kurzen Moment spiegelte sich in einem der Beschläge der Tür eine gerüstete Frau mit langem, braunem Haar – eine hübsche Frau, soweit Moritatio das während des kurzen Blickes beurteilen konnte.
"Frieden sei mit Euch und der Götter Liebe", begrüßte der Alte die Frau und die anderen Bewaffneten – dem Scheppern von Rüstungen und Waffen und dem Scharren der Füße nach, musste es sich um mindestens ein halbes Dutzend handeln.
"Aus dem Weg, im Namen der Vogtin!", befahl die Frau und machte Anstalten, sich an Tsacharias Krähenfreund vorbei zu drängen, doch dieser machte nicht Platz. "Bist du taub, Alter?", knurrte die Frau.
"Ist nicht die Vogtin eine fromme Frau, die die Götter in Ehren hält?", fragte Tsacharias. "Hat nicht die Fromme Zeit, sich vorzustellen und den Wunsch, allen Lebenden mit Respekt zu begegnen, wie es die Götter gebieten? Sagt, was begehrt die Vogtin vom alten Tsacharias, einem Diener der Menschen und der ewigjungen Tsa?"
"Wir sind auf der Suche nach einem Verräter, der hier im Dorf gesichtet wurde. Er heißt Moritatio da Vanya. Du kennst ihn sicher, oder, wenn du schon lange hier lebst?"
"Ja, ich kenne ihn", sagte Tsacharias, doch die Bewaffnete ließ ihn gar nicht weiterreden.
"Wer ist das?", deutete die Frau auf die im Bett liegende Richeza.
Tsacharias trat ein Stück beiseite und gab ihr den Blick auf das Bett frei. Zugleich verdeckte er mit seinem Rücken Moritatio in der Ecke. Dieser überragte ihn freilich um ein Stück, hatte sich jedoch geistesgegenwärtig die Kapuze wieder ins Gesicht gezogen.
"Ein Kind Tsas", sagte der alte Heiler, "das am Fieber erkrankt ist."
Die Frau trat über die Schwelle, um einen näheren Blick auf Richeza zu werfen, blieb aber gleich wieder stehen. "Bei den Göttern, was für ein Gestank!", sagte sie naserümpfend. In der Tat roch es in der Hütte nach Schweiß und Krankheit und den Ausdünstungen von drei Menschen, die sich seit Tagen auf engstem Raum zusammendrängten. Zumal Moritatio gestern das verschimmelte Brot und die verfaulte Wurst hatte entsorgen müssen, die nach dem Tod des alten Calvados verdorben waren, der vor Tagen den Ferkinas zum Opfer gefallen war.
"Für diesmal!", sagte die Frau, als sie rückwärts aus der Hütte trat. "Aber denk' dran: Wenn du irgendwas von dem da-Vanya-Schwein hörst oder siehst, mach Meldung auf der Burg! Wer irgendwem von dem Dreckspack Unterschlupf gewährt, macht sich des Verrats an der Vogtin schuldig. – Weiter, Leute, knöpfen wir uns diesen Schulzen vor!", wandte sie sich an die Bewaffneten.
"Möge Tsas Frieden Euch begleiten!", rief der Alte ihr hinterher, ehe er die Tür schloss und sich auf die Bettkante setzte, um Richezas Stirn zu befühlen.
"Sie werden wiederkommen", sagte Tsacharias, während er den feuchten Lappen von Richezas Stirn nahm und über einer Schüssl auswrang, "denn früher oder später wird man Euch hierher verfolgen."
Autor: SteveT
Während sie und ihre Begleiter - es waren in Wahrheit doch nur drei - zum größten Haus der armseligen Dorfschaft stapften, dem des windigen Schulzen Sanzo Guiterrez, begann es in Yeguas Oberstübchen zu arbeiten.
'Sagte er Tsacharias?', dachte sie stumm bei sich, 'Tsacharias Krähenfreund etwa - der Bruder von Udina Krähenfreund?' Über beide hatte sie gerade heute Morgen erst etwas in den privaten Aufzeichnungen des Großinquisitors gelesen, die sie auf dessen Schreibpult in Castillo da Vanya vorgefunden hatte. Beide wurden hochgradig schändlichen Hexenwerkes verdächtigt. Sie war gut beraten, diesen Tattergreis genau im Auge zu behalten. Sie hatten das Haus des Schulzen schon fast erreicht und sie wollte gerade einen der Büttel der Vogtin zur Scheunentür hinten am Haus schicken, damit dort niemand türmen konnte, als sie die dunklen Silhouetten von drei Reitern bemerkte, die im langsamen Trab von Norden her ins Dorf einritten.
Zwei davon trugen Caldabreser und einer einen Helm - also allesamt nicht unbedingt Gewandung, die die Ferkinas bevorzugten. "Versteckt euch im Hof des Schulzen!", befahl Yegua von Elenta ihren Leuten leise, während sie selbst breitbeinig mitten auf der Dorfstraße stehenblieb, ihren Streitkolben locker in der rechten Hand haltend.
"HALT!", rief sie, als sich die drei Reiter bis auf zwanzig Schritt genähert hatten. "Im Namen des Kaisers und der Vogtin: Wer seid ihr und was führt euch hierher?"
"Gebt lieber erst einmal eine Erklärung ab, wer Ihr seid!", antwortete der Vorderste der Reiter frech, dessen Antlitz im fahlen Mondlicht von der breiten Krempe seines Caldabresers beschattet wurde. Einer seiner Begleiter war der langen schmalen Statur nach möglicherweise eine sehr großgewachsene Frau, der andere, der den Helm trug, schien dagegen ein älterer Mann zu sein.
"Ich bin die Commandanta der kaiserlichen Wehr von Selaque!", blaffte Yegua zurück. "Also lüftet Euren Hut und nennt mir Euren Namen, sonst muss ich euch alle drei als namenlose Landstreicher und Nachtschwärmer einsperren lassen, und diesen Umstand würdet Ihr sehr rasch bereuen! Wisst ihr nicht, dass über das Vanyadâl und Elenta eine nächtliche Ausgangssperre verhängt wurde? Es treibt sich zu viel Aufrührer- und Verräterpack in unserem Land herum!"
"Von dieser Beschränkung wusste ich nichts", antwortete der Fremde, "obwohl ich für meinen Teil zu den Junkern dieses Landes zähle. Ich bin nach einigen Tagen aus Ragath zurückgekehrt, um mit dem einen oder anderen dieser aufrührerischen Hunde abzurechnen, von denen Ihr gerade spracht."
Jetzt zog der Mann für einen kurzen Augenblick seinen Caldabreser vom Kopf, und Yegua erkannte ihn in der Tat wieder - er war mit Praiosmin von Elenta zusammengetroffen, kurz bevor das Castillo durch Kenntnis der Losung genommen werden konnte.
"Ich bin Ordonyo Rigoroso di Alina, dies hier ist meine Mundilla Dulcinea und jener dort ein Diener der Junkerin von Valenca. Ich bin auf der Suche nach Hernán von Aranjuez, einem ruchlosen Söldner-Schwein, das auf Seiten der Da Vanyas kämpft und mein Hofgut niedergebrannt hat. Er muss dafür ausgemordet werden!"
Yegua schnaufte höhnisch; "Ihr seid zu spät, guter Mann! Ich glaube, er war gestern hier und begehrte Einlass auf der Burg - zusammen mit einem Weib, das die Nase ziemlich hoch trug. Auch sah man ihn - wenn es Euer Mann war - vertraulich reden mit dem Aufrührer Moritatio da Vanya!"
"Sagte ich's nicht?", antwortete Ordonyo ungehalten. "Wohin ist er gezogen?" "In die Berge!", rief Yegua und ging einige Schritte näher heran, um nicht das ganze schlafende Dorf an ihrer Unterhaltung teilhaben zu lassen. "Aber wenn Ihr mir die Frage erlaubt, Herr Junker: Was wollt ihr zu dritt gegen seine weit über ein Dutzend Streiter ausrichten?"
"Oh, wir werden uns nicht selbst an ihm die Hände schmutzig machen!", erklärte Ordonyo mit gerümpfter Nase und zog sein Pferd dann in Richtung des Castillos herum. "Wir werden für den Rest der Nacht bei Euch Quartier nehmen, wenn Ihr erlaubt? Morgen reden wir dann weiter!"
Dass es unter den Wilden einen gab, der leidlich ihre Sprache sprach, jemand, den er seit Langem gut kannte und mit dem er morgen zusammentreffen würde, behielt er dagegen für sich. Er kannte dieses Weibsbild kaum und dass ihre stechenden Augen verrieten, dass in ihr offenbar tatsächlich dasselbe Elenta-Blut floss wie in Praiosmin, machte sie nicht unbedingt vertrauenswürdiger.
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