Chronik.Ereignis1033 Streit ums Taubental 44

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Es waren zwei Grafenkinder

Wie Domna Romina in Südpforter Gefangenschaft geriet. Wie sie einem alten Jugendfreund wieder begegnete. Wie sie ihm ihre verzweifelte Lage schilderte. Wie Ehrenwort gegen Ehrenwort stand und verhinderte, dass die zwei Grafenkinder zueinander kommen konnten. Wie ein Südpforter sich die Dankbarkeit und Schuldigkeit einer Ragatierin erwarb.


Baronie Taubental, 4. Travia 1033 BF[Quelltext bearbeiten]

Im Wirtshaus Zu den Drei Katzen zu Villanúa (1. Boronstunde)[Quelltext bearbeiten]

Autorin: ehrenstein

Domna Romina stolperte. Einer der Soldaten in rot-blauer Gewandung griff nach ihrem Arm, um sie aufzufangen. Unwillkürlich schrie sie auf und wich an den Türrahmen zurück. Die bleierne Müdigkeit war einmal mehr dem schneidenden Schmerz einer Berührung gewichen. Ihr ganzer Körper brannte, als habe man ihr die Haut abgezogen, jede Berührung war eine Qual. Sie hielt sich mit der unverletzten rechten Hand am Türstock des Wirtshauses fest, zu dem die Wachen sie unbedingt hatten bringen müssen. Sie hatte versucht zu protestieren, hatte gesagt, wer sie war und den Spott darüber über sich ergehen lassen.

Sie alle waren blutend und zerschunden von unzähligen spitzen Krallen, verdreckt und zerstoßen von Dutzenden Begegnungen mit dem triefend nassen Waldboden. Sie waren gerannt und gerannt. Plötzlich war der Wald zu Ende gewesen und sie waren in eine Dorfruine geraten, die von einem hohen siebenseitigen Turm dominiert wurde. Man hatte im Schutze einer halbverfallenen Mauer gerade eine Verschnaufpause eingelegt und die kleine Zaida hatte versucht stockend zu erklären, wo man sich befand, als Söldlinge sie angerufen und wild auffordert hatten, sich zu ergeben. Diesmal hatte man ihnen keine Wahl gelassen. Schnell waren sie umzingelt und entwaffnet gewesen.

Rominas Beteuerungen, sie sei eine Ragather Grafentochter und sie hätten Pferde an der Brücke der Inoscha stehen, zu denen man sie dringend bringen müsse, wurden nur mit Hohn und Spott bedacht. Man hielt sie für Landstreicher, vielleicht auch für Pilger, die unter die Katzen gefallen waren. Entsprechend der Order mussten alle Bewaffneten, Pilger oder nicht, zum Condottiere gebracht werden. Also trieb man sie unsanft und unter Hohngelächter zu einen zweistöckigen Wirtshaus, das den fremden Soldaten wohl als Hauptquartier diente. Jetzt stand sie keuchend an der Tür, wartete ab, bis der Schmerz abebbte und funkelte den Mann an, der sie zum Schreien gebracht hatte.

Dem Soldaten wurde kurz anders, er runzelte die Stirn und wurde ärgerlich: „Weiter, verdammt, hinein mit euch! Oder müssen wir nachhelfen, Streunerpack?“

Romina senkte den Blick, ließ den Türrahmen los und trat in das Gasthaus ein. Ihre Knappin, ihr Leutnant, sowie der Albernier folgten ihr.


Autor: vivar

In der Schankstube herrschte trotz der nächtlichen Stunde Hochbetrieb – allerdings nicht jener, den man in einem solchen Raum für gewöhnlich erwartet hätte. Im spärlichen Licht weniger frisch angesteckter Fackeln erhob sich soeben ein gutes Dutzend Männer und Frauen in blau-roten Röcken vom Boden, auf dem sie augenscheinlich genächtigt hatten. Es schepperte und klirrte, als sie Brustpanzer anlegten und sich Klingen umgürteten, derbe Späße über die Hosenausbeulungen ihrer Kameraden machten oder diese verschlafen über sich ergehen ließen. Andere standen an der Theke an, wo ihnen eine Frau aus einem Kessel dampfenden Brei in ihre Holzschalen füllte.

„He, Mauricio! Hast du etwa Vogelscheuchen geerntet?“, lachte eine rothaarige Soldatin beim Anblick der Gefangenen in ihren zerschlissenen Lumpen.

„Scheint fast so. Diese Verrückten haben wir am Waldrand aufgegabelt. Der Dom soll sie sehen. Vielleicht wissen sie was.“

„Gute Götter", rief die Rothaarige. "Die sehen ja aus, als wären sie einer ganzen Armee von Dornenhecken in die Quere geraten! Höhö!“ Ihre Kameraden lachten über das gelungene Sprachbild.

„Meine Damen und Herren, darf man fragen, was der Grund für dieses Amüsement in aller Boronsfrühe ist?“ Auf der Treppe ins Obergeschoss war ein Mann erschienen. Weder war er besonders groß noch besonders klein gewachsen. Kräftig und ritterlich schien er in seinem spiegelnden Kürass, auch wenn gewisse Rundungen darunter auf einen Hang zu üppigem Trunk und fetthaltiger Speise hindeuteten. An einer rotblauen Schärpe baumelte die Scheide eines Reitersäbels. Den linken Arm trug er in einer Schlinge. Das seltsamste war sein Gesicht. Es war blass, dabei rund und flach wie ein Fladen. Die Nase war klein und die Brauen über den verschlafen dreinblickenen Augen dünn. Das zu einem Eslamszopf frisierte Haar versprühte wenig Glanz und wurde an der Stirne bereits dünner. Eine markante, fast komische Note verlieh der mächtige und gut gepflegte Kaiser-Alrik-Schnauzer seinem Äußeren.

„Guten Morgen, Dom!“, meldete der Soldat Mauricio gehorsamst. „Vier Spione, Dom! Oder Landstreicher. Wir dachten, mit Verlaub, Dom, Ihr wüsstet gewiss am besten, was wir mit ihnen anstellen sollen.“

„So, so, Spione oder Landstreicher. Vielleicht gar beides?“ Der fladengesichtige Edelmann stieg die letzten Stufen in den Schankraum hinab und schob sich durch seine Soldaten. Die Lästigkeit dieser Angelegenheit war ihm an der Stirne anzusehen. Dennoch musterte er die vier verlotterten Gestalten einen nach dem anderen. Bei Romina blieb sein Blick hängen. Mit einer behandschuhten Hand hob er ihr Kinn nach oben, so dass die strähnigen blonden Haare aus ihrem Gesicht fielen. Nachdenklich sah er sie für einen kurzen Moment an, dann dämmerte Erinnerung in seinen Augen. „Do- Domnatella..., nein, Domna Romina? Seid Ihr das? Was in aller Heiligen Götter Namen tut Ihr hier?“


Autorin: ehrenstein

Sie hatte ihn gleich erkannt. Er war der einzige Sohn ihrer Knappherrin, der Mundillo der Grafschaft Südpforte. Was bei der Donnernden tat er hier in der Waldwacht? Ihre Gedanken flogen. Deswegen war der Pildeker hier. Er folgte seinem zukünftigen Grafen. Ihr wurde kalt, schwindelig. Sie schwankte kurz, hielt sich an Gujadal Al'Kasims Arm fest. Sie brauchte das Ei und musste zu Dom Léon. Nichts anderes war wichtig.

„Dom Gujadal.“ Ihre Stimme war tonlos, ihre blauen Augen bettelten. „Dom Gujadal, ich muss nach Santa Catalina, sonst stirbt er.“ Sie brach ab. Vielleicht war es der Grafensohn selbst gewesen, der den Befehl dazu gegeben hatte. Sie ließ seinen Arm los, biss die Zähne zusammen und richtete sich auf. „Ich habe eine Ingredienz bei mir, um einen hinterlistig Vergifteten im Tempel der Rahja zu heilen. Bei allen Heiligen, lasst uns gehen! Ich muss zur Brücke, zu unseren Pferden! Die Zeit verrinnt.“ Ihr Blick huschte zum Fenster, als suche sie zu ergründen, wie spät es war.


Autor: vivar

„Wie? Was höre ich? Gift im Tempel der Rahja? Ihr seid offensichtlich verwirrt, teure Domna Romina. Wer sich in einem Rahjatempel ‚vergiftet’, braucht lediglich eine gute Mütze Schlaf, um sich von seinem Rausch zu erholen. Hat Euch gar ein Fiebergeist im Griff? Bei den Göttern, bringt der Domna ein sauberes Gewand!“ Ein tat einen Wink, und die rothaarige Soldatin verschwand auf der Suche nach einem Stück Stoff, der nicht von oben bis unten zerschlissen war. „ Was ist Euch widerfahren? Wer hat Euch das angetan? War das etwa Mauricio? Ich werde ihn –“

„Nein, nein, Dom!“, plärrte dieser sogleich. „So, wie sie vor Euch stehen, haben wir sie gefunden!“

Dom Gujadal ergriff die schwankende Grafentochter sanft am Arm und führte sie zu einer Bank, damit sie sich darauf niederlassen konnte.


Autorin: ehrenstein

Diese ließ sich führen und setzte sich vorsichtig. Trotzdem schmerzte es. Sie presste den Mund zusammen und atmete ungehalten durch. Ihr Blick hob sich. In den zornig entschlossenen Augen schwammen Tränen. Ihre Stimme war leise, doch voller zurückgehaltener Wut:

„Wir kommen aus dem Katzenwald, der seinem Ruf alle Ehre machte. Ich trage am meinem Gürtel Schwarzen Lotos und jetzt brauche ich noch das Ei eines Storchen. Ich habe kein Fieber und auch keine Zeit. Der Baron des Taubentals wurde gestern Abend während des Auftakts zum Rahjafest im Tempel der Heiligen Catalina tödlich vergiftet. Eine Rahjawunder hält ihn bis Morgengrauen am Leben.“ Sie ballte die Faust und schürzte die blutigen Lippen. „Ich selbst und mein Neffe lagen bei meinem Debüt am Hof halbtot danieder. Vergiftet von den Rebenthals, die man sich hier wohl gerade nachahmt. Bringt kein anderes Gewand! Wenn ich dieses jetzt ausziehe, brauche ich ein Bad und einen Medicus. Was ich wirklich benötige, ist ein Storchenei und drei Pferde. Werdet Ihr mir helfen oder mich wie meine Garde festsetzen lassen? Das waren doch Eure Männer, an der Brücke über die Inoscha, die mich auf einer heiligen Queste meines Schutzes beraubten?“ In ihren Augen glitzerte herausfordernd der Vorwurf.


Autorin: lasdardas

Den Rest ihres Lebens - also mindestens bis nach den Feierlichkeiten - würde Zaida den Katzen in ihrer Gesamtheit nicht mehr gewogen sein. Und wo bei beim Praios trieben sich dessen Geweihte herum? Wie konnte es angehen, dass die Bannstrahler auf der Suche nach unschuldigen Kräuterweiblein durch die Lande reisten, aber um eine so offensichtliche Frevelei wie den Katzenwald einen Riesenbogen machte? Ha, wenn sie das nächste Mal in Punin war, dann würde sie ihm Praiostempel aber für eine Erleuchtung sorgen...

Die Erwähnung der festgesetzten Gardisten riss Zaida sofort aus ihren Gedanken und ließ sie hellhörig werden. Auch Ardan von Kündoch zog die Brauen zusammen, also stand wohl Ärger im Verzug. Und dieses Pfannkuchengesicht bildete sich ein, ihre Herrin betüddeln zu können, weil er sie wohl irgendwoher kannte. Aber nicht mit ihr. Zumal: Wenn das seine Männer gewesen waren, die Domna Rominas Leute festgesetzt hatten, konnte das nur eins bedeuten. "Ich muss zu meiner Herrin", knurrte sie und entwand sich jedem Zugriff, um an die Seite der Ehrensteinerin zu huschen.


Autor: vivar

Dom Gujadal wurde bleich wie Waldwachter Ziegenkäse. „Bei Rondra, ist das wahr? Es war in der Tat ich, der gestern Abend ein Detachement unter Führung zweier meiner Vasallen firunwärts sandte, um jede größere bewaffnete Truppe abzufangen. Dass Eure Männer arretiert wurden, war mir nicht bekannt. Wurden in der Nacht Gefangene gebracht, Mauricio?“

„Ja, Dom.“

„Warum wurde ich nicht umgehend geweckt?“, fragte der Südpforter Grafenspross scharf.

„Ich... wir...“

Der Al'Kasim packte den Soldaten am Kragen und schüttelte ihn. Unter seiner blassen Schläfe pulsierte eine zornige Ader. „Warum wurde ich nicht geweckt? Siehst du nicht, was mit der ehrbaren Domna geschehen ist? Sie wäre beinahe umgekommen!“

„Hört auf, den armen Kerl zu beuteln, Dom Gujadal. Ihr plackt den Falschen. Dom Yantur war es, der es nicht für nötig hielt, Euch wegen ein paar Gefangener den Schlaf zu rauben.“ Ein kleingewachsener Mann von beachtlicher Leibesfülle, mit flinken, listig blinzelnden Schweinsäuglein, dicken Backen und Doppelkinn schob sich durch die Tür. Er lächelte schief. „Und ich vertraute dem Urteil dieses erfahrenen Kriegers. Ich komme nun aber meiner Pflicht nach und informiere Euch, dass wir zweier Selindianisten samt ihrer Entourage habhaft werden konnten. Es handelt sich um Domna Aisha von Franfeld und Dom Nazir von Viryamun, die lauthals Eide auf den falschen Kaiser ablegten. Diese Dame“ – er machte eine behandschuhte Geste in Richtung der Ragather Grafentochter – „war ebenfalls mit von der Partie, wurde aber von Dom Yantur aus reiner Ritterlichkeit wieder freigelassen, da sie vorgab, lediglich im Wald Eier und ein Blümelein suchen zu wollen. Ihr wurde als Ehrengarde Dom Hagen von Ma– ach, da seid Ihr ja, Dom Hagen! In welchem Gebüsch habt Ihr Euch denn gewälzt?“


Autor: pildek

„In einem, aus dem mach anderer nicht mehr raus gekommen wäre, zumindest nicht lebend!“, kam die spitze Antwort des erschöpften Schwertgesellen. Zwar hatte seine Lederrüstung ihm gute Dienste geleitet, doch auch seine Arme und sein Gesicht waren blutig und zerkratzt. „Domna Romina spricht wahr und die Zeit drängt!“


Autor: vivar

Beleidigt blickte der Dickliche zu Gujadal Al'Kasim, wie als ob er stumm zeigen wollte, wie unrecht ihm der Albernier tat.

„Schon gut, Barrizal.“ Dom Gujadal verzog das Gesicht, als belästige ihn allein der Anblick des fettleibigen Mannes. „Ich hätte dennoch sofort darüber informiert werden müssen! Domna Romina von Ehrenstein-Streitzig weilte lange Zeit an meiner Frau Mutter Hof und ward von ihr eigenhändig zur Caballera geschlagen! Sie ist über jeden Verdacht erhaben!“

Er wandte sich wieder Domna Romina. „Was suchtet Ihr noch einmal in dem Wald, teure Domna Romina?“

Sie seufzte müde. „Das sagte ich doch bereits, Dom Gujadal: Schwarzen Lotos, um den vergifteten Baron vor Rethon zu bewahren.“

„Wer hat ihn denn vergiftet?“


Autorin: ehrenstein

Romina schloss die Augen. Das alles hier war eine Farce, die nach wilder Erwiderung schrie und sie fühlte sich wie in dicke Wolle gepackt. Als dränge es nicht richtig zu ihr durch. Sie würde einschlafen, wenn sie nichts tat. Energisch erhob sie sich und wandte sich an den Grafensohn:

„Ich weiß es noch nicht und verzeiht, Dom Gujadal, es ist momentan auch nicht von Belang. Das Gift war im Wein, den man ihm reichte und ich kann von Glück reden, dass ich nicht auch davon getrunken habe.“


Autor: vivar

„Und wir erst, Domna Romina! Nicht auszudenken, wenn Ihr...!“ Dom Gujadal brach verlegen ab, als er sah, wie Dom Agnello feist grinste.


Autorin: ehrenstein

Domna Rominas Blick glitt zu dem dicken Agnello di Barrizal. Der ‚Graf vom See’! Das war der Kerl, der sie erst in diese Lage gebracht hatte! Er hatte sie an der Inoschabrücke überfallen! Sie verzog unwillig den Mund und sah wieder zu dem Sohn ihrer Knappherrin. „Ich habe geschworen, den Sterbenden zu retten. Ihr wisst, was das bedeutet. Die Götter und meine Knappin schauen auf mich. Die Magnaten, die man festnahm, hätten nach dem Ei suchen sollen, was jetzt auch mir obliegt. Momentan sind mir politische Gesinnungen oder andere Anliegen herzlich egal. Ich möchte meiner Aufgabe folgen und sie zu Ende bringen. Alles andere können wir besprechen, wenn der Vergiftete Väterchen Boron entrissen wurde.“

„Und wo wollt Ihr mitten im Traviamond ein Storchenei herbekommen, o Tochter des Grafen von Ragath?“, wollte der selbsternennte ‚Seegraf’ schäbig grinsend wissen.

Die blauen Augen der Comtessa glitten wieder zu dem Fass auf Beinen und betrachteten ihn nachdenklich. Vielleicht hatte der feiste Drecksack mit dem Giftanschlag zu tun. So oder so war er ein Ekel. Jetzt einen Säbel und einfach nur durchziehen. Doch sie hatte keinen Säbel und auch nicht die Zeit sich damit zu befassen. Entschlossen sah sie zu Dom Gujadal. „Ich brauche Pferde, Euer Hochwohlgeboren!“, bat sie eindringlich.


Autor: vivar

Gujadal Al'Kasim legte den Finger an die Nase. Domna Romina erinnerte sich, dass er früher schon getan, wenn er nachgedacht hatte. Schließlich sprach er stockend: „Liebe Domna Romina, Ihr... Ihr seht mich in einer Zwickmühle. Als Edelmann will ich Eurer Bitte nach Rössern nur zu gerne nachkommen, damit Ihr Euren Schwur erfüllen könnt. Als Lehnsherr meiner Vasallen, Anführer meiner Soldaten und Freund des von der kaiserlichen Majestät bestätigten wahren Barons kann ich jedoch unmöglich zulassen, dass Ihr vor uns nach Santa Catalina zurückkehrt – das nähme uns das Momentum der Überraschung. Wenn wir den Ort nicht kampflos nehmen, dann... dann wird es zu einem Blutbad kommen.“


Autor: pildek

Indes sah sich der Albernier nach seinen Säbeln um und fand sie in den Armen eines der Soldaten, der noch in der Tür stand. Bemüht einen möglichst gelassenen Eindruck zu machen ging er auf den Mann zu und nahm wie selbstverständlich seine Waffen an sich. „Dom Gujadal, Domna Romina von Ehrenstein-Streitzig ist über jeden Verdacht erhaben – Eure Worte! Und mein Wort, dass sie ihr Anliegen ernst nimmt, bei Rondra! Sie gab Ihr Wort sich nur der Queste zu widmen und ich gab mein Wort sie zu unterstützen. Dom Yantur vertraut mir und ich bitte Euch es auch zu tun.“


Autorin: ehrenstein

Romina schaute überrascht zu dem Albernier, der mit dem Säbel in der Hand abwartend dastand. Sie lächelte gequält. Hier waren absolute Gegensätze dabei etwas zu tun, was nicht rechtens war und doch rechtens war. Ob die geschwisterlichen Kaiser wussten, welchen Schaden sie anrichteten? Ihr Lächeln erstarb und wieder wandte sie sich Dom Gujadal als dem Ranghöchsten zu:

„Es scheint mir, als wären die beiden Kaiser sich in einem ebenbürtig. Beide ernennen Barone, ohne sich an die Regeln der praiosgefälligen Ordnung zu halten. Beide interessiert weder, was die Götter, noch was die jeweiligen Grafen dazu sagen.“


Autor: vivar

„Das ist nicht wahr!“, stieß Gujadal Al'Kasim hervor. „Kaiserin Rohaja hat nur getan, was gutes, dem Praios und der Travia gefälliges Recht ist – meinen Freund nach dem Mord an seiner Schwester als den ältesten Bruder in ihrer Nachfolge zu bestätigen! Der, den andere Kaiser nennen mögen hingegen – achtet er das traviagefällige Vorrecht des Mundillo? Nein, er begehrt gegen seine ältere Schwester auf! Achtet er den Landrechtsbrauch? Nein, er tritt die Rechte der Landstände – unsere Rechte, Domna Romina! – mit den Füßen! Wahrt und verteidigt er seine Vasallen und sein Volk? Nein, er lässt seine Vasallen im Kampf gegen Liebfelder und Sandschlucker und Goblinesken und Plünderer allein und macht die Reichsmark Amhallas und ihr Volk dem König der Khômischen Heiden zum Geschenk – die Heimaterde meines Großvaters Rondrabad Al'Kasim und aller Al'Kasims vor ihm seit Anbeginn des Reiches und darüber hinaus!“

Das Blässe des Mondgesichts war einer erregten Röte gewichen. Der stolze Kaiser-Alrik-Schnauzer zitterte. „Deshalb ist es meine Pflicht, meinem Freund zur Seite zu stehen.“


Autorin: ehrenstein

Die Ragatherin hob ob dieses Ausbruchs die Augenbrauen. War sie doch selbst ein Opfer der Gleichgültigkeit des Kaisers in Punin gewesen. Doch das gehörte hier jetzt nicht hin. „Euer Freund ist wohl kein geringerer als Remigius von Alstingen, der Koscher, der einen weiteren Koscher zum Lehen Waldhaus geschickt hat, um dieses heimlich einzunehmen“, stellte sie stirnrunzelnd fest.


Autor: vivar

„Aber was sagt Ihr da, Domna Romina?“ Dom Gujadal strich sich über den immer noch zitternden Kaiser-Alrik-Schnauzer. „Dom Remigius ein Koscher? Der Alstingen ist ein Almadaner wie Ihr und ich, nun, zumindest wie Ihr, die Ihr Tochter einer Almadanerin und eines Tobriers seid. Einerlei. Er ist rechtmäßiger Baron im Taubental und die Einnahme von Waldhaus ist mir selbstverständlich bekannt. Wir sind alle Magnaten Almadas – dies zuvörderst – doch wir sind auch Magnaten des Reiches, Domna Romina, des einen Reiches, das der Bruder der Kaiserin gespalten hat. Und deshalb wird der Alstingen nicht nur von Koschern, Nordmärkern und Alberniern“ – er wies auf Hagen – unterstützt, sondern auch von rondrianischen Almadaner Magnaten.“


Autorin: ehrenstein

„Ich bin kein Magnat, so wenig, wie dieser Mann hier ein Graf ist oder ein Alstinger nach einigen Generationen ein Almadani wird. Doch darüber sollten wir nicht jetzt disputieren.“ Sie wischte durch die Luft und suchte den Faden. „Wie ihr wohl bemerkt habt, weiß auch ich von der Einnahme Waldhaus. Ich hatte dem Abt von Santa Catalina, der mich bat, nach seinen verlorenen Festivitätswaren zu sehen, nachgegeben und die Übernahme arglos verhindert. Der Vivar kam dazu und hat sich zu meiner Überraschung flugs mit dem Koscher Wildschwein zusammengetan.“

Dom Gujadal blickte verwirrt drein.

„Mit dem Raubritter Halmdahl von Sindelsaum, meine ich. Damals wusste ich nicht, wieso Dom León das tat, doch jetzt ist es mir klar. Er muss erfahren haben, dass mehr auf ihn zukommt. Geht also davon aus, dass es kein Momentum der Überraschung geben wird und auch die Hilfe von jenseits der Escarra ausbleibt. Ich habe mich nicht weiter dafür interessiert, schließlich war ich wegen anderer Dinge hier.“

Sie holt tief Luft und runzelte kurz die Stirn. Wo war sie da schon wieder hineingeraten? Ihr Blick wurde stechend. „Was bei der schönen Schwester der Donnernden tut ihr, Dom Gujadal? Ihr wollt zusammen mit fragwürdigen Individuen morgen in eine riesige Schar zwölfgöttergefällige Pilger preschen und sie mit Waffen bedrohen? Während der rahjagesegnete Baron dieser Pilger im Tempel der beliebtesten Göttin Almadas stirbt. Und das soll kein Blutbad geben?“

Sie brach ab und straffte sich. Jetzt war es raus, sollte passieren, was passieren muss, leise, aber in der Stille gut hörbar sprach sie ein kleines Gebet an Rahja. Wenn sie nur nicht so müde wäre, irgendwie konnte sie gar nicht richtig wütend werden. Er würde sterben. Eine Träne löste sich von ihr unbemerkt aus einem Augen und zog eine Spur auf der blutverschmierten Wange.


Autor: vivar

Dom Gujadal war versucht, ihre Hand zu ergreifen, hielt aber auf halbem Wege inne. „Selbstverständlich will ich das nicht, bei den Zwölfen! Dom Remigius selbst hat gesagt, dass ein Blutbad unbedingt zu vermeiden sei! Domna Romina, das fragwürdige Individuum ist Dom León selbst, der für den Tod der Buriana von Alstingen verantwortlich zeichnet! Er mag von Rahja mit einem schönen Leib, mit einer wohltönenden Stimme und, so erzählt man, noch anderen Qualitäten gesegnet sein, doch er ist ein Blender, ein Seductor, einer, der sich am liebsten selbst im Spiegel betrachtet und Glorienschein verbreitet, hinter dem nichts ist. Und doch wird er von allen Frauen verehrt.“

In den Worten des Al'Kasim klang Bitterkeit mit. „Dom Remigius hat selbst gesagt, dass das Volk des Taubentals uns mit Freuden als Befreier empfangen werde, wenn nur der Vivar unschädlich gemacht werden könnte! Wenn jener nur – oh, gute Götter! Alstingen hat doch nicht...?“

Aschfahl im Gesicht sank der Grafensohn neben Domna Romina auf die Bank. Er hielt sich die Hand vor die Augen. Sein Schnauzer bebte erneut.


Autorin: ehrenstein

Romina spürte, wie ihre Beine nachzugeben drohten und setzte sich ebenfalls wieder. „Ihr habt mit vielem Recht, Dom. Es ist erschütternd, wie der Kaiser alles, was uns lieb und teuer ist, mit Füßen tritt.“ Sie brach ab und wischte sich verlegen über die Wange, biss sich auf die Unterlippe und riss sich zusammen. „Und es stimmt, der Vivar ist ein eitler, oberflächlicher Laffe, den jede ehrbare Frau meiden sollte. Doch er wurde von der Gräfin der Waldwacht bestätigt und von den Vasallen des Taubentals angenommen. Ein Reiterstandbild in Santa Catalina stammt von einem seiner Vorfahren und sieht ihm ähnlich. Ich bin erst einige Tage hier und bin mir sicher, dass jeder kleine Schafhirte für den schönen Vivar kämpfen wird. Vielleicht wusste Dom Remigius ebenso, wie es steht und löste das Problem auf Alanfaner Art.“ Sie schnaufte abfällig. „Doch das sind Mutmaßungen; sie bringen uns nicht weiter. Faktum ist, dass der Vivar wusste, dass der Alstinger kommen würde und es somit auch seine Vasallen wissen. Ihr könnt mich zurück reiten und den hinterlistig Vergifteten retten lassen. Ihr könnt mich auch gefangen nehmen lassen, doch ich werde über die Geschehnisse kein Stillschweigen bewahren.“ Sie stemmte sich hoch.


Autor: alcorta

Kaum hatte sich die Grafentochter erhoben, traf sie schon der Schatten einer weiteren, eintretenden Person. Schnell realisierte Cesk Alcorta, dass in diesem Raum wesentlich mehr Personen anwesend waren als üblich. Etwas irritiert blickte er umher, bis er den Sohn der Mark erblickte. „Ah, Guten Morgen, Dom Gujadal. Die Späherberichte der Nachtwache im Wald sind eingetroffen. Ein Trupp hat wohl eine kleine Gruppe stark lädierter Wanderer aufgegriffen…“ Er verlor etwas den Faden und sah auf Domna Romina. „Aber ich vermute… das wisst Ihr bereits…“ Er reichte Dom Gujadal ein Bündel Papiere.

Er bemerkte die Blässe in dessen Gesicht. Er spürte den allgemeinen, irgendwie niedergeschlagenen Grundtenor in diesem Raum. „Will mich vielleicht jemand aufklären, was hier los ist? Warum seht ihr aus, als hättet ihr einen Geist gesehen, Dom Gujadal? Und warum hinterlässt diese Dame hier auf mich den Eindruck, als wäre sie drauf und dran, ungehindert wieder aus unserem Lager zu spazieren? Und…“ – er stoppte im Satz und fing an, in einer Tasche zu kramen, die er am Leib trug – „und wer hat es nur gewagt, Euch so zuzurichten, Domna? Welche Schandtat! Wartet, ich habe da was, sonst entzünden sich diese Schrammen noch.“ Er zog aus der Tasche ein kleines Tongefäß. „Hier, nehmt diese Wundsalbe aus dem Hause Blumendâl, voller Ingredienzien, von denen ihr wahrscheinlich weder gehört habt, noch hören wolltet, die aber nichtsdestotrotz hilft.“


Autor: pildek

Hagen hatte die ganze Zeit interessiert zugehört. Es galt also den Feind zu retten, dachte er sich und ob dieser Ironie konnte er sich ein Lächeln nicht verkneifen. Sein Freund Lechdaan sagte ich solchen Momenten immer ‚Folge dem Pfeil, das Ziel ist immer am Ende der Spitze und nichts abseits darf dich ablenken‘. Das Ziel ist ein vergifteter Mann – nicht mehr und nicht weniger. Jägerphilosopie!

Da auch die Soldaten offenbar Mühe hatten dem Gespräch zu folgen und in den meisten Gesichtern Verwirrung zu erkennen war, nutzte Hagen diesen Moment. Er steckte seine Säbel wieder in die Scheiden und erleichterte den Soldaten um die Waffen seiner Begleiter. An den Neuankömmling und Dom Gujadal gerichtet, sagte er: „Ich fasse also zusammen: Eine über alle Zweifel erhabene Domna auf einer göttergefälligen Queste mit Informationen, die auf der Gegenseite bereits bekannt sind.

Demnach, Dom Gujadal, habt Ihr keinen weiteren Grund uns weiter festzuhalten und könnt dabei sogar noch einen Mord verhindern. Einen Mord, den auch Dom Yantur in keiner Weise unterstützen würde. So viel also zu Plänen und deren Treffen mit der Wirklichkeit!“


Autorin: ehrenstein

Die überraschte, über alle Zweifel erhabene Domna hatte brav den Tiegel ergriffen und von einem Caballero zum Anderen geschaut. Sie hatte ihn erkannt, Dom Cesk Alcorta, einen weiteren Südpforter. Er war auf der Landständeversammlung gewesen. Wie viele aus der umkämpften Südprovinz waren wohl noch hier? Sie verstand gut, warum diese Magnaten Rohaja folgten; bestimmt fühlten sie sich ebenso von Selindian Hal im Stich gelassen. Aber was zum Donner machten sie alle hier im Taubental? Ein Exempel statuieren? Warum genau während eines Rahjafestes? Sie verscheuchte die nutzlosen Gedanken und senkte grüßend ihr Haupt.

„Rahja und Rondra zum Gruße, Dom Cesk. Ihr seid auch hier?!“ Es ging ihr nicht allzu gut und lange würde sie dieses Hin und Her nicht mehr aushalten. „Entschuldigt mich, Dom Gujadal erklärt Euch bestimmt gerne, warum wir es so eilig haben.“

Sie trat zu dem Albernier. Er schien seinen Auftrag sehr ernst zu nehmen. Sie lächelte ihn dankbar an, nahm einen der Säbel an sich und schaute in die düstere Miene ihres Leutnants. Dieser war die ganze Zeit still, aber mit geballten Fäusten dagestanden. Sie drückte ihm den Säbel in die Hand und nickte.

„Es kann nicht sehr weit zur Brücke sein, gehen wir.“ Plötzlich wurde sie sich wieder des Tiegels bewusst, den sie immer noch in der Linken hielt. Sie drückte ihn ihrer Knappin in die Hand uns sah zurück zu dem Schelaker. „Habt Dank für die Salbe, Dom, ich werde sie beizeiten auftragen lassen.“


Autor: alcorta

Cesk fühlte sich irgendwie ertappt. Die Frau kannte ihn offensichtlich, nun, beim zweiten Nachdenken kam auch ihm das Gesicht entfernt vertraut vor, doch er hatte keine Ahnung, wen er vor sich hatte. Aber auch Hagens Worte schwirrten ihm noch durch den Kopf. Von was redete er da nur? „Äh… ja… ich bin hier... wie ihr seht, Domna… Zögert nicht zulange damit, mit solchen Kratzern ist nicht zu spaßen, man sagt dem Ohm Tuachall Alcorta nach, dass er an einem harmlosen Kratzer einer Katze gestorben sein soll. Er bekam nur einen Tag danach starkes Fieber und ging so zu Boron. Aber verzeiht, wenn ich Euch den Schwung des Aufbruchs etwas nehmen muss.“

Er wandte sich an Hagen. „Mir deucht, als wüsstet zumindest Ihr einige sehr prekäre Sachen über unseren Auftrag hier. Ich müsste Euch eigentlich nun hier festhalten, doch da Ihr als Gast hier bereits in einer Position seid, unseren Wächtern Waffen abzunehmen und euch selbst zuzuführen, vermute ich mal, dass Ihr bereits eine Erlaubnis dazu habt, mit all diesem Wissen unserem Auftrag zuwider zu handeln. Anderseits steht für mich bei all diesem ganzen Unterfangen doch sehr viel auf dem Spiel, daher will ich kein Risiko eingehen. Daher… Dom Gujadal, sollen wir den Domnas und Doms Geleitschutz geben, auf dass unsere Queste gewahrt bleiben kann?“


Autor: pildek

„Dom Cesk, ich bin der Geleitschutz und begleite Domna Romina im Auftrag Dom Yanturs. Wenn Euch mein Interesse und Bemühen um ihre Queste wundert, so schreibt das bitte meiner Neugier zu und der Tatsache, dass solche eine Queste deutlich weniger mein Hirn martert als all diese undurchdringlichen Verstrickungen von Bündnissen und Lehensrecht. Dennoch habe ich eindeutige Order erhalten, Domna Romina und die Ihren an jedweder Aktion gegen unseren Feldzug zu hindern – mit Ausnahme des Questenziels selbst. Dazu stehe ich!

Lasst uns also in der Götter Namen ziehen! Die Zeit drängt, wir müssen uns kurz um unsere Wunden kümmern und dann auch sofort weiter.“


Autor: vivar

„Für einen dahergelaufenen Albernier Waffenknecht in Pildeker Diensten nehmt Ihr das Maul ganz schön voll!“, keifte Agnello di Barrizal. „Dom Gujadal, ich schlage vor, wir knüpfen ihn wegen Verrats an unserer Sache auf! Die anderen drei behalten wir hier in Gewahrsam, die geben gewiss ein saftiges Lösegeld!“

Johlend drückten einige Soldaten ihre Zustimmung zu diesem Vorgehen aus, während Hagen die Fäuste ballte. Er war jedoch zu klug, um gegen Dom Agnello vorzugehen. Schließlich hatte hier über ein Dutzend Männer und Frauen die Hand am Waffenkorb.

„Ruhe, meine Herren! Wer soll denn bei Eurem Geschwätz denken und gar Entscheidungen treffen?“ Gujadal Al'Kasim war aufgesprungen. „Ruhe, verdammt! Domna Romina, Euer Ansinnen ist ehrbar und mehr, als León de Vivar verdient. Es ist aber auch zum Scheitern verurteilt. Ihr sagtet, dass der Vergiftete nur noch bis zum Morgengrauen überleben werde, und dass ihr – Peraine mag wissen, weshalb – noch das Ei eines Storches zu seiner Rettung benötigt. Ich muss kein Hellseher sein, um zu wissen, dass Ihr in der nächsten Stunde, und gäbe ich Euch auch mein schnellstes Ross, kein solches Ei mehr finden werdet.“

Er wandte sich zu seinem Gefolge um: „Oder hat jemand hier im Raum vielleicht zufällig Storcheneier dabei?“


Autor: alcorta

Betretenes Schweigen machte sich unter den Lebensrettern breit. Sie wussten, dass Dom Gujadal Recht hatte. Es war nun einmal Herbst und Störche legten Ihre Eier nicht im Herbst, sondern im Frühling. So viel Zeit hatten sie nicht. Resignierend senkten sie ihre Köpfe. In diese neu entstandene Stille räusperte sich Dom Cesk. „Ehm... ich... hätte da vielleicht etwas...“

Schlagartig richteten sich die die Blicke der Anwesenden auf den Schelaker, der seine Rocktaschen abzuklopfen begann.

„Ich habe in meinen Rocktaschen einige nützliche Dinge. Darunter auch ein perainegefälliger Glücksbringer, welcher bei der seltsamen Krankheit, von der die Einwohner Schelaks vor zwei Jahren befallen wurden, eine schützende Wirkung entfaltelte. Man hat mir damals versichert, dass sich darin auch gemahlene Storcheneier befänden. Sofern ihr keine frischen Storcheneier braucht...?“

„Das, fürchte ich, kann ich Euch nicht beantworten“, gab Domna Romina verwirrt von sich.

„Könnt Ihr denn sagen, welche Ingredienzien Ihr sonst noch braucht? Maestro Calas, meinem... Berater, habe ich einige alchymische Grundkenntnisse abschauen können. Daher vermag ich vielleicht grob sagen, ob es in dieser Form wirkt oder nicht.“

Die Domna versuchte verzweifelt, sich zu entsinnen. „Ich erinnere mich, dass die alte Zahori von... Hirrewurz und Nothilfe sprach. Wir sollten uns nach Schwarzem Lotus und besagten Eiern umsehen.“

„Hiradwurz und Nothilfblatt“, half Dom Cesk sanft aus. „Ein gewöhnliches Antidot ist das jedenfalls nicht. Dieses braucht zwar in der Tat eben jenen Lotus und das Eiweiß eines Storcheneis, arbeitet aber nicht mit der Hiradwurzel oder Nothilfblatt, sondern mit Belmart, Menchalsaft, Zinnober, einem Sandviperzahn und Tulmadron... ach ja, und geharztem Wein, aber das ist ja nun kein Problem. Aber immerhin, wenn sie Hiradwurz nutzt, dann sollte die Schale ausreichen, denn die Wurzel nimmt man gegen Schlangengifte. Da Eier ja das Innere vor dem Äußeren schützen sollen und Schlangen nun mal gerne Eier essen, geht’s in diesem Fall wohl weniger ums Eiweiß. Nothilf ist gegen Brandwunden und hebt die Wirkung von Tulmadron auf, da in einem normalen Antidot Tulmadron enthalten ist...“ Er verstummte und machte einen grübelnden Eindruck.

Domna Romina starrte ihn ob solcher alchemistischer Spezialkenntnisse entgeistert an. Schließlich rief sie voller Ungeduld: „Was denn nun, Dom Cesk?“

Dom Cesk erwachte aus seinen Gedanken. „Hm? Was? Oh, ach ja... Nun... ich glaube... es wird funktionieren. Das Gift dürfte irgendwas auf Krötengiftbasis sein, die Schale des Storcheneis sollte die tödliche Wirkung auf jeden Fall aufheben. Der Vivar wird zwar immer noch einige sichtbare Nebenwirkungen mit sich rumtragen, das kann so was wie Warzenbildung oder eine Zungenlähmung sein, aber Hauptsache lebendig.“ Der Schelaker begann wieder in seinen Taschen zu kramen.


Autor: vivar

Indes fing Dom Agnello wieder an zu poltern: „Dom Cesk, seid Ihr denn von Sinnen? Das ist Verrat! Verrat an unserer Sache, an unserer Mission, an unserem Freund Alstingen! Gestern erzähltet Ihr mir noch, Euer eigener Berater, dieser Blumendâl, habe Euch davor gewarnt, sich mit dem hündischen Vivar einzulassen! Hat er sich nicht auch an Schelaker Weibern vergriffen? Hat er nicht Domna Buriana von Alstingen beim traviagefälligen Gastmahl ermordet? Ist es da nicht – ja, ich sage es – göttliche Gerechtigkeit, dass dieser Dom-Juan-in-allen-Betten nun bei seinem eigenen Gastmahl sterben soll? Es ist ein Wink des Schicksals, ihn ein für allemal und ohne jegliches Blutvergießen mit gleicher Münze zahlen zu lassen! Und da stellt Ihr, Dom Cesk, Euch Euch auf die Seite seiner...“ – er blickte zu der Ehrensteinerin und suchte nach dem passenden Wort – „seiner Kumpanin!“


Autor: alcorta

Dom Cesk blickte wütend auf den Seegrafen. „Dom Agnello, ich weiß, dass Euch die wichtigsten almadanischen Tugenden wie Stolz und Ehre offensichtlich nicht in die Wiege gelegt wurden, daher nehmt dies als Lektion fürs Leben: Es gibt keinen Sieg, wenn man sich dafür nicht im Spiegel betrachten kann. Geht davon aus, dass der rechtmäßige Baron von Taubental eines Tages seinen Enkeln von dieser Mission erzählen will. Welche Heldentat würde er nur berichten müssen, hätte er diese Geschichte nur durch einen feigen Giftmord erreicht? Was würde man von ihm denken, was würde sich die Kaiserin nur denken müssen, wem sie da die Baronie überlassen hat? Einem seelenlosen Schurken? Soll dies auf Dom Remigius' Wappenschild stehen? Ich glaube nicht. Wenn wir diese Schlacht gewinnen wollen, dann nicht ohne unsere Ehre.“

Endlich hatte der Alcorta in seiner Tasche gefunden, was er suchte. An einer ledernen Schnur zog er einen bronzenen Flakon in Form eines Storches hervor. Den abschraubbaren Verschluss des daumengroßen Gefäßes bildete das Haupt des heiligen Vogels. Dom Cesk hielt den baumelnden Talisman vor Domna Romina in die Höhe. „Gefüllt mit dem Staub eines getrockneten Storcheneis!“, verkündete er selbstzufrieden. Mit bedeutungsschwangerem Blick sah er der Grafentochter in die Augen. „Ihr wisst, was es bedeutet, wenn ein Almadaner ein Geschenk macht, ein Geschenk, das ein Menschenleben wert ist. Überlegt sorgfältig, ob Ihr das hier annehmen wollt, Hochwohlgeboren.“


Autorin: ehrenstein

Die junge Caballera sah auf den kleinen Glücksbringer und spürte, wie ihre Knie weich wurden. Sie hatte nicht allzu viel von dem Gerede des Schelakers verstanden, nur soviel, dass es Hoffnung für Dom Léon gab. Ihr Herz klopfte wild, Erleichterung und Scham stiegen in ihr auf. Was ritt sie nur, dass sie für diesen Leichtfuß Versprechen um Versprechen gab, Ehre und Leben riskierte?! Ob er je wissen würde, was sie alles für ihn in die Waagschale geworfen hatte?

Ihr Blick glitt zu Dom Cesk. Kurz spiegelten ihre blauen Augen den Gefühlssturm wider, doch schnell verbarg sie, was sie bewegte. Nichts war umsonst, auch und gerade der Ehre wegen. Doch es war egal, sie war schon zu weit gegangen, sie konnte jetzt nicht mehr umkehren. Ihre Miene wurde fest, kühl, aber auch auf eine sonderbare Weise ergeben. Sie nickte. „Sollte der Händlerbaron die Vergiftung überleben, stehe ich in Eurer Schuld, Cesk Alcorta. Wenn Ihr ruft, werde ich kommen und Euch helfen. Einmal, nicht mehr und nicht weniger!“

Sie straffte sich, schien ein wenig zu wachsen, nahm den Talisman und verstaute ihn sorgfältig neben dem Wachspapier, in dem der Lotos ruhte.

Dann wandte sie sich an den Al'Kasim. „Mögen die Götter Euch und den Euren beistehen, wenn Ihr morgen in das rahjanische Fest einfallt, Dom Gujadal.“ Sie ließ keinen Zweifel daran, was sie von diesem Vorhaben hielt.


Autor: vivar

Gujadal Al'Kasim senkte die Augen unter ihrem Blick. Er schluckte. Schließlich sagte er leise: „Ihr seid an Euer Ehrenwort gebunden, ich an meines, Domna Romina. Ich bete zu den guten Zwölfen, dass Ihr das Eure erfüllen könnt und den Vivar retten könnt. Und damit Ihr seht, dass ich es ernst meine, will ich Euch ein Ross geben, damit Ihr schneller nach Santa Catalina gelangt.“

„Und mein Gefolge?“, fragte die Comtessa misstrauisch.

„Wie vieler Menschen bedarf es, um eine Blume und etwas Eierstaub zu tragen, Domna Romina? Ein einzelner Reiter ist schneller als eine Gruppe. Nehmt das Mädchen meinethalben mit, es wiegt ja fast nichts. Reitet, so schnell Ihr könnt. Euer Gefolge werde ich bei Sonnenaufgang auf freien Fuß setzen, mein Ehrenwort darauf.“

Gujadal Al'Kasim gab dem Anführer der Rot-Blauen einen Wink. „Mauricio, das Pferd des Gefangenen. Und Mawets Pferd.“

„Sofort, Dom!“, salutierte dieser und stürmte an Dom Cesk vorbei durch die Tür.

„Ehe Ihr reitet, verehrte Tochter Ragaths“, hob der Grafenspross erneut an, „hört mich noch einmal an! Mawet wird Euch hinterher reiten, wie er es versprochen hat. Sobald Ihr wisst, wer den Vivar vergiftet hat, werdet Ihr es dem Albernier mitteilen. Dieser wird sogleich zu mir eilen und mir Bericht erstatten. Sollte sich bewahrheiten, was Ihr angedeutet habt, und Alstingen tatsächlich die Schuld dafür tragen, so ist mein Wort ihm gegenüber nichtig und ich werde mit meinen Truppen auf der Stelle kehrt machen. So wahr mir Rondra helfe!“

Er bot der schwächelnden Domna Romina galant den Arm, als sie auf ihrem Weg zur die Tür strauchelte.

„Dom, die Rösser!“, meldete Mauricio von draußen.

Die Grafenkinder traten, Zaida und Hagen hinter ihnen, durch die Tür. Beruhigt stellte Domna Romina fest, dass es noch dunkel genug war, um die Sterne zu erkennen. Der Soldat hielt einen schlanke Yaquirtaler Fuchsstute und ein stolzes Dillwischross am Zügel, das bei Hagens Anblick freudig schnaubte.

Romina hatte bereits einen Fuß im Steigbügel, als das Licht aus der offenen Türe auf die Satteldecke der Stute fiel. Sie war blau und trug in der Ecke eine einzelne weiße Lilie – das Wappen Vivars. Die Ehrensteinerin erstarrte. Wie war das möglich? Wer war der Gefangene? Welches Spiel spielte Dom Gujadal mit ihr?

„Es ist uns ernst damit, möglichst wenig Blut vergießen zu wollen“, sprach Gujadal Al'Kasim mit steinerner Miene, während er ihr in den Sattel half. „Deshalb haben wir auch für den Fall vorgesorgt, dass Alstingen an der Vergiftung unschuldig ist. Teilt Dom León, sollte er mit der Götter Hilfe wieder zu sich kommen, mit, dass sein Bruder, Dom Amando, in unserer Hand ist, und er besser den Alstingen als seinen Baron akzeptiert, wenn er jenen wieder sehen will. Rahja mit Euch auf Eurem Ritt, Domna Romina.“

Die Grafentochter wollte etwas erwidern, doch der Schmerz ließ die Zähne zusammenbeißen. Wortlos zog sie ihre Knappin zu sich hinauf und gab Dom Amandos Ross die Sporen.