Chronik.Ereignis1033 Streit ums Taubental 43
Wie Dom Franco das Gelingen seiner Pläne durch die Unauffindbarkeit des Roten Trovere gefährdet sah. Wie er sich auf den Weg machte, um sich höchstpersönlich seine Umtriebe zu verwirklichen. Wie er vor Borons Garten der tapferen Taladurer Bürgerwehr begegnete. Wie er diese mit Worten und Gold überzeugte, ihm einen Sack auszuhändigen.
Baronie Taubental, 4. Travia 1033 BF[Quelltext bearbeiten]
In den Gassen von Santa Catalina (1. Rondrenstunde)[Quelltext bearbeiten]
Autorin: beiras
Nachdem er mit seiner Gemahlin und seinem Sohn über die Heilige Treppe den Tempel und damit auch vorerst seinen Vetter, der dem Tode näher schien als dem Leben, verlassen hatte, blickte sich Franco de Beiras y Vivar auf dem immer noch von Lärm erfüllten Dorfplatz aufmerksam um: Nichts deutete daraufhin, dass die feiernden Menschen wussten, was innerhalb der heiligen Hallen Rahjas geschehen war. Nur kurz verharrte er am Fuße der Treppe, dann schritt er schnellen Schrittes auf einen der Mercenarios zu, die in seinen Diensten standen und griesgrämig dreinblickten, weil er ihnen das Saufen an diesem Abend verboten hatte. "Sprich: Wo ist meine Tochter?"
Als der Mann, es war Narvin, der sich inzwischen wieder hier eingefunden hatte, nur hilflos mit den Schultern zuckte, wurde das Gesicht des Barons hart. Er trat ein Stück näher an den Mercenario heran. "Du willst mir sagen, du weißt nicht, wo sie ist?"
Ein kalter Schauer lief Narvin über den Rücken. Er räusperte sich, aber seine Stimme klang dennoch unsicher: "Eure... Eure Tochter hat mir einen Auftrag in Eurem Namen erteilt, Hochgeboren. Sie hieß mich, eine Gruppe zu begleiten, einen Heiler für Euren Vetter zu suchen. Sie selbst verschwand mit zweien der Hunde, die anderen ließ sie bei mir." Narvin schaute hinab zu den drei Hunden, die sich um die Beine ihres Herrn drängten und abwechselnd von Dom Franco den Kopf getätschelt bekamen.
Er gab einen abwertenden Laut von sich. "Bleibe hier und beobachte, wer den Tempel betritt oder verlässt. Wenn jemand versuchen sollte, meinen Vetter - du weißt, wie er aussieht, ich habe ihn dir gezeigt – aus dem Tempel zu schaffen, wirst du ihn entweder daran hindern oder mich schnellstmöglich informieren. Hast du das verstanden?"
Narvin nickte stumm.
Dom Franco blickte Domna Yedra für einen Moment an und legte dann ihre Hand auf seinen Unterarm, um mit ihr würdevoll über den Dorfplatz zur Goldenen Rose hinüber zu schreiten.
"Ich suche Corvara!", rief Salvestro seinen Eltern zu und war verschwunden, bevor sie ihn zurückhalten konnten.
(1. Traviastunde)[Quelltext bearbeiten]
Zu später Stunde war die Familia wieder in der Herberge vereint. Es hatte eine Weile gedauert, bis Salvestro Corvara mit den beiden Hunden gefunden hatte. Seine Schwester war enttäuscht, dass sie Tito nicht gefunden hatte. Arlen dagegen schien froh zu sein, als die Suche quer über das Pilgerfeld endlich zu Ende war.
"Ein Besoffener hat gesagt, er habe sich nach seinem Spottlied auf Onkel León mitten in der Menge in Luft aufgelöst." Diese Worte seiner Tochter ließ sich Dom Franco immer wieder durch den Kopf gehen. Dieser Narr von einem Trovere! Es durfte nicht sein, dass Tito nicht mehr da war... oder nicht mehr lebte! Das brachte all seine Pläne durcheinander. Er hatte Arlen befohlen, seine Männer am praioswärtigen Eingang des Dorfes zu platzieren, um Domna Romina aufzuhalten, sollte sie tatsächlich mit einem Heilmittel zurückkehren, aber wenn Tito nun nicht mehr auffindbar war, so war alles verdorben.
Nachdem auch seine Zwillinge sich in ihre Zimmer zurückgezogen hatten, verließ Dom Franco die Herberge, ging in den Stall und kehrte mit der Hundemeute zurück. Eine innere Unruhe trieb ihn an, sich selbst davon zu überzeugen, dass seine Anweisungen ausgeführt wurden. Der Dorfplatz hatte sich – nicht zuletzt auch aufgrund des vorüber gezogenen Regens – bereits bedeutend geleert. Nur einige unermüdliche Zecher harrten noch im Mondenschein aus. Von weitem sah er Narvin, der es sich auf seinem Fass in Blickweite der Tempeltreppe gemütlich gemacht hatte. Seine Haltung verriet, dass er zwar gelangweilt war, aber nicht schlief. Ein zufriedenes Lächeln huschte über Francos Gesicht. Es war ein gutes Gefühl, wenn seine Befehle befolgt wurden.
Seine Hunde im Gefolge, schritt der Baron durch die Hauptstraße dem südlichen Dorfrand zu. Auch hier waren die meisten Wirte und Budenbesitzer damit beschäftigt, ihre ausgeklappten Theken zu leeren und ihre Fensterläden zu schließen. Niemand achtete auf Dom Franco. Er stolperte mehrmals beinahe über ein paar Betrunkene, die es sich einfach in der Gosse gemütlich hatten. Als er die letzten Gärten erreicht hatte, konnte er rechter Hand bereits das Pilgerfeld erblicken, auf dem noch einige Feuer brannten. Bald musste er auf Arlen treffen, der hier irgendwo die Straße im Auge behielt.
Autor: vivar
Aufmerksam suchte er mit den Augen die Umgebung ab. Die Straße war ein Hohlweg. Etwa brusthohe Mauern schirmten die erbärmlichen Gärten und Katen der ärmsten Bewohner Santa Catalinas, der unfreien Häusler, von den Blicken der Besucher und Pilger ab. Bisweilen führten schmale Gässchen zwischen den Mauern auf die Felder oder zu einer gemeinsamen Latrine hinaus.Die vielen Törchen in den Mauern waren aus schlichten Holzbrettern zusammen genagelt und boten lediglich den symbolischen Schutz, der auf jeder Hausschwelle im Namen Travias lag.
Linkerhand erstreckte sich dagegen eine lange Mauer mit einem schmiedeeisernen Gittertor in der Mitte. Von seinem Einritt in das Dorf wusste Dom Franco, dass es sich bei diesem letzten Grundstück vor Erreichen des freien Feldes um den Boronanger Santa Catalinas handelte. Für einen Moment überkam ihn das Bedürfnis, den Anger zu betreten und zum Gevatter darum zu beten, dass Golgari Vetter León sicher – und vor allem bald – über das Nirgendmeer geleiten möge. Gerade wollte er seine Schritte in Richtung des Tores lenken, da vernahm er ein dumpfes Geräusch.
Nur ein knappes Dutzend Schritt von ihm und seinen Hunden entfernt war ein großer, länglicher Sack über die Friedhofsmauer geworfen worden und lag nun im Schlamm der Straße. Was war das nun wieder? Boronlästerliche Grabräuber? Instinktiv befahl Franco de Beiras seinen Hunden mit einem Fingerzeig, in einem der dunklen Gässchen zur Rechten zu verschwinden. Die Meute folgte seinem stummen Befehl ohne Zögern und trottete außer Sichtweite. Er huschte gerade noch rechtzeitig hinterdrein, um wieder um die Ecke lugen zu können und zu sehen, wie sich eine schlanke Gestalt auf die Mauer zog und rittlings darauf setzte.
„Spute dich, Turogosch!“, zischte sie ihrem unsichtbaren Begleiter zu und beugte sich hinunter, um ihn hochzuziehen.
„Komm ja schon!“, brummelte es von jenseits der Mauer. Schließlich zog die erste Gestalt – im Mondschein als schlanke Frau mit Eslamszopf erkennbar – leise ächzend eine zweite, welche aufgrund ihrer Leibesfülle und Kurzgliedrigkeit sofort als Angehörige des Zwergenvolkes zu erkennen war, zu sich hinauf.
„Eine großartige Idee von dir, das mit dem Boronanger, Contessina. Diese Zwetschgen sind das Leckerste, was ich je gegessen habe! Wusste gar nicht, dass euer Boron auch ein Zwetschgengott ist.“ Der Zwerg schmatzte zur Bestätigung und patschte sich mit der Hand auf den Bauch.
„Der Gevatter strafe dich für deine Lästerei, Zwerg“, entgegnete die Contessina Genannte scharf, indem sie auf die Straße herunter sprang und sich misstrauisch umsah. Dom Franco bewunderte die Eleganz ihrer Landung und bemerkte das Rapier an ihrer Seite. „Hör auf mit dem Zwetschgenfressen und hilf mir lieber, den Bastard zu unseren Gäulen zu schleppen.“
In hohem Bogen spuckte der Zwerg einen Kern auf die Straße und sprang dann – weit weniger elegant – zu ihr herab und packte das Bündel mit seinen groben Pranken.
Autorin: beiras
Dom Franco beobachtete das seltsame Paar aus seinem Versteck und erkannte, dass der Zwerg eine Armbrust auf dem Rücken trug. Wer drückte sich in einer solchen Nacht auf dem Boronsanger herum, während alle anderen ihren Rausch ausschliefen, und noch dazu bewaffnet? Dies konnte nur bedeuten, dass die beiden etwas im Schilde führten. Ob sie eine der Gruppen unterstützten, welche die Zutaten für den angeblichen Heiltrank suchten? Wenn ja, musste man sie aufhalten. Aber er war bis auf seine Hunde alleine. Auch, wenn diese ihm aufs Wort gehorchten, hätte er lieber noch eine erfahrene Klinge an seiner Seite gehabt. Immerhin ahnte das seltsame Paar noch nichts.
Noch einmal atmete er tief durch, bückte sich ein wenig und murmelte etwas in ein Hundeohr. Das Tier straffte sich und seine Anspannung übertrug sich wie von Geisterhand auch auf die anderen Tiere der Meute. Dann vergewisserte sich Dom Franco, dass sein Rapier locker genug saß, um bei Bedarf schnell gezogen zu werden, bevor er um die Ecke torkelte und sich leicht schwankend der Contessina und dem Zwerg näherte. Seine Hunde blieben hinter der Ecke im Schatten verborgen.
„Welch hübscher Anblick zu so früher Stunde“ säuselte Dom Franco und stutzte, als hätte er den kleinen Begleiter der Frau erst jetzt erblickt. „Teilweise zumindest.“ Er tat einen weiteren Schritt auf die beiden zu, hielt sich aber außer ihrer Degenreichweite. „Was nur treibt Ihr zu dieser Stunde hier, werte Domnatella?“
Autor: vivar
Überrascht ließ Contessina das Bündel zu Boden fallen, was lediglich einen dumpfen Ton ergab. Tonkrüge und Geldstücke waren wohl keine darin.
„Was schert’s dich denn?“, antwortete der Zwerg an ihrer statt, ohne sich recht umzudrehen. „Verpiss dich, alter Säufer und sorg dich um deinen eigenen Sch–“
„Schweig still, du Elender! Du redest dich um Kopf und Kragen!“ Contessina hatte ihrem Untergeordneten schon beipflichten wollen, als sie im Schein des Mondes den edlen schwarzen Stoff und die Pfauenfeder am Caldabreser des vermeintlichen Säufers bemerkte. Ein Mitglied der Nobleza! Den sollte man besser nicht so anreden, selbst, wenn er betrunken war.
„Bitte pardonniert meinem zwergischen Gefährten seine Worte, Dom. Sein von Ingerimm erfülltes Wesen lässt ihn bisweilen an der menschlichen Cortezia straucheln. Unsere Geschäfte allerdings, da hat er ganz recht, sind in der Tat unsere eigene Angelegenheit. Gewiss habt Ihr auch noch gewichtige Angelegenheiten zu so später Stunde zu erledigen, Dom. Gehabt Euch daher wohl.“
Autorin: beiras
Bei den Beschimpfungen des Zwerges zuckte der rechte Mundwinkel Dom Francos kurz, ansonsten zeigte er keinerlei Regung. Stinkendes Zwergenpack. Er hasste diese kleinen Widerlinge mit ihren Bärten, die nach Erde stanken, weil sie allerorts in Sumus Leib gruben, um ihren Reichtum zu mehren. Und er würde – wo auch immer er konnte – sich für die Schmach rächen, die seine Familia durch dieses Volk hatte erfahren müssen.
Säuselnd antwortete er Contessina: „Aber wer wird denn so kratzbürstig sein?“ Er pfiff leise und nur einen Augenblick später standen seine Hunde hinter ihm. Langsam näherte er sich Contessina und Turogosch, welche die großen Tiere einen Moment überrascht ansahen. Leises Knurren erscholl und lange spitze Fangzähne wurden sichtbar. Dom Franco machte eine kurze Handbewegung und das Knurren erstarb. Die Anspannung der Tiere war jedoch deutlich zu sehen, wie sie im Halbkreis hinter und neben Dom Franco standen und darauf warteten, dass dieser ihnen erlaubte, anzugreifen.
Zynisch und eindeutig nüchtern fuhr er fort: „Ihr kommt des nächtens vom Boronsanger, Euer Begleiter reibt sich schmatzend das Maul, ob der gestohlenen Zwetschgen. Da liegt der Gedanke nahe, dass Ihr in Eurem Sack nicht nur die weitere Reiseportion für diesen...“, er spuckte das Wort beinahe aus, „Zwerg habt, sondern dass Ihr Euch auch noch weitere Habseligkeiten, die jemand anderes sein Eigen nennt, einverleibt habt. Öffnet den Sack, lasst mich sehen, was Ihr mit Euch führt und wenn alles mit rechten Dingen zugeht, werde ich Euch unbehelligt weiter ziehen lassen.“
Autor: vivar
Sichtlich vom lautlosen Auftauchen der fünf Bestien eingeschüchtert, wechselte Contessina einen unsicheren Blick mit Turogosch, der bereits die Hand an der Zwergenskraja hatte. Contessina schüttelte den Kopf und richtete seufzend den Blick wieder auf den Edelmann. „Ihr sollt die Wahrheit haben, edler Dom. In unserem Sack werdet Ihr nichts finden, was einen so hohen Herrn wie Euch interessieren dürfte, Dom. Es handelt sich um einen gemeinen Hochstapler und Giftmörder, den wir der praios- und ingerimmgefälligen Gerichtsbarkeit unserer Heimatstadt zuführen wollen. Gewissenlos hat er eine hochgestellte Domna von altehrwürdiger Nobleza gemeuchelt.
An diesem Ort hatte der Schurke sich unter dem fröhlichen Festvolk vor dem suchenden Auge der Gerechtigkeit verborgen und bereits ein neues Attentat in seinem verdorbenen Sinne. Vor Ausführung seiner schandbaren Tat konnten wir jedoch seiner habhaft werden und bringen ihn nun fort, auf dass er gerichtet werde und die, äh, Feierlichkeiten nicht weiter störe.“
Autorin: beiras
Mit Wohlwollen nahm Dom Franco wahr, wie seine Hundemeute auf die beiden wirkte. Er genoss es zu sehen, dass sowohl der Frau als auch dem Zwerg die Augäpfel für einen Moment aus ihren Höhlen zu quellen schienen. Aber auch die Handbewegung des Zwerges hatte er wahrgenommen und überlegte, welche Chancen er mit seinen Tieren gegen zwei sehr wahrscheinlich geübte Kämpfer haben würde.
Contessinas Rede ließ ihn aufhorchen. Sollten diese beiden Vagabunden tatsächlich den gesuchten Tito in diesem Sack aus dem Dorf schaffen wollen? Er musste sich Gewissheit verschaffen. Wo nur war Arlen, wenn man ihn brauchte? Er musste ganz in der Nähe sein, wenn er sich an die Anweisungen seines Herrn gehalten hatte.
„So, einen Schwerverbrecher wollt Ihr also gefangen haben? Und wie ich Eurer Rede entnehme, wollt Ihr ihn gen Taladur verbringen, nicht wahr?“ Als würde er überlegen, was er davon halten sollte, ging er langsam vor seinen Hunden auf und ab, die ihn dabei unruhig beobachteten. „Nun, ich sehe das ehrwürdige Motiv hinter Eurem Handeln, aber hat nicht der Baron des Taubentals darüber zu entscheiden, ob jemand ausgeliefert wird? Wir sollten ihn entscheiden lassen, was mit dem Subjekt in Eurem Sack geschehen soll. Sieht er ihn als Verbrecher an wie Ihr, so werdet Ihr sicherlich bald Eure Reise antreten können.“
Ohne die beiden aus den Augen zu lassen, zog Dom Franco ein Tuch aus seinem Wams, bückte sich hinab und murmelte ein „Such Arlen“ in ein Hundeohr, während er dem Tier das Tuch vor die Schnauze hielt. Sofort senkte sich eine Hundenase auf den Boden. In einem großen Bogen lief das Tier um Contessina und Turogosch herum und verschwand hinter ihnen in der Dunkelheit. Dom Franco baute sich vor den beiden auf, die verbliebenen Tiere dicht neben sich. „Ohne eine solche Entscheidung kann ich Euch nicht ziehen lassen, das versteht Ihr sicherlich.“
Autor: vivar
Contessina betrachtete nervös die Hunde. „Unter gewöhnlichen Umständen, Dom, wäre eine Entscheidung des Viv – Seiner Hochgeboren gewiss angebracht. Die Umstände sind aber nicht gewöhnlich.“
„Sie sind sogar außergewöhnlich!“, pflichtete Turogosch ihr brummend bei.
„León de Vivar“, sprach Contessina voll Abscheu, „hat noch niemals die Gesetze der Reichsstadt Taladur geachtet. Im Gegenteil, Dom! Er hat sie zeit seines Lebens mit Füßen getreten! Für einen Sohn der Familia Tandori hat er sich einst ausgegeben, und einen solchen hat er einst getötet. Der Verhaftung hat er sich mehrfach widersetzt und wurde dabei von Schwarzkünstlern unterstützt! Außerdem steht seine Baronie tief bei einigen Taladurer Häusern in der Kreide!
Es ist also kaum damit zu rechnen, dass er uns bezüglich dieses Kerls“ – sie trat gegen den Sack – „Amtshilfe leisten wird.“
Sie hatte kaum ausgesprochen, als eilige Schritte zu vernehmen waren, die näher kamen.
‚Arlen!’, dachte Dom Franco erleichtert, als er die herbeieilende Silhouette seines Mercenarios erkannte.
Contessina und der Zwerg hingegen nahmen die Ankunft eines weiteren Mannes zum Anlass, ihre Waffen – Säbel und Skraja – zu ziehen und gegen die Hunde und den Bangourer Baron zu richten. „Wer auch immer Ihr seid, ich rate Euch, Dom, uns ziehen zu lassen, wenn Ihr Euch nicht die Feindschaft ganz Taladurs zuziehen wollt.“
Autorin: beiras
Arlen verlangsamte seine Schritte, als er die beiden Schatten zwischen sich und seinen Herrn stehen und die Waffen im fahlen Licht blitzen sah. Sofort zog er seinen Degen.
„Halte ein, Arlen, wir befinden uns noch in einer Verhandlung. Nicht wahr, Domnatella?“, war die warme Stimme Dom Francos zu hören. Bis jetzt hatte er es vermieden, mehr von sich preis zu geben, unsicher, ob dies förderlich sein würde oder aber doch die Situation brenzliger machen könnte.
„Wie ich Euren Worten entnehme, seid Ihr keine Freundin des hiesigen Barons. Ihr hegt die Befürchtung, dass sein Handeln nicht im Sinne Taladurs sein würde und deshalb wollt Ihr nicht mit ihm verhandeln. Eure Argumentation ist sicherlich nicht abwegig. Ich frage mich jedoch, welches Ziel Eurem Herzen näher liegt: Einen Mann, der angeblich ein Verbrecher ist, der Gerichtsbarkeit zuzuführen oder aber jenen Familien Genugtuung zu verschaffen, denen Dom León Geld schuldet?“
Einen Moment hielt er inne, um die Worte auf Contessina wirken zu lassen. Sie hatte die Linke zur Faust geballt und sich nachdenklich auf die Lippe gebissen.
Dom Francos Körperhaltung war nun, wo er sich der Unterstützung Arlens bewusst war, gelöster. „Sollte die zweite Alternative Euch am Herzen liegen, könnte ich Euch ein Angebot unterbreiten, von dem ich annehme, dass es Euren Geschmack trifft: Ihr übergebt mir den Mann in diesem Sack und seht davon ab, ihn nach Taladur zu bringen. Im Gegenzug werden die Schulden, die Dom León bei den Familias hat, beglichen. Auch werde ich dafür sorgen, dass der Vivar sich nicht mehr gegen Taladur stellen wird. Was mehr könnt Ihr Euch wünschen, so treu und loyal wie Ihr Taladur zu sein scheint?“ Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: „Oh verzeiht, ich vergaß mich vorzustellen: Man nennt mich Dom Franco de Beiras y Vivar.“
Autor: vivar
„Hör ich recht?“, fragte Contessina bass erstaunt und ließ die Waffe sinken. „Ihr, Franco de Beiras, vom Kaiser selbst zum neuen Baron von Bangour ernannt, wollt die Schulden des Taubentals übernehmen? Wisst Ihr denn überhaupt, was Ihr da für das Leben dieses Raubmörders anbietet? Die Vorgängerin des Viv...Eures Verwandten, die selige Buriana von Alstingen, hat in ihren letzten Jahren nur noch auf Kredit in Taladur eingekauft! Und ihre Festmahle waren, wie man sagt, einer Fürstin würdig! Allein bei meiner Familia, den Amazetti, sind Rechnungen von über 1.000 Dukaten offen!“
Autorin: beiras
“Mir ist freilich bewusst, dass es sich um größere Summen handelt und es mir vielleicht auch nicht sofort und in einer Summe möglich sein wird, diese Schulden zu tilgen. Aber glaubt Ihr, dass der jetzige Baron sich um diese Beträge auch nur einen Deut schert? Nein, ihn interessiert nicht, was für Gelder andere von ihm zu bekommen haben, solange er Wein trinken kann und ihm junge Weiber zu Füßen liegen.“ Dom Francos Stimme tropfte vor Widerwillen. „Aber ich bin bereit, die ehrbaren Taladurer Familias zu entschädigen. Das sollte das Leben dieses Mannes doch wert sein, nicht wahr? Die Aussicht, überhaupt Gelder in angemessener Höhe zu erhalten?“
Autor: vivar
"Möglicherweise." Contessina kniff die Augen zusammen und hob ihren Säbel wieder. „Warum interessiert Euch der Mann in unserem Sack überhaupt, Dom Franco?“
Autorin: beiras
Dom Franco seufzte. „Ich habe meine Gründe... Er ist ein entfernter Verwandter, der meinem Schutz untersteht...“
Er hoffte, dass diese fadenscheinige Antwort ausreichen würde, um sein Interesse zu begründen. Er konnte ja schlecht offen darlegen, dass er Tito benötigte, nachdem Dom León endlich in Borons Armen eingeschlafen war, um die Macht im Taubental an sich zu reißen.
Autor: vivar
„Und wenn ich ihn Euch übergeben habe, wer bürgt mir dafür, dass ich auch tatsächlich meine Genugtuung gegenüber Dom León, der meinen... der einen tapferen Taladuri auf dem Gewissen hat, erhalte, sowie dass die Baronie Taubental ihre Schulden bezahlt? Dem Wort eines Mannes, der über solche wie ihn “ – sie deutete auf den Sack – „die Hand hält, kann Contessina Amazetti nicht trauen, Dom Franco.“
Autorin: beiras
„Wie könnt Ihr es wagen, mein Wort an zu zweifeln?!“, entfuhr es Dom Franco unwirsch. Sein Gesichtsausdruck zeigte deutlich, dass er sein Temperament nur mühsam zügeln konnte, doch nur wenige Lidschläge später hatte er sich wieder im Griff. Abwägend blickte er Contessina an. „Glaubt mir, ein Franco de Beiras y Vivar hat noch jede seiner Rechnungen bezahlt. Und auch noch jede Schuld eingetrieben!“ Seine Stimme war wieder ruhiger geworden, hatte fast wieder die schmeichelnde Wärme wie zu Beginn des Gespräches bekommen, auch wenn Contessina ob des unverhohlenen Zynismus ein kalter Schauer den Rücken hinunterlief.
„Ihr hasst den Vivar. Er hat Eure so hoch gelobte Stadt Taladur und deren Bürgerschaft mit Füßen getreten und ausgenutzt, nicht wahr? Und nun... nun habt Ihr die Chance, dieser ehrwürdigen Bürgerschaft etwas zurück zu geben, was ihr am wichtigsten ist: Dukaten.“ Er seufzte leise, als fiele es ihm schwer weiter zu sprechen. Noch einmal schaute er Contessina prüfend an. Wenn er sich in ihr irren sollte und sie nicht zur Zusammenarbeit überreden konnte, war alles umsonst gewesen.
„Nun, um Euch zu zeigen, dass man mir vertrauen kann, verrate ich Euch etwas. Borons Hände greifen bereits nach dem Vivar. Man hat ihn auf den Feierlichkeiten vergiftet und im Moment hält ihn nur ein Zauber der Rahjanis noch am Leben. Doch dieser Zauber wehrt nicht ewig, man versucht, ein Gegengift zu brauen. Zu diesem Zwecke hat man Suchmannschaften ausgeschickt, um die benötigten Zutaten zu besorgen...“ Er blickte Contessina direkt in die vor Erstaunen geweiteten Augen.
„Wollt Ihr nicht lieber verhindern, dass die Zutaten den Tempel erreichen, als diesen Mann nach Taladur zu bringen? Ich biete Euch die Möglichkeit, Euch für die Schmach, die der Vivar Euch und den Taladuri angetan hat, zu rächen. Er wird mit seinem Leben bezahlen. Und ich werde seine Schulden begleichen. Und Euer beider Nachteil“ – seine Handbewegung bezog auch Turogosch mit ein – „soll dieser Handel nicht sein. Hindert alle, die diesen Weg zurück zum Tempel wählen, daran, ihn zu erreichen. Ist diese Möglichkeit nicht das Leben dieses Mannes wert? Sollte er wahrlich einer Taladuri zu einer verfrühten Reise zu Borons Gefilden verholfen haben, werden wir auch dafür eine angemessene Entschädigung finden. Da bin ich mir sicher.“ Äußerlich ruhig, pochte Dom Francos Herz so heftig, dass er befürchtete, alle könnten es hören. Er hatte alles auf eine Karte gesetzt. Hoffentlich stolperten nicht die ausgesandten Suchtruppen in ihre kleine „Unterhaltung“.
Autor: vivar
Sobald Turogosch begriffen hatte, was der Baron von ihnen wollte, zeigte er grinsend seine Zähne. Er war ein Erzschelm, ein Klanadorosch, ein Rechtloser unter seinem Volk, dem keine Schandtat zu niederträchtig war.
Contessina Amazetti dagegen starrte Dom Franco mit offenem Mund an, als könne sie nicht glauben, was sie soeben gehört hatte. Sie schwieg so lange, dass der Bangourer bereits fürchtete, sie könnte ihn angreifen. Dann jedoch brach es aus ihr heraus: „Gevatter Boron, ich danke Dir! Ich danke Dir, dass Du diesen Mörder den Gifttod sterben lassen wirst! Einen grauenvollen Tod, den der elfmal verfluchte Vivar wahrlich verdient hat!“
Dann deutete sie auf den Sack. „Hier, Dom Franco. Tito von Taladur ist Euer. Treibt mit ihm, was Euch beliebt. Wir werden in dieser hohlen Gasse jene erwarten, die das unvermeidliche Werk Borons aufhalten wollen.“
Sie nickte Turogosch zu, der seine Armbrust vom Rücken nahm und sie routiniert zu spannen begann.
Autorin: beiras
Angespannt wartete Dom Franco. Er hatte den Befehl, die Hunde mögen sie angreifen, schon auf den Lippen als ihm der Sinn ihrer Antwort klar wurde. Sie würde ihm helfen! Erleichtert schluckte er die Worte herunter, die dafür gesorgt hätten, dass sich die Hundemeute lautlos auf sein Gegenüber gestürzt hätte. Wer weiß, wie ein solcher Kampf ausgegangen wäre?
Er nahm eine entspannte Haltung an und lächelte. „Das ist eine gute Entscheidung, die Ihr sicherlich nicht bereuen werdet.“ Sein Blick fiel auf den Sack am Boden, an den er nun herantrat. In dessen Inneren schien Tito gehört zu haben, dass sich sein Schicksal zum Besseren gewendet hatte. Dom Franco griff unter seinen Umhang und beförderte ein kleines Ledersäckchen hervor. Kurz wog er es in seiner Hand, dann warf er es Contessina zu, die es geschickt auffing.
„Nehmt dies als Zeichen dafür, dass unser Handel gilt. Noch eines, Domna Amazetti: Falls jemand wider Erwarten dazu kommen sollte, Euch zu fragen, wer Euch beauftragt hat, so habt Ihr dieses Gold von Dom Remigio von Alstingen erhalten. Capito?“
Die Taladuri nickte stumm.
„Gut.“ Dom Franco lächelte sein wölfisches Lächeln. Dann schnitt er mit einem Dolch das Seil durch, welches den Sack zusammen hielt. Ein Haarschopf war im Halbdunkel zu erkennen. Leicht trat Dom Franco gegen den Sack, ein empörtes „Uff“ war aus dessen Inneren zu vernehmen. „Steht auf, Tito. Euer Leben ist mich teuer zu stehen gekommen.“
Als Tito sich aufrappelte und ob der Behandlung protestieren wollte, griff Dom Franco nach ihm und zog ihn am Schlafittchen zu sich heran: „Schweigt still! Ihr seid soeben der Todesstrafe entronnen. Und nun werdet Ihr Euch nicht mehr von meiner Seite begeben, es sei denn, ich befehlte es Euch.“ Ein letzter Blick galt Contessina und Turogosch, dann nickte er Arlen zu, sich ihnen anzuschließen. So entfernten sich die drei Männer, von der Hundemeute begleitet, wobei Dom Franco darauf achtete, dass Tito nicht auf dumme Gedanken kam und sich erneut seinem Einflussbereich entzog. Zurück blieben Contessina und Turogosch, um einen Gefangenen ärmer, aber eine Anzahlung an Dukaten reicher. Und mit einem neuen Auftrag.
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