Chronik.Ereignis1044 Selkethaler Pferderennen zu Ehren der schönen Göttin 1044 BF 16
Edlengut Selkethal, 01. Rahja 1044 BF[Quelltext bearbeiten]
Merklich aufgeregt sich mit ihrem Fächer fleißig Luft zufächelnd wandte sich Domnatella Sarkyoza Al'Morsqueta an Domna Usanza da Selaque von Culming, die neben ihr auf der Zuschauertribüne saß. Wie bei der Schwester des Ausrichters zu erwarten, waren die Plätze hervorragend, mit bestem Blick auf Start- und Ziellinie.
„Wer ist Euer Favorit, Domna Usanza? Ich kann mich nicht recht entscheiden. Sicherlich sollte ich für meine Geschwister bangen. Doch schon da fängt es an: soll ich auf einen Sieg meiner Schwester oder meines Bruders hoffen? Oder der Höflichkeit halber auf einen Sieg der Gastgeber, Eures Bruders oder Domna Farfanyas? Oder auf jemand ganz anderen?“
Usanza musste schmunzeln. Wenn ihr die Rennen des letzten Götterlaufs eines gezeigt hatten, dann dass ihr Bruder zwar ein guter Reiter war, er sich aber letztlich doch stets geschlagen geben musste.
“Hofft auf einen Sieg der eigenen Familia und freut Euch für sie, egal wie sie letztlich abschneiden”, antwortete sie entsprechend. “Ein Sieg ist letztlich nebensächlich. Es geht darum, sich zu messen und Rahja die Ehre zu erweisen.”
„Natürlich, da habt Ihr wohl Recht.“, nickte Sarkyoza verlegen. Sie musterte die Reiter auf ihren Pferden, die es sich auf dem Weg zur Startlinie nicht nehmen ließen, das Publikum zu grüßen und allen Zuschauern ausführlich Gelegenheit zu geben, sie zu bewundern. Dabei wurden jeder Teilnehmer und sein Ross der Menge mit Namen präsentiert. Mit leisem Seufzen musterte die junge Frau die schmucken, herausgeputzten Reiter, zumindest die männlichen.
„Oh, Falber de las Flores ist auch dabei! Wie gerne würde ich ihn persönlich kennenlernen! Vielleicht ergibt sich die Möglichkeit, nach dem Rennen. Kennt Ihr sein Werk, Domna Usanza? Seine Gedichte sind so berührend. Und seine Geschichten…“ Errötend verstummte die Domnatella, unsicher, wie Domna Usanza zu den teils sehr romantischen, wenn nicht gar rahjanischen Texten stand. Die Erinnerung an diese Lektüre hatte Sarkoyza schon so manches Mal dröge Vorträge ihrer Lehrer überstehen lassen.
Usanza lächelte amüsiert. Wieder sah sie sich selbst in der jungen Domnatella, hatte sie doch mehr als eine Nacht bei schlechter Beleuchtung vor einer romantischen Dichtung zugebracht. Auch heute noch, da ihre ganze Leidenschaft dem Theater galt, der gesellschaftlich wohl akzeptierteren Kunstform, waren ihre bevorzugten Stücke jene, die eine Romance zum zentralen Inhalt hatten.
Und natürlich war ihr Falber de las Flores ein Begriff, auch wenn sie dies nie öffentlich zugeben würde.
Die direkte Frage ließ sie daher unbeantwortet, griff stattdessen den zuvor geäußerten Herzenswunsch auf: “Nun, wenn Ihr ihn kennenlernen wollt, kann ich sicher mit meinem Bruder sprechen und eine Vorstellung arrangieren. Wozu sind Anlässe wie diese Rennen denn sonst da, wenn nicht um neue Bekanntschaften zu machen?”
„Sieht er nicht ausnehmend fesch aus? Man merkt sofort, dass er Wert auf sein Äußeres legt. Hach, so elegant. Er wird eines Tages ein Junkergut erben. Er ist noch recht jung, meint Ihr nicht auch? Dabei wirkt er so reif! Wisst Ihr, ob er verlobt ist?“ Einen kurzen Moment war Domnatella Sarkyoza versucht, einen Vergleich mit ihrem Bruder Tariano zu ziehen. Was natürlich ausgesprochen albern gewesen wäre. Immerhin legte der, ganz im Sinne seiner Berufung, wenig Wert auf Äußerlichkeiten. Seine Wirkung ergab sich einfach. Und außerdem war er viel älter, und kein Mundillo.
“Ein äußerst adretter junger Mann, da muss ich euch beipflichten.” Sie genoss es ganz offensichtlich den Schwärmereien der jungen Domnatella zu lauschen und sich daran zu beteiligen. Ihre eigene Sehnsucht nach Gesellschaft schob sie in Gedanken beiseite.
“Über eine Verlobung ist mir nichts bekannt - was aber nichts heißen muss, über die Familias der Waldwacht wird in Punin recht wenig getratscht. Was ein gutes Zeichen ist, möchte ich hinzufügen!”, schob sie schnell nach, um ja keinen falschen Eindruck zu erwecken. “Immerhin ist sein Vater ein echter Held, soweit ich gehört habe. Wer weiß, vielleicht kommt der Sohn ja ganz nach dem Vater?”
„Hach, wenn er zu seinem von Rahja gegeben Talent mit der Feder auch noch rondrianische Tugenden aufweist - dann muss er doch längst verlobt sein! Wenn Ihr es wohl einrichten könntet, dass sich eine Gelegenheit gibt, bei der ich ihm zufällig vorgestellt werden könnte… das wäre fantastisch!“ Verträumt betrachtete sie, wie Dom Falber seine Kleidung und Haar richtete.
Dann änderte sich ihr Ausdruck plötzlich, wurde eher nachdenklich und besorgt.
"Domna Usnaza, darf ich in einer… etwas… ähm.. potentiell kompromittieren Sache um Euren Rat bitten?"
Usanza schaute überrascht und etwas besorgt drein. “Aber selbstverständlich, ich bitte darum”, erklärte sie schließlich, in der Hoffnung der jungen Frau helfen zu können.
Sarkyoza sah sich unauffällig um. Ordonya war wieder einmal verschwunden, Domna Luciana in eine Belehrung ihrer Knappin Rondralia vertieft, bei der es vermutlich um die Familias der Teilnehmer und ihre Historie oder die Eignung der Pferde für ein Turnier ging. Domnito Nandorito beschäftigte sich versunken mit seinen üblichen Kritzeleien und Zahlen. Sie konnte es also unbeobachtet wagen, sich zu offenbaren. Kaum hörbar hauchte sie:
„Nun, es geht um einen Fall, von dem ich gehört habe.“ Verlegenheit rötete ihre Wangen. „Ihr verzeiht, wenn ich zu den betroffenen Personen nichts genaueres sage. Jedenfalls… angenommen, eine Person hat etwas getan, das als sehr skandalös angesehen werden könnte. Und sie beabsichtigt nicht im geringsten, die Situation auf herkömmliche Weise oder diskret zu lösen. Nun gibt es weitere, nahestehende Personen, die von den Ereignissen und Folgen wissen, aber mit der Ursache nichts zu tun haben. Glaubt Ihr, dass das Verhalten der Person, der Skandal auf diese anderen Personen zurückfallen würde? Würdet Ihr von jemand aus diesem Kreis schlechter denken, wenn Ihr von dieser pikanten Sache erfahrt? Würdet Ihr erwarten, dass sich die nahestehenden Personen distanzieren? Oder wäre das treulos, gar verwerflich? Spielte eine Rolle, dass die Person nicht von Beginn an offenbarte, was sie wusste? Bevor sich andere ihr gegenüber verpflichteten? Sollte sie nicht Rücksicht auf die ihr Nahestehenden nehmen?“
Es war offensichtlich, dass Domnatella Sarkoyza das Thema unangenehm war, sie diese Problematik schon länger und mit einer gewissen Verzweiflung und Sorge mit sich trug.
Usanza hörte aufmerksam zu und versuchte aus den vagen Andeutungen einen Sinn zu entnehmen. Aber so sehr sie sich auch bemühte, jenseits der Tatsache, dass - was auch immer es war - Sarkyoza sehr beschäftigte, verstand sie kein Wort. Bemüht den schmalen Grat zwischen freundschaftlicher Unterstützung und gut gemeintem, aber letztlich aufgrund eigener Unkenntnis eher schädlichem Rat nicht zu verlassen, sagte sie schließlich: “Bei den Göttern, was auch immer dort passiert ist, ich sehe es nimmt Euch sehr mit und lässt Euch keine Ruhe. Seid unbesorgt, was auch immer es ist, wir werden gewiss eine Lösung finden.”
Sie sah sich hilfesuchend um, selbst nicht ganz sicher, wie nun vorzugehen sei.
“Es sind viele und berechtigte Fragen, die Ihr stellt”, fuhr sie dann an die junge Domnatella gewandt fort, “und es ist mir nahezu unmöglich Euch guten Rat zu geben, ohne weitere Details zu erfragen… diese skandalöse Sache, von der Ihr sprecht… handelt es sich dabei um einen gesellschaftlichen Fehltritt? Einen familiären? Einen politischen gar?”
Domnatella Sarkyoza schien einen Moment mit sich zu ringen. Dann nickte sie, beugte sich näher zu Domna Usanza. Das Gesicht halb hinter ihrem Fächer verborgen flüsterte sie: „Keinen politischen. Eigentlich eher eine persönlicher, der gesellschaftliche Auswirkungen auf die Familia haben könnte.“
Es wurde immer mysteriöser.
Ein persönlicher Fehltritt also… was konnte sie meinen? Ein unbedacht gesprochenes Wort? Eine Beleidigung? Eine Schwärmerei unter verfeindeten Familias gar, oder, die Götter bewahren, eine ungewollte Schwangerschaft?
Das musste es doch sein. Ein persönlicher Fehltritt, der familiäre Konsequenzen haben konnte, weigerte man sich, die entsprechenden Maßnahmen vorzunehmen. Natürlich!
Nun war ein Bastard per se kein großer Fehltritt. Viele Mitglieder der Nobleza vergnügten sich außerhalb ihrer ehelichten Bünde und Verpflichtungen und mancher sah in einem unehelichen oder vorehelichen Kind gar ein gutes Omen TSA gefälliger Fruchtbarkeit.
Wenn es aber verfeindete Familias waren, oder ein der TRAvia gefälliges Bündnis, das so zerrüttet wurde… konnte dies durchaus für einen kleineren oder größeren Skandal sorgen, da hatte Sarkyoza Recht.
‘Contenance’, flüsterte sich Usanza innerlich zu, ‘Haltung bewahren, noch weißt du doch gar nichts.’
Mit ihrem wärmsten Lächeln versuchte sie, ihre junge Freundin zu beruhigen. “Ich bin mir sicher, liebste Sarkyoza, dass was auch immer es ist, wir werden gemeinsam eine Lösung dafür finden”, flüsterte sie unter ihrem breitest möglichen Lächeln. “Lasst uns nach den Rennen einen diskreteren Ort aufsuchen, wo wir nicht Gefahr laufen, überhört zu werden. Dann können wir über alles sprechen.”
Sie zwinkerte ihr zu, in der Hoffnung etwas Leichtigkeit und Zuversicht auszustrahlen.
Sarkozy lächelte dankbar, entspannte sich etwas.
Vor ihnen platzierten sich die letzten Teilnehmer an der Startlinie, einige unruhig und aufgeregt, andere völlig gelassen. Das ein oder andere letzte Wort wurde gewechselt. Dann konzentrierten sich alle auf sich selbst, ihre Pferde, das Startzeichen. Erwartungsvolle Anspannung lag in der Luft.
Sarkyoza war immer noch erleichtert ob der Hilfe, die Domna Usanza ihr angeboten hatte. Wie klug und feinfühlig sie doch war, nach ein paar Andeutungen zu wissen, wie eine Lösung aussehen konnte.
Urplötzlich setzte sich die Domnatella kerzengerade auf, verbarg ihren entsetzten Gesichtsausdruck und die brennenden Wangen hinter ihrem Fächer. Sie wollte gerade noch etwas zu Domna Usanza zu sagen, da traf sie ein scharfer Blick Domna Lucianas und brachte sie zum Schweigen. Wie immer folgte mit strengem Gesichtsausdruck eine fragend erhobene Augenbraue. Die anschließende Frage der Caballera ging im Tumult des Startsignals, der lospreschenden Pferde und einer Wolke aus Staub unter.
|