Chronik.Ereignis1033 Feldzug Raschtulswall 18: Unterschied zwischen den Versionen

Aus Almada Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Zeile 749: Zeile 749:
Er richtete sich auf und sah Romina vor der Abendsonne auf einen Felsen sitzen. Er spürte den Drang, sie zu beschützen, alles Übel Deres von ihr abzuwenden. Sie war doch vor kurzem noch eine junge Knappin gewesen! Er schüttelte den Gedanken sofort wieder ab und schalt sich einen Narren. Sie war nun eine Ritterin. Er selbst war schon gegen die Orken geritten, als er noch jünger gewesen war als sie ... Wurde er alt und sentimental? Sie war die einzige seiner Nichten, für die er eine väterliche Zuneigung verspürte; bei ihren Schwestern war er selbst noch zu jung dafür gewesen - oder hatte sich für zu jung gehalten.  
Er richtete sich auf und sah Romina vor der Abendsonne auf einen Felsen sitzen. Er spürte den Drang, sie zu beschützen, alles Übel Deres von ihr abzuwenden. Sie war doch vor kurzem noch eine junge Knappin gewesen! Er schüttelte den Gedanken sofort wieder ab und schalt sich einen Narren. Sie war nun eine Ritterin. Er selbst war schon gegen die Orken geritten, als er noch jünger gewesen war als sie ... Wurde er alt und sentimental? Sie war die einzige seiner Nichten, für die er eine väterliche Zuneigung verspürte; bei ihren Schwestern war er selbst noch zu jung dafür gewesen - oder hatte sich für zu jung gehalten.  


Langsamen Schrittes begab er sich in ihre Richtung. Ruhe legte sich über das Lager; selbst die Amazonen suchten sich eine Ruhestatt. Richeza kam noch einmal kurz aus der Höhle, wohl um noch mehr Zweige zu sammeln und sprach kurz mit Moritatio und den beiden Kriegerinnen aus den Bergen. Er sah, wie sie Proviant aus den Händen der älteren Amazone erhielt und sich nach einigen weiteren Worten wieder zur Höhle begab, zu Praiodor und Krähenfreund. Gendahar spürte mit einem Mal, wie hungrig er selbst war. Er erklomm Rominas Felsen und sah, dass sich ihre Lippen im Gebet bewegten.
Langsamen Schrittes begab er sich in ihre Richtung. Ruhe legte sich über das Lager; selbst die Amazonen suchten sich eine Ruhestatt. Richeza kam noch einmal kurz aus der Höhle, wohl um noch mehr Zweige zu sammeln und sprach kurz mit Moritatio und den beiden Kriegerinnen aus den Bergen. Er sah, wie sie Proviant aus den Händen der älteren Amazone erhielt und noch einige Worte mit der jüngeren wechselte. Gendahar spürte mit einem Mal, wie hungrig er selbst war. Er erklomm Rominas Felsen und sah, dass sich ihre Lippen im Gebet bewegten.


In diesem Moment kam Zaida aus dem Gebüsch und zeigte stolz, dass Firun ihr hold gewesen war. Auch Golshan war hier oben.  
In diesem Moment kam Zaida aus dem Gebüsch und zeigte stolz, dass Firun ihr hold gewesen war. Auch Golshan war hier oben.  

Version vom 29. Januar 2012, 11:52 Uhr

Im Raschtulswall, 29. und 30. Praios 1033 BF

Nahe Grezzano


29. Praios

Autor: von Scheffelstein

Als Domna Richeza erwachte, fühlte sie sich wie gerädert. Sie fror, und ein bellender Husten entrang sich ihrer Kehle, wann immer sie den Mund aufmachte. Ihr war, als hätte sie nicht geschlafen, dabei waren alle anderen schon auf den Beinen.

Die junge Ferkina Golshan war zurückgekehrt. Sehr zum Missfallen des alten Krähenfreund hatte sie zwei tote Kaninchen mitgebracht. Zu wenig, als dass sie alle davon satt werden konnten, zumal der Alte streng untersagte, in dieser Höhle ein Feuer zu entzünden.

Auch der Hund war wieder da, sprang kläffend um die anderen herum und schien seine Furcht vor der Höhle vergessen zu haben. Das Mädchen Zaida hatte ihn heulend in einem Gang unweit der Höhle gefunden.

Selbst Praiodor war wach. Sein Fieber war gesunken, aber er war sehr matt und blinzelte Richeza aus halb geschlossenen Augen an, als sie ihm durch das verfilzte Haar fuhr.

Richeza selbst hätte am liebsten weitergeschlafen, allein, ihr Hunger war mittlerweile unerträglich, und ihre Tante drängte zum Aufbruch. Offenbar hatte sie es nur dem alten Heiler zu verdanken, dass Domna Rifada sie nicht schon vor Stunden geweckt hatte.

Krähenfreund führte die Gruppe nicht wieder hinauf zu der Höhle, durch die sie den Berg betreten hatten, sondern durch einen anderen Gang tiefer ins Innere des Djer Kalkarif hinein. Domna Rifada und Dom Gendahar wechselten sich damit ab, den kleinen Praiodor zu tragen. Mehr als einmal fluchten sie über die engen, feuchten Tunnel, die oft so schmal und niedrig waren, dass sie auch ohne ihre Last Schwierigkeiten gehabt hätten, sich hindurchzuzwängen.

Anfangs wies ihnen das blakende Licht einer Fackel den Weg, mit der Domnatella Romina ihrem Führer leuchtete. Doch nach etlichen Stunden und zwei kurzen Rasten, in denen sie die letzten spärlichen Vorräte der Männer und Golshans Kaninchen geteilt hatten, war die letzte Fackel niedergebrannt, und sie hatten nur noch drei Kerzen übrig. Krähenfreund mahnte sie, während jeder Rast, das Licht zu löschen, um länger etwas von den Kerzen zu haben.

Das sei doch Irrsinn, schimpfte Domna Rifada, hier durch die Dunkelheit zu irren und forderte den Alten auf, sie sofort wieder ans Licht zu führen. Es war ihr anzusehen, dass es ihr gar nicht schmeckte, sich hier seiner Führung anzuvertrauen, doch da nur er den Weg kannte und sie mittlerweile tief in die verzweigten Gänge unter dem Berg hinabgestiegen waren, blieb ihr nichts anderes übrig, als ihm weiterhin fluchend zu folgen.

Irgendwann war Richeza so erschöpft, dass sie sich am liebsten geweigert hätte, weiterzugehen, doch sie riss sich zusammen, setzte mechanisch Fuß vor Fuß und tappte hinter Moritatio her, dem sie mehrmals in die Hacken stolperte. Falls er sich an seinen Angriff in der Nacht erinnerte, zog er es vor, darüber zu schweigen, und Richeza ihrerseits verspürte wenig Lust, ihren Vetter darauf anzusprechen. Überhaupt sprach sie wenig, denn ihr Hals schmerzte, und das Gehen allein kostete sie genug Kraft.

Auch die anderen waren schweigsam, allein Krähenfreund kommentierte ab und an den Weg, und die kleine Zaida sprach mit dem Hund, der freudig bellend voraussprang, und ab und an durchbrachen die Flüche Domna Rifadas oder Dom Gendahars die Stille, wenn der Streitzig sich den Kopf stieß oder Richezas Tante mit ihren breiten Schultern in der sperrigen Lederrüstung in einer Verengung des Ganges stecken blieb.

Schließlich kamen sie in eine schmale Höhle, durch die ein glucksender Bach floss, und Krähenfreund sagte, hier würden sie nun schlafen. Domna Rifadas Wutschnauben nützte ihr gar nichts, der Alte ließ sich nicht zum Weitergehen bewegen, und Richeza war mehr als froh darüber. Während sich alle einen Platz zwischen Bach und Höhlenwand suchten, fragte sie sich, was wohl mit dem Wasserlauf geschähe, wenn es draußen einen der berüchtigten bosquirischen Gewitterstürme gäbe. Doch wenigstens konnten sie ihre Wasserschläuche auffüllen.

30. Praios

Als Domna Rifada zum Weitergehen drängte, war Richeza eben erst eingeschlafen. Der Hunger hatte sie lange wach gehalten. Den anderen schien es mittlerweile nicht sehr viel besser zu gehen, und so war es das Knurren ihrer Mägen, das sie begleitete, als sie schweigend ihren Weg fortsetzten.

Endlich wurde es heller: Graues Zwielicht kam vor ihnen aus dem Gang, und wenig später traten sie durch einen Spalt auf ein Plateau, vier Schritt über dem Boden einer langen, bewaldeten Schlucht. Der Morgen dämmerte erst, doch nach den langen Stunden der Dunkelheit war Richeza froh über das erste schwache Licht des Tages.

Sie kletterten die Wand an einem Seil hinab, die Ferkina löste es und folgte als Letzte – behände wie eine Katze. "Grezzano ist weiter im Norden", erklärte Domna Rifada, nachdem sie sich kurz umgesehen hatte. "Richeza, Moritatio, folgt mir, und auch du, alter Mann!" Doch wie Tsacharias erklärte und sie bald feststellen mussten, waren die Wände der Schlucht zu steil, als dass sie aus ihr hinausklettern konnten. Und so blieb ihnen nichts anderes übrig, als dem Alten abermals zu vertrauen, als er sie nach einer Weile aus dem Licht der Morgensonne heraus in eine Höhle führte und weiter durch schier endlose Gänge und Tunnel. Mehrmals war es Richeza, als sei der Alte sich nicht mehr ganz sicher, welchen Wege er wählen sollte, und einmal ließ er sie nach kurzer Zeit umkehren und einen anderen Tunnel versuchen, was Domna Rifadas Unmut nur weiter zu fördern schien.

Ab und an wenigstens kamen sie an Kaminen vorbei, durch die Sonnenlicht fiel, und zweimal führte ihr Weg sie wieder hinaus ins Freie, doch jedes Mal befanden sie sich hoch oben über einer Schlucht oder einem unpassierbaren Geröllhang und es gab keine Möglichkeit, einen gangbaren Weg hinab zu finden.

Bald nach einer längeren Pause in der Dunkelheit, ging ihnen die letzte Kerze aus, und sie standen in der Finsternis. Die Stimmung fiel, auch wenn Tsacharias versicherte, es sei nun nicht mehr weit, er sei sich ganz gewiss. Sie kamen nur noch langsam voran, schrammten sich Hände und Knie auf, und Richeza fragte sich allmählich, ob ihre Tante nicht doch recht hatte und sie besser den gewundenen Pfad den Djer Kalkarif hinabgestiegen wären, den sie heraufgekommen waren, auch auf die Gefahr hin, den Ferkinas direkt in die Arme zu laufen.

Als es diesmal heller wurde, war Richeza fest entschlossen, lieber einen Steilhang hinabzurutschen als noch einen Schritt weiter durch die Dunkelheit zu stapfen. Doch wie sich herausstellte, war dies nicht nötig.

Der Gang öffnete sich zu einer Höhle, und kurz darauf empfing sie die bereits über der almadanischen Ebene stehende Nachmittagssonne. Weit im Süden erkannte Richeza die Gipfel des Djer Kalkarif.

"Jetzt ist es nicht mehr weit", verkündete Tsacharias Krähenfreund strahlend. "Keine zehn Meilen mehr, und wir sind in Grezzano."

Richeza rutschte an der Felswand vor der Höhle zu Boden und lehnte den Hinterkopf an den von der Sonne gewärmten Stein. Sie schloss die Augen, spürte, wie zum ersten Mal seit Tagen die Lebensgeister in ihren verkühlten Körper zurückkehrten. Keine zehn Meilen?! Der Alte war irre! Sie würde keine zehn Schritt mehr gehen heute, soviel stand fest!


Autor: SteveT

"Ich habe meinen Mann und mein Burggesinde in Grezzano zurückgelassen!", kündigte Rifada nun in Sichtweite der Selaquer Gemarkungsgrenzen an. "Genauer gesagt, ganz in der Nähe - nämlich in der Kate deiner Schwester, Kräutersammler, die sich leider etwas verstockt und unfolgsam zeigte."

Sie beschirmte die Augen mit einer Hand vor dem hellen Sonnenlicht und ließ ihren Blick von hier oben aus dem Gebirge heraus weit über die Elentinische Ebene schweifen. Immerhin waren - zumindest auf den ersten Blick - nirgendwo Reiter der Ferkinas und auch keine Soldaten Praiosmins zu entdecken. Sie hoffte, daß diese selbst nach wie vor in Selaque auf Albacim weilte - auf dem Weg dorthin hatte sie ihre Erzfeindin das letzte Mal gesehen.

"Ihr bleibt am besten hier und ruht noch ein wenig aus!", bestimmte sie mit einem Seitenblick auf Richeza und den Jungen, die ihr beide gar nicht gefielen. "Ich gehe erst einmal allein nach Grezzano und prüfe die Lage dort. Wenn alles gut steht, dann kehre ich bis zum Abend mit ein paar jungen Burschen aus meinem Gesinde und einer Trage zurück. Auf ihr schaffen wir dann den Jungen zur Hütte deiner Schwester, alter Mann!"

Sie kniete sich neben Richeza hin, die sich einfach rücklings ins Gras hatte plumsen lassen und raunte ihr ins Ohr: "Gib auf den alten Zausel acht! Wenn er sich davonstiehlt, ist auch dein Junge verloren - dann war alles umsonst. Hindert ihn notfalls mit Waffengewalt an der Flucht! Ich hole Verstärkung und dann sehen wir weiter ... auch was die da betrifft." Sie lenkte Richezas Blick mit den Augen zu Golshan, die - noch am frischesten von allen - auf Zaida einredete, die bestimmt kein einziges Wort verstand und allein nur aus Höflichkeit zu allem nickte.

"Ich gehe mit Euch, Mutter!", schulterte Moritatio sein Bündel und kam auf sie zugewankt. Auch er hatte dunkle Ringe unter den Augen.

"Nichts da! Du bleibst hier und gehst Richeza zur Hand - sie weiß was zu tun ist!", beschied ihn Rifada knapp, dann trottete sie mit einem knappen "Bis zum Abend!" talwärts von dannen.


Autor: Ancuiras

Gendahar ließ sich neben Romina nieder, die sehr erschöpft aussah - wie er selbst. Trotzdem durften sie nicht lange weilen.

"Hör zu, wir sollten diesen Ort verlassen, bevor Rifada zurück ist, egal, was der Alte sagt. Es mag gefährlich sein, aber niemand weiß, was Domna Rifada vorhat und ob sie uns nicht in ihre Fehde mit Domna Praiosmin verwickeln will. Wir müssen uns allein durchschlagen, bis wir auf getreue Gefolgsleute deines Vaters treffen. Meinst du wirklich, wir können dem Ferkinamädchen vertrauen? Sie sollte sich in der Gegend auskennen, aber wie machen wir ihr klar, wohin wir wollen?"


Autor: Romina Alba

Romina lehnte sich ein wenig an den Onkel, gerade so viel, dass es noch schicklich war. Sie schaute zu Golshan, die ihren Blick erwiderte und lächelte müde.

"Ich traue Golshan voll und ganz, Onkelchen." Leise neckend flüsterte sie das Kosewort, sie schien seelisch bedeutend intakter, als Gendahar es befürchtete, besonders nach den Bemerkungen in der Höhle, die seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt hatten. "Aber abgesehen davon, dass ich das Gefühl habe, mich drei Wochen nicht mehr bewegen zu können, ist es wirklich schwer, sich ihr verständlich zu machen."

Sie winkte Golshan zu sich. Die junge Wilde kam her und ging mit einen schüchternen Blick zu Gendahar bei den beiden in die Hocke. Romina deutete auf sie und dann auf Gendahar, sich selbst und die kleine Zaida, sagte jeden Namen, beschrieb mit den Fingern einen Kreis, um alle zusammenzufassen und deutete dann nach Westen.

"Ras Ragath?", fragte sie Golshan und deutet wieder auf sie. "Uns alle," wieder führte sie den Finger im Kreis, "nach Ragath?"


Autor: von Scheffelstein

Richeza folgte ihrer Tante mit den Augen, bis diese zwischen den Bäumen verschwunden war. Hechelnd sprang der Hund des Alten hinter der Junkerin her, schnüffelte hier und da an den Sträuchern. Kurz darauf hörte sie ihn kläffen und dann die ärgerliche Stimme ihrer Tante, irgendwo aus dem Wald.

Mit Waffengewalt sollten sie den Alten an der Flucht hindern? Mit welchen Waffen? Ihrem Dolch? Moritatios abgebrochenem Rapier? Aus den Augenwinkeln nahm sie wahr, wie der Streitzig sich zu seiner Nichte setzte und sie leise miteinander sprachen. Sie meinte den Namen ihrer Tante zu hören und auch den Domna Praiosmins. In einem kurzen Anflug von Misstrauen spitzte sie die Ohren. Was, wenn die beiden doch gemeinsame Sache mit der alten Vettel machten? Sie konnten ihre Tante nicht leiden, das war nicht zu übersehen, und vielleicht wollten sie sich den sicheren Weg durch Selaque erkaufen, indem sie der Erzfeindin ihrer Tante in die Hände spielten. Vielleicht planten sie, Moritatio oder sie selbst als Geisel zu nehmen und Praiosmin auszuliefern? In ihrem jetzigen Zustand fühlte Richeza sich mehr als wehrlos, und Moritatio sah auch nicht so aus, als würde er es mit dem kräftigeren Streitzig aufnehmen können, zumal der der weitaus bessere Kämpfer war, wenn die Geschichten stimmten.

"Richeza, wo ist meine Mama?", riss sie die Stimme des kleinen Praiodor aus ihren Gedanken. Sie wandte sich dem Jungen zu, den ihre Tante neben ihr im Gras abgelegt hatte. Sie hatte Rifada noch immer nicht gefragt, ob diese eine Spur Domna Fenias gefunden hatte. Allerdings hätte die Junkerin es ihr wohl erzählt, wenn sie die Domna gesehen hätte oder um ihren Aufenthaltsort wüsste. Nein, wahrscheinlich irrte Praiodors Mutter noch irgendwo allein durch die Berge oder war – was wahrscheinlicher war – bereits verdurstet, erfroren oder den Ferkinas in die Hände gefallen.

"Wir finden sie schon noch, Praiodor!", sagte Richeza und setzte das zuversichtlichste Lächeln auf, zu dem sie in der Lage war. Sie streichelte seine Wange. Er hatte kein Fieber mehr, immerhin etwas. "Komm und schlaf noch ein wenig. Bald sind wir wieder zu Hause, und dann wird alles gut!" Sie zog ihn zu sich heran, bettete seinen Kopf auf ihrem Oberschenkel und lauschte seinem Atem, der bald wieder tief und regelmäßig war. Wie schmächtig er war für sein Alter, vor allem aber: wie furchtsam.

Tsacharias Krähenfreund ließ sich ihr gegenüber im Gras nieder und reichte ihr eine Handvoll Nüsse. Richeza nahm sie wortlos entgegen.

"Könnt Ihr ihn heilen?", fragte sie kauend.

"Sein Fieber ist zurückgegangen. Die Wunde wird heilen." Sie sah ihn an. "Ich meine: Ob Ihr ihn gesund machen könnt. Richtig gesund."

"Was fehlt ihm denn?"

"Guckt ihn Euch an: Er ist krank und schwächlich. Er war nicht immer so. Als kleiner Junge war er ... lebendig. Dann ist sein Vater gestorben, seine Mutter ist verrückt geworden vor Kummer, und er ist an einer Sieche erkrankt, von der er sich nie erholt hat."

Tsacharias schwieg.

"Heißt das: Nein?" Richeza lehnte den Kopf zurück, sah Krähenfreund weiter an. "Wir haben ziemlich viel auf uns genommen, um Euch zu finden. Es hieß, Ihr wärt ein Heiler. Es hieß, Ihr wäret gut."

Tsacharias schwieg weiter. Seine grüngesprenkelten Augen ruhten auf ihrem Gesicht. Richeza wich seinem Blick aus. "Eine Krankheit ist eine Bürde, die wir uns freiwillig auferlegen oder für andere tragen", sagte er. "Sie erfüllt einen Sinn. Sie ist wie Tsas Regenbogen, der uns den Weg weist vom Regen ins Sonnenlicht. Der uns Hoffnung gibt, unser Leben zu ändern, aus dem Regen herauszutreten und das Wohlwollen der Götter wie das wärmende Licht der Sonne auf uns zu spüren. Doch solange wir unseren Blick für die Möglichkeiten des Wandels verschließen, wird auch der Regenbogen für uns nichts weiter sein als ein Zeichen des Unwetters, das ihm vorausgeht."

Richeza runzelte die Stirn, klappte den Mund auf und wieder zu und schüttelte unwillig den Kopf. "So ein ... Unsinn! Hört auf, Euch zu rechtfertigen! Ihr ... könnt ihm also nicht helfen, ja?" Ihre Miene verfinsterte sich. "Das wird meiner Tante aber nicht gefallen."

Er war die Ruhe selbst. "Und was würde Euch gefallen?" Sein Gleichmut verunsicherte Richeza.

"Mir? Ich ... ich will, dass Praiodor wieder gesund wird. Dass er wieder so wird wie früher, als kleiner Junge, was glaubt Ihr wohl?"

Er wiegte den Kopf. "Nichts wird wieder so, wie es einmal war. Das Leben ist Wandel. Stillstand ist der Tod. Die Zeit läuft nicht rückwärts. Das Werden und Vergehen, der stete Neubeginn, das ist Lebendigkeit."

Richeza dröhnte der Kopf. Sie rieb sich die Stirn und sah an ihm vorbei, zur ganz langsam tiefer sinkenden Sonne. Dieser ganze Unsinn musste endlich ein Ende haben! Sie sollte nach Kornhammer zurückkehren, sich um ihr eigenes Leben kümmern. Ihr Großvater hatte recht gehabt, es war unverantwortlich gewesen ...

"Er hält an Altem fest", sagte Tsacharias. "Genauso wie Ihr." Er erhob sich. "Ich werde mit ihm sprechen, wenn es ihm besser geht, und sehen, was ich für ihn tun kann. Wenn Ihr das wünscht."

Richeza nickte nur und sah ihm nach, als er zu der Comtessa und deren Onkel trat, die mit der Wilden sprachen und ihre Worte gestenreich unterstrichen.


Autor: Ancuiras

Diese Golshan schien zwar sehr hilfsbegierig, aber schlau wurde Gendahar aus ihr nicht. Sie hüpfte von einem Bein aufs andere und zeigte mal in die eine, mal in die andere Richtung, dann auf die beiden Streitzigs und Zaida. "Ras'Ragh! Ras'Ragh!"

Gendahar warf seiner Nichte einen zweifelnden Blick zu. Diese schien auch nicht schlau draus zu werden. "Nun, vielleicht sollten wir uns einfach erst einmal nach Grezzano begeben und dann versuchen, den Weg talwärts zu finden, den wir gekommen sind. Hauptsache, wir laufen den Ferkinas nicht in die Arme. Ich schlage vor, dass wir am Nachmittag aufbrechen."

Romina nickte nur geistesabwesend und versuchte weiterhin, Golshans Zeichensprache zu deuten.

Ihr Onkel blickte zu den anderen hinüber. Moritatio hatte sich auf dem Boden ausgestreckt und Richeza hatte sich gemeinsam mit dem Alten über den Jungen gebeugt. Praiodor. Konnte er ihn den da Vanyas überlassen? Sie waren genauo mit ihm verwandt wie er selbst. Vor Gendahars Augen erschien wieder der Anblick der toten Fenia, die kaum wieder zu erkennen war. Selten zuvor hatte ihn ein solches Grauen gepackt, tagelang hatte er es nicht abschütteln können. Er hatte seine Cousine nicht sehr gut gekannt, Stordan, ihren Bruder, der nur wenige Jahre jünger war als Gendahar, schon etwas besser. Aber Freunde waren sie nie geworden, sie schienen immer in einer Art Wettstreit zueinander zu stehen. Würde Stordan für den Jungen sorgen? Er war der nächste Verwandte, doch seine Lande verwüstet, seit der Yaquirbruch so unsicher geworden war. Im Westen war das Königreich bereits zu einem wilden Land geworden und jetzt stiegen auch noch die Ferkinas aus den Bergen herab. Wo sollte das enden?

Erst einmal mussten sie hier weg und wieder sicher ins Tal gelangen. Er wandte sich wieder Romina und Golshan zu. "Runter, ins Tal!" Er zeigte von den Bergen weg, dann machte er die Hand flach. "In die Ebene!"

Es war hoffnungslos. Der Streitziger unterbrach seine Gesten, als ein Schatten auf ihn fiel. Tsacharias Krähenfreund stand vor ihm.

"Gut, dass Ihr kommt. Vielleicht könnt Ihr uns den Weg ins Tal beschreiben, so dass wir allein hinab finden? Oder kommt Ihr gleich mit uns?"


Autor: von Scheffelstein

Tsacharias Krähenfreund blickte auf Gendahar und Romina herab, sein Gesicht war ernst, ja, fast kummervoll. Er murmelte etwas, das nach "der Friede der Menschen" klang und seufzte.

"Ihr wollt also gehen", stellte er fest. "So Ihr nicht warten wollt, kann ich Euch nicht begleiten. Wo die jüngsten ihrer Kinder in Not sind, muss Tsa die größeren ziehen lassen." Seine Augen wanderten über die Frauen und Zaida und hielten dann Gendahars Blick fest.

"Gebt gut acht auf die Mädchen! Es ist ein gefährlicher Weg ins Tal in diesen Zeiten. Noch gefährlicher aber, so scheint es, ist der Weg durch die Ebene selbst. Seid also vorsichtig, haltet Euch verborgen, denn Kühnheit ist der Dummheit dieser Tage nicht fern. Es gibt zwei Wege hinab ins Tal. Der eine führt über Grezzano, nordöstlich von hier. Der Ort ist geplündert, aber es treiben sich noch viele Ferkinas in der Gegend herum. Das Dorf selbst solltet Ihr meiden, wenn Ihr könnt, und wenn nicht, so verzichtet Ihr besser auf ein Feuer, das Euch verrät. Von Grezzano führt eine Straße ins Tal. Sie kreuzt den Weg ins Vanyadâl, also haltet Euch nach Westen. Besser aber Ihr meidet die Straßen, denn sie sind nicht sicher. Der andere Weg ..."

Er seufzte. "Der andere Weg ist kürzer. Er führt durch den Wald und über versteckte Weiden. Er ist auch sicherer, aber für Fremde ist er schwer zu finden. – Wenn Ihr diesen Weg gehen wollt," sagte er, "dann wartet Ihr besser, bis die Dame zurückkehrt, denn ich bin mir sicher, dass sie ihn kennt und sich jetzt schon auf ihm befindet."


Autor: Ancuiras

Gendahar richtete sich auf, so dass er Tsachariaus um einen halben Kopf überragte. "Ich habe nicht um Belehrungen zum Zusammenhang zwischen Kühnheit und Dummheit gebeten, sondern lediglich um eine Beschreibung des Weges und ihrer Fährnisse." Er atmete tief durch. "Für Letzteres danke ich Euch, auch dafür, dass Ihr Euch um den kleinen Praiodor kümmern werdet... Ob wir gehen wollen? In der Tat. Mein Gefühl sagt mir, dass wir von der Dame zumindest keinen Schutz zu erwarten haben. Mir scheint", fuhr er nun an Romina gewandt fort, "und bleibt nichts anderes übrig, als den Weg über Grezzano zu nehmen."


Autor: Romina Alba

Romina nickte und sah zum Onkel auf.

"Ich bin ganz Eurer Meinung, Onkel, Domna Rifada da Vanya ist ein halber Ferkina, und ich befürchte, alles, was nicht mit ihr verwandt ist, betrachtet sie als nutzlos, wenn nicht feindlich." Sie schaute zu Richeza, kurz war ein Zögern zu bemerken, doch sie riss sich los und wandte sich wieder Gendahar zu. "Wir sollten Domna da Vanya nicht mehr begegnen. Vielleicht ist es sogar klug, sich neben den offiziellen Straßen zu bewegen, bestimmt sucht man schon nach uns, und das tut man bestimmt nicht in den Wäldern." Sie schenkte Tsachariaus ein Lächeln. "Ich danke Euch für alles, Meister, macht Euch keine Sorgen, wir werden uns verbergen, bitte segnet uns, auf dass die junge Göttin uns beschützen möge."


Autor: Simanca

Mädchen? Zaida passte es gar nicht, schon wieder so eingeordnet zu werden. Natürlich war sie noch jung, aber sie war sich sicher, notfalls besser auf sich aufpassen zu können, als der auffällige Degenmeister und die eifrig umherschauende Golshan. Wobei diese sicher wusste, wann man sich besser ducken sollte. Außerdem war sie es gewesen, die dem ehrenwerten Streitzig die Haut ... ach ... eigentlich war es ihr ganz recht, wenn es ein wenig ruhiger zuginge. Wenigstens so für ein oder zwei Tage.

Bedauernd sah sie zu Tsacharias hinüber. Gerne wäre sie weiter in seiner und der Begleitung seines Hundes gereist. Nur dieses Mannweib von da Vanya hätte man irgendwo an einen Baum binden müssen, dann hätte man sicher friedlich weiterreisen können.


Autor: Romina Alba

Tsacharias Krähenfreund trat einen Schritt näher, legte seine Rechte auf Rominas Haupt und berührte mit der Linken Gendahars Stirn.

"Gütige Tsa, ich bitte dich, segne und behüte diese deine Kinder, erfülle ihre Seelen mit Freude und Gleichmut, welche die Gaben deiner Schwester sind, schenke ihnen Heiterkeit und Zuversicht, auf dass sie die Prüfungen der Welt bestehen und ohne Furcht ins Morgen blicken. Lasset das Gestern hinter Euch, nehmet das Morgen an, wandelt im Augenblick, der einzig ist und vergänglich. Gehet hin in Frieden und mit dem Segen Tsas!"

Daraufhin trat er zu Zaida und der Ferkina und wiederholte die Worte, zeichnete alsdann den Kreis der Ewigen Erneuerung in die Luft und sprach: "So sei es, mit dem Willen Tsas und ihrer göttlichen Geschwister!"


Autor: Ancuiras

Gendahar nahm den Segen gern entgegen - Tsacharias hatte schon mehrmals bewiesen, dass er die Gunst der Ewigjungen Göttin besaß. Er fühlte, wie ihn ein tiefer innerer Frieden überkam. Während der Alte die beiden Mädchen segnete, blickte Gendahar zu seiner Nichte und schloss sie in den Arm. Sie hatte die Gefangenschaft erstaunlich gut überstanden, dies sagten ihm ihr Blick und ihr Lächeln. Weiterer Worte bedurfte es dazu nicht. Den Göttern sei gedankt, dachte Gendahar, denn er wusste nicht, was er sie fragen oder ihr zum Trost sagen sollte. Dies sollten ihre Mutter und ihre Schwestern tun, wenn er sie unbeschadet dorthin zurück gebracht hatte.

Nachdem der Alte geendet hatte, bedankte sich Gendahar bei ihm und wünschte ihm ebenfalls den Segen der Götter. Tsacharias entfernte sich und setzte sich auf einen großen Stein in der Nähe, die Beine gekreuzt, das Gesicht der Sonne zugewandt und die Augen geschlossen, und summte eine Melodie. Bald schien er entrückt, allein mit seinen Empfindungen und Gedanken.

Gendahar blickte abermals zu Richeza und dem Jungen hinüber. Praiodor hatte keinen guten Eindruck gemacht in den letzten Tagen, was aber nicht verwunderlich war. Doch Richeza, so kratzbürstig sie sonst auch sein mochte, schien sich aufopferungsvoll um ihn zu kümmern. Er würde bei ihr in guten Händen sein. Gendahar betrachtete die Scheffelsteinerin. Er wurde nicht schlau aus ihr. Warum musste jemand, der so schön war - und ohne Zweifel zuweilen auch umsichtig und kenntnisreich - mit dem Temperament einer Harpyie geschlagen sein? Streitlust war ihn Almada breit gestreut, und seine eigene Familie hatte ein gehöriges Maß davon abbekommen, pflegten diese gar, um ihrem Namen gerecht zu werden. Doch was die zierliche Edle aus Kornhammer bisweilen zeigte, ging weit darüber hinaus. Woher dieser Hass auf Romina, woher dieses Misstrauen? Auf dem Marsch aus der Höhle hatten sie kaum ein Wort miteinander gesprochen. Gendahar widerstrebte es, im Streit auseinander zu gehen. Nicht mit einer so hübschen Frau, dachte er, und musste sogleich über sich selbst schmunzeln. Er würde sich wohl nie ändern.

Unwillkürlich hatte er sich ihr einige Schritte genähert. Richeza blickte auf und bemerkte ihn, und ihm blieb nichts anderes übrig, als den Rest der Strecke auch noch zurückzulegen. Praiodor schien zu schlafen, Moritatio lag weiterhin in einiger Entfernung im Gras.

"Wie geht es dem Jungen?", fragte Gendahar, weil er nicht wusste, was er sonst hätte sagen sollen. Er sprach leise, um den Jungen nicht aufzuwecken.


Autor: von Scheffelstein

Richeza blinzelte gegen die tieferstehende Sonne. Wie sie so dasaß, das Gesicht mit blutigem Schorf übersät, das zerzauste Haar fast grau vom Höhlenstaub, in dem Lumpen, der einmal eine Pferdedecke gewesen war, mit einem Strick um die Hüften, die Stiefel löchrig – war es leichter, sich vorzustellen, dass sie die Enkelin einer Zahori war, als dass sie von der rahjagleichen Fürstin abstammte, die – was noch unwahrscheinlicher erschien – auch Domna Rifada zu ihren Ahninnen zählte.

Unwillkürlich legte die Edle den Arm um die schmalen Schultern des Knaben. "Er ist krank", sagte sie heiser und blinzelte wieder, schaute an Gendahar vorbei zu Romina und zurück zum Thangolforster. Ihr Blick wanderte über sein Gesicht, den Bart, seine Schultern, verlor sich irgendwo im Nichts. "Ihr habt also gefunden, wonach Ihr gesucht habt", sagte sie.

"Ihr geht?", fragte sie, als sie ihn wieder ansah. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht war schwer zu deuten. "Also dann." Schweigen. "Viel Glück. Streitzig."

Sie drehte den Kopf weg, um zu husten und blickte hinab über die bewaldeten Bergrücken und Hügel, zwischen denen, weit im Westen, die sonnenbeschienene Ebene des Kaiserlehens zu sehen war.


Autor: Ancuiras

Als Gendahar die Gestalt der zerlumpten Scheffelsteinerin betrachtete, fragte er sich, wie er darauf gekommen sein mochte, sie sei eine Schönheit. Als er in ihre Augen blickte, wusste er es wieder. Auch wenn sie momentan eher eine Wilden glich, aber vermutlich sah er gerade selbst auch nicht viel besser aus.

Er nahm ihre kargen Worte entgegen, nickte auf ihre Frage und wünschte ihr ebenfalls viel Glück. Er wollte ihr noch etwas sagen, nach allem, was sie miteinander durchgestanden hatten. Dass es Domna Rifada war, weshalb sich ihre Wege nun trennten. Doch die stolze Domna hatte den Blick schon wieder abgewandt. Gendahar meinte zu spüren, dass alle weiteren Worte sinnlos waren.

Er warf einen Blick auf Praiodor, dessen Brust sich im Schlaf hob und senkte. "Ich weiß, dass Ihr Euch gut um den Jungen kümmern werdet", sagte er leise. "Er wird Euch brauchen, um über den Verlust hinweg zu kommen. Dom Stordan könnte sich seiner annehmen." Er wandte sich zum Gehen.


Autor: von Scheffelstein

Domna Richeza wandte ihm das Gesicht wieder zu, aber er hatte sich bereits umgedreht. "Wartet!", sagte sie scharf. "Was soll das heißen: den Verlust? Habt Ihr Eure Base schon aufgegeben, oder was? Vielleicht ist sie umgekehrt, nachdem sie den Jungen verloren hatte. Und wenn sie bei den Ferkinas ist: Nun ja, vielleicht ... gibt es irgendwann eine Möglichkeit, sie da wieder rauszuholen. Ich jedenfalls", fügte sie grimmig hinzu, "gebe meine Verwandten nicht auf, solange noch Hoffnung besteht, wie Ihr seht."


Autor: Ancuiras

Gendahar fuhr herum. Was war denn jetzt schon wieder? Was faselte sie da von aufgeben? Er wollte zu einer Erwiderung ansetzen, als er endlich den Sinn ihrer Worte erfasste. Sie hatte keine Ahnung! "Dann wisst Ihr noch nicht ...", setzte er an, konnte aber nicht weiter sprechen.

"Was?", unterbrach ihn Richeza scharf. "Was weiß ich nicht?"

Gendahar warf einen Blick auf Praiodor, der sich im Schlaf drehte, und legte einen Finger auf den Mund. Er schüttelte den Kopf und flüsterte kaum hörbar: "Hat Euer Cousin denn nichts erzählt?" Er blickte rasch zu Dom Moritatio. Wahrscheinlich hatte der junge da Vanya genauso wie Gendahar versucht, den grausigen Fund zu verdrängen. Auch Gendahar war es zuwider, es auszusprechen, aber es half nichts. "Fenia ist tot ... wir haben sie gefunden, ich meine, ihren zerschmetterten ... Körper. Sie ist offenbar das Opfer der Harpyien geworden, die auch Praiodor in ihre Gewalt gebracht haben." Er senkte den Blick nach unten. "Ekelhafte Biester."


Autor: von Scheffelstein

Die Edle sah ihn an. Einen Moment herrschte Schweigen, selbst die Geräusche des Waldes, so schien es, waren leiser geworden. "Tot", sagte Richeza langsam. Sie senkte den Blick auf Praiodors Gesicht. Sonderlich erschüttert wirkte sie nicht, eher – nachdenklich? "Das ... tut mir leid." Sie führte die Hand an ihre Lippen, zupfte gedankenverloren an ihrem Daumennagel. Für einige Zeit schien es, als habe sie Gendahar vergessen. Sie sah auf den Jungen, seine bleichen, eingefallenen Wangen.

"Ich ... kann nicht für ihn sorgen", sagte sie, so leise, dass der Streitzig es kaum hörte. "Wenn er krank ist ..." Sie schüttelte den Kopf. "Und wenn er gesund wird ... Falls er gesund wird – braucht er ein Ausbildung. Jemanden, der ihn erzieht." Sie atmete tief aus, wischte sich eine Strähne aus dem Gesicht. Sie hob wieder den Kopf, aber ihre Augen wanderten von links nach rechts, so als sei sie noch immer in Gedanken. "Dom Stordan, sagt Ihr?", murmelte sie, ohne ihn direkt anzusehen und seufzte.


Autor: Ancuiras

"Natürlich, mein Vetter ist der nächste Verwandte und zudem Oberhaupt der Familie Culming. Allerdings dürfte er bis auf Weiteres mit seinem Kampf um Land und Lehen beschäftigt sein." Gendahar wischte den Gedanken beiseite. "Um die Ausbildung und die Zukunft des Jungen können wir uns später Gedanken machen. Erst einmal muss er wieder gesund werden." Dafür musste man ihn so schnell als möglich aus diesem Gebirge bringen weg von Harpyien, Ferkinas - und streitbaren Magnatinnen. Außerdem waren sie auf Tsacharias' Hilfe angewiesen, denn bislang war er die einzige Hoffnung für den Jungen.

"Richeza, ich halte Einiges von Tsacharias' Fähigkeiten, auch wenn er dem Jungen noch nicht helfen konnte. Aber dafür braucht er wohl mehr Zeit. Könnt Ihr dafür sorgen, dass Eure Tante ihm diese Zeit und die Ruhe gewährt? Oder wird sie ihn bei ihrem nächsten Wutausbruch von einer Klippe werfen?"


Autor: von Scheffelstein

Richeza blickte den Streitzig an. "Domna Richeza", murmelte sie halblaut, ehe ihr Gesicht sich weiter verdüsterte. "Untersteht Euch, Dom Gendahar, solcherart von meiner Mutter Schwester zu sprechen! Sie ist ein ehrbarer Mensch und wirft niemanden einfach so im Zorn von der Klippe, der es nicht verdient hat! Schon gar nicht, wenn es sich", ergänzte sie leiser, damit der versunkene Tsacharias sie nicht hörte, "dabei um den Heiler handelt, den sie um des Jungen Willen zu suchen bereit war, obwohl es sie einiges an persönlichen Opfern kostete. Haltet Ihr sie für dumm? Oder mich? Ich werde nicht dulden, dass Ihr so über Domna Rifada redet! Auch Ihr habt Ihr einiges zu verdanken, denn ohne ihren heldenmutigen Einsatz wären nicht nur ich und der Junge, sondern auch Eure Nichte und ihre kleine wilde Freundin tot oder wieder bei den Ferkinas." Sie blies die Luft über die Lippen und strich Praiodor über die Stirn, als dieser im Schlaf stöhnte, ohne den Blick von dem Mann zu nehmen.

Dann schloss sie die Augen, rieb sich über die Stirn und seufzte erneut. "Ja", sagte sie, "natürlich werde ich tun, was ich kann, damit es Praiodor besser geht. Bei den Göttern, Dom Gendahar, glaubt Ihr, nach allem, was war, würde ich jetzt aufhören, um ihn zu kämpfen?" Sie schüttelte trotzig den Kopf. "Ich habe geschworen, dass ich für ihn sorge, bis ... bis Domna Fenia wieder ..." Sie blinzelte und senkte den Blick. "Ich hab' bei meinem Blut geschworen, an meines Onkels Grab, für ihn zu kämpfen. Und das werde ich auch! Eine von Scheffelstein bricht ihr Wort nicht. Und eine da Vanya auch nicht."


Autor: Romina Alba

Romina hatte den Blick der Scheffelsteinerin erwidert und war näher gekommen. Auch sie hatte diese wunderbare Ruhe gespürt, die Tsacharias Segen über sie brachte. Langsam schob sie sich neben ihren Onkel.

"Domna Richeza, habt Dank für Eure Hilfe, mein Onkel hat mir alles erzählt." Sie brach ab, als wüsste sie nicht, was sie noch sagen sollte. "Wenn Ihr mal Hilfe braucht ...", unsicher schob sie die Worte nach, "meldet Euch." Sie räusperte sich. "Und gebt mir bitte Nachricht, wie es Praiodor geht." Sie stand nah bei Gendahar, fast, als würde sie Schutz suchen. Plötzlich sah sie sehr jung aus, wirkte fast zerbrechlich.


Autor: Simanca

Unwillig beäugte Zaida die Vorkommnisse in der kleinen Gruppe. Es sagte ihr nicht so wirklich zu, dass man sich jetzt trennte. Tsacharias Segen hatte sie nur daran erinnert, wie gerne sie den alten Zausel hatte. Außerdem würde ihr Raffzahn fehlen. Und na gut, Moritatio auch. Also so irgendwie eben ... wer sollte sie denn sonst ärgern?

Sie seufzte leise und sah hinüber zu Praiodor. In den letzten zwei Tagen hatte sie immer wieder versucht, den Jungen mit Grimassen, eingefangenen Fröschen, die sie aus der Hosentasche zauberte, oder frechen Bemerkungen zum Lächeln zu bringen, hatte aber schnell begreifen müssen, dass irgendwer von Nöten war, der sich in der Heilkunst auskannte.

Energisch rieb sie sich über die Stirn und stiefelte dann entschlossen zu den Streitzigs und der Scheffelsteinerin hinüber. Das konnte man sich doch nicht mit ansehen! "Entschuldigt ... wieso reisen wir nicht zusammen weiter?", erkundigte sie sich. "Also ... zumindest um des Jungen willen? Wir könnten uns besser abwechseln, auf ihn aufzupassen?" Sie blinzelte unschuldig-mädchenhaft.


Autor: Ancuiras

"Wir könnnen nicht zusammen reisen, weil ..." Gendahar blickte von Zaida zu Romina, dann zu Richeza. Er wollte nicht noch einmal Rifada erwähnen, sonst würde Richeza sich wieder genötigt fühlen, sie zu verteidigen. Glaubte sie wirklich, was sie über ihre Tante gesagt hatte? Gendahar war sich sicher, dass Rifada schon so einige eine Klippe runter gestürzt oder über die Klinge hatte springen lassen, ohne sich auch nur zu fragen, ob sie es verdient hatten. Und Angehörige der Familie, die ihr den Grafenthron geraubt hatte, hatten es nach Rifadas Meinung ganz sicher verdient. Aber eine Diskussion darüber war jetzt müßig. "Wir müssen so schnell wie möglich in das Tal. Das bin ich Rominas Eltern schuldig." Er fand es selbst unpassend, dass er seine Nichte als Vorwand benutzte. "Domna Rifada wird noch heute Abend zurück sein mit ihren Leuten. Für Praiodor ist also gesorgt!"


Autor: SteveT

Sich räuspernd trat auch Moritatio zu der kleinen Versammlung hinzu und verneigte sich leicht vor Romina-Alba und Gendahar und petzte Zaida zum Abschied spitzbübisch in die Wange.

"Dom Streitzig, Euer Hochgeboren - meine Ehrerbietung, Ihr seid ein hervorragender Kämpfer und ich glaube, ich werde meinen Lebtag lang üben müssen, um einmal so schnell wie Ihr das Rapier führen zu lernen. Ich hoffe, wir sehen uns bei Hofe wieder - in einer Umgebung, wie sie Ehrenleuten eher angemessen ist."

Er salutierte vor dem älteren Magnaten und trat dann - sichtbar noch eine Spur verlegener - vor Romina hin, dabei seinen zusammengerollten Umhang mit dem Wappen der Hofjunker hinter dem Rücken hervorziehend.

"Domnatella, Ihr seid ... ähm ... ganz bezaubernd ... und ich bedaure, dass sich unsere Wege unter diesen widrigen Umständen gekreuzt haben. Bitte nehmt dies als Zeichen meiner Verehrung, denn ein Fräulein Eures Ranges sollte niemals in Fetzen gewandet am Hofe des Vaters einreiten müssen. Bitte verzeiht mein Betragen in der gestrigen Nacht, ich weiß nicht, was dort in der Höhle in mich gefahren ist."

Er lächelte schief und deutete auf seine kolossale Beule an der Stirn, wo ihn der Stein der Comtessa getroffen hatte: "Immerhin hat mir diese Blamage ein Andenken und Souvenir beschwert, das mich noch lange an Eure Person erinnern wird ..."


Autor: Romina Alba

Romina hatte sich freundlich Moritatio zugewandt und den Umhang angenommen. Als er auf seine Beule deutete, errötete sie leicht und senkte den Blick.

"Ich bitte um Verzeihung, Dom da Vanya, ich wusste mir nicht anders zu helfen, ich hoffe, es ist nicht mehr allzu schmerzhaft." Sie schaute ihm wieder in die Augen und lächelte. "Habt Dank für den Umhang, ich werde ihn in Ehren halten."

Kurz sah sie enttäuscht zu Richeza, die ihre Dankesrede zu ignorieren schien, dann wandte sie sich Zaida zu. "Kommt, Domnatella, es geht nicht anders, wir müssen aufbrechen und können nicht warten, bis Domna Rifada zurückkommt."


Autor: von Scheffelstein

Domna Richezas Aufmerksamkeit war von Romina zu Zaida gewechselt, und als sich Moritatio zu den anderen gesellte, hatte sie ihren Vetter mit einem langen Blick bedacht. Erst als die Comtessa sich zum Gehen wandte, schien ihr aufzufallen, dass sie noch eine Antwort schuldig war.

"Habt Dank für Eure freundlichen Worte", sagte sie, ohne aufzustehen, denn sie hatte noch immer den Kopf des schlafenden Knaben auf dem Schoß. Als Romina stehen blieb, lächelte sie leicht, zögerte und fügte hinzu: "Möget Ihr denen verzeihen, die Euch schlecht behandelt haben. Und möget Ihr selbst Euch vergeben können, dass Ihr Gefangene wart und ... wehrlos." Sie schwieg kurz, während sie die junge Frau betrachtete. Ihr Blick war ernst und eindringlich, aber es lag auch Mitgefühl darin. "Tragt es Euch nicht nach, Domnatella! Es ist nicht Eure Schuld, was geschehen ist. Ihr seid ein freundlicher Mensch und habt verdient, dass man Euch ebenso behandelt."


Autor: Ancuiras

Dom Gendahar warf einen Seitenblick auf die Nichte, wie sie die Worte aufnahm, die Erinnerungen an die Ferkinas hervorrufen mochten. Er konnte aber keine aufsteigende Gefühlswallung erkennen.

Ob so vieler freundlicher Worte kam er nicht umhin, selbst ein Lächeln zu zeigen. Er blickte zu Richeza, die ihn ein weiteres Mal in Erstaunen versetzte. Wie warm sie sprechen konnte! Mit einem Mal schien es ihm weniger dringlich, sich von den anderen zu trennen. Lag nicht die unbeschwerte Weisheit der Jugend in Zaidas Vorschlag, zusammenzubleiben? Verfolgten sie nicht alle das gleiche Ziel? – Vielleicht, aber die Abschiedsworte waren gesprochen und es hätte unentschlossen gewirkt, jetzt doch dazubleiben und sich nun doch der Führung und den besseren Ortskenntnissen der da Vanyas anzuvertrauen. Und Romina hatte recht: Wahrscheinlich suchte man sie schon längst und dann war es schlauer, sich nahe an den bekannten Wegen zu halten. Sie sollten nicht noch länger warten.

"Domna Richeza, Dom Moritatio, auch ich zolle Euch Dank, für alles, was Ihr für uns getan habt", sprach er und deutete eine Verbeugung an. Sein Blick fiel auf den schlafenden Praiodor. "Und du sei behütet auf deinem weiteren Weg, mögen Boron, Tsa und Peraine deinen Körper und deine Seele kurieren." Er wandte sich noch einmal an Richeza. "Verzeiht werte Domna, wenn mir der Hinweis zum Abschied erlaubt sei. In wenigen Tagen ist die Hochzeit des Kaisers. Falls es Euch wider erwarten möglich sein sollte, daran teilzunehmen, solltest Ihr Euch bei Gelegenheit eine andere Garderobe und eine modischere Frisur zulegen."

Bevor sie etwas erwidern konnte, hatte er sich mit einem Nicken an Romina und Zaida umgewandt und auf den Weg gemacht, sich von Krähenfreund zu verabschieden. Wenn dieser nicht noch immer die Augen geschlossen gehabt hätte, hätte er auf dem Antlitz des Thangolforsters ein breites Grinsen sehen können.


Autor: von Scheffelstein

Richeza klappte der Mund auf – und wieder zu, als der Thangolforster und die anderen sich dem Alten zuwandten. Ihre Tante hatte recht: Der Yaquirtaler war ein arroganter Geck! Einige wilde Herzschläge lang verschlug der Ärger ihr die Sprache. Dann rief sie ihm nach:

"Ihr habt ganz recht, Dom Gendahar, ich habe den guten Geschmack Eurer Familia und ihrer aktuellen Begleiter nicht ganz getroffen. Aber seid unbesorgt, ich werde Euch auf der Hochzeit nicht mit meiner Anwesenheit beschämen: Es gibt noch Leute in diesem Land, die es wider die Heiden verteidigen, statt ihnen Tür und Tor nach Almada zu öffnen oder sich gar mit ihnen zu vermählen!"


Autor: Romina Alba

Die Comtessa hatte sich wieder umgewandt, ihr kühler Blick war warm geworden und sie hatte das Lächeln Richeza erfreut erwidert. Doch bevor sie etwas sagen konnte, hatte ihr Onkel sich schon geäußert und das erwähnt, was sie erfolgreich verdrängt hatte. Die Hochzeit des Kaisers. Sie wurde bleich und rechnete nach, wie lange war sie in Gefangenschaft gewesen. Irgendwie hatte sie das Gefühl für die Zeit verloren. Sie war mit dem Orden gen Osten geritten, um diese Hochzeit zu umgehen. Die Hochzeit, die sie und Almada nur demütigen würden. Und jetzt war dieses verfluchte Fest immer noch nicht vorüber. Gehetzt sah sie sich um und hatte es mit einem Male gar nicht mehr so eilig.

"Onkel, vielleicht hat die kleine Zaida recht und wir sollten um des jungen Praiodors Willen doch noch bis Grezzado zusammenbleiben." Sie sah zu Richeza und nagte an der Unterlippe. "Welchen Tag haben wir eigendlich?"


Autor: Ancuiras

Der Thangolforster wandte sich um. Die Entschlussfreudigkeit schienen sie allesamt in den Bergen zurück gelassen zu haben, aber das betraf ihn selbst ebenso. Aber die Gründe, sich von den da Vanyas zu trennen, schienen mit einem Mal unwichtig, aus dem Zorn heraus geboren. Sicherer war die gemeinsame Weiterreise allemal, bei den allenthalben lauernden Gefahren. Er hob beschwörend die Hände. "Meinethalben, mir soll es recht sein, Praiodor zuliebe. Ich füge mich dem Votum der Jugend!" Er verneigte sich vor Zaida und Romina. "Warten wir gemeinsam auf Domna Rifadas Rückkehr ... wenn Ihr uns noch hier aushalten wollt, Domna Richeza. Denn wir Ihr seht", fügte er mit einer ausladenden Geste auf seine verdreckte und mit Blutresten besudelte Kleidung hinzu, "entsprechen wir selbst nur ungenügend der höfischen Kleiderordnung!"

Sein Blick wurde ernster. "Was die Vermählung angeht, so glaubt mir, gab es nur wenige, die weniger glücklich darüber waren als mein Herr Vater ..." Mehr musste er nicht sagen, denn Rominas gequälter Gesichtsausdruck sprach Bände. Nach dem Willen der Streitzigs hätte sie es sein sollen, die den Kaiser ehelichte, keine heidnische Wüstentochter. Vater hatte sich schon vor Jahren darum bemüht, eine Verlobung seiner jüngsten Enkelin mit dem Prinzen und später dem Großfürsten zu arrangieren, doch daraus war nie etwas geworden. Romina musste dies als große Demütigung erlebt haben, doch hier ging es ausschließlich um Politik. Gendahar war indes nicht allzu traurig gewesen, dass Romina nicht mit dem Kaiser vermählt wurde. Allzu düster hatte sich sein Charakter in den letzten Jahren entwickelt - kein Wunder bei einem, der aus dem Totenreich zurückgekehrt war, aber auch kein passender Gemahl für die lebensfrohe Romina. Vater hatte seine Enttäuschung im Kreis der Familie nicht verborgen, seine Loyalität zum Kaiser, dem Auserwählten, schien davon jedoch unerschüttert.

"Welchen Tag wir haben?", besann er sich der letzten Frage seiner Nichte. "Keine Ahnung. Haben wir schon den Rondramond?"


Autor: von Scheffelstein

Richeza quittierte die Entschlussfreudigkeit der Streitzigs und auch die Worte des Thangolsforsters mit einer hochgezogenen Augenbraue.

"Wie es aussieht", sagte sie zu Moritatio, aber laut genug, dass auch die anderen sie hören konnten, "ist unsere Anziehungskraft so groß, Vetter, dass selbst unsere unstandesgemäße Kleidung über unser vornehmes Erbe nicht hinwegtäuschen kann und man bevorzugt unsere Gesellschaft sucht."

Doch Moritatio schien den Spott in ihrer Stimme nicht zu bemerken, vielmehr schien er hoch erfreut, dass die Comtessa nun doch noch nicht abreiste. Unwillkürlich musste Richeza an eine Canzone denken, die sie vor der Landständeversammlung in Punin gehört hatte:

Liebste, gebt mir zu versteh'n:
Soll ich bleiben oder geh'n?
Sagt mir, bleiben wir zu zweit,
Bis ans Ende aller Zeit?
Gebt mir bitte zu versteh'n:
Soll ich bleiben oder geh'n?

Richeza runzelte die Stirn und wandte sich dem Streitzig zu. "Jedenfalls ist heute kein Tag, um ..." Sie bemerkte dass dieser sie musterte und senkte einen Moment lang irritiert den Blick. Als sie wieder aufsah, hatte sie vergessen, was sie hatte sagen wollen, und es erschien ihr auch nicht mehr so wichtig. "Ich ... äm", begann sie und merkte zu ihrem Missfallen, wie sie unter seinem Blick errötete wie ein junges Mädchen.

Ärgerlich schob sie das Kinn vor. "Beten wir, dass meine Tante bald wieder da ist, sonst sind wir bis dahin verhungert. Ich jedenfalls", grummelte sie.


Autor: Romina Alba

Ihr Onkel konnte es nicht lassen. Romina unterdrückte den Wunsch, mit den Augen zu rollen, konnte aber nicht verhindern, dass sich ein verstohlenes Lächeln auf ihre Lippen stahl, als der schöne Gendahar für seine Anzüglichkeiten nur spröden Spott erntete. Sie hatte Frauen, die ihm oder dem Vivar widerstanden, schon immer bewundert. Und sie wusste genau, dass die ebenso mit rahjanischer Schönheit ausgestattete Domna Richeza zu eben jenen Frauen gehörte. Bisher hatte sie noch gedacht, Domna Richeza wäre vielleicht gar nicht an Männern interessiert, doch ihre Reaktion gerade belehrte sie eines Besseren. Umso köstlicher war ihre Standfestigkeit und verdiente jeden Respekt.

"Eure Anziehungskraft ist fürwahr sehr groß, Domna", sie konnte es nicht lassen, ein wenig Öl ins Feuer zu gießen, "ich bin mir sicher, dass Ihr selbst in dieser Aufmachung weitaus schöner als die kaiserliche Braut wärt." Sie verzog das Gesicht. "Alle Seide des dekadenten Südens wird nicht verhüllen, welcher Gesinnung die Novadi ist."

Sie drehte sich weg, das hatte sie eigentlich nicht laut sagen wollen. Ihr Blick traf den Umhang, den sie noch in der Hand hielt. Sie sah auf, fand Moritatio und lächelte ertappt.

"Verzeiht, edler Junker, ich wollte unsere zukünftige Kaiserin nicht beleidigen. Wollt Ihr Euren Umhang zurück?"


Autor: von Scheffelstein

"Nichts weniger als das, Domnatella", kam Richeza einer Antwort ihres Vetters zuvor. "Denn bislang habt Ihr weder angemessenere Garderobe gefunden, noch seid Ihr bereits am Hofe Eures Vaters eingeritten." Und die Verehrung, die Euch mein Vetter entgegen bringt, ist im letzten Wasserlauf auch nicht gerade weniger geworden, dachte sie bissig, doch dann schämte sie sich. Da war seine Mutter gerade mal ein paar Stunden fort, schon sprach eine andere Frau an seiner Statt.

Abrupt drehte sie sich weg, schob Praiodor von ihrem Bein, das bereits eingeschlafen war, und lehnte sich zurück an die Felswand. Seltsam, da waren sie zum ersten Mal seit Tagen weitgehend in Sicherheit, ohne ein Zeichen von Ferkinas, wilden Tieren oder übelmeinenden Zauberern in der Nähe, sie hatte Praiodor gefunden, und es schien zumindest, als würde er die nächsten Tage noch erleben, und doch wünschte sie sich nichts sehnlicher, als dass ihre Tante bald zurückkehrte, nein, jetzt, in diesem Augenblick, als auch der Streitzig sich im Gras niederließ. Auf einmal war ihr sehr bewusst, mit nichts als einer Decke bekleidet zu sein, und sie hätte einiges um die Seide des dekadenten Südens gegeben. Nein, mehr noch um ihre alte, zerschlissene Reisekleidung, die ihrer Tante so unstandesgemäß erschienen war.

Angestrengt zupfte sie einige Blätter aus Praiodors Haar und lauschte, ob sie nicht irgendwo die laute Stimme Domna Rifadas vernahm oder das Bellen des Hundes, der ihr gefolgt war.


Autor: Ancuiras

"Dass eine solche Schönheit soviel Streit und Zorn hervorbringen kann." Der Streitzig streckte seine Beine aus und lehnte sich zurück. "Erstaunlich, meint Ihr nicht?" Er versuchte, Domna Richezas Augen ausfindig zu machen, aber sie wich seinem Blick aus. Konnte es sein, dass sie mit einem Mal schüchtern geworden war? Er zeigte auf die Bergkuppen hinter ihnen und die teils bewaldeten, teil felsigen Hänge unter ihnen. "Man sieht es der Landschaft nicht an, welch' mörderisches, wildes Gesindel es beiheimatet."

Er schüttelte den Kopf und seufzte, als habe er nur zu sich selbst gesprochen. "Gebt mir den Jungen eine Weile, er wird Euch sicher schwer, nach all der Zeit." Er beugte sich über die Domna und griff nach dem schlafenden Jungen. Seine Hand streifte kaum merklich die Decke über ihrem Bein, bevor er den Jungen zu sicher herüber hob und ihn in seinen Armen bettete. "Lasst uns ausruhen, dann können wir nachher noch etwas Wurzeln und Beeren sammeln, und vielleicht fängt Golshan noch ein Karnickel, bevor Eure Tante zurückkommt."

Er lehnte sich ebenfalls zurück an den Felsen und schloss die Augen.


Autor: von Scheffelstein

Kurz kräuselte sich Richezas Stirn, als sie sich fragte, ob das 'mörderische Gesindel' schon wieder eine seiner frechen Bemerkungen war oder ob er das Thema gewechselt hatte. Gerade war sie zu dem Schluss gekommen, dass sie die Worte als Frechheit betrachten musste, und wollte etwas Bissiges erwidern, als ihr ein neuer Gedanke kam: Er provozierte sie mit Absicht! Und dass er sich so unverschämt nah heran gesetzt hatte, lag auch nicht daran, dass die Wiese zu klein war! Und Praiodor – Götter, er interessierte sich bestimmt nicht im Mindesten für Praiodor, auch wenn der zehnmal sein Neffe war, der Junge hatte doch ganz friedlich im Gras gelegen und musste nicht gehalten werden wie ein Säugling!

Richeza warf dem Mann einen misstrauischen Seitenblick zu, doch er hatte die Augen geschlossen und tat ganz unschuldig, ein kaum merkliches Lächeln auf den Lippen. 'Er genießt nur die Sonne', dachte sie.

'Ja, gewiss, die Sonne: Wie dumm bist du eigentlich, Richeza?'

Die Worte ihrer Tante kamen ihr in den Sinn. Ich fürchte, Du hast eine zu romantische Vorstellung von den Männern, mein Kind. Sie tun grundsätzlich niemals etwas ohne Hintergedanken.

Die entscheidende Frage war nur: Was waren die Hintergedanken? War das alles nur ein amüsanter Zeitvertreib für ihn oder konnte es sein, dass ...

Nein, verdammt! Die entscheidende Frage war: Warum stellte sie sich so dämliche Fragen?

Kurz war es Richeza, als habe der alte Tsacharias, der in einiger Entfernung auf einem Stein saß, ein Auge geöffnet und zwinkere zu ihr herüber. Oh, er hatte das alles eingefädelt! Ganz sicher!

Richeza schlang die Arme um die Beine und legte den Kopf auf die Knie. Sie würde einfach schlafen, bis ihre Tante zurückkehrte. 'Wo steckt Ihr überhaupt so lange, wenn man Euch braucht?', dachte sie misslaunig. Dann kam ihr ein neuer Gedanke: Was würde ihre Tante denken, wenn sie jetzt zurückkäme, und ihr Sohn machte der Comtessa schöne Augen und sie selbst säße keine Armeslänge von dem Streitzig entfernt, obwohl sie überall sonst auf der Wiese sitzen könnte? Bestimmt würde sie das Falsche denken!

'Allerdings: Ich saß zuerst hier!', dachte Richeza.

Und während sie noch grübelte, entspannte sie sich allmählich, und ihr Atem ging ruhiger, und die Müdigkeit hüllte sie ein wie ein warmer Mantel.


Autor: SteveT

"Rahja bewahre!", wehrte Moritatio leicht errötend seinen Umhang ab, den die schöne blonde Comtessa ihm zurückgeben wollte. "Ich hätte ohnehin bereits vor ein paar Tagen wieder meinen Garnisonsdienst in Punin antreten müssen. Mein Colonello Filippo di Lacara wird mir so oder so den Kopf herunterreißen und das versammelte Banner damit Imman spielen lassen - ob ich nun auch noch ohne mein Cape zurückkehre, spielt da wirklich keine Rolle mehr."

Mit etwas Befremden registrierte er danach das für ihn verwirrende Zwiegespräch zwischen dem Streitziger und seiner angebeteten Base. Machte ihr der viel ältere Yaquirtaler Gockel etwa den Hof und neckte sie deshalb? Aber nicht in seiner Gegenwart! Ein Yaquirtaler in der Familia war sowieso undenkbar - noch dazu als Galan seiner Richeza - doppelt unmöglich!

Moritatio setzte sich so dicht neben Richeza ins Gras, wie es gerade noch schicklich war und lehnte sich ebenfalls zurück, als ob er gerade jetzt ganz dringend ausruhen müsse - seine langen Beine dabei wie eine Barriere zwischen seiner Base und dem Thangolforster ausstreckend.


Autor: Ancuiras

Der Thangolforster spürte, wie Domna Richeza ob seiner Nähe etwas unruhig wurde. Mehr hatte er nicht bezweckt - erst einmal ... Wobei er offenbar nicht so dezent war, wie angenommen, stellte er fest, als sich Dom Moritatio zwischen sie drängte. Gendahar verkniff sich ein Grinsen. War das nur der familiäre Beschützerinstinkt oder Konkurrenzverhalten? So oder so, da musste der Junge früher aufstehen. Gendahar zeigte keinerlei Reaktion, sondern lenkte seine Gedanken darauf, was er zurück in Punin tun würde: Das nächste Immanspiel, vielleicht ein neues Pferd? An den bevorstehenden Feldzug gegen Ferkinas und Oger wollte er nicht denken.

Erst einmal mussten sie aus den Bergen raus. Jetzt aber konnten sie nur warten, bis Rifada zurück war.


Autor: Simanca

Verwundert beobachtete Zaida nicht nur Moritatios Verhalten. Schmollend verfolgte sie, wie dieser sich ganz der Verteidigung seiner Base gegen Dom Gendahar verschrieb und ihr keine Aufmerksamkeit mehr widmete. Bah, Männer!

Mit einem Augenrollen wandte sie den beiden Kampfhähnen den Rücken zu und zwinkerte dafür Tsacharias zu. Immer wenn sie den alten Mann ansah, wurde ihr gleich leichter ums Herz und sie verspürte gar keine Lust mehr, noch weiter sauer zu sein.

Nachdenklich bückte sie sich und zupfte einen Grashalm aus dem Boden, um ihn sich zwischen die Lippen zu klemmen. Dann richtete sie sich wieder auf und sah sich ein wenig um. Den Blick zurück den Weg entlang, den sie gekommen waren. Dann ihren Lagerplatz genauer inspizierend. Mit flauem Gefühl im Magen trat sie schließlich an Domna Romina heran, die einzige hier neben Tsacharias, die nicht gerade 'anderweitig' beschäftigt war.

"Domna?", zupfte sie die Ehrensteinerin vorsichtig am Ärmel, "ich will ja nicht unken, aber ... sollten wir uns während wir auf die Rückkehr der ... ähm, Domna Rifada warten, nicht vielleicht einen etwas weniger einsichtigen Lagerplatz suchen?"

Sie deutete nervös in Richtung Gebirge, aus dem man gerade kam und wo sich immer noch die Wilden herumtrieben - ihnen womöglich dicht auf den Fersen. Sicher hatte sich Domna Romina gerade ähnliche Gedanken gemacht, überlegte sie.

"Ich könnte schauen, ob ich etwas Geeignetes finde?"


Autor: Romina Alba

Romina musste lächeln. Die junge Waldwachterin war wirklich engagiert und versuchte mitzudenken.

"Der Alte weiß, was er tut. Er hat uns hierhergeführt und zum Lagern aufgefordert. Der Platz hier ist nur von oberhalb des Weges, den wir gekommen sind, einsichtig. Um uns herum sind die Berge nicht begehbar, selbst eine Bergziege würde abstürzen." Sie deutete auf die seitlichen, steilen Hänge. "Und wenn Fekinas auf dem Weg auftauchen sollten, sehen wir sie, bevor sie uns sehen. Schau, wenn du genau hinschaust, siehst du oben unterhalb dieses hellen Felsens die Stelle, wo wir aus dem Berg kamen. Golshan und auch Tsacharias schauen immer wieder dahin. Wenn dort Fekinas auftauchen, bemerken wir die Bewegung, aber sie sind zu weit weg, um uns hier zu sehen." Sie legte dem Mädchen eine Hand auf die Schulter. "Wir sind hier so sicher, wie lange nicht mehr. Ruh' dich ein wenig aus, Zaida." Ihr Blick glitt unwillkürlich wieder zu der Stelle am Berg. "Bald sind wir in der Ebene, und das hier ist dann nur noch ein blasser Albtraum." Sie ließ sich ebenfalls auf der Wiese nieder und bedeutete dem jungen Wirbelwind, sich neben sie zu setzen.

Zaida ließ sich beruhigt neben der Comtessa nieder und begann ihr halblaut alle möglichen Fragen über den Raschtulswall zu stellen. Amüsiert ließ die Grafentochter sich anstecken, und bald waren die beiden jungen Frauen flüsternd in ein angeregtes Gespräch vertieft.


Autor: SteveT

Die kräftigen Rösser der beiden Amazonen waren es gewohnt, steil bergan zu gehen - lag doch auch die Keshal Rondra hoch inmitten des mächtigen Gebirgssockels des Raschtulswalls unweit der Porta Magra. Aber nach zwei Tagen im Flachland der Elentinischen Ebene waren die Tiere sichtlich nicht begeistert, wieder in nahrungsarme Hochgebirgsregionen hinaufzusteigen und - wenn sie ehrlich zu sich selbst waren - ihren beiden Reiterinnen ging es ähnlich.

Jelissa Al'Abastra und Gujadanya da Vanya waren dem wilden Söldlingsterzio, das das Junkergut von Alina niedergebrannt hatte und danach den Ort gegen den Angriff der Bân Gassârah verteidigt hatte, bis hinauf nach Grezzano gefolgt, wo Gujadanya das letzte Mal als dreizehnjähriges Mädchen gewesen war. Seither hatte sich der Ort drastisch verändert - es war zu einem Geisterdorf verkommen, wo nicht einmal mehr Sträflinge lebten. Nur einige Leichen hatten sie dort gefunden. Aber immerhin wussten die beiden nun, dass Rifada lebte und allem Anschein nach aus Praiosmins Kerkerhaft entkommen war. Zwei armselige Straßenräuber, die vor ihnen am Wegkreuz von Orvitello Reißaus genommen hatten, gestanden später kleinlaut, unlängst von einer einzelnen Frau zusammengeschlagen und selbst ausgeraubts worden zu sein, und wenig später schien es auf der Straße nach Selaque, unweit der Stelle, wo sie sich nun befanden, zu einem Überfall auf Praiosmins Eskorte gekommen zu sein, wo ein einzelner Reiter (oder vielleicht vielmehr eine Reiterin?) das dutzendköpfige Geleit der Reichsvogtin angegriffen habe. All dies hörte sich mehr als deutlich nach Rifada an und Jelissa und Gujadanya sorgten sich, dass sich diese im Alleingang zu noch gewagteren Aktionen hinreißen lassen würde, wenn sie sie nicht bald fanden und ihr als Verstärkung zu einem bedächtigeren Vorgehen raten konnten.

Jelissa kaute an einem Streifen Trockenfleisch, das die Achmad'sunni auf Kriegszügen in ihren Satteltaschen als Proviant mit sich führten, Gujadanya nahm mit entschuldigendem Blick für einen Moment den roßschweifgeschmückten Helm ab, um sich ihre dicken schwarzen Haare während des Reitens zu einem Zopf zu flechten - immerhin hatten sie beide seit drei Tagen keinen Kamm mehr gesehen.

"Hier geht es nur immer weiter ins Gebirge hinauf. Wenn es wirklich deine Mutter war, die das Signalfeuer auf dem Djer Kalkarif entzündet hat," führte die erfahrene Jelissa aus, "dann bestünde die Möglichkeit, daß sie auf diesem Weg hier wieder herunterkommt. Aber andererseits glaube ich nicht, dass Rifada ihre Dominie und ihr Castillo in Zeiten wie diesen verlassen würde. Kann sie vielleicht deinen Bruder oder deinen Vater auf den Kalkarif geschickt haben?"

Gujadanya lachte prustend los: "Bist du unter die Possenreißerinnen gegangen? Mein Bruder ist so jämmrlich, der würde vom erstbesten Ferkinakind mit einem Stein totgeworfen werden, wenn er auch nur einen Fuß ins Gebirge setzt. Und von meinem Vater wollen wir erst gar nicht anfangen." Sie schmunzelte. "Der besucht nicht einmal mehr seinen Bruder, meinen Onkel in Schlehen, weil er die Reise durch den Ragatischen Kessel für zu gefährlich hält."

Jelissa runzelte die Stirne: "Was soll daran groß gefährlich sein?"

Gujadanya zuckte mit den Achseln: "Vielleicht sind ihm die Lande der Harmamunds zu nah - sie sind uns nicht wohlgesonnen, weißt du? Dabei haben wir selbst eine Burg in Ragatien - Quazzano, ein wirklich schönes Gemäuer!"

"Schtt - Still!", beendete Jelissa mit einer raschen mahnenden Handbewegung ihre Plauderlaune. Die beiden Amazonen spähten nach vorne, wo sich der Weg über ein steiniges Plateau führte, auf dem recht hohes Gras wuchs.

Auf dem Plateau lagerten Menschen - allem Anschein nach keine Ferkinas, sondern Mittelländer - wobei ... nicht bei allen traf dies zu.

Die beiden Achmad'sunni hielten ihre Pferde geräuschlos an und glitten aus den Sätteln. Gujadanya zog sofort einen Pfeil aus dem Köcher und legte ihn in ihren Kompositbogen ein. Jelissa Al'Abastra dagegen zog nur ihren Krummdolch aus dem Gürtel.

Leise schlichen sie näher an die Gruppe heran, die zu schlafen schien.

Bein an Bein lagen zwei Männer schlummernd im hohen Gras - der eine schwarzhaarig, der andere mit langen blonden Locken. Hinter den beiden saß vornübergebeugt eine kleine schwarzhaarige Frau, mit nichts als einer schmutzigen Lumpendecke bekleidet. Etwas abseits von diesen drei saßen zwei junge Frauen in Ferkinakleidern auf der Wiese, eine davon strohblond, die andere - zweifellos eine reinblütige Ferkina - sah plötzlich erschrocken auf und starrte Gujadanya und Jelissa mit schreckgeweiteten Augen an. Aus dem Gebüsch entlang der steilen Felswände kam soeben ein weiteres Mädchen, noch jünger als die beiden, mit zerschlissener Kleidung, die eine Handvoll Pilze vor sich her trug.

Jelissa nickte Gujadanya zu und machte drei schnelle Schritte auf die Ferkina zu. Gujadanya schwenkte den Bogen zwischen dem jungen Mädchen und der Ferkina hin und her - behielt aber auch das übrige Gelichter im Auge.

"Was zur Hölle sucht ihr hier oben, elendes Gesindel?", rief sie laut. "Habt ihr geplündert, drunten in Selaque? Oder seid ihr vielleicht dreckige Verräter, die den Blutsäufern Kunde bringen? Los, los, los Dreckspack - hoch mit euch!"


Autor: Romina Alba

Romina sah Golshan erstarren, erblickte die beiden Frauen und sprang auf. Ein schneller Schritt brachte sie zwischen die Pfeilspitze und die Ferkina. Sie strich sich das Haar zurück, richtete sich stolz auf und verzog keine Miene.

"Die Leuin zum Gruße, Achmad'sunni", sprach sie in gutem Tulamidisch, wie sie es am Hof von Shahane al Kasim gelernt hatte. "Ich bin Romina Alba von Ehrenstein und Streitzig und dort drüben sitzt Richeza von Scheffelstein und da Vanya, wir sind beide den Ferkinas entkommen und sind jetzt auf dem Weg zurück zu unserem Heim. Was treibt zwei Kriegerinnen der Rondra in dieses entlegene Gegend? Und ... habt Ihr Truppen gesehen? Oder Ferkinas?"

Die Grafentochter wirkte ungerührt, die schmutzstarrenden Lumpen schienen ihr nichts auszumachen. Sie hatte unzählige Kratzer im Gesicht, Arme und Beine zierten blaue Flecken, ihr Oberarm war verbunden, doch sie stand in der Grundhaltung einer Kämpferin da und schaute entlang des Pfeils direkt in die Augen Gujadanyas.


Autor: Simanca

Zaidas Augen wurden groß und noch größer, als sie erst die beiden kämpferisch gewandeten Frauen auf den Lagerplatz stürmen sah - ganz offenbar Amazonen und irgendwie erinnerte sie das Verhalten verdächtig an das der Furie von der da Vanyarin - und dann, als man sie jetzt auch noch so garstig und zwölfgötterungefällig ansprach. Wütend presste sie die Lippen zusammen und warf den beiden Frauen einen wilden Blick zu - und fast noch die Pilze hinterher. Zu schade, dass sie keine giftigen Krötenschemel oder dergleichen gesammelt hatte, die hätte sie den beiden gerne als Erwiderung zu schlucken gegeben.

Rasch ließ sie die Pilze fallen und bezog hinter Domna Romina und neben Golshan Aufstellung. Nur mit Mühe gelang es ihr, sich auf die vorlaute Zunge zu beißen. Aber da sie kaum ein Wort von dem verstand, was die Comtessa sagte, wollte sie ihr auch nicht mit einer unpassenden Bemerkung in den Rücken fallen. Sie sollte das nächste mal beim Unterricht in der tulamidischen Sprache wohl doch besser aufpassen. Und was für ein ungewöhnlicher Ort für solch eine Erkenntnis!


Autor: SteveT

Die beiden Amazonen tauschten kurz einen irritierten Blick. Gujadanya wechselte ebenfalls ins Tulamidische, wenngleich es ihr verdächtig vorkam, dass sie eine angebliche von Ehrenstein und Streitzig in dieser Sprache anredete, und wandte sich direkt an Romina, ohne den Pfeil sinken zu lassen: "Du lügst! Und das auch noch schlecht! Wenn du tatsächlich eine Angehörige jenes Hauses wärst, dem ja auch der unrechtmäßige Graf von Ragath entstammt, dann würdest du wohl kaum Ferkinalumpen tragen und noch dazu in der Gesellschaft von drei Wilden reisen! Und von einer Richeza da Vanya habe ich meinen Lebtag noch nicht gehört, obwohl ich deren angebliche Familia sehr gut kenne! Also? Wer seid ihr wirklich? Lügst du mich ein zweites Mal an, hast du einen Pfeil zwischen den Brüsten! Und ja - wir sind mit Truppen da! Nicht weit von hier lagert unser mächtiger Heerbann! Groß genug, um euren götterlosen Ferkinafreuden mit Anlauf in den Arsch zu treten!"


Autor: von Scheffelstein

Rufe weckten Richeza. Befremdet stellte sie fest, dass ihr Kopf an der Brust eines Mannes lehnte, der in merkwürdig schiefer Haltung im Gras neben ihr ausgestreckt lag. Stirnrunzelnd richtete sie sich ins Sitzen auf. Es war Moritatio. Er musste sich neben sie gesetzt haben, während sie schlief und war nun an der Wand heruntergerutscht. Auf seiner anderen Seite saß der Streitzig, den Jungen auf dem Schoß, die Augen geschlossen.

Richeza blieb keine Zeit, sich zu wundern, warum Moritatio sich ganz offenbar zwischen sie gezwängt hatte, denn nun bemerkte sie die Frauen auf der Lichtung: Zwei Amazonen, die die Comtessa mit Dolch und Pfeil bedrohten. Sofort war sie hellwach.

"Ho!", rief sie und sprang auf. Mit beschwichtigend erhobenen Händen stapfte sie durch das Gras, bemerkte dass die Frauen Tulamidya sprachen, und sprach die beiden Fremden daher genauso an.

"Rondra mit Euch, Töchter der Rache!", sagte sie in akzentfreiem Hochtulamidya mit leichtem Fasarer Einschlag. Sie machte eine kurze Pause, während sie langsam näher kam und die beiden musterte. Die Jüngere kam ihr vage bekannt vor, sie konnte sich aber nicht entsinnen, wo sie sie schon einmal gesehen hatte. An sich hatte sie mit Achmad'sunni nichts zu schaffen.

Ob man das Feuer auf dem Djer Kalkarif doch gesehen hatte und die Amazonen ihrer Tante zu Hilfe eilten, wie diese es erhofft hatte? Nein, dachte Richeza resigniert. Selbst, falls sie das Feuer an der richtigen Stelle entzündet hatte und falls es von der Keshal Rondra aus zu sehen gewesen war in jener verschneiten Nacht, hätten die Amazonen wohl mindestens ein Dutzend Reiterinnen geschickt und nicht zwei einsame Frauen, was wären diese schon für eine Hilfe? Es mussten Patrouillenreiterinnen sein. Aber vielleicht kannten sie ihre Tante.

"Ihr kommt uns gerade recht! Wir können Eure Hilfe gut gebrauchen", sagte sie trotzdem. "Es wimmelt von Ferkinas in dieser Gegend. Vielleicht hättet Ihr die Güte, mit uns zu warten, bis die Herrin dieses Landes zurück ist."

Sie blickte nach Westen, wo die Sonne tief hinter die Bäume gesunken war und wieder zu den beiden Frauen.


Autor: Ancuiras

Auch der Streitzig war aufgestanden, hatte jedoch außer einem recht rüden Wortwechsel wenig mitbekommen. Er war durch die Rufe geweckt worden und hatte einige Schritt entfernt gelegen. Zudem konnte sein Tulamidya nicht an das Rominas oder gar Richezas heran reichen. Mit Amazonen zu sprechen, um die es sich allem Anschein nach handelte, überließ man ohnehin eher Angehörigen desselben Geschlechts, vermutete er. Er begab sich zu der Gruppe und stellte sich demonstrativ gelassen neben Romina. Sie war alt und erfahren genug, ihre eigene Frau zu stehen.


Autor: Romina Alba

Romina kam einige Schritte nach vorn, bis der Pfeil fast ihre Brüste berührte. Sie zog die Lippen hoch und bleckte die Zähne.

"Weder ist mein Vater unrechtmässig der Graf von Ragath, noch lüge ich," presste sie zwischen den Zähnen hervor, "Rondra ist mein Zeuge, ich bin Romina von Ehrenstein und Streitzig, ehemals Knappin von Shahane Al'Kasim, entführt von den Ferkinas, denen ich dank der Götter Hilfe entkommen bin. Wenn du mein Wort nochmal in Frage stellst, Kriegerin, können wir das gerne mit der Waffe in der Hand regeln."


Autor: SteveT

Gujadanya senkte ihren Bogen und ließ die Sehne los. Der Pfeil schlug wenige Finger vor Rominas fellumwickelten Füßen federnd im Boden ein.

"Jederzeit, Goldköpfchen!", antwortete sie giftig - diesmal jedoch auf Almadanisch mit unverkennbarem bosquirischem Dialekt. "Wenn dein Vater der Graf von Ragath ist, wie du behauptest, dann frage ich mich, warum du eine andere Sprache sprichst und die Kleidung einer Ferkina trägst. Ich sehe keinen Ring, kein Schwert, kein Medaillon, kein gar nichts an dir, was dich als Tochter aus fremdländischem Adelshause ausweisen würde. Also stell' meinen Langmut besser nicht auf die Probe, denn ich kann auch ungemütlich werden!" Sie tippte vielsagend auf den Griff ihres Reitersäbels.

"Sei einen Moment still, Schwester", fasste sie Jelissa Al'Abastra am Arm und blickte dann zu Richeza. Da sie gebürtig aus einem Edlenhaus der untergegangenen Reichsmark Amhallass stammte, fiel es ihr nicht schwer, der Scheffelsteinerin auch auf Hochtulamidya zu antworten: "Wir suchen selbst nach der Herrin dieses Landes! Wenn Ihr sie kennt, wie Ihr vorgebt, so werdet Ihr uns sicher glaubhaft erklären können, warum Ihr erwartet, sie ausgerechnet hier oben zu treffen?"

Da sich Richeza erhoben hatte, die ihm bis dahin ungefragt als Kopfstützte gedient hatte, war Moritatio gegen die harte Felswand zur Seite gekippt und erwachte nun unsanft aus einem wirren Traum. Stimmengewirr! Mit wem redeten die anderen denn da? Die beiden Stimmen, eine hitzig, eine ganz ruhig, die auf seine Begleiter einredeten, kamen ihm sonderbarer Weise vertraut vor. Er schüttelte sich und hob blinzelnd den Kopf aus dem tiefen Gras. Schlagartig war er hellwach und riss die Augen auf. "Guja? Wo um alles in Almada kommst du denn her? Und auch noch Ihr, Muhme Jelissa?"

Die helmgeschützten Köpfe der beiden Achmad'sunni fuhren ruckartig herum. "Mo?", stammelte die jüngere Amazone verdutzt. "Wieso bist du nicht in Punin? Und was hast du mit solchen Leuten zu schaffen?"


Autor: von Scheffelstein

Richeza wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als Moritatio sich aus dem Hintergrund einmischte. Plötzlich breitete sich ein breites Grinsen auf ihrem Gesicht aus. "Bei meiner Seele, natürlich!", rief sie lachend aus. "Ihr ... du musst Gujadanya da Vanya sein", wandte sie sich auf Garethi an die jüngere Amazone. Ja, wahrlich, sie hatte wirklich etwas von ihrer Mutter, wenn ihr Gesicht auch noch nicht vom Leben gezeichnet war und weichere Züge aufwies und sie, kräftig wie sie schien, doch weit weniger Muskeln hatte als Domna Rifada.

"Sehr schön", sagte sie grinsend und musterte die junge Frau einen Moment lang neugierig. Kein Wunder, dass sie nicht auf den Gedanken gekommen war, es mit ihrer Base zu tun zu haben: Hatte ihre Tante nicht behauptet, Gujadanya sei etwa so groß wie Richeza selbst? Dabei überragte die junge Amazone sie um Haupteslänge. Rifada schien ihre Tochter wohl schon eine Weile nicht mehr gesehen zu haben. "Das wird ja immer besser. Deine Mutter wird sich freuen, dich zu sehen. Ich bin Richeza, deiner Mutter Schwester Tochter."

Alsdann wandte sie sich an die ältere Amazone und wechselte wieder ins Tulamidische. "Um Eure Frage zu beantworten: Ja, ich kenne die Herrin dieses Landes, so Ihr Domna Rifada da Vanya meint, von der ist spreche. Sie ist meine Tante. Ich bin Richeza von Scheffelstein und da Vanya. Diese dort sind Domnatella Romina von Ehrenstein-Streitzig und ihr Oheim Gendahar von Streitzig. Meinen Vetter Moritatio scheint Ihr zu kennen. Wir erwarten Domna Rifada tatsächlich bald zurück. Mein Vetter ... ahem ... mein anderer Vetter ...", sie wies auf Praiodor, der schläfrig zu ihnen herübersah, "ist sehr krank. Meine Tante ist vorgegangen, um Hilfe zu holen. Wir haben einige harte Tage hinter uns und könnten Eure Hilfe sehr wohl gebrauchen. Wie Ihr seht", sie seufzte und nickte an sich herunter, "befinden wir uns nicht in der wehrhaftesten Verfassung, und es sind viele Ferkinas unterwegs. Zudem hat Domna Rifada einigen Ärger mit ... uhm ... der Reichsvogtin, könnte man sagen. Sie wird erfreut sein, Euch zu sehen, wenngleich sie noch weitaus erfreuter wäre, wenn Ihr noch zwei oder drei Dutzend Eurer Leute dabei hättet, denn die Flaggen stehen auf Sturm, und wir können jedes Schwert und jeden Säbel gebrauchen, die uns wider die Wilden und wider die Männer der Vogtin unterstützen."


Autor: Ancuiras

Als Romina sich dazu genötigt sah, abermals Ihren Namen und ihre Herkunft zu benennen, war Gendahar wieder eingefallen, wie sie diesen Nachweis ohne Weiteres erbringen konnte. Seine Finger tasteten in die Hosentasche, in der er den Ring mit dem Streitzg-Wappen, den ihm Rifada in Udinias Hütte gegeben hatte, an den Faden einer losen Naht gebunden hatte. Er hatte ihn völlig vergessen, aber zum Glück war er noch dort.

Er drückte seiner Nicht ob ihrer tapferen Worte anerkennend die Schulter und hoffte, dass sie es zugleich als Zeichen verstand, es damit auf sich beruhen zu lassen. Während die Familie da Vanya ihr Wiedersehen feierte und nicht auf die Streitzigs achtete, hielt er Romina ihren Ring vor die Nase, den sie verloren hatte oder den ihr die Ferkinas offenbar zuvor abgenommen hatten. "Hier ist dein Wappenring, falls du mal jemand Wichtigerem deine Identität darlegen musst!", flüsterte er ihr ins Ohr. "Den haben die da Vanyas gefunden."


Autor: Simanca

He da, wie war das? Keiner stellte sie vor, als wäre sie eine Bauernmagd und nicht die Tochter der Caballera de las Dardas. Zaida schmollte und hockte sich beleidigt neben die noch immer wie erstarrte Golshan. Ein Blick zu ihr und sie zwinkerte der Armen aufmunternd zu.

"Ras Ragath ... keine Sorge, wir kommen schon noch an", tuschelte sie ihr leise zu. "Naja, vorausgesetzt, die können sich nochmal irgendwann einigen ...", fügte sie mehr an sich selbst gewandt hinzu. Golshan verstand wohl kein Wort von dem was gesprochen wurde.

Und das einzige was für sie selbst im Moment wichtig war: Schon wieder rauflustige Frauen, die den rechtmäßigen Anspruch der Ehrensteins auf den Ragather Grafenthron infrage stellten. Das gefiel ihr ganz und gar nicht. Wie leicht wäre es denn, die beiden Streitzigs - und nicht dass es ins Gewicht fiele: sie selbst auch - hier an den Füßen des Gebirges verschwinden zu lassen und es den Ferkinas in die Schuhe zu schieben?

Angespannt kaute sie auf ihrer Unterlippe herum. Das gefiel ihr nun ganz und gar nicht. Hätte sie nur den Mund gehalten, dann wäre man jetzt alleine unterwegs und hätte nicht wieder so amazonenhaftes Gesindel an den Hacken. Sie war auch ein wenig enttäuscht darüber, wie sich die Amazonen hier gaben. Bislang hatten diese doch neben Zahoris und Flusspiraten zu Zaidas geheimen Helden gezählt - naja, Heldinnen in diesem Falle. Aber eine unbewaffnete Frau, die allein schon ob ihrer Haarfarbe gut als Nicht-Ferkina gut zu erkennen war, einfach mit dem Bogen und Tod zu bedrohen, erschien ihr so gar nicht rondragefällig. Mit schmalen Augen verfolgte sie das weitere Gespräch und zog abwesend die Eidechse aus dem Hemd, die sie beim Pilzesuchen gefunden hatte und die ihr nun flink den Arm hinauf wuselte und in ihren wilden Locken verschwand.


Autor:' Romina Alba

Noch eine von der Sippe, das hatte ihr gerade gefehlt! Kein Wunder ... da half keine Etikette, die da Vanyas waren Rabauken, die alles, was man ihnen an Höflichkeit zuteil werden ließ, gegen einen verwendeten. Romina verzog das Gesicht und wandte sich Gendahar zu. Sie hatte nicht vor, gerade diese Amazone weiter zu reizen und nickte beruhigend. Als sie den Ring sah, atmete sie auf, nahm ihn und schloss die Faust um ihn.

"Danke, Onkel, noch etwas, was wir dieser wilden Familia verdanken." Sie seufzte und dachte an das Rossbanner, dass immer noch sorgfältig gefaltet in ihrem Brusttuch ruhte. Dort war es gut aufgehoben.

"Die Kriegerin sprach von einem Heer, ich hoffe, wenn es Amazonen sind, ist wenigstens eine dabei, die ich noch aus der Knappenzeit kenne." Sie verzog den schönen Mund, ein deutliches Zeichen, dass das hier alles langsam an ihrem Stolz kratzte.

"Na, wir werden sehen, kommt Ihr Onkel, die Familienzusammenführung wird wohl noch etwas dauern." Sie ging zu Zaida und Golshan zurück und ließ sich neben beiden nieder.


Autor: SteveT

"Meine Base?", wiederholte Gujadanya ungläubig Richezas Worte und schnickte sich kopfschüttelnd eine schwarze Haarsträhne aus dem Gesicht. Anklagend blickte sie zu ihrem Bruder hinüber und wank diesem, endlich näher zu kommen.

"Mo, vielleicht sagst du deiner neuen Busenfreundin hier, dass wir gar keine Base haben? Jetzt bricht das ganze Lügengebilde endgültig in sich zusammen!" Sie wandte sich wieder an Richeza: "Meine Tante Madalena wurde noch vor meiner Geburt von den Sandfressern ermordet, auch ihre ganze Familie wurde damals von den Ungläubigen niedergemacht. Wie willst du da von ihr abstammen, Lügnerin? Meine Mutter sucht bis heute nach ihren Mördern!"

"Nein, nein, Guja! Sie sagt die Wahrheit!", kam Moritatio nun doch schleunigst zu ihnen herüber, bevor seine Schwester Richeza noch an die Gurgel ging - oder diese ihr. "Ich wusste bis vor zwei Wochen auch nichts von ihr, da sie droben in Kornhammer aufgewachsen ist und nur als Kind ab und an bei uns war, als wir beide noch zu klein waren, um uns an sie erinnern zu können! Sie ist bereits älter, als sie aussieht." Den letzten Satz bereute er schon, gleich nachdem er ihn gesagt hatte. Hoffentlich fasste Richeza das als Kompliment und nicht als Beleidigung auf ...

"Dein Halbbruder hat recht!", mischte sich nun auch Jelissa ein. "Rifada erwähnte damals öfters ein überlebendes Kind ihrer Schwester, als wir uns kennenlernten." Sie steckte ihren Dolch weg und nahm den Helm vom Kopf. "Mein Name ist Jelissa Al'Abastra. Schwertschwester und Seneschallin der Keshal Rondra und dies hier ist meine junge Adjutantin Gujadanya Al'Cumrat, die wir nicht ohne Grund »die Widerborstige« nennen." Sie lächelte und klopfte Gujadanya mit fast mütterlichem Stolz auf die Schulter. "Wir haben in der Tat des Nachts ein Signalfeuer auf dem Gipfel des Kalkarif gesehen - wenn auch meiner Erinnerung nach nicht auf dem richtigen Gipfel - und brachen sofort auf, da dies ein nur Eingeweihten bekanntes Fanal war, dass entweder das Castillo da Vanya oder aber das ganze Vanyadâl in Not sind. Dass wir nur zu Zweit sind, ist dem Umstand geschuldet, dass auch die Keshal Rondra von den Wilden angegriffen wird, wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Nur wegen unserer engen Verbindung zu Rifada - sie ist ihre Tochter, ich bin ihre Gefährtin vor Rondra - ließ Königin Ayshal uns beide ziehen. Ich kenne auch deine Knappenherrin", sie blickte Romina-Alba an, "außerordentlich gut, denn Shahane lebte lange Zeit auf unserer Burg und ist bis heute eine enge Vertraute der Königin."

Moritatio hörte der alten Amazone, mit der seine Mutter des öfteren in Brieftauben-Kontakt stand, verwundert zu. Hatte sie ihn gerade "Halbbruder" von Gujadanya genannt? Wahrscheinlich nur eine Verwechslung, sie war ja auch nicht mehr die Allerjüngste.

Gerade als er sie fragen wollte, wie es drunten im Lande zuging und ob es für ihn möglich wäre, mit einem schnellen Pferd unbeschadet durch Selaque und Schrotenstein hindurch bis zum Hofe nach Punin zu gelangen, fasste ihn seine Schwester am Arm und zog ihn offensichtlich für ein Gespräch unter vier Augen ein paar Schritt von den anderen fort, ohne dass sie sich zuvor bei Richeza oder der schönen Grafentochter entschuldigt hätte - aber dergleichen hätte ihn bei Gujadanya sowieso sehr gewundert.

"Sag mal, hast du den Verstand verloren, du ehrloser Trottel?", zischte sie ihm zu, kaum aus der Hörweite der anderen. "Diese Leute sind unsere Feinde! Sie haben uns den Grafenthron gestohlen! Und du reist fröhlich mit zweien von ihnen gemeinsam durch die Lande, als wäre das alles nicht der Rede wert? Täusch' ich mich oder trägt das kleine Miststück sogar deinen Umhang? Das ist doch das Hofjunker-Wappen?"

"Wie? Was? Ja! Nein!", stammelte Moritatio und schüttelte wild den Kopf. "Es ist überhaupt nicht so, wie du denkst! Man muss doch immer freundlich sein und wenigstens im Gebirge zusammenhalten. Immerhin sind wir alle Almadanis und keine Wilden!"

"Das sind keine Almadaner!", stichelte Gujadanya unerbittlich. "Das sind Auswärtige, die sich auf unserem Grund und Boden breitmachen wollen. Was sagt überhaupt unsere wiedergefundene Base dazu?"

Moritatio wurde rot. "Richeza? Wieso ... woher weißt du das mit ihr? Ach so, du meinst ... nein, nein, sie und die Comtessa können sich nicht sonderlich leiden."

Gujadanya nickte - auch wenn sie das Gestammel nicht verstanden hatte: "Vielleicht fließt ja doch das richtige Blut in ihren Adern. Mal sehen, ob auf ihre Treue mehr Verlass ist, wie auf die deinige ..." Damit wandte sie sich ab und ging wieder zu Jelissa und den anderen hinüber.

Ihre Mentorin beendete gerade ihren Bericht über das, was sie auf ihrem Weg hierher in Selaque erlebt hatten: " ... dasselbe plündernde Landsknechts-Rudel, das schon Alina niedergebrannt und sich dann dort eine Bataille mit den Wilden geliefert hat, trafen wir heute wieder - in Grezzano, einer aufgegebenen Steinbrecher-Siedlung, nicht weit von hier. Wir umgingen das Dorf aber, da unser erstes Aufeinandertreffen mit ihnen nicht allzu freundlich verlaufen war, und schlugen diesen Weg hier ein. Seltsam, dass uns Rifada nicht entgegenkam, wenn sie für Euch Hilfe zu holen gedachte. Sie muss irgendeinen anderen Weg gewählt haben ..."

"Meine Mutter weiß schon, was eine Magnatin in einem solchen Fall zu tun hat!", antwortete ihr Gujadanya darauf, obwohl sie gar nicht die Adressatin von Jelissas Ausführungen gewesen war. "Wahrscheinlich ist sie schon unterwegs zu unserem Castillo, um der verfluchten Elentinerin gehörig in die Suppe zu spucken."


Autor: von Scheffelstein

Richeza hatte der älteren Amazone mit einem Ohr zugehört, während sie gleichzeitig versuchte, dem Gespräch zwischen Moritatio und seiner Schwester zu folgen. Alina war also geplündert worden? Das waren gute Nachrichten für ihre Tante, wenngleich sie sich nicht im Entferntesten vorstellen konnte, wer dafür verantwortlich war, wo doch Rifada die letzten Tage mit ihnen in den Bergen unterwegs gewesen war. Vielleicht waren es doch eher Räuber, die auf die rechte Gelegenheit gewartet hatten. Domna Praiosmin schien der Griff um die Vogtei allmählich zu entgleiten. Nun, auch das war gut! Und was noch besser war: Die beiden waren tatsächlich aufgrund des Feuers hier, das sie auf dem Djer Kalkarif entzündet hatte. 'Rondra sei Dank!', dachte sie, von einem plötzlichen wilden Stolz erfüllt, der die seit Tagen anhaltenden Selbstvorwürfe endlich davon fegte. Die Amazonen brachten wahrlich gute Nachrichten!

Sie nickte also zu Jelissas Worten und wandte sich dann Gujadanya zu, als diese wieder zu ihnen trat. "Du hast ein freches Mundwerk, Base", sagte sie lächelnd. "Aber du hast recht: Meine Mutter starb, als ich selbst noch ein Kind war, und ich verdanke mein Leben einem Fieber, das verhinderte, dass ich meine Eltern ... und ... meinen Bruder ... auf ihrer letzten Fahrt begleitete. Meine Tante sah ich das letzte Mal, da war ich höchstens zehn Jahre alt, und Moritatio war noch nicht einmal geboren. Wie er sagte: Bis vor kurzem wusste ich kaum etwas von meiner mütterlichen Verwandtschaft und nichts von euch. In den letzten vierundzwanzig Jahren hat Eure Hohe Mutter sich in Kornhammer nicht blicken lassen, jedenfalls nicht, dass ich mich erinnern könnte, und ich selbst ... nun, habe sie wohl mit der Zeit ebenso vergessen wie unseren Onkel Lucrann, der kaum mal in Almada zu weilen scheint."

Plötzlich runzelte sie die Stirn. "Du meintest, deine Mutter wäre unterwegs zum Castillo da Vanya? Nun, nein, das ist sie nicht. Aber dann wisst ihr es schon? Dass die Elenterin es überfallen hat und uns... äh... den Besitz eurer Mutter an sich gerissen? Seht ihr: Auch dafür brauchen wir eure Hilfe."


Autor: Romina Alba

Romina sah auf, als die ältere Amazone sie ansprach. Sie nickte höflich, doch ihr Gesicht blieb verschlossen. Ihr entging auch nicht, dass die jüngere Amazone Moritatio beiseite nahm und wild auf ihn einschimpfte. Der kurze Blick, den der junge Mann in ihre Richtung warf, sprach Bände. Sie spitzte die Ohren, um mitzubekommen, was Jelissa zu erzählen hatte. Unwohl zog sie die Schultern hoch und suchte ihre paar Habseligkeiten zusammen. "Onkel, ich glaube, wir sollten unverzüglich nach Grezzano aufbrechen. Mir wäre ein Rudel Landsknechte gerade recht, sie wären für Gold zu haben und könnten uns nach Ragath zurückbringen."


Autor: von Scheffelstein

Ein Hund schoss auf die Lichtung, ein großer, grauschwarz gescheckter Hund. Kläffend sprang er an Moritatio hoch, schnüffelte an Gujadanya und der älteren Amazone, lief mit freudigem Schwanzwedeln zwischen den Menschen umher, lief dann auf Zaida zu, sprang sie an und leckte dem sitzenden Mädchen durchs Gesicht, rannte aufgeregt bellend weg, kam zurück, blieb vor Zaida stehen und bellte, wedelte wieder mit dem Schwanz, streckte sich mit erhobenem Hinterteil und weit von sich gestreckten Vorderpfoten vor ihr aus, gab ein zufriedenes Grollen von sich und bellte erneut.


Autor: Simanca

Da sah die Welt doch gleich wieder viel rosiger aus, wenn Raffzahn vor ihr lag und sich begeistert von ihr durchkraulen ließ. Die Aufregung und Freude des Hundes war ansteckend. Abgesehen davon: Raffzahn war hier und die da Vanyaerin nicht. Das machte einen mehr, der jemandem in den Hintern beißen konnte, wenn er Hand an Domna Romina oder Dom Gendahar legte. Zufrieden walkte sie dem Hund das Fell durch. "Braver Raffzahn, komm, wir sammeln die Pilze für's Essen wieder zusammen...", forderte sie den Hund auf und erhob sich. Freudig trabte ihr das Kalb von Hund nach. Während sie die Pilze wieder aufsammelte - Travia und Peraine hätten es sicher nicht gerne gesehen, wenn etwas Essbares so schnöde verkäme - hielt sie einen guten Blick auf die beiden Amazonen und was sie taten.


Autor: Ancuiras

Gendahar hatte auf Rominas Worte hin gedankenverloren genickt und hatte dann versucht, weiter dem Gespräch zwischen Richeza und den beiden Amazonen zu folgen. Die jüngere schien erstaunlicherweise ihre Verwandte zu sein - Gendahar hatte etwas wie Großschwester verstanden, aber sein tulamidisch war etwas eingerostet. Von dem Gespräch zwischen Moritatio und dieser 'Guja' verstand er nichts, doch er hegte keine Zweifel, dass es auch um ihn und Romina ging. Moritations unsichere Seitenblicke sprachen Bände.

Söldner in Grezzano? Er war sich nicht sicher, ob das gute Nachrichten waren. Besser als Ferkinas waren Soldlinge allemal. Aber nicht unbedingt viel besser. Natürlich konnten Söldner gekauft werden, doch könnte sie erst in Punin oder Ragath ausgezahlt werden. Die Mercenarios könnten auf den Gedanken verfallen, sie beide als 'Faustpfand' zu behalten, bis die Grafen von Ragath und Yaquirtal ein stattliches Lösegeld entrichteten. Und eine Geiselhaft wollte er Romina ersparen. So oder so mussten sie vorsichtig sein - doch noch länger hier allein durch die Wildnis zu irren, war auch keine Option. Möglicherweise waren es gar die Leute, die Brandil geschickt hatte.

In diesem Moment kam Tsacharias' Hund auf die Lichtung geschossen, zu Zaidas offensichtlicher Freude.

"Wo ist Eure Tante?", sprach Gendahar zu Richeza und wies auf den Hund, wie dieser mit Zaida davon trabte. Richeza schien das Tier erst jetzt zu bemerken, denn sie war noch zu sehr in ihr Gespräch vertieft gewesen. War es ein schlechtes Zeichen, dass der Hund allein zurück gekehrt war? Nun, vermutlich hatte Rifada ihn einfach nur davon gejagt, weil sie sein Kläffen nicht mehr ertragen hatte.

"Vielleicht ist der Hund nur vorgelaufen und sie kommt alsbald hinterher...", ergänzte er. "Indes würde ich sehr gern mehr herausfinden über die Soldaten, die sich in Grezzano aufhalten. Wenn sie das Gut des Junkers von Alina niedergebrannt haben, dürften sie kaum mit Praiosmin von Elenta unter einer Decke stecken, es sei denn, sie hat sich auch mit diesem überworfen. Wir werden uns daher in die Nähe des Steinbrecherdorfes begeben, um sie in Augenschein zu nehmen, bevor sie weiterziehen. Immerhin hatten wir uns dort auch mit Dom Hernán verabredet, vielleicht sind es gar seine Leute?"

Er blickte zu Moritatio, dann wieder zu Richeza. "Kommt Ihr mit oder wollt ihr auf Domna Rifada warten? Andernfalls könnten wir ihr eine Nachricht hinterlassen, wenn sie sich nicht ohnehin denkt, wohin wir gegangen sind."


Autor: von Scheffelstein

Richeza blickte zu dem Hund, der mit Zaida auf der Wiese herumtollte. Kein Zweifel, es war Raffzahn, der Hund des alten Heilers. Nur: Wo war ihre Tante?

"Wir sollten noch ein wenig warten, sie kann nicht weit sein", antwortete sie Gendahar. "Es wäre nicht richtig, jetzt zu gehen." Sie deutete auf die tiefstehende Sonne. "Es wird bald dunkel. Unmöglich, Grezzano noch im Hellen zu erreichen, wenn es zehn Meilen sind, wie der Alte sagte. Ich möchte mich ungern nachts hier im Wald verirren. Außerdem: Wo ist der Krähenfreund? Ohne ihn kann ich nicht gehen. Zumal meine Tante denken wird, wir seien zur Hütte seiner Schwester unterwegs, und wenn ich mich nicht täusche, liegt die nordwestlich von hier, Grezzano aber im Nordosten. Wir würden uns verpassen. Wenn Ihr es für richtig haltet, in dieser Nacht noch alleine aufzubrechen, Streitzig, so kann ich Euch nicht aufhalten, aber ich kann hier nicht weg, nicht ohne den Alten. Es kann nicht lange dauern, bis meine Tante wiederkehrt", sagte sie bestimmt.

Wenn sie sich nur wirklich so sicher sein konnte, wie sie sich gab! Was, wenn ihr etwas zugestoßen war? 'Unsinn!', schalt sich Richeza. Als wenn sich ausgerechnet Rifada nicht zu wehren wüsste. Andererseits: Was, wenn sie einer Patroille der Elenterin in die Arme gelaufen war? Gegen ein Dutzend bewaffneter Soldaten konnte sie allein auch nicht viel ausrichten.

Unruhig sog die Edle an ihrer Unterlippe, horchte zum wiederholten Male in den schattiger werdenden Wald hinein. Vogelgesang. Das Rascheln kleiner Tiere. Sonst nichts.


Autor: Ancuiras

"Noch ist es ja nicht Nacht und ich habe auch nicht vor, im Dunkeln im Wald herum zu laufen. Wir könnten soweit gehen, wie wir schaffen. Dann ist es morgen früh nicht mehr so weit. Dieser Rastplatz ist gut, aber so sicher ist er offenbar auch wieder nicht." Er nickte zu den Amazonen." Immerhin haben Eure Freundinnen uns auch gefunden. Es sollte sich noch ein anderer Ort finden lassen."

Er blickte in die Ferne, dorthin, wo Grezzano sein musste. "Zehn Meilen hat Tsacharias gesagt? Ja, in der Tat, wo ist er überhaupt? Vorhin saß er noch noch ruhig auf dem Felsen dort drüben. Aber ich schätze mal, Zaida und der Hund werden ihn schon aufspüren."

Er bemerkte Richezas Miene, deren Besorgnis sich nur durch ihren unsteten Blick verriet. Seufzend setzte er sich wieder auf einen Stein. "Bis sie zurück sind, können wir ohnehin nicht los. Nun gut, warten wir auf Rifada, weit kämen wir heute wohl nicht mehr."


Autor: von Scheffelstein

Eine Stunde mochte vergangen sein, seit der Hund zurückgekehrt war, vielleicht auch mehr. Die Sonne war tief im Westen hinter dem Eisenwald versunken, ein letzter roter Streifen schwand allmählich dem Nachtblau. Bald würde es dunkel sein.

"Ich verstehe das nicht", sagte Richeza zu Gujadanya. "Deine Mutter wollte bis zum Abend hier sein. Der Hund ist ihr hinterhergelaufen. Er ist schon längst wieder hier, sie aber nicht. Das gefällt mir nicht. Wir ..."

"Richeza!", unterbrach sie Praiodors schwache Stimme.

"Ähm ... entschuldigt mich!" Richeza ging zu dem Jungen hinüber und hockte sich neben ihn.

"Richeza, wo ist meine Mama? Ich habe Angst! Wo ist sie?"

Die Edle blickte in die großen, grünen Augen ihres Vetters und schluckte. Richeza warf dem Streitzig einen verzweifelten Blick zu, der vor dem Höhleneingang auf einem Stein sah und zu ihr herübersah. Sie konnte es dem Jungen nicht sagen. Sie konnte nicht.

"Ihr ist doch nichts geschehen, oder?", fragte Praiodor, der ihren Blick bemerkt haben musste.

"Bestimmt nicht. Mach dir keine Sorgen!", lächelte Richeza und streichelte seine Wange. "Sie ist gewiss Hilfe holen gegangen, als die Hapyien dich gefangen hatten."

Praiodor sah sie zweifelnd an.

"Schau, du weißt doch, wie tapfer deine Eltern sind. Dein Vater war ein Held. Er ist für Almada gefallen, das weißt du doch. Sie haben ihn den Novadischlitzer genannt, er hat es den Heiden ordentlich gezeigt. Und deine Mutter ... ist doch auch so tapfer." Sie legte alle Überzeugungskraft in ihre Lüge und das Lächeln und schämte sich dafür. "Sie lässt sich nicht kleinkriegen, ja?"

Er schien sich zu beruhigen, schmiegte seine Wange in ihre Hand. Wieso fielen Lügen nur manchmal leichter als die Wahrheit, dachte Richeza. Wie hatte ihr Großvater ihr beigebracht, dass ihre Eltern nie mehr wiederkehren würden? Sie erinnerte sich nur noch vage. Es war ein goldener Herbsttag gewesen. Er hatte sich am Morgen zu ihr ans Bett gesetzt. Ihr gesagt, ihre Eltern hätten eine lange Reise angetreten.

Ich weiß doch, ins Horasreich, Großvater!, hatte sie gesagt.

Nein, hatte er gesagt, sie waren noch weiter gereist. Er hatte ihr erklärt, weil ihre Eltern einander so lieb gehabt hätten, hätte Rahja beschlossen, ihnen einen Platz in ihrem Zelt zu verleihen. Dort sollten sie für die Göttin tanzen, und es werde ihnen gut dort gehen. Richeza würde verstehen, dass man die Einladung einer Göttin nicht ausschlagen dürfe.

Richeza hatte entrüstet gefragt, warum ihre Eltern den kleinen Alondo hatten mitnehmen dürfen und sie nicht. Es sei ungerecht, dass sie, die doch bei ihrer Großmutter tanzen lernte, nicht auf das Fest dürfe, und Alondo, der nur ein Säugling war und nicht einmal laufen konnte, schon.

Großvater hatte ihr später die Sterne gezeigt und das Sternbild der Stute. Dort, hatte er gesagt, stünde Rahjas Zelt, und ihre Eltern lächelten von dort auf sie herab. Mit dem Segen der Göttin würden sie stets auf sie achtgeben können, dass sie ein glückliches Leben führen könne.

Richeza war nicht nur von ihren Eltern enttäuscht gewesen. Es war das erste – und nicht das letzte - Mal, dass sie sich von Rahja verraten gefühlt hatte. Ob sie geweint hatte? Bestimmt. Später. Als sie allmählich verstanden hatte, dass Großvaters Geschichte nicht der Wahrheit entsprach. Seltsam, er war ihr immer als mutiger und kluger Mann erschienen, aber er hatte es nicht fertig gebracht, ihr die Wahrheit zu sagen, bis sie ihn selbst darauf angesprochen hatte.

Und sie schaffte es nicht, Praiodor die Wahrheit zu sagen. Und ihre Lügen waren kein bisschen besser.

Richeza bemerkte Krähenfreund, der aus dem Wald auf die Lichtung trat und Zaida einige Tücher reichte, in denen er Beeren, Nüsse und Wurzeln gesammelt hatte, und eine Kalebasse, die mit einem Wachskorken verschlossen war. Dann kam er herüber. Er lächelte Richeza an und dann Praiodor.

"Geht es dir besser?", fragte er.

Der Junge nickte zögernd.

Der Alte sah Richeza an. "Ich glaube, jetzt ist es eine gute Zeit, mit ihm zu sprechen - was meinst du, Praiodor, magst du dich ein wenig mit mir unterhalten?"

Wieder nickte der Junge.

"Macht ein Feuer in der Höhle", sagte Krähenfreund zu Richeza. "Dort wird man es nicht so leicht entdecken." Es war eine unmissverständliche Aufforderung. Richeza stand auf. "Setze dich ein wenig zu mir, Praiodor." Zu Richezas Erstaunen richtete Praiodor sich auf und lehnte sich an die Wand, die Beine im Gras ausgestreckt. Tsacharias setzte sich neben ihn. "Ich habe Preiselbeeren und Blaubeeren gefunden. Ob du die wohl magst?"

Richeza wandte sich ab und ging an dem Thangolforster vorbei in die Höhle, um das gewünschte Feuer zu entzünden.



Autor: Romina Alba

Romina hatte nur sehr widerwillig eingesehen, dass es jetzt zum Aufbrechen zu spät war. Wo war nur die Zeit hin? Sie hatte etwas von Rotpüscheln gemurmelt und war zusammen mit Golshan zwischen einigen Felsen verschwunden. Doch anstatt mit der Wilden jagen zu gehen, erklomm die Grafentochter einen größeren Felsen und setzte sich drauf. Sie hatte keine Lust auf weitere Anfeindungen, außerdem lösten sich langsam die Anspannungen und ließen ihre Nerven blank zurück. Sie musste sich beruhigen, noch war man nicht in Sicherheit.

Sie schaute zurück zu den anderen, die unterhalb von ihr lagerten. Am liebsten würde sie weglaufen. Kurz schlich sich der Gedanke ein, es zu bereuen, dass sie seine Hand nicht genommen hatte. Weg von allem ... von der Plicht, eine gute Tochter zu sein, eine Streitzig und eine Ehrenstein ... zu heiraten, wen man für sie aussuchte ...

Sie ließ den Blick über die Felsen und Hänge gleiten. Sie würde nicht gehen, da waren Gendahar ... obwohl der gerade mal wieder nur Augen für diese unmögliche Richeza hatte ... und vor allem die kleine Zaida. Und Golshan, ohne die sie noch in dem Ferkinazelt wäre. Sie atmete tief durch, tastete nach dem Banner und fing leise an zu beten.


Autor: Simanca

Von aller Aufmerksamkeit befreit und dafür vom jetzt wieder tapferen Raffzahn begleitet, hatte sich Zaida unauffällig ein wenig von der Gruppe abgesetzt. Domna Romina war mit Golshan ein wenig abseits, alle anderen waren beschäftigt, also beschloss sie, sich nützlich zu machen. Abgesehen davon, hielt sie es auch nicht mehr mit dieser geladenen Stimmung aus. Da hockten einem die Ferkinakken im Rücken, und Amazonen und Yaquirtaler hatten nichts anderes im Kopf, als Stunk unter den eigenen Landsleuten zu machen.

"Na gut, vielleicht sind die Amazonen auch keine Landsleute, na wenigstens diese eine, diese Alabasterine nicht", legte sie Raffzahn dar, der sie anschaute und aufmerksam die Ohren hob. "Da denkt man, das Schlimmste läge hinter einem, und dann muss man sich Sorgen machen, dass einem der eigene Landsmann - naja Landsfrau - in den Rücken fällt."

Energisch stampfte Zaida weiter, den ratlos dreinschauenden Raffzahn an der Seite. Auch wenn sie wusste, dass es Tsacharias nicht gerne sah, hatte sie vorhin einige selbstgeflochtene Schlingen ausgelegt. Mit ein bisschen travia- und phexgefälligem Glück, hing schon ein fetter Rotpüschel darin.

Kaum eine halbe Stunde später trat Zaida wieder aus dem Buschwerk, triumphierend ein Rotpüschel über der Schulter tragend. Ha, das musste sie Pashkir sagen, wenn sie den Zahorijungen wiedertraf, der ihr das Schlingenlegen gezeigt hatte. Auffordernd patschte sie Raffzahn auf das Hinterteil, der daraufhin freudig hechelnd auf die Gruppe zuhielt. Sie selbst steuerte als erstes die Comtessa an, um ihr den Fang zu zeigen. "Schaut mal", drängte sie sich zu ihr und Golshan. "Ich hab was für unser Abendessen gefangen!" Stolz hielt sie den beiden Frauen den Hasen vor die Nase. "Ich nehm ihn noch schnell aus, dann können wir ihn über das Feuer hängen?"


Autor: Ancurias

Der Thangolforster hatte das Gespräch zwischen Krähenfreund und Richeza mit einem Ohr verfolgt und als Letztere an ihm die vorbei in die Höhle ging, wollte er fragen, ob sie Hilfe benötigte. Doch sie hatte nach dem Eintreffen der Amazonen wieder die Maske einer veritablen da Vanya aufgesetzt und vermied es, ihn anzuschauen. Nun, es sollte ihm recht sein. Er hatte ohnehin den Eindruck, dass man nun den Alten und den Jungen besser alleine ließ.

Er richtete sich auf und sah Romina vor der Abendsonne auf einen Felsen sitzen. Er spürte den Drang, sie zu beschützen, alles Übel Deres von ihr abzuwenden. Sie war doch vor kurzem noch eine junge Knappin gewesen! Er schüttelte den Gedanken sofort wieder ab und schalt sich einen Narren. Sie war nun eine Ritterin. Er selbst war schon gegen die Orken geritten, als er noch jünger gewesen war als sie ... Wurde er alt und sentimental? Sie war die einzige seiner Nichten, für die er eine väterliche Zuneigung verspürte; bei ihren Schwestern war er selbst noch zu jung dafür gewesen - oder hatte sich für zu jung gehalten.

Langsamen Schrittes begab er sich in ihre Richtung. Ruhe legte sich über das Lager; selbst die Amazonen suchten sich eine Ruhestatt. Richeza kam noch einmal kurz aus der Höhle, wohl um noch mehr Zweige zu sammeln und sprach kurz mit Moritatio und den beiden Kriegerinnen aus den Bergen. Er sah, wie sie Proviant aus den Händen der älteren Amazone erhielt und noch einige Worte mit der jüngeren wechselte. Gendahar spürte mit einem Mal, wie hungrig er selbst war. Er erklomm Rominas Felsen und sah, dass sich ihre Lippen im Gebet bewegten.

In diesem Moment kam Zaida aus dem Gebüsch und zeigte stolz, dass Firun ihr hold gewesen war. Auch Golshan war hier oben.

"Gut gemacht, Zaida. Ohne dich wären wir längst verhungert", sagt er augenzwinkernd und wurde plötzlich ernst. Und ich würde sowieso bereits in dem Tal verrotten, wo die Ferkinas unsere Leute hingemetzelt haben, fuhr es ihm durch den Kopf, behielt dies aber für sich, denn er wollte nicht die Stimmung durch diese düstere Erinnerung verderben. Er dachte kurz nach. "Richeza macht gerade ein Feuer in der Höhle dort unten. Draußen wäre es zu auffällig. Du kannst sie fragen, ob du den Hasen dort braten kannst - eigentlich zündet sie es aber für Krähenfreund an, der sich den Jungen anschauen und mit ihm reden will und dafür aus irgendeinem Grund ein Feuer braucht ... er sollte dabei nicht gestört werden. Notfalls müssen wir warten oder das Tier roh essen", fügte er hinzu, auch wenn ihm der Gedanke überhaupt nicht behagte.



Autor: SteveT

Auch die beiden Amazonen banden ihre Pferde an einen Strauch am Rande der Höhle. "Wenn Rifada tatsächlich mit Euch zusammen aus dem Gebirge zurückgekehrt ist, dann macht es auch keinen Sinn, dass wir noch weiter hinaufreiten und nach ihr suchen!", erklärte die alte Jelissa Richeza ruhig und kramte in ihren Satteltaschen. "Wie unhöflich von uns - ihr müsst alle hungrig sein! Leider gehen auch unsere eigenen Rationen zur Neige, da wir uns in Selaque weitaus schlechter nachproviantieren konnten, als man es eigentlich in zivilisierten zwölfgöttlichen Landen erwartet. Aber dennoch - hier nehmt!"

Sie zog drei weitere Streifen gepökeltes Trockenfleisch aus ihrer Satteltasche und zerschnitt es mit dem Krummdolch in mehrere Stücke. "Meine Gefährtin und ich werden heute Nacht abwechselnd Wache halten. Ruht ihr euch erst einmal aus!" Ihre befehlsgewohnte Stimme machte klar, dass sie darüber keine Diskussionen wünschte.

Gujadanya zog eine Augenbraue in die Höhe, nahm dann aber ebenfalls eine harte Dauerwurst aus ihrer Satteltasche und hielt sie Richeza vor die Nase. "Iss, Cousine! Da ich die erste Nachthälfte übernehmen werde, hast du vor deinem Einschlafen noch kurz Zeit, mir irgendetwas aus deinem Leben zu erzählen. Wer weiß schon, ob wir beide uns später noch einmal wiedersehen ..."


Autor: von Scheffelstein

"Aus meinem Leben?", fragte Richeza kauend, während sie mit einem Stock in der Glut herumstocherte, um das Feuer in Gang zu bringen. Sie musste sich beherrschen, Wurst und Fleisch nicht herunterzuschlingen, so hungrig war sie. Abwesend schaute sie in die Flammen, dann sah sie Gujadanya direkt an und lachte. "Base, mein Leben währt schon gut fünfunddreißig Götterläufe. Wie soll ich es da in einer halben Stunde zusammenfassen?"

Chronik:1033
Der Ferkina-Feldzug
Teil 18