Chronik.Ereignis1033 Streit ums Taubental 12: Unterschied zwischen den Versionen
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Die so Besungene winkte huldvoll zurück, bedeutete aber ihrem Leutnant, endlich Weg zu bahnen. Von Kündoch und seine Männer teilten mit den stumpfen Seiten ihrer Lanzen leichte Schläge aus, und konnten so die Leute zur Seite treiben. Als sie schließlich auf dem Dorfplatz anhielten, erscholl hinter ihnen: "''Vi-, vi-, vivat Fiona, die Rahjas schönste Jüng'rin ist! Falalali, falalala!''" | Die so Besungene winkte huldvoll zurück, bedeutete aber ihrem Leutnant, endlich Weg zu bahnen. Von Kündoch und seine Männer teilten mit den stumpfen Seiten ihrer Lanzen leichte Schläge aus, und konnten so die Leute zur Seite treiben. Als sie schließlich auf dem Dorfplatz anhielten, erscholl hinter ihnen: "''Vi-, vi-, vivat Fiona, die Rahjas schönste Jüng'rin ist! Falalali, falalala!''" | ||
Dort, wo um die bronzene Reiterstatue von [[León de Vivar y Cotar|León II.]], einem Urahn des jetzigen Barons, Bänke und eine Tribüne errichtet worden waren, trat schließlich der hübsche Bruder [[Zafir Contador|Zafir]] im feuerroten Gewand der Reisegruppe entgegen und breitete einladend die Hände aus. "Rahja zum Gruße, Euer Hochwohlgeboren!", lächelte er. "Dass die schöne Göttin auch Anhänger in der [[Familia von Ehrenstein | Dort, wo um die bronzene Reiterstatue von [[León de Vivar y Cotar|León II.]], einem Urahn des jetzigen Barons, Bänke und eine Tribüne errichtet worden waren, trat schließlich der hübsche Bruder [[Zafir Contador|Zafir]] im feuerroten Gewand der Reisegruppe entgegen und breitete einladend die Hände aus. "Rahja zum Gruße, Euer Hochwohlgeboren!", lächelte er. "Dass die schöne Göttin auch Anhänger in der [[Familia von Ehrenstein-Streitzig]] hat, freut und ehrt uns alle! Rahja zum Gruße, Domna Fiona, meine Teure! Dom [[Ludovigo de Sangrín|Ludovigo]], starker Mann, Rahja zum Gruße!" [[Zaida de las Dardas y Sangrín|Zaida]] und ihrer Zwillingsschwester [[Elena de las Dardas y Sangrín|Elena]], welche ihr bestes Gewand angelegt hatte und schön wie eine Braut frisiert war, blies er einen Kussmund zu. "Euch allen Rahjas Segen! Im Namen der [[Santa Catalina]], im Namen des Abtes [[Bonaventura XXV. Colombi|Bonaventura]], darf ich Euch in unserem schönen Ort von Herzen willkommen heißen! Hier werdet Ihr, fern von derischen Verdrüssen, göttliche Freuden kosten, auf dass Labsal auf Eure Seele komme und ihr der Schönheit Rahjens Eure Herzen zu öffnen vermögt. | ||
Meine Lieben, die ihr mich nicht kennt: Ich bin Bruder Zafir Contador, Hospitiar der Festtage und persönlich darum bemüht, dass Ihr eine angenehme Zeit in Santa Catalina verbringen werdet. Zunächst will ich mich um Eure Unterkünfte sorgen, denn wer gut feiern will, der muss auch wissen, wo er sich gut betten kann! Domna Fiona, Ihr werdet wieder wie stets in der ''Goldenen Rose'' absteigen?" | Meine Lieben, die ihr mich nicht kennt: Ich bin Bruder Zafir Contador, Hospitiar der Festtage und persönlich darum bemüht, dass Ihr eine angenehme Zeit in Santa Catalina verbringen werdet. Zunächst will ich mich um Eure Unterkünfte sorgen, denn wer gut feiern will, der muss auch wissen, wo er sich gut betten kann! Domna Fiona, Ihr werdet wieder wie stets in der ''Goldenen Rose'' absteigen?" |
Version vom 1. Februar 2015, 19:22 Uhr
Wie die Gesellschaft aus Las Dardas in Taubental empfangen wurde. Wie Domna Romina und Domna Fiona bei dem Abt Bonaventura XXV. vorstellig wurden. Wie sie von dem nächtlichen Überfall der Koscher auf Waldhaus erfuhren. Wie die Comtessa sich in ritterlicher Manier erbot mit ihren Männern gegen Ritter Halmdahl zu ziehen. Wie sie gemeinsam speisten. Wie die Comtessa eine Beichte ablegte und der Abt ihr einen Rat in Herzensangelegenheiten gab.
Baronie Taubental, 2. Travia 1033 BF
Zu Santa Catalina im Taubental (2. Praiosstunde)
Autor: vivar
Noch ehe die muntere Gesellschaft aus Las Dardas in Santa Catalina ankam, hatte sie bereits die staunenden Blicke aller auf sich gezogen: Die Hörigen auf den Feldern und Obstwiesen hielten in ihrer Arbeit inne, als sie die knatternden grüngoldenen Wimpel und Wämser des Hauses Ehrenstein erblickten, mit denen sich Leutnant Ardan von Kündochs Mannen schmückten. Vom Pilgerfeld her, dem gerade entstehenden Zeltlager der einfachen Pilger, Krämer, Spielleute, Kurtisanen und anderem Fahrenden Volk am Rande des Weges, strömten Jung und Alt gleichermaßen herbei, sich die Mützen vor der huldvoll lächelnden Grafentochter Romina von Ehrenstein-Streitzig vom Kopf reißend. Niemand wusste, wer sie war, aber wer mit einer solchen Entourage anreiste, war selbstverständlich ein Mitglied der Nobleza und deshalb des höchsten Respekts würdig. Lausbuben versuchten, hinter die Vorhänge von Domna Chazianis Kutsche zu spähen und rannten kichernd davon, als sich Lessina am Fenster zeigte.
Als die Gruppe das Dorf am Fuß des Klosterhügels erreichte, musste Leutnant Ardan von Kündoch mehrmals "Aus dem Weg! Zur Seite! Platz für Romina von Ehrenstein-Streitzig, die Tochter des Grafen von Ragath!" rufen. Die gewundene, von schmucken kleinen Häusern gesäumte Hauptstraße war nämlich regelrecht verstopft mit Pilgern, die sich an den Eingängen von Tabernas oder vor Straßenbuden mit Süßem Wein, Gegrilltem und Taladura drängten, mit Kunsthandwerkern, die lauthals Kunden in ihre Werkstätten locken wollten oder mit fliegenden Händlern, die klappernd Andenken, Devotionalien und Süßgebäck anboten. Als die Schaulustigen auch noch stehen blieben, um die stolze, ungesattelte Rappstute, die Caballera Fiona de las Dardas am Zügel führte, zu bewundern und mit der Hand nach Rahjas Segen heischend zu berühren, geriet der Zug vollends ins Stocken.
"Platz für die Comtessa!", erhob Leutnant Ardan die Stimme über die Menge hinweg, den Ehrensteinschen Wimpel auf seiner Lanze in die Höhe reckend und leichte Tritte nach links und rechts verteilend. Alle Niederhöllen, wie sollte er seine Herrin in diesem Trubel nur beschützen? Dabei sollten die offiziellen Feierlichkeiten erst übermorgen beginnen! "Macht Platz für Romina, Comtessa von Ragath!"
"Vivat Romina!", schleuderte ihm ein betrunkener Alter - und das zur Mittagszeit! - entgegen, und plötzlich hob die gesamte Gruppe um ihn die irdenen Becher und begann zu singen: "Vi-, vi-, vivat Romina, die Rahjas schönste Jüng'rin ist! Falalali, falalala!"
Die so Besungene winkte huldvoll zurück, bedeutete aber ihrem Leutnant, endlich Weg zu bahnen. Von Kündoch und seine Männer teilten mit den stumpfen Seiten ihrer Lanzen leichte Schläge aus, und konnten so die Leute zur Seite treiben. Als sie schließlich auf dem Dorfplatz anhielten, erscholl hinter ihnen: "Vi-, vi-, vivat Fiona, die Rahjas schönste Jüng'rin ist! Falalali, falalala!"
Dort, wo um die bronzene Reiterstatue von León II., einem Urahn des jetzigen Barons, Bänke und eine Tribüne errichtet worden waren, trat schließlich der hübsche Bruder Zafir im feuerroten Gewand der Reisegruppe entgegen und breitete einladend die Hände aus. "Rahja zum Gruße, Euer Hochwohlgeboren!", lächelte er. "Dass die schöne Göttin auch Anhänger in der Familia von Ehrenstein-Streitzig hat, freut und ehrt uns alle! Rahja zum Gruße, Domna Fiona, meine Teure! Dom Ludovigo, starker Mann, Rahja zum Gruße!" Zaida und ihrer Zwillingsschwester Elena, welche ihr bestes Gewand angelegt hatte und schön wie eine Braut frisiert war, blies er einen Kussmund zu. "Euch allen Rahjas Segen! Im Namen der Santa Catalina, im Namen des Abtes Bonaventura, darf ich Euch in unserem schönen Ort von Herzen willkommen heißen! Hier werdet Ihr, fern von derischen Verdrüssen, göttliche Freuden kosten, auf dass Labsal auf Eure Seele komme und ihr der Schönheit Rahjens Eure Herzen zu öffnen vermögt.
Meine Lieben, die ihr mich nicht kennt: Ich bin Bruder Zafir Contador, Hospitiar der Festtage und persönlich darum bemüht, dass Ihr eine angenehme Zeit in Santa Catalina verbringen werdet. Zunächst will ich mich um Eure Unterkünfte sorgen, denn wer gut feiern will, der muss auch wissen, wo er sich gut betten kann! Domna Fiona, Ihr werdet wieder wie stets in der Goldenen Rose absteigen?"
Auf das Nicken der Caballera hin klatschte er entzückt in die Hände. "Fein, das wird den alten Maestro Taubentanz freuen! Eine Domnatella aus Eurer Verwandtschaft hat sich dort bereits gestern einquartiert. Und Eure Begleitung?", deutete er fragend in Richtung der Kutsche.
"Domna Melisandra Chaziani und Domnatella Chaziani aus Punin werden ebenfalls in der Goldenen Rose logieren", lächelte Domna Fiona. "Und Comtessa Romina von Ehrenstein-Streitzig -"
"Ah, Streitzig!", lachte Bruder Zafir auf. "Dann ist es wohl das almadanische Heißblut aus dieser rahjagefälligen Familia, das Euch aus dem fernen Ragath hierher geführt hat, Hochwohlgeboren? Aber warum seid Ihr denn", blickte er mit seinen blauen Augen auf die mit drei goldenen Löwenköpfen bestickten grünen Wämser der Soldaten, "nicht unter dem Streitziger Rösslein hergefahren?"
"Wir sind die Garde des Grafen Brandil von Ehrenstein und zum Schutz der Comtessa abgestellt", erwiderte Ardan von Kündoch an ihrer Statt mit stolz vorgerecktem Kinn.
"Ich verstehe, ich verstehe", lächelte Bruder Zafir den schneidigen Leutnant gewinnend an. "Nun, in jedem Fall könntet Ihr uns keine größere Freude machen, Comtessa, wenn Ihr in diesen heiligen Tagen mit Eurer Garde die gastfreundlichen Mauern unseres Hospitiums bewohnen würdet." Er wies den Hügel hinauf zum Kloster. "Ihr könnt gewiss sein, dass ihr dort einer Grafentochter mehr als würdig umsorgt werdet. Ich werde Euch persönlich dorthin geleiten, wenn's genehm ist. Auch Euch, Domna Fiona, möchte ich einladen, mit Domna Romina und mir mitzukommen, derweil Eure Familia und Eure Dienerschaft sich in der Goldenen Rose installieren. Der Abt hat gebeten, dass Ihr ihn bei Eurer Ankunft unverzüglich mit einem Besuch erfreut." Als er Domna Fionas verwunderten Blick bemerkte, fügte er hinzu: "Er hat einen Weißwein kaltstellen lassen."
Domna Fiona verstand. In der geschliffenen Sprache der Rahjanis bedeutete das: Es gab dringliche Angelegenheiten zu besprechen.
Autorin: lasdardas
Mit einem gutmütigen Schmunzeln hatte Domna Fiona den rahjagefälligen Worten des jungen Bruder Zafir gelauscht, nur zum Ende hin horchte sie kaum unmerklich auf und ihre Augen wurden wachsam schmaler. Kaum merklich nickte sie dem jungen Klosterbruder zu, ehe sie einen kurzen Blick vielsagenden Blick mit ihrem Gemahl wechselte.
„Mein lieber Zafir, Ihr seid ansprechend wie immer“, wandte sie sich dann wohlwollend an ihn und zwinkerte ihm vertraulich zu. „Doch wie mir scheint, wollen der Abt und das Rahjakloster mir meinen Ehrengast streitig machen? Und das, wo ich doch beabsichtige, die Zwillingsschwester der Tochter, die ich in Rahjas Hände geben werde, bei ihr zur Knappschaft zu schicken. Doch was beschwere ich mich - Rahja 'kämpft' immer unfair und wie könnte ich mich dem Ansinnen von unserem geliebten Abt Bonaventura entgegenstellen?“ Sie deutete eine respektvolle Verbeugung an, die ihr Dekolleté erst richtig zur Geltung brachte.
„Wenn es genehm ist, wüsste ich gerne, dass uns Elena und das Geschenk an die Abtei begleiten“, fügte sie mit stolzem Blick auf das Mädchen an, das mit aufgeregt geröteten Wangen auf ihrem Pferd saß und jetzt die Zügel der edlen Rappstute hielt, die ihre samtweichen Nüstern von einer Pilgerin streicheln ließ.
Autorin: ehrenstein
Von Kündoch hatte Haltung angenommen und wirkte ein wenig, als habe er in eine yaquirische Zitrone gebissen. Offenbar war er wenig davon erbaut die junge Domna Romina in den Mauern eines Rahjaklosters untergebracht zu wissen. Noch dazu, wo es hier umtriebige junge Barone gab, die für ihre Rahjatreue bekannt waren. Schweren Herzens hieß er die Soldaten zusammen treten und sich bereit halten, die Comtessa zu eskortieren.
Besagte Comtessa indes schloss kurz die Augen, öffnete sie wieder und schenkte dem jungen Geweihten ein vorsichtiges Lächeln:
„Rahja zum Gruße, Euer Gnaden.“ Sie räusperte sich. Vater würde sie vierteilen und von Kündoch würde bestimmt petzen. Doch sie war hier als Repräsentant zweier Familien, von denen eine Rahja sehr nahe stand. Wie hatte sie nur glauben können dem Rahjafest zu entgehen? Der Geweihte, der mit sanfter Hand den Hals der Rappstute liebkoste schaute sie so... an; ihr wurde jetzt schon ganz anders.
„Ich fühle mich ausgesprochen geehrt und werde das Angebot Rahjas gerne annehmen. Doch möchte ich zu bedenken geben, dass ich in erster Linie eine Ehrenstein bin.“ Sie lächelte kühl, doch ihr wurde heiß... hatte sie das jetzt wirklich gesagt? 'Rahja, vergib mir diese kleine Lüge.'
„Dann wollen wir ihro Ehrwürden, den hochverehrten Abt, nicht warten lassen.“ Sie lächelte zu Domna Fiona und dann wieder etwas selbstsicherer zu Zafir.
Autor: vivar
"Wunderbar, ganz wunderbar", ließ Bruder Zafir zum wiederholten Male verlauten, indem er einen Klosterknecht herbei winkte: Er solle ihm schleunigst ein Pferd heranschaffen. Dieser ließ sofort Hammer und Nägel, die er gerade in das Gerüst der Tribüne treiben wollte, liegen, und machte sich davon in Richtung des Zehnthofes, nur um kurz darauf mit einem gesattelten Fuchsfalben wiederzukommen. Sich auf diesen schwingend, winkte Bruder Zafir freundlich, ihm zu folgen.
Indem der Mönch das kleine Grüppchen vom Platz herunter wieder in die Hauptstraße hinein führte, leistete er auch die Dienste eines Fremdenführers für die Ragatier: "Dieses schmucke Gebäude an der Ecke des Platzes, Hochgeboren, ist die Villa Azucena, benannt nach dem Stammvater der Familia Vivar, Ramón Azucena. Die Azucena ist eine Waldwachter Schwertlilie, die sich im Wappen der Vivar, dem unseres Ordens, dem derBaronie Flogglond und übrigens auch dem der Tandori aus Taladur wiederfindet. Und hier, das ist die Taberna Zu den Zwölf Träublein - gerade zur Mittagszeit ein sehr beliebter Aufenthaltsort, wie Ihr seht. Die Vasari, Glasfabrikanten, haben ihre Villa zur Linken. Sie ist klein, doch wie Ihr an der Freitreppe und den Ziersteinen erkennen könnt, ist die Glasmacherei ein einträgliches Gewerbe. Schwester Paloma, die Zeremoniarin während der Feiertage und eine unserer begnadetsten Tänzerinnen, stammt aus diesem Hause."
Unter dem munteren Geplauder Bruder Zafirs ließen sie die letzten Häuser des Dorfes hinter sich und folgten dem Weg, der sich sanft den Klosterhügel hinaufwand. Links und rechts begleiteten sie die neugierigen Blicke der Pflücker in den Obsthainen, die große Körbe mit Äpfeln, Birnen und Marmelonen füllten. Über ihnen blinkten, zum Greifen nahe, die sechs Zwiebeltürme des Rosentempels und die Hauptkuppel in der Mittagssonne, als ob sie mit lauterem Gold beschlagen wären. Selbstverständlich war dies nicht der Fall: die Platten waren aus Kupfer, aber für den Effekt machte das wenig Unterschied.
Bald standen ihre Rösser im Wirtschaftshof des Klosters, direkt vor der Klosterpforte, und von allen Seiten eilten dienstbare Geister auf sie zu, die ihnen beim Absteigen behilflich waren. Domna Romina fiel angenehm auf, dass im Gegensatz zu vielen anderen Hörigen, die sie auf ihren Ausritten durch Almada beobachten hatte können, diese hier äußerst sauber und gepflegt wirkten. Bald darauf sollte ihr Bruder Zafir auch den Grund dafür eröffnen. Ihr ritterlich seinen Arm anbietend, und auf die Klosterpforte, ein mit in Stein gehauenen Rosenranken umkränztes Portal, zuschreitend, sprach er: "Wie die gesamte Gemeinschaft der Freude, so achten auch wir Catalinenser sehr auf äußere Reinlichkeit, die eine Voraussetzung für innere Reinheit ist. Denn das Äußere soll stets ein Abbild des Inneren sein, und das Innere wird vom Äußeren geformt. Ein jeder Gast, der die Mauern unseres Klosters betritt, wird deshalb höflich aufgefordert, sich die Derenwelt vom Leib zu waschen, um so Platz für die alveranischen Freuden zu schaffen. Dabei hat es die Anpassung an derische Bedürfnisse mit sich gebracht, dass das Betreten des Hofs der Gäste eine Waschung der Hände vorsieht, das Betreten des Klausurbereichs eine Waschung von Füßen, Händen und Haupt und das Betreten des Rosentempels der Schönen Göttin ein reinigendes Bad, eine Salbung mit heiligen Ölen und eine neue Einkleidung."
In der Tat fanden sich im Torhaus zu beiden Seiten steinerne Becken, in die Wasser aus mehreren auf Brusthöhe in die Wand eingelassenen Hähnen plätscherte. Auf der anderen Seite warteten in rote Tuniken gewandete Diener mit trockenen Tüchern auf. Leutnant Ardan von Kündoch warf einen zögernden Blick auf seine Herrin, die wiederum zu Domna Fiona sah. Diese lächelte zuversichtlich und hielt die Hände unter den angenehm kühlen Wasserstrahl, um sie sich dann abtrocknen zu lassen. Die anderen taten es ihr gleich und schließlich schritten alle, Bruder Zafir zuletzt, durch das Tor in den gepflasterten Hof der Gäste.
Im Kloster der Allerheiligsten Catalina im Taubental (gleich darauf)
"Zu Eurer Rechten findet Ihr das Hospitium", wies der Hospitiar auf eine reich mit ornamentalem Blumenschmuck verzierte Villa. "Euer Gefolge kann sich bereits dorthin begeben, Euch jedoch, Domna Romina, Domna Fiona, Domnatella Elena - so Ihr dies wünscht -, würde ich bitten, mir gleich zu Seiner Hochwürden zu folgen. Kommt!"
Er steuerte auf ein weiteres Tor zu, unter dem der Boden so weit abgesenkt war, dass er ein etwa spanntiefes Becken bildete. Auch hier plätscherte Wasser hinein. Dieses Mal galt es, die Stiefel auszuziehen, und auch das Haupt zu benässen, um hinterher, nach erneutem Abtrocknen, deutlich erfrischt den Weg durch den Klausurbereich fortzusetzen. Der Klosterhof war fast ausgestorben und die Gebäude strahlten nach dem Gedränge im Dorf Ruhe und Erhabenheit aus; nur die Tauben auf einem freistehenden Turm gurrten, und einmal kreuzte eine identisch wie Bruder Zafir gekleidete Frau ihren Weg, ein freundliches Lächeln im Gesicht. "Zu dieser Stunde, nach dem Mittagsmahl, befinden sich fast alle Brüder und Schwestern in ihren Zellen, denn auch wir Rahjanis müssen dem Gevatter gegenüber unsere Schuldigkeit tun."
Am Ende des Hofes ereichten sie schließlich das Haus des Abtes: der dreistöckige, geschwungene, marmorvekleidete Palacio samt Freitreppe, Dachgauben und vier Ecktürmchen war eines Kirchenfürsten würdig, wie es einst die Baronsäbte im Taubental gewesen waren. Durch eine geschmackvoll eingerichtete Eingangshalle mit goldumrahmten Spiegeln, schweren tulamidischen Teppichen und fein gedechselten Kommoden, auf denen goldene Kerzenleuchter standen, hindurch führte sie Bruder Zafir schließlich in einen kreisrunden Salon. Tapeten in Pastellfarben kündeten von Sanftheit, große Fenster gaben den Blick auf einen schmucken Mauergarten und die Berge frei und ließen viel Licht hinein. Mehrere bequeme Sofas und Sessel deuteten darauf hin, dass dies wohl weniger ein Audienzsaal denn ein gemütlicher Privatraum des Abtes war.
"Hochwürden, ich präsentiere Euch Romina von Ehrenstein-Streitzig, Comtessa von Ragath, Caballera Fiona de las Dardas und ihre Tochter Elena de las Dardas y Sangrín. Seine Hochwürden Bonaventura, der 22. seines Namens, Gastgeber der Schönheit, Meister des Tanzes und der Tauben, unser geliebter Abt", verkündete Bruder Zafir in einem Anflug von praiotischer Förmlichkeit.
"Danke, mein Lieber", erklang die helle Stimme Bonaventuras. Der dazugehörige Mann schälte sich aus einem der Sessel. Er war klein, schlank und drahtig, und betrachtete die Neuankömmlinge durch Augen, die in sanfter Leidenschaft erglühten. Diese Augen lagen in einem von einem meisterlichen Steinmetz gemeißelten, etwas weltfernen Gesicht mit einem südländischen Einschlag. Sein fliehendes, weißgraues Haar verriet, dass er bereits die 50 oder gar 60 Götterläufe überschritten haben musste, doch die Bewegungen und vor allem das zahnweiße Lächeln waren die eines Mannes im besten Alter. Sich die ärmellose rote Tunika mit den aberhunderten weißen Lilien glatt streichend, kam er mit federnden Schritten auf die drei Frauen zu.
"Freude, o Freude!", küsste er jede von ihnen auf die Wangen. "Die Schöne Göttin segnet heute mein bescheidenes Heim, indem sie drei ihrer erlesensten Diplomatinnen zu mir sendet! Ich sollt' mich denn glücklich schätzen und Euch jeden Dienst erweisen, dessen Ihr bedürfen könntet." Indes Domna Romina ob dieser Rede erschrocken die Augen weitete, lachte er herzlich und sie bei den Händen nehmend, führte er sie zu einem der Sofas. "Sorgt Euch nicht, Comtessa, so sprechen wir Rahjanis nun einmal. Seid jedoch versichert, dass Euch in den Mauern unseres Klosters nichts geschehen wird, was gegen Euren Willen ist. Setzt Euch, setzt Euch, lasst Euch nieder, ihr drei Grazien! Zafir, mein Süßer, wärest Du so gut - der Wein..."
Autorin: ehrenstein
Romina setzte sich auf einen Diwan, dem Abt gegenüber. Sie lächelte vorsichtig, ihre Unsicherheit zu verbergen suchend. „Ich danke Euch für diesen wunderbaren Empfang, Hochwürden und fühle mich hoch geehrt, dass Ihr mir im Hause der schönen Göttin Obdach gewährt - ist es doch dem Zufall und der Schwester der jungen Elena zu verdanken, dass ich hier bin. Das Mädchen wird meine Knappin werden und natürlich begleite ich sie und ihre Familie anlässlich Elenas Freudentag.“ Sie lächelte warm zu dem jungen Mädchen, das ob dieser Aufmerksamkeit über das ganze Gesicht strahlte. „Beide Kinder werden ihren Eltern Ehre und Freunde bringen, im wahrsten Sinne des Wortes.“ Sie wandte sich wieder dem Abt zu, schluckte bei dem Blick in seine Augen, straffte sich und wandte sich Domna Fiona zu.
Währenddessen hatte Bruder Zafir für Kristallpokale voller Wein gesorgt und verteilte diese auf den kleinen Tischchen vor den Gästen. Kurz glitt Rominas Blick über den schönen Geweihten, dann über den Wein. Sie atmete durch und entspannte sich etwas.
Autor: vivar
„Elenas Freudentag? Aber nein, eine ganze Woche der Freude soll es werden! Der Göttin und Santa Catalina zur Ehr, Elena und uns allen zur Freude. Nun, wir alle hier hoffen, dass es dir bei uns gefallen wird, Elena“, blickte er mit warmen Worten das aufgeregte Kind an. „Du magst dich zu Beginn fremd fühlen, deine Familia und Las Dardas vermissen, aber ich versichere dir, dass unsere Gemeinschaft alles dafür tun wird, dir eine zweite Familia zu sein und dass du, so Rahja will, hier Freuden erfahren wirst, die dir die Welt jenseits dieser Mauern niemals bieten kann. Dass Ihr Eure andere Tochter die Laufbahn einer Caballera nach dem Maße von Rahjas stürmischer Schwester antreten lassen wollt, überrascht mich allerdings, Domna Fiona.“
Autorin: lasdardas
Unverhüllt glitt Domna Fionas bewundernder Blick über den hübschen Zafir. Dann beugte sie sich vor und nahm einen Weinkelch an sich. Sie reichte ihn an Elena weiter, der sie ein warmes Lächeln schenkte, ehe sie sich an Domna Romina wandte. „Ein Kind für Rahja, eines für Rondra, das erscheint mir nur gerecht“, zwinkerte sie der jüngeren Frau aufmunternd zu, hatte sie deren anfängliche Anspannung wohl gespürt.
„Mein kleiner Wildfang hat sich als nicht ganz ungeeignet für den Rondradienst erwiesen“, führte sie an den Abt gewandt weiter aus, „auch wenn sie es ansonsten doch gerne noch etwas mit dem himmlischen Fuchs hält. Aber ich hege größtes Vertrauen in die Comtessa und ihre Fähigkeiten als Mentorin, ihr notfalls die Flausen auszutreiben. Einem geachteten Vorbild mag so etwas leichter fallen, als der eigenen, doch zu bevormundenden Mutter.“ Kurz verzog sie in gespielter Enttäuschung die Lippen und Elena musste rasch die Hand an den Mund heben, um ein breites Schmunzeln zu verdecken.
„Aber sagt, Hochwürden Bonaventura, gibt es etwas, dass die Comtessa oder ich für Euch oder die schöne Göttin tun können?“
Autor: vivar
Der Abt wechselte einen schnellen Blick mit Bruder Zafir, der sich im Lotussitz auf dem Sofa neben der Comtessa niedergelassen hatte, als sei es das Bequemste auf der Welt, dann schaute er wieder die Caballera de las Dardas an. „Das gibt es allerdings, teure Fiona. Ich habe Euch auf diesen Weißwein“ – er hob sein Glas ins Licht und blickte einen Moment hinein, als ob darin das Regiebuch des Gesprächs zu lesen sei – „eingeladen, weil das Kloster, ja das gesamte Taubental Eurer Unterstützung bedarf. Dass Ihr, Comtessa Romina, die Caballera begleiten würdet, konnte ich nicht ahnen, aber auch Euer Rat wird uns teuer sein, denn selbst wenn Ihr nicht aus dem Tosch Mur stammt und die Gegebenheiten des Taubentals nicht kennt, so wisst Ihr ob Eurer Expertise im Ferkinakampf, von der wir im Yaquirblick lasen, und ob Eures Status als Tochter eines Grafen gewiss mehr von der Hohen und Niederen Politik, als jemand in diesem Kloster es je erlernen könnte. Worum geht es also?
Bruder Zafir erwartete gestern drei Wagenladungen tulamidischer Spezereien, die uns unser gemeinsamer Lehnsherr, der gute Baron León de Vivar – Rahja erhalte seine Schönheit – für das Hochfest der Santa Catalina versprochen hatte. Stattdessen brachte jedoch ein völlig aufgelöster Fuhrknecht mitten in der Nacht dies.“ Er griff nach einer kleinen Papierrolle, die auf einem Beistelltischchen gelegen hatte, und reichte sie Domna Fiona.
Diese strich das Papier glatt und las:
An seine Exzellenz
Abt Bonazemtruna XIIX.,
es ist mir eine Freude euch verkünden zu dürfen, dass sich das Edlengut Waldhaupt wieder in der Hand des von Baron Rezigus von Albingen eingesetzten Edlen befindet. Euch soll daraus kein Schaden entstehen und wir wollen Euch ein guter Nachbar sein.
Hochachtungsvoll
Halmdahl von Sindelsaum
-Der an den Fuhrknecht übergebene Brief
Dann gab sie das Brieflein an Domna Romina weiter.
Bonaventura XXV. fuhr fort: „Abgesehen davon, dass hier jemand ordentlich mit der rechten Schreibweise der Namen durcheinander geraten ist – das kann bei einem oder zwei Fläschchen Wein schon mal passieren, hihi – scheint es, als ob das Gut des Edlen Falk Fröhling, nur eine Wegstunde entfernt, gewaltsam besetzt wurde. Zumindest berichtete mir der Fuhrknecht, den man zu Fuß hierher geschickt habe, dass mitten in der Nacht Fremde das Gut überfallen, die friedlich zechenden Bewohner und ihre Gäste, unter denen sich auch die Fahrer unserer drei Wägen befanden, mit gezogenen Klingen bedrohten und wohl auch den ein oder anderen darüber springen ließen. Falk Fröhling ist wohl nicht mehr am Leben – beklagenswert, denn dieser Spielmann tat seinem Namen alle Ehre!
Nun wisst Ihr ja, Domna Fiona, dass unser Orden sich selten in weltliche Angelegenheiten einzumischen pflegt. Im vergangenen Jahr jedoch waren die Zeichen der Göttin klar: León de Vivar, dieser schöne Jünger unserer Göttin, war es, der künftig für das Wohl der Baronie Taubental sorgen sollte. Dass dieser Halmdahl – angenommen, er kann zumindest seinen eigenen Namen richtig schreiben – nun im Namen eines Rezigus von Albingen Tod und Verderben in das erst vor Kurzem befriedete Taubental bringt, beunruhigt mich zutiefst, denn ich fürchte, dass wir wieder kurz vor dem Blutvergießen stehen, welches wir im vergangenen Tsamond mit dem Beistand der Schönen Göttin auf den Hügeln von Aralar verhindern konnten.
Wie Ihr sicher wisst, ist unser Lehnsherr noch nicht zu Santa Catalina eingetroffen. Da wir Catalinenser aber von der Politik weder viel noch wenig verstehen und nicht wissen, wie in dieser Situation zu handeln ist, bitte ich Euch, die Ihr in diesen Dingen mehr Erfahrung habt, um Euren ehrlichen Rat.“ Der ältere Mann blickte die beiden Frauen fast flehentlich an.
Autorin: lasdardas
Domna Fiona hatte die schöne Stirn düster in Falten gelegt, kaum da sie den Brief gelesen und Hochwürden Bonaventuras Bericht gelauscht hatte. „Ich wusste, wir hätten gleich und endgültig mit diesem neuhal'schen Geschmeiß aufräumen sollen! Möge mir die holde Göttin solch derbe Wortwahl verzeihen“, fügte sie aber sogleich an, eingedenk von Ort und Ohren, die ihre Worte vernahmen. Das edel gewandete Töchterlein riss auch schon überrascht die hübschen Augen weit auf.
„Wenn ich davon ausgehe, dass dieser Schmierfink zumindest halbwegs die Namen richtig hat, dann wird mit Rezigus von Albingen wohl der feiste Remigius von Alstingen gemeint sein, der verstorbenen Baronin gefräßiger Bruder. Das würde gerade noch fehlen, dass erst sie uns die Baronie kahlfrisst und die Leibeigenen unter ihrer Knute darben müssen und jetzt ihr Bruder hier Kors Spieß in unser schönes Taubental trägt!“
Bei soviel Ärger glühten Domna Fionas Wangen in rechtschaffenem Zorn. „Dem soll doch der Blitz ins Kreuz fahren, das täte ihm gerade recht geschehen!“ Kurz stutzte sie, als müsse sie die Worte genauer überdenken, ehe sie mit einem Schnaufen fortfuhr. „Erneut muss ich Euch ob der harschen Worte um Verzeihung bitten, doch die Machenschaften dieser Rescendientes, die sich wie die Maden im Speck durch die Vorratskammern des Taubentals gef…uttert haben -“ Sie hob nach Worten suchend die Hände und atmete tief durch, um sich zu beruhigen. Elena beugte sich vor, ihrer Mutter den Weinkelch zu reichen, die erst einmal einen beruhigenden Schluck daraus trank.
Schon wieder etwas bedachter wandte sie sich mit entschuldigendem Blick an Domna Romina. „Doch ich sollte Euch wohl zuerst einmal die genaue Sachlage schildern: Vor knapp einem Jahr verstarb überraschend die Baronin Buriana – wohl an einem Bissen, der ihr im Halse stecken blieb - da sag noch einer, die Zwölfe seien nicht gerecht! Natürlich versuchte ihr feister Bruder sofort die ihm angeblich zustehende Herrschaft über unser schönes Taubental an sich zu reißen und es kam auf den Hügeln von Aralar zum entscheidenden Kampfe. Ich gestehe, dass ich kurzfristig selbst der Hoffnung erlegen war, eine gerechte Herrin über das Taubental werden zu können. Doch Dom León hat zu Recht bewiesen, dass Rahjas Gunst und der Anspruch auf die Herrschaft im Taubental auf seiner Seite stehen. Und eben darin wurde er auch von unserer Gräfin Groschka von Waldwacht bestätigt.“
Ihre Hände vollführten eine vielsagende Geste. „Und jetzt kommt dieser halbkoschere Vielfraß schon wieder und das noch an einem heiligen Feste einer der Zwölfe, der lieblichen Rahja, das er zu stören wagt! Man könnte meinen, er habe weder Ehre noch Rechtgefühl im fülligen Leibe, den er sich hier auf Kosten der Leibeigenen angef…uttert hat!“
Sie seufzte leise. „Wenn ich das richtig sehe, dann sollten wir erst einmal versuchen, Dom León von der unliebsamen Tatsache in Kenntnis zu setzen. Ihr habt doch die schönsten und wendigsten Tauben im ganzen Taubentale hier auf Santa Catalina? Aber verzeiht, ich lasse Euch ja gar nicht richtig zu Worten kommen, Domna Romina, mich zürnt nur so…“
Beruhigend tätschelte Elena den Arm ihrer Mutter, welche die Tochter jetzt näher zu sich zog und besagten Arm sanft um sie legte, ihr die Stirn küsste. Leise dann: „Wir werden dafür sorgen, dass er nicht deine Freudentage mit Blut überzieht.“
Autorin: ehrenstein
Domna Romina hatte recht ruhig zugehört und nur ab und an die Stirn in Falten gelegt. Jetzt sah so nochmal auf diesen Brief in ihrer Hand und schnaufte unwillig: „Ich weiß nur wenig über die Vorgänge hier im Taubental, doch mir ist bekannt, dass die Gräfin der Waldwacht León de Vivar in der Baronswürde bestätigt hat.“ Sie schaute auf, ihr Blick war jetzt fest und kühl, sie strahlte Selbstsicherheit aus, das waren Themen, mit denen sie sich auskannte.
„Dieser Bruder der ehemaligen Baronin versucht scheinbar, hier mit Gewalt seine eigenen Vasallen einzuführen. Nun, vielleicht ist es Zufall, aber er hat sich eine denkbar günstige Zeit ausgesucht. Der Kaiser und fast alle wichtigen Würdenträger sind weit im Osten beschäftigt. Erstmal wird die Eindringlinge also niemand von Rang zur Rechenschaft ziehen können. Dazu kommt, dass es viele gibt, die dem jungen Vivar Ärger gönnen würden. Kam er doch bisher bei all seinen Eskapaden“ - sie schaute zum Abt und musste wieder Willen lächeln - „die zwar rahjagefällig, aber nicht einmal in Almada in dieser Intensität üblich waren, immer mit einem blauen Auge davon.“
Sie nickte Domna Fiona zu: „Natürlich sollte erst der Baron benachrichtigt werden, so er es nicht schon weiß“ - ihr Blick wanderte zurück zum Abt - “Ich würde auch Nachricht zur Gräfin schicken, wer weiß, was das Ganze für Ausmaße annimmt. Sie muss ohnehin davon in Kenntniss gesetzt werden, warum also nicht gleich? Alles andere ist schwierig einzuschätzen, ich kenne das Land zu wenig. Wie weit ist es nach diesem Waldhaupt und was hat es mit den Wagenladungen auf sich?“
Domna Romina kam plötzlich ein Gedanke. „Wenn Ihr wollt, kann ich gerne nach den Waren für das Rahjafest schauen, ich verfüge über den nötigen Nachdruck und habe ein paar erfahrene Männer dabei. Es kann nicht angehen, dass mitten in Almada ein Rahjakloster bestohlen wird!“ Dieses vermaledeite Fest würde eine Woche dauern. Wenn sie die Exkursion etwas herauszog, würde sie nicht ganze sieben Tage in den Fängen Rahjas verbringen. Es war zwar möglich, dass sie dem Vivar begegnete, doch außerhalb dieser Mauern war das nur halb so schlimm. Unabwendbar war es sowieso und wenn er ein wenig in ihrer Schuld stünde, konnte es bestimmt nicht schaden.
Autor: vivar
"Das könntet Ihr - das würdet Ihr tun, Comtessa?", sprach da der Abt und ergriff dankbar ihre Hand. "Wir wären Euch zu tiefstem Dank verpflichtet, wenn Ihr nach dem Verbleib der Wägen forschen könntet. Um unseren Gästen das Fest zu versüßen, hat Bruder Zafir um einige tulamidische Zuckerfrüchte, Gewürze, Glaswaren und dergleichen - ich habe mich nicht um die Details gekümmert - beim Handelshaus Dhachmani bestellt. Die Handelsherrin Yashima saba Dhachmani, die Tante des Barons, wollte zunächst diesen in Kellfall aufsuchen, hatte uns aber versprochen, noch vor Beginn der Feierlichkeiten bei uns einzutreffen. Es wäre ein Jammer, wenn die eingelegten Datteln jetzt in den Hälsen dieser Barbaren verschwänden.
Waldhaus liegt nur eine Wegstunde efferdwärts von hier, mitten im Wald. Wenn Ihr dem Weg gen Kellfall folgt, könnt Ihr es nicht verfehlen. Ich würde derweil an Dom León schreiben - der Zwergengräfin zu schreiben, wäre sinnlos, denn bis die sich entscheidet zu reagieren, ist Frühling. Doch seid Ihr Euch sicher, dass Ihr das wirklich wagen wollt, Domna Romina? Schließlich wissen wir nicht, wie viele Schurken dieser Strolch Halmdahl um sich geschart hat, und wenn tatsächlich der Alstinger hinter all dem stecken sollte, wie die liebe Fiona befürchtet, so könnte es durchaus gefährlich werden, denn der ist beileibe kein Waisenknabe. Ich könnte nicht verantworten, dass Euch etwas zustieße!"
Sorge hatte sich in seine Stimme gemischt und die bis eben noch so fröhlichen Augen blickten die Comtessa ernst an.
Autorin: Romina Alba
Romina zog die Hand nicht zurück, obwohl ihr heiß wurde. Die Art, wie der Geweihte sprach, wie er sie ansah, ja, wie er duftete, war überwältigend. Sie wollte sich an ihn schmiegen und ihm ihre geheimsten Wünsche und Begierden verraten. Sie schluckte kurz trocken. Was bei Rondra war los mit ihr? Sie war Caballera und hier war eine Kirche bestohlen worden. Und sie dachte an schwarze Augen und schmale Hüften... gewaltsam schob sie ihre Gedanken und Gefühle beiseite und entzog dem Abt sanft aber bestimmt ihre Hand. Ein kurzer Biss innen auf die Wange und sie konnte wieder einigermaßen klar denken. Es half doch immer wieder.
„Ich kann und ich werde es gerne für Euch tun, Euer Hochwürden. Und macht Euch keine Gedanken; ich bin vorsichtig. Immerhin gehöre ich einer Familia an, die sich nach beiden Richtungen verzweigt, dieser Halmdahl wird es sich kaum mit der Herrin Rahja und den Familias von Streitzig und Ehrenstein verscherzen wollen.“
Sie strich sich mit der Linken eine vorwitzige blonde Strähne aus der hohen Stirn. Ihre kühlen blauen Augen wichen dem besorgten Blick aus und wandten sich Fiona zu.
„Vielleicht hat Domna Fiona noch jemand, den sie entbehren kann und der als Führer dient?“, schickte sie sich an aufzustehen. „Wir sollten keine Zeit verlieren, morgen soll das Fest doch beginnen und ohne eingelegte Datteln stelle ich es mir traurig vor.“
Autorin: lasdardas
Die vorausschauende Fiona warf der jungen Ragather Comtessa bei deren Ausführungen einen eigenartigen Seitenblick zu. Der rahjatreue Bonaventura schien einmal mehr seine Wirkung auf die liebliche Damenwelt nicht zu verfehlen. So räusperte sie sich, ehe sie zu einer Antwort anhob: „Wir wollen diesem Halmdahl das Süße notfalls mit Saurem entreißen, wenn der Lump sich nicht bemüßigt sieht der Lieblichen zu Ehren rasch einzulenken.“
Energisch schob sie das Kinn vor, dabei sich ob dieser rahjalästerlichen Vorkommen wieder in Rage zu reden. „Mein Ludovigo soll hier bleiben bei den Puniner Domnas und dem kleinen Corveño. Bei so etwas liegt Schutz ihm mehr, als ein Angriff nach vorne. Ich werde Euch höchstselbst begleiten und mir anschauen, ob dieses Unkraut wirklich auf des Alstingers Mist gewachsen ist.“
Unternehmungslustig erhob sie sich und wandte sich an den Abt, ihm ein schlaues Lächeln schenken. „Seid unbesorgt, ich werde der Comtessa und ihrem wohl… informierten Leutnant von Kündoch schon den richtigen Weg weisen und gemeinsam werden wir die Spezereien für die Feierlichkeit schon herbeischaffen.“
Autor: vivar
„Rahja sei gepriesen!“, lächelte Bonaventura milde. „Offensichtlich hat sie ihrer göttlichen Schwester Rondra heute Morgen ins Ohr geflüstert, dass sie ihrer Unterstützung bedürfe. Ich danke Euch, Freundin Fiona, dass Ihr es auf Euch nehmen wollt, uns von dieser Sorgnis zu befreien, gegen die wir Catalinenser wenig mehr ausrichten könnten, als sie im Vertrauen auf die Aller Rosen schönste Rose stillschweigend zu erdulden. Besonders aber möchte ich Euch danken, Comtessa, dass ihr, von weit hergereist und zu nichts verpflichtet, Euch aus reiner Warmherzigkeit unser annehmt.“
Er griff wieder nach Domna Rominas Hand und setzte einen sanften Kuss darauf, mit den Lippen die Haut kaum berührend. „Die Entschlossenheit, die in Euren Worten schwingt und die Zielstrebigkeit, die aus Euren eisblauen Augen strahlt, weiß ich sehr zu schätzen. Erlaubt mir aber, dass ich Euch nötige uns noch ein Weilchen mit Eurer Gegenwart zu beglücken. Zwar liegt Waldhaus gleich hier um die Ecke, wie ich soeben sagte, doch Ihr solltet dennoch vorher eine Kleinigkeit zu Euch nehmen – es ist Mittagszeit, Ihr habt bereits einen Ritt hinter Euch, und wir können nicht damit rechnen, dass dieser Halmdahl Euch mit offenen Armen bei sich aufnimmt, nachdem er so niederträchtig mit dem guten Falk Fröhling und seiner Familia umgesprungen ist. Zudem sind Eure tapferen Männer gerade beim Tafeln, und es wäre unhöflich von uns, sie bei ihrem sauer verdienten Mahl zu unterbrechen. Derweil können wir vielleicht über angenehmere Dinge plaudern, so zum Beispiel über die Aufnahme Elenas in unserem Orden.
Zafir, mein Lieb, sei doch so gut und bitte Ildefonsa, sie möge uns das Essen auftragen!“
Der Hospitiar wuchs elegant ohne die Hände zu benutzen aus seinem Lotussitz empor und verneigte sich. „Das werde ich gerne tun. Anschließend will ich zu meinen Aufgaben im Dorf zurückkehren, wenn es genehm ist, so dass ich den Augenblick nutze, um mich zu entschuldigen und zu verabschieden – bis auf weiteres.“ Er zwinkerte den drei Frauen zu, machte eine halbe Drehung um die eigene Achse und verließ mit federnden Schritten das Kabinett.
Kurz darauf schwebten zwei dienstbare Geister herein und brachten silberne Tabletts mit kleinen Schüsseln voll Sona, Tellerchen mit Salinaris und gestopften Kroketten auf Salat, hauchfein geschnittenem Torreloedo-Schinken und Waldwachter Rohmilchkäse zwischen Weintrauben und schwarzen Oliven, gebratenes Schweinefilet an Salbeiblättern, allerlei Saucen verschiedener Farbe und Schärfe sowie duftende Scheiben Waldwachter Holzofenbrots, bekannt für seine knusprige Kruste und sein weiches, mit Onjegano durchsetztes Inneres.
„Greift zu, meine Damen und kostet von allem!“, sprach der Abt, während er eigenhändig aus der eisgekühlten Karaffe den Weißwein nachschenkte.
Autorin: lasdardas
Ein wohliges Seufzen unterdrückend ließ sich Domna Fiona wieder zurück in die Polsterung sinken, kaum da Bruder Zafir den Raum verlassen hatte. Der Rahjageweihte bot aber auch eine Augenweide, besonders die wohlgeformte Kehrseite… Kurz hatte der Anblick sie sogar von den Problemen ablenken können, die vor ihnen lagen. Und es war mehr ihrer jahrelangen Bekanntschaft mit Seiner Hochwürden Bonaventura geschuldet und der Ahnung, dass Eile nicht immer dienlich war, weswegen sie jetzt naschig nach den Leckereien griff, die ihnen angeboten wurden.
„Nur Geduld, Domna Romina, wir werden Waldhaus bald genug erreichen, um dort nach dem Rechten zu sehen“, murmelte sie der jungen Caballera in einem unbeobachteten Moment zu. „Hier im Rahjakloster verharrt selbst Satinav gerne in bewundernder Andacht ob der liebreizenden Sehenswürdigkeiten.“ Bei diesen Worten legte sich ein feines Lächeln auf ihre Lippen, als sie zur Comtessa sah.
Sie nickte Elena aufmunternd zu, die aufgeregt eher wie ein Puniner Spatz an den Delikatessen herumpickte. Die Beine im Lotussitz untergeschlagen – dessen korrekte Haltung sie wohl gerade bei Bruder Zafir abgeschaut hatte – bot sie in ihrer Festtagskleidung wahrlich einen bezaubernden Anblick. Ganz im Gegensatz zur wilden Zaida.
Nein, sie dachte besser nicht daran, was der unternehmungslustige Teil des Zwillingspaares derweil in der Ortschaft für Unfug anstellen mochte, auch wenn sich langsam eine dunkle Stimmung über sie legen wollte. Bei Phex, Ludovigo würde hoffentlich einen Blick auf das Mädchen halten und sich mit seiner Aufmerksamkeit nicht ganz der schönen Melisandra zuwenden – bei Rahja, auch wenn sie dafür Verständnis hatte.
Autorin: ehrenstein
Domna Romina hatte sich sichtlich ausgebremst, aber auch zu gut erzogen wieder gesetzt. Ihr war heiß, sie trug keine Stiefel und hatte auch keinen Hunger. Sie kam sich angesichts der subtilen Art der Rahjanis hier – und sie zählte jetzt auch Domna Fiona zu diesen – grob und holprig vor. So begnügte sie sich mit einem dankbaren Nicken zu Abt Bonaventura und hielt sich aufmerksam zuhörend an ihrem Weinpokal fest.
Rahja mochte eine der Zwölfe sein, doch hatte man in ihrer Jugend eher wert auf praiotische und später rondranische Tugenden gelegt. Allein ihr Onkel Gendahar hatte ihr Rahja bezüglich alle Fragen beantwortet und eingedenk seiner Ratschläge wehrte sie sich nicht. Aber sie fühlte sich seltsam. Sie hatte sich immer wieder vorgenommen, einen Ausflug in einen Rahjatempel zu unternehmen, aber irgendwie war es nie dazu gekommen und jetzt fühlte sie sich so unerfahren.
Nur nichts anmerken lassen. Sie probierte jede der Speisen und versuchte nicht zu viel Wein zu trinken, obwohl dieser vorzüglich schmeckte. Sie musste ihre Sinne beisammen haben, wenn es nach Waldhaus ging und Wein machte einen nur verwegen und dumm. Was hatte Gendahar vom Wein gesagt? Er mache Frauen schön und Männer stark. Sie musste lachen, Rahja hatte schon ihre Möglichkeiten. Sie erstickte das Lachen in einem Schluck Wein und stellte den Pokal dann entschlossen weg.
„Der Wein, den Ihr kredenzt, ist vorzüglich, Hochwürden, doch ich muss mich mäßigen, bis Ihr Eure vivarschen Datteln zurück habt.“ Wieder kroch ein Lachen ihre Kehle hoch, sie schluckte es energisch hinunter. „Wenn ich zuviel trinke, kommt mein streitzigsches Erbe hervor und ich weiß nicht, ob dieser Halmdahl das verträgt.“
Sie zog ein Bein unter den Körper und nahm sich noch einige Weintrauben. „Vielleicht wäre es besser, wenn wir bald aufbrechen oder zumindest von Kündoch Bescheid geben, damit er meine Leute nüchtern hält.“ Sie steckte eine Traube in ihren schönen Mund und saugte sie aus, bevor sie den Rest kaute und schluckte.
Autor: vivar
Der Abt schmunzelte. „Ihr braucht nicht nervös zu werden, Comtessa. ‚Wer langsamer trinkt, trinkt genussvoller’, hat eine meiner Amtsvorgängerinnen einmal gesagt. Denn wenn wir nach Freude streben, so müssen wir gleichzeitig Leid vermeiden – wie etwa einen Wolf am nächsten Morgen. Ein bisschen Wein hat aber noch niemandem geschadet. Niemand möchte Euch verpflichten oder drängen zu bleiben. Wenn Ihr uns also lieber sofort als später verlassen mögt, so werden wir – und die Köche ganz besonders – das freilich sehr bedauern, uns aber Eurem rondrianischen Pflichteifer natürlich nicht entgegenstellen.“
Autorin: ehrenstein
Romina hatte das Gefühl zu erröten, es schien nicht nur so: Sie war grob und ungehobelt. „Ich bitte um Verzeihung, Hochwürden, ich wollte keinesfalls den Eindruck erwecken, Eurer Gastfreundschaft entfliehen zu wollen.“ Sie schaute wieder hoch, direkt in seine Augen. In so einen Fall half nur Praios’ Ehrlichkeit. Doch sie war mit dem Geweihten nicht alleine. Ihr Blick glitt zu Fiona. Die Caballera war sehr freundlich und schien wohlwollend, doch sie kannte sie kaum. Und da war noch Elena. Vor dem Mädchen konnte sie keinesfalls offen reden.
„Darf ich um eine kurze Unterredung unter vier Augen mit dem Abt bitten, Domna Fiona?“, schluckte sie trocken, „nur ein paar Augenblicke.“
Autorin: lasdardas
Neugierig neigte Fiona den Kopf etwas zur Seite. Die von Zaida so streitbar beschriebene Comtessa benahm sich hier im Kloster eher wie ein scheues Reh. Das ließ Raum für Spekulationen und sie unterdrückte ein Schmunzeln, als sie Elena mit einer sanften Geste zum Aufstehen bewegte. „Seid unbesorgt, ich werde die Gelegenheit nutzen, Euren hü…Hauptmann über die Pläne zu informieren. Und vielleicht kann Elena sich beim Auftragen der Desserts nützlich machen?“ Sie schenkte der jungen Ragatierin ein ermutigendes Lächeln und nickte Bonaventura zu. „Wir sind gleich zurück, Euer Hochwürden… Domna Romina.“
Elena vor sich her bugsierend, verließ sie den Raum und zwinkerte dem Abt dabei verschwörerisch zu.
Autorin: ehrenstein
„Verzeiht, wenn ich mich so ungelenk benehme, aber...“ Romina stockte kurz, sah dann entschlossen auf. Man sollte Geweihten gegenüber immer ehrlich sein.
„Um bei der Wahrheit zu bleiben: Dies hier ist mein erster Besuch in einem Tempel der schönen Göttin. Natürlich hat man mir die Gepflogenheiten Rahjas beigebracht,“ bemühte sie sich schnell zu betonen,“ aber ich bin nur mit der Theorie vertraut.“ Ihre Stimme wurde leise, jetzt errötete sie wirklich. Wieder senkte sie die langen Wimpern über die schönen blauen Augen. „Bei den Ferkinas...“ – sie schaute wieder auf, eine Träne im Augenwinkel – „...hat Rahja mich beschützt. Das Tier, das mich gegen meinen Willen nehmen wollte, vermochte es nicht zu tun, seine Manneskraft versagte unzählige Male.“ Sie schluckte trocken, damals hatte sie sterben wollen vor Scham, auch jetzt davon zu reden war unsäglich schwer, sogar vor einem Geweihten. Ihr Blick schweifte in die Ferne.
„Es war unerträglich, denn es schien kein Ende zu nehmen. Irgendwann verlor ich das Zeitgefühl und hielt mich nur noch an Gebeten fest.“ Sie räusperte sich und riss sich zusammen. „Doch dann gelang uns überraschend die Flucht!“ Sie lächelte wehmütig. „Ich habe damals im Raschtulswall beschlossen, Rahja etwas zu schenken und deswegen bin ich hier. Ich weiß noch nicht genau, was es sein wird, doch wie es scheint, wird mir der Weg gewiesen. Ich werde tun, was ich kann, um Euch und dem Kloster zu helfen. “ Bei den Worten wurde sie wieder mehr zu der selbstsicheren Comtessa, die sie normalerweise war.
Autor: vivar
„Comtessa, Ihr seid wie alt? Einundzwanzig, zweiundzwanzig Götterläufe?“
Domna Romina flatterte kurz irritiert mit den Lidern. „Ich bin im Firun geboren, noch bin ich einundzwanzig,“ gab sie verlegen zu. „Ich weiß, ich bin spät dran, Hochwürden...“ Sie seufzte leise und strich sich ein nicht vorhandenes Stäubchen vom Knie.
„Im Gegenteil. Einundzwanzig ist ein gutes Alter“, lächelte der Abt milde, „um sich Unserer Lieben Frau zu öffnen. Wobei es selbstverständlich auch nie zu spät ist die Schöne Kunst der Liebe zu erlernen, hihi! Verzeiht, Ihr spracht von ernsten Angelegenheiten, und ich scherze. Nach Eurer Schilderung glaube auch ich, dass Rahja Euch behütet hat, denn alle Wesen, ob Mensch oder Barbar, streben nach Schönem – und Ihr dürft Euch wahrlich zu den Erstrebenswerten zählen. Wer allerdings wie die Ferkinaten dieses Streben nicht zu kultivieren gelernt hat, wird mit seiner ungeschlachten Begierde großes Leid über andere bringen – und sich, nebenbei gesagt, auch nur minderen Genuss verschaffen. Daher war es ganz gewiss das Wirken der Schönen Göttin, das es diesem Barbaren verwehrt hat, sich mit Euch zu vereinen.
Doch ich sage Euch: Auch wer dieses Streben nach Schönheit, das Rahja in allen Wesen erweckt, verleugnet, der wird mit seiner verkrampften Steifheit großes Leid über sich selbst bringen – und natürlich auf die köstlichsten aller Genüsse verzichten. Das Leben aber ist ein ewiger Kreislauf der Hingabe an das Schöne, und nur wer sich dem Schönen schenkt, der wird auch Freude zurückerhalten.
So ist Euer Wunsch Rahja etwas zu schenken umso wundervoller, da er aus einem reinen Herzen erwachsen ist, und auch wenn unser Orden sich, wie ich sagte, nur wenig um derische Angelegenheiten schert und sich vielmehr den alveranischen Dingen verschrieben hat, so nehmen wir freilich dankbar jede Gabe an, die Ihr uns darbringen wollt. Für's Erste wäre uns allerdings schon geholfen, wenn Ihr in Erfahrung brächtet, was mit unserem lieben Nachbarn Falk Fröhling und mit unseren Spezereien geschehen ist, hihi.“
Bonaventura XXV. lachte glucksend, als fände er eine innere Freude an dem Gedanken, dann wurde er wieder ernst. Er ergriff zum wiederholten Male die Hand der Comtessa und blickte ihr tief in die Augen. „Was Eure Sehnsucht nach Praxis in den rahjanischen Dingen angeht, so gebe Euch einen Rat: Das erste Rahjasopfer im Leben eines Menschen ist ein heiliger Moment. Deshalb solltet Ihr in Eurem Herzen ergründen, mit wem Ihr gemeinsam dieses Opfer darbringen wollt. Überstürzt nichts. Seid wählerisch. Ihr habt einundzwanzig Götterläufe gewartet, da kommt es auf ein paar Tage nicht an. Hier im Taubental, wo sich Rahja in der heiligen Catalina den Menschen offenbart hat, werdet Ihr gewiss jemanden finden, der Euer Herz zum Schwingen bringt. Öffnet nur Eure schönen blauen Augen weit, so werdet Ihr die Frau oder den Mann erblicken, mit der oder dem Ihr Euch gemeinsam der Königin der Liebenden hingeben wollt. Dann öffnet Eure kirschfarbenen Lippen und sprecht: ‚Ich habe dich erwählt für das Rahjasopfer. Willst du mich erwählen?’, denn jeder Mensch ist frei zu wählen. Wenn die Rosenherrin Euch bisher behütet hat, so wird sie Euch auch nun die rechte Zeit weisen.“
Autorin: ehrenstein
Domna Romina sah in diese warmen Augen und nickte nachdenklich. Sie spürte, wie die Worte in ihr nachklangen. Bisher hatte sie Schönheit zwar bemerkt, ihr aber nur eine schmückende Nebenrolle zugestanden. „Ich bin glücklich, hierher gefunden zu haben, Hochwürden.“ Sie lächelte und ihre Augen begannen zu strahlen. „Mein Herz zum Schwingen bringen...“, Jetzt lachte sie und drückte leicht die Hand des Abtes. „Ich weiß nicht, ob ich mit schwingendem Herzen solche Worte sprechen kann.“ Sie gluckste leise. „Doch es wird Zeit, nach den derischen Dingen zu sehen.“
Die junge Frau erhob sich fließend und zog die Hand des Abtes an ihre Lippen, hauchte einen Kuss darauf. „Habt Dank, Hochwürden, für Speis, Trank und Herzensrat, ich werde wiederkommen, mit oder ohne Datteln.“ Sie lachte offen, ließ seine Hand los und wandte sich zum Gehen.
Der Abt lachte mit ihr, hob segnend die von ihren Lippen berührte Hand und sah der jungen Frau amüsiert nach.
Romina verließ den Salon und ging ihre Stiefel suchen. Diese standen frisch poliert neben dem Eingangsportal des Abthauses, durch das gerade Domn Fiona trat, Romina bemerkte und auf sie zuhielt.
„Domna Fiona, einen Moment, ich schlüpfe nur in meine Stiefel, dann können wir aufbrechen. Habt Ihr meinen Leutnant einigermaßen nüchtern angetroffen oder müssen wir alleine los?!“ Sie sprühte nur so vor Tatendrang.
Autorin: lasdardas
‚Bonaventuras Ausstrahlung und Wirkung auf die Besucher des Klosters ist immer wieder erstaunlich. Sogar die eigentlich eher etwas steife Ragather Comtessa wirkt mit einem Mal beschwingt und offenherzig’, dachte Domna Fiona und schmunzelte sie zufrieden an. „Der Herr von Kündoch ist nüchtern vom zweiten Vornamen her. Auch wenn's ihm nicht ganz leicht gefallen sein muss, auch seine Mannen in eben diesem Zustand zu halten. Zumindest der ein oder andere findet sich langsam auch in Feierlaune ein. Aber noch bestand der Trunk mehr aus klarem Wasser und Traubensaft.“
Derweil wirkte eher die Comtessa, als sei sie nicht nur wegen der Worte des Abtes so belebt. Nun, zumindest konnte man beides – Wirken des Abtes und des Weines – auf die Liebliche zurückführen. „Aber mir scheint, als hätten wir hier für den Nachmittag alles erledigt und könnten uns flugs auf den Weg gen Waldhaus machen - sobald der werte von Kündoch seine Mannen bei Fuß hat.“
Bei diesen Worten war sie neben die Comtessa getreten und hatte sie sanft mit der Hand am Arm berührt. „Wohl an, unter dem Segen der liebreizenden Rahja werden wir aufklären, was dort vorgefallen ist – und Hochwürden Bonaventura die heißbegehrten Datteln bringen.“
Autorin: ehrenstein
Romina lachte herzlich. „Ich hoffe sehr, dass der Koscher Datteln übrig gelassen hat, bei all dem Reden darüber bekommt man richtig Hunger darauf.“ Sie verhielt kurz und dachte darüber nach, dass das auch für anderen Dinge galt. Was für verrückte Gedanken. Sie schüttelte den Kopf. „Nun denn, satteln wir die Pferde und besuchen den Koscher in Waldhaus.“ Plötzlich kam ihr wieder der Name Falk Fröhling in den Kopf. Der tote Edelmann! Sie wurde ernst. Ein Adeliger war tot; es roch nach Ärger für den Vivar. Vielleicht war Schönheit doch nur schmückend' Beiwerk. Sie seufzte, die Unbeschwertheit war dahin. Entschlossen trat sie auf den Hof.
Autorin: lasdardas
Verwundert über den plötzlichen Stimmungswechsel hätten beinahe Domna Fionas Mutterinstinkte über die Höflichkeit gesiegt: Sie sah sich kurz davor, die Comtessa einen Moment in die Arme zu schließen, was sie sich gerade noch einmal verkneifen konnte. Andererseits würde das der jungen Ragatherin vielleicht gerade erst gut tun. Aber nein, zum Ende dieses Tages, wenn sie wussten, wie es in Waldhaus stand, mochte sie diesem Impuls nachgeben. So drückte sie nur ein weiteres Mal und dieses Mal beruhigend den Arm der Comtessa.
„Wenn Ihr Euch um von Kündoch und die Mannen kümmern wollt? Es sollte nicht lange brauchen, sie zum Abmarsch zu veranlassen, habe ich sie doch gerade schon über die Bitte des Abtes in Kenntnis gesetzt. Dann würde ich die Zeit dafür nutzen, mich derweil noch rasch von Elena zu verabschieden. Und vielleicht sollten wir einen Boten hinab ins Dorf schicken, der meinen Ehemann über unsere Pläne in Kenntnis setzt?“
Sie hoffte, der Bote war schlau genug, sich nicht auch Zaida gegenüber zu äußern, sonst gäbe es wohl wenig, das Zaida davon abhalten konnte, sich Mutter und verehrter Caballera anzuschließen.
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