Chronik.Ereignis1033 Streit ums Taubental 42
Wie der Waffenknecht Ysidoro seine Herrin im Schlafe störte. Wie ein Sänger vor Domna Fiona gebracht und des versuchten Mordes angeklagt wurde. Wie ein Augen-Blick alles verändern kann. Wie Domna Fiona eine Rede vor dem feiernden Volk hielt und dieses zu einem großen Besäufnis aufforderte. Wie Flavia Fröhling auf den Taubentaler Dorfplatz gelangte und ihr davon abriet.
Baronie Taubental, 4. Travia 1033 BF[Quelltext bearbeiten]
In der Villa Azucena (1. Efferdstunde)[Quelltext bearbeiten]
Autor: vivar
Der Rabe hatte Shafirio erblickt. In Begleitung einer Edeldame, die jedoch nicht seine Herrin war. Und in Begleitung vieler schwarzer Reiter unter dem Adlerbanner. Wer waren sie? Und was suchten sie in Kellfall? Waren sie Freund oder Feind? Hoffentlich hatte Shafirio die stumme Botschaft des ausgesandten Raben verstanden. Wenn Fiona ihren Boronsvogel zu ihm schickte, so musste er wissen, dass sie dringend seiner Unterstützung bedurfte.
Fiona genoss mit geschlossenen Augen für einen Moment den Flug durch die Nacht. Das gleichmäßige Schlagen der Flügel, die kühle Luft unter den Federn, die Stille. Die Welt hier oben war unberührt von Giftmord und Hinterhältigkeit. Hier herrschte nur das eherne Gesetz Sumus, das endlose Freiheit und gnadenlose Härte zugleich war. So gleichmäßig wie der Jahreskreislauf schlugen die Flügel. Immer lauter. Und härter. Und lauter. Die Flügelschläge dröhnten an Domna Fionas Ohr, drangen in ihren Geist ein und zerstörten die Stille. Ihr Flug geriet ins Schlingern, als schüttele sie der Beleman höchstpersönlich.
Schließlich riss die Caballera mit einem Schrei die Augen auf und blickte verwirrt um sich. Sie saß auf einem geschnitzten Stuhl im rustikal eingerichteten Salon der Villa Azucena.
Links neben ihr war der Administrador von Vivar über einem Becher Wein eingeschlafen und nutzte schnarchend die Tischplatte als Kopfkissen. Vor ihr stand ihr Waffenknecht Ysidoro, die Hand nach ihr ausgestreckt, jedoch in der Bewegung erstarrt. An seinem Gesicht war abzulesen, dass er versuchte, sich auszurechnen, wie sehr er seine Herrin soeben verärgert hatte, als er sie an der Schulter geschüttelt hatte. Die Verbindung mit ihrem Vertrauten war unterbrochen. Der Flug war vorbei. Domna Fiona spürte eine steile Zornesfalte auf ihrer eigenen Stirn.
„Ver... verzeiht, Domna“, stotterte Ysidoro. „dass ich Euch aus Eurem Schlummer...Eurem Traum... also, pardonniert mir die rabiate Störung, aber glaube, wir haben den Mörder.“
Er trat zur Seite und zwei Büttelinnen aus Santa Catalina, erkenntlich an den roten Schärpen mit den drei aufgestickten Lilien und den knorrigen Rebstöcken, zerrten einen jungen Burschen in bunten, ulkig geschnittenen Gewändern vor die Caballera. Er mochte einmal recht ansehnlich gewesen sein mit seinem schimmernden roten Haar, seinen grünen Augen und der Stupsnase. Doch nun war sein Rock voller Schlamm und Stroh, seine Beinkleider zerrissen, seine Knie aufgeschlagen, sein Haar zerzaust, seine Lippen aufgeplatzt und seine linke Wange, die eine grün-violette Färbung angenommen hatte, war unförmig geschwollen. Aus seiner Nase rann Blut. Die Laute, die er mit der Linken umklammerte, war in der Mitte geborsten und wurde nur noch von den Saiten zusammengehalten.
Die Büttelinnen drückten den jungen Barden vor Domna Fiona auf die Knie.
„Das ist er, Domna“, sagte Ysidoro. „Tito der Rote. Der Barde, der heute Mittag so schmähliche Lieder auf unseren Herrn Baron gesungen hat, ja, der ihm sogar seinen baldigen Tod angekündigt hat! Alle haben ihn dabei gesehen und gehört! Der Sohn und Zuhälter der Hure aus dem Roten Zelt, die die junge Domnatella vom Berg verhext hat!“
Die größere der beiden Büttelinnen warf ein: „Er hat im Levthanswirt ein Taubentaler Mädel verführt, und sie in Bermudos Stall gezerrt, um sich über sie herzumachen!“
„Aber wir haben diesen Hurensohn davon abhalten können!“, ergänzte die andere stolz und hakte den Daumen in den Gürtel.
„Was wollt Ihr mit dem Kerl tun, Domna?“, fragte Ysidoro.
Autor: dalias
Auf seine Handballen gestützt, drückte sich der Administrador von Vivar, Lodovico Almanzo di Dalias, hoch. Sein Gesicht war aufgequollen. Dicke Speichelfäden hingen an seinen Mundwinkeln hinab. Mit großer Anstrengung stemmte er seine Ellbogen auf die Tischplatte und begrub sein Gesicht in den Handflächen. Ihm war so, als wäre er der Gefangene eines großen Kreisels, der sich unablässig drehte. Der grelle Schein der Kerzen stach in seine Augen. Dass zwei stattliche und dralle Büttelinnen vor ihm standen, schien ihn nicht im Mindesten zu tangieren. Für gewöhnlich hätte er dieselben um eine sofortige Verhaftung und genaue Untersuchung seiner Person gebeten, aber danach war dem Administrador gerade nicht. Es war nachgerade ein außerkörperliches Erlebnis. Es war Dom Lodovico, als wäre er ein kleiner Spatz, der auf dem Balken säße, und sich selbst und die Büttelinnen und die attraktive, wenn auch schon ältere Domna beobachtete, während sich alles drehte und auf- und abwarf, wie eine Karavelle in einem Rondrikan vor den äußeren cycploaeischen Eilanden.
„Bei San Valpos…, warum hab ich soviel…“, stöhnte der Caballero kaum verständlich.
Eine kleine unscheinbare Gestalt mit tiefen Augenringen schob sich just in diesem Augenblick am winselnden Rotschopf, den zwei Waffenmägden und dem Knecht vorbei zur Tafel. Seine Augen huschten unruhig umher, schenkten hier einen knappen Aufschlag und dort ein ehrerbietiges Lächeln. Adressatin des Letzteren war freilich die Caballera de las Dardas, die Tante der Caballera Yppolita, welche er überdies mit einer devoten Verbeugung bedachte, ehe er sich ganz seinem erbärmlichen Herrn zuwandte, für den er sich erneut derart schämte, dass sich seine Wangen unleugbar und unverkennbar röteten.
„Herr, nehmt einen Schluck klaren… klaren Wassers,“ mit diesen leise gehauchten Worten reichte Secretario Pribaldo Tracodi dem Schiffbrüchigen in spe einen Becher Wassers. Während er auf Dom Lodovicos Reaktion wartete, musterte Secretario Pribaldo mit gehobener Augenbraue diesen knieenden Gecken und bereitete sich genüsslich darauf vor, diese verdreckte und blutende Gestalt zu verabscheuen und in der Küche bei den anderen Dienern lästerlich über dieselbe zu sprechen. Innerlich war Pribaldo Tracodi überdies erfreut, dass jener Rotschopf alle Aufmerksamkeit von sich und seinem Herrn, dem erbärmlichen Dalias, ablenkte.
Autor: lasdardas
Die Situation trug wenig dazu bei, Domna Fionas Laune zu heben, die nach dem urplötzlichen Erwachen aus der Vision ohnehin schon gelitten hatte. Ihr war gar so taumelig zu Mute, dass sie sich gar nicht mehr daran erinnern konnte, wie sie überhaupt genau hier in die Villa Azucena gefunden hatte, noch was sie hier eigentlich zu erreichen gedachte.
Unwillig sortierte sie ihre Gedanken auseinander. Dann lehnte sie sich in dem kostbar beschnitzten Stuhl nach vorne, die Stirn düster gerunzelt, und besah sich den Sängerburschen. "Ich gedenke Folgendes zu tun: Der liederliche Lump wird festgesetzt ob der Tatsache, zumindest Rufmord an einem verdienten Waldwachter Adligen geplant zu haben. Sollte sich herausstellen, dass es nicht nur Mord am Ruf des Barons war, werden wir weitersehen."
Ihr Blick wanderte über die versammelten Administradores. Der Daliaser Caballero war – wieder einmal – sturzbetrunken. Umso mehr erhoffte sie sich von den restlichen Administradores des Taubentals. "Ihr seht zu, dass ihr so schnell wie möglich eure Waffenknechte auftreibt – und zwar alle und mir gleich, aus welchen Heuhaufen und aus wessen Armen ihr sie zerren müsst. Seht zu, dass ihr sie so schnell wie möglich wieder nüchtern bekommt. Es ist damit zu rechnen, dass diese Vergiftung unseres von Rahja so geliebten Barons mitten an einem Rahjafest von diesem feigen Koscher Wildschwein von Alstinger in Auftrag gegeben wurde. Wir müssen zusehen, dass wir gewappnet sind, so er wirklich versucht, während des Pilgerfestes korische Saiten aufzuziehen."
Autor: vivar
Die Administradora des abgelegenen Waldwinkels Altos, Esclarmunda Silvani, die im Verlaufe des Abends ebenfalls ordentlich dem Rebensafte zugesprochen hatte, nickte schwerfällig hinter Domna Fiona. „So sei es! Rescendienteschweine, diese Alstinger!“, schnaufte sie. Dann schlug sie ihrem orondinischen Amtskollegen, der neben dem Daliaser mühsam versuchte, die Äuglein offen zu behalten, grob auf die Schulter und zog ihn mit sich aus der Kammer. „Kommt, kommt, Bruder Orondo! Lasst uns nachsehen, wo sich unsere Mannen herumtreiben...“
Sonst befand sich niemand im Raum. Die Vögtin Zafira Brago war wohl noch mit ihrer anderen Büttelin unterwegs, um für Ruhe und Ordnung zu sorgen.
„Domna, ähm, mit Verlaub, vielleicht weiß der Bursche ja was von den Plänen Dom Remi... dieses verfluchten Alstingers? Wenn der die Vergiftung doch ursächlich verbrochen hat? He, weißt du was, Sänger?“ Ysidoro stieß den Trovere probehalber mit dem Stiefel in die Seite, so dass dieser aufstöhnte.
Autor: damotil
Der Angesprochene – oder vielmehr angetretene – Barde hob den Kopf und blickte die Anwesenden aus seinem angeschwollenen, geschundenen Gesicht an. „Ob ich etwas weiß? Werte Domnas, werte Doms – was für eine Frage! Aber zuvorderst: Pardonniert meine derangierte Erscheinung“, hob er an, gestelzt zu sprechen, was etwas ob seiner geschwollenen, schmerzenden Wange reichlich seltsam klang, „obgleich die beiden wackeren Heldinnen all ihren reichlich vorhandenen Mut aufbringen mussten, gelang es ihnen unter Aufbietung all ihres gewalttätigen Geschicks zwei harmlose Liebende im Geiste Rahjas zu trennen. Und wahrlich… meine Künste in den disciplinas der Musik und des Gesanges mit denen dieses Lautenqälers und Schreihalses Tito zu vergleichen – welche Schmach muss ich denn heute noch erdulden?“ Obgleich arg ramponiert, mühte er sich dennoch, ein Miene der wahren Verzweiflung und Entrüstung aufzusetzen.
Er verspürte nicht übel Lust, die wahre Schuldige ans Messer zu liefern. Doch er riss zusammen und schüttelte verneinend den Kopf, während er mit seiner wohlklingenden Stimme fortfuhr: „Und was dieses rote Zelt und die dort hausende Hure angeht… die kenne ich nicht – Ich bin ein Dichter, Sänger, Musiker und Artist!“ Er unterstrich seine letzten Worte, bei denen etwas Blut aus seinem Mundwinkel rann, mit einem empörten Gesichtsausdruck. „Alstinger kenne ich auch keinen. Aber bei Rahjas heiligem Namen! Ich kam hierher um der schönen Göttin mit Musik, Kunst und Liebe zu huldigen – denn ist dies hier nicht das Rahja-Pilgerfest der Taubentaler?“
Autor: vivar
„Pah!“, machte Ysidoro empört ob solch dreister Lüge. „Der Kerl lügt wie gedruckt, Domna! Mehrere ehrbare Taubentaler im Levthanswirt können bezeugen, dass der da es war, der das Schandlied auf Dom León gesungen hat!“
Autor: lasdardas
"Nicht doch, mein guter Ysidoro, nicht doch!" Während der Bursche seine Verteidigung vorgebracht hatte, war Domna Fiona still und offenbar in Gedanken versunken auf ihrem Platz gesessen. Jetzt jedoch breitete sich ein feines Lächeln auf ihren Lippen aus, bei dessen Anblick es ihrem Waffenknecht kalt den Rücken hinunter lief. Wenigstens war das Lächeln wärmer, mit dem die Domna ihn ihm nächsten Moment bedachte.
"Hör gut zu, mein lieber Ysidoro, denn ich gedenke jetzt mit rahjanischer Härte durchzugreifen." Mit diesen Worten wandte sie sich wieder an den Barden. "Du, edler Barde", die Worte trieften vor Spott, "begleitest mich jetzt auf den Dorfplatz. Denn ich gedenke die Pilger, denen du und deine Buhlin mit diesem schändlichen Attentat das Fest entehrt habt, über eure Machenschaften aufzuklären. Ich weiß, dass der Alstinger dahinter steckt und ich weiß, dass er bereits auf dem Weg hierher ist und Truppen zusammenzieht. Und ich habe nicht vor, länger still zu halten. Der Baron liegt vergiftet danieder, aber dachtet ihr, damit hättet ihr den Weg frei gemacht, diesen Koscher Eber hier auf den Baronsthron zu setzen? Nach dem Tod der alten Baronin hätte ich durchaus selbst die Baronie übernommen, wäre der Vivar nicht durch ein Wunder Rahjas erwählt worden und mir so zuvorgekommen. Ihn als Baron konnte ich akzeptieren, aber niemals wieder werde ich zulassen, dass ein Neuhal'scher mir vor der Nase herumtanzt und sich einbildet, mir Anweisungen geben zu können, bei der schönen Herrin!" Ihre Augen funkelten wild auf.
"Ihr Büttelinnen, hoch mit ihm, wir gehen zum Marktplatz. Ich gedenke den Pilgern eine denkwürdige Rede zu halten. Und ihn müssen wir dabei präsentabel halten. Die Pilger werden ihm im Gegenzug sicher einiges dazu zu sagen haben, dass er das heilige Fest der Rahja auf so schändliche Weise zu entehren wusste."
Wie vom Donner gerührt stand der Waffenknecht da und starrte seine Herrin an. Nach diesen Worten musste er sich selbst erst einmal fangen.
Jeglichen Protest des Barden ignorierend, wandte sich Domna Fiona direkt an Ysidoro. "Geh zu meinem Gemahl. Er soll dir ein Schreiben aufsetzen an seine Familia, die Sangrín, die just auch mit unserem siech danieder liegenden Baron verwandt sind. Es soll beinhalten, wie man das Rahjafest entehrte, welches widerliche Spiel man hier mit uns spielt und sie sollen, bei Travias Familienbanden, uns Hilfe schicken. Immerhin sitzt auch ihr Baron, der Beiras, hier wie auf dem Präsentierteller.[1] Würd' mich wundern, wenn nicht zumindest einige dieser Heißsporne noch vor Ablauf eines Tages hier einträfen." Unternehmungslustig rieb sich die Hexe die Hände. Wie fein, da ließ sich doch auf einen Schlag gleich mehrfach ihr von kalter Rache zerschundener Geist befriedigen. "Wenn das erledigt ist, soll mein geliebter Gatte zum Dorfplatz kommen."
Der Waffenknecht nickte eilig und machte sich dran, sofort loszulaufen.
Zufrieden wandte sich Domna Fiona nun wieder den Büttelinnen zu, die den Barden mittlerweile hochgezogen hatte. Einen Arm hatten sie ihm auf den Rücken gedreht, so dass dieser zappeln, aber sich ansonsten nicht wehren konnte. Und sollte er sich zu Boden sinken lassen, würde er sich den Arm aus der Schulter kugeln. "Gehen wir!"
Autor: damotil
Darian wollte gerade zu einem Protest ansetzen, als die Herrin von Las Dardas ihn so mit Spott bedachte, aber als er ihre weiteren Worte hörte, wurde er deutlich blasser. Er brauchte einen Augenblick, um sich wieder zu fangen. Seine Lage war nicht gut. Man hielt ihn für Tito von Taladur und obendrein für einen Mörder. Zwar hatte er einen Verdacht, nein mehr als einen Verdacht, wer alles dort seine Finger im Spiel hatte, aber den ihm so verhassten Namen preiszugeben, das widerstrebte ihm ebenso sehr. Vielleicht war es besser, noch etwas auf Zeit zu spielen? Vielleicht konnte er noch entkommen, ohne sich gegen seinen langjährigen Freund zu wenden?
„Domna! Bei der schönen Göttin! Ich flehe Euch an! Ich bin nicht der, für den man mich hält! Mein Name ist Darian! Darian! Ein Fahrender Sänger aus Punin! Nicht Tito! Ich weiß nichts von Eurem Dom León, diesem Alstigger oder wie der heißen mag! Bei der Herrin Rahja! Ich kam mit einem Freund zum Pilgerfest für die Musik, den Tanz und den Gesang! Ich habe nichts mit Gift zu schaffen! Ich schwöre es Euch!“ Seine Augen richteten sich bittend zu Fiona und er ließ sich auf die Knie fallen. „Domna! Seht mich an! Seht in mein unschuldiges Herz!“, rief er Fiona nochmals an. Ihre Blicke kreuzten sich. Für einen winzigen Augenblick schimmerten Darians Pupillen violett.
Autor: lasdardas
Die Herrin von Las Dardas stutzte, als sich das Violett des Blickes für einen Moment in ihren eigenen Augen widerspiegelte. Dann sah sie erneut hin und diesmal genauer, nahm mehr wahr, als nur das zerrupfte und zerschlagene, blutbesudelte Äußere des Mannes vor sich - und stöhnte innerlich auf. Bei der Tochter Sumus! Bei all der Hektik, den unguten Visionen und den xeledonischen Zuständen, die hier auf diesem Rahjafest mittlerweile herrschten, hatte es ihr schon den Blick vernebelt, so dass sie den Mann, der jetzt vor ihr kniete, nicht erkannt hatte. Ihr zu Gute halten musste man jedoch, dass nicht nur sein Anblick gelitten hatte. Auch seine Stimme klang mit der wund geschlagenen Lippe und dem Blut, das ihm in den Mund lief, anders als in ihrer Erinnerung. Leise zischend sog sie die Luft ein. Jetzt galt es rasch und besonnen zu handeln und eine passende Ausrede zu finden.
"Warte noch kurz, Ysidoro! Lass uns sehen, ob er seine Worte beweisen kann!" Den verwunderten Blick ihres Waffenknechts ob ihres plötzlichen Stimmungswandels ignorierte sie geflissentlich. Und Secretario Tracodi schien ausreichend damit abgelenkt zu sein, nach seinem schnarchenden Herrn zu sehen.
Autor: dalias
Pribaldo Tracodi stand immer noch wie vom Donner gerührt. Was musste er hier en passant erfahren? Es war also mehr oder minder jedem klar, wer den Mordanschlag auf Dom León de Vivar verübt hatte? Selbst einfältige Büttel wussten darüber Bescheid. Wahrscheinlich wusste es daher auch jede Dirne und jeder Lustknabe in Santa Catalina im Taubental. Nur er, der eigentliche Verwalter von Gut Vivar, war nicht unterrichtet worden. Er brauchte sich gar nicht zu fragen, warum. Eigentlich war dies so offensichtlich, dass es selbst ein Blinder sehen konnte… Weil er, Pribaldo Tracodi, aus Ratzingen kam und deswegen ein Yaquirtaler war. Flüche und Beschimpfungen auf das verdammte Waldwachter Dreckspack kochten in ihm hoch. Doch er behielt seine Zunge im Zaum.
Aber schlimmer noch als das. Domna Fiona de las Dardas wusste, dass der Drahtzieher hinter diesem Komplott, Dom Remigius von Alstingen, einen bewaffneten Angriff auf die Baronie und den Ort Santa Catalina im Taubental bereits durchführte und dies während des Rahjafestes. Aber er und sein Herr, Lodovico di Dalias, waren im Unklaren darüber gelassen worden. Die Frage nach dem Warum konnte er sich sparen - es lag doch auf der Hand: Er war ein Yaquirtaler, sein Herr war ein Yaquirtaler… Ein heiß-kalter Schauer lief über Pribaldo Tracodis Rücken. Diese feinen Leute hier, Domna Fiona und wer noch davon wusste, spielten schon den ganzen Abend lang mit seinem Leben und dem Leben anderer Boltan. Pribaldo Tracodi fühlte sich von dieser Bagage verraten und getäuscht. Einen ordentlichen Kriegsrat mit nüchternen Noblen und Verwaltern hätte man schon vor Stunden oder vielleicht sogar Tagen halten können. Die Erkenntnis dieses Verrats schmeckte bitter. Neben sich hörte er das Schnarchen Administrador Lodovicos. Die Trunkenheit hatte dessen Geist als wieder in Bishdariels Arme gezwungen.
Damit war es für Pribaldo Tracodi eine abgemachte Sache. Sein Demissionsschreiben hatte er in Gedanken schon komponiert. Morgen oder übermorgen würde er Santa Catalina im Taubental verlassen und nach Ratzingen zurückkehren. Sollte doch Remigius von Alstingen kommen und León de Vivar, Fiona de las Dardas und diese ganze Sippschaft einen Kopf kürzer machen. Sollten sie sich doch ruhig oben in der Waldwacht gegenseitig die Schädel einschlagen. Es war ihm nun einerlei. Schließlich war er ein Yaquirtaler!
Autor: lasdardas
Domna Fiona sprach zu dem kläglichen Barden: "Bei der lieblichen Rahja mag's geschehen, dass du mein Herz noch einmal erweichen kannst. So frage ich dich: Kannst du einen Leumund benennen, der diese Aussage bestätigt? Überlege gut, wer hier sein könnte, der sich von der Capitale her an dich erinnern könnte. Und der vertrauenswürdig genug ist, dass ich seiner Aussage Glauben schenken mag!" So phexisch flink wie Darians Geist sonst war, hoffte sie doch sehr darauf, dass er sich daran erinnern würde, dass auch ihre Schwester Melisandra hier verweilte.
Autor: damotil
Darian blickte sie für einen Augenblick überrascht und ratlos an. Den Lippen des sonst so wortgewandten Barden entwich nur ein wenig elaboriertes „Ähm…". Während seine Gedanken sich fieberhaft überschlugen, um zu verstehen, worauf Fiona hinaus wollte, stammelte er weiter. „Ich, ähmm, also… ich weiß nicht, Domna. Ich… ähmm... verzeiht… “ Er ließ den Kopf sinken und biss sich nachdenklich auf die aufgeplatzte Lippe, was keine gute Idee war, denn stechender Schmerz erinnerte ihn daran, wie die beiden Gardistinnen ihn verdroschen hatten. Er stöhnte etwas gequält auf und marterte weiter sein Hirn.
‚Nein…‘, schoss es ihm durch den Kopf. ‚Sie?‘ Fragend blickte er Domna Fiona an, obgleich sie natürlich seine Gedanken nicht kannte und daher kaum auf die Frage zu antworten vermochte. ‚Melisandra?‘ Er zweifelte… war es doch vielleicht eine Falle? Vielleicht hatte sie diese elende Giftmischerin schon gestellt und wenn er nun sie benennen würde, dann hätte er sich quasi selbst mit abgeurteilt. Aber etwas in ihm wehrte sich dagegen, dass jene Fiona, die er kennengelernt hatte, sich so verschlagen verhalten würde.
„Domna!“, hob er mit flehenden Ton in der Stimme wieder an zu sprechen. „Ich weiß nicht!“ Er legte sich ins Zeug und gab seiner Stimme einen verzweifelten und ängstlichen Klang. „Ich bin nur ein einfacher Barde! Ich habe in Punin, wie auch sonst überall, auf Straßen, Plätzen und Märkten aufgespielt. Ich…“ Wieder stammelte er ein wenig und fuhr dann fort: „Aber vielleicht… jene wunderhübsche Domna in Kleid aus feinstem roten und weißen Stoff!“ Mit Erregung in der Stimme fuhr er fort. „Ich sang… sang das Lied von der Erwachenden… Domna, ihr wisst sicher, welches ich meine! Ein Göttinbild, ein lächelnd Mund... Und da, da, da war sie auch! Sie war eine der wenigen, die Münzen in mein Körbchen warfen! Und sie …sie... sie… sie kenne ich aus Punin! Dort habe ich sie schon öfters gesehen. Ihr Name ist, glaube ich, Domna Chaziani oder so ähnlich.“ Er seufzte. „Aber Domna, ich weiß nicht, ob sie sich an mich zu erinnern vermag. Aber bei den Göttern! Bei der Herrin Rahja - ich schwöre euch - mein Name ist Darian und nicht Tito!“
Autor: vivar
Ysidoro blickte zweifelnd drein. "Domna, mit Verlaub, sein Gefasel is' mehr als lächerlich. Domna Chaziani, die Gast in Eurem Hause war, soll für seine Unschuld bürgen? Sie ist doch, wie Ihr selbst sagtet, eine hochachtbare Puniner Handelsherrin! Wie sollte sie diesen erbärmlichen Tropf von einem Straßenpoeten kennen? Wahrscheinlich hat er irgendwo von ihr gehört und führt sie jetzt an, um sich Zeit zu erkaufen, bis es für den guten Dom León zu spät is'!"
Autor: lasdardas
Der Blick, den die Domna Ysidoro zuwarf, hätte gewiss gereicht einen Mann, der sie weniger gut kannte, nervös davonstieben zu lassen. "Entscheidest du jetzt, wie ich dann zu entscheiden habe, oder ist die Herrin noch die Herrin und der Knecht der Knecht?", raunzte sie ihn an.
Mit einem Schnaufen holte sie Luft und strich sich die Haare zurück. "Er steht - für's Erste - unter meiner Obhut und niemand wird sich an ihm vergreifen, bevor wir nicht wissen, was er war und was nicht. Mitnehmen..." Ein kurzes, beruhigendes Nicken an Darian. Wusste sie ihn doch lieber in ihrer Nähe, als dass irgend ein vorschneller Getreuer des Barons dem vermeintlichen Tito den Garaus machte.
"Wir haben auf dem Dorfplatz eine Rede an die Pilger zu halten und den Schutz Santa Catalinas gegen einen Koscher Eber zu bestellen. Nun gut, auf die Anklage gegen den falschen Tito wird dabei natürlich verzichtet werden..."
Mit diesen Worten stiefelte sie entschlossen, den Kopf stolz erhoben in Richtung des besagten Ortes los.
Autor: vivar
Als Domna Fiona, gefolgt von ihrem Waffenknecht und den beiden Büttelinnen, aus der Villa Azucena auf den Dorfplatz trat, war dort noch immer eine ansehnliche Volksmenge versammelt, die es sich nun, da der Regen geendigt hatte, offensichtlich vorgenommen hatte, den Vorabend der Heiligen Festtage bis ins Morgengrauen auszudehnen. Alte und Junge, Fremde und Hiesige umschwirrten weinselig die noch geöffneten Buden, besetzten in die Gasthäuser, tanzten paarweise oder zu dreien zu den Klängen einer Vihuela, tummelten sich auf den errichteten Holztribünen oder küssten sich zärtlich unter dem Haupt der bronzenen Rosses von León I. de Vivar - was angeblich Glück in Rahjasdingen bringen sollte. Einige weniger standhafte Zecher waren bereits zu Boden gegangen (und hielten sich daran fest), andere stießen mit ihren irdenen Pilgerbechern auf Rahja und all ihre Heiligen - Santa Catalina und San Baccio voran! -, auf Seine Hochgeboren, Baron León VI., auf die Liebe, und so fort an.
Größere Zügellosigkeiten waren allerdings keine zu sehen und eine sturzbetrunkene Haferyaquirierin, die, sich wohl in Belhanka oder gar dem verruchten Al'Anfa wähnend, allzu eifrig an der Buxe eines vivaresischen Hirtenbuben nestelte, erhielt von diesem eine unsanfte Abfuhr. Was wiederum heute nacht in den Schatten der Häuser und Gässchen, in den Stadeln, den Gärten und Dachstuben geschah, das mochte Rahja allein wissen.
Zunächst kam niemand Notiz von der resolut aus der Villa marschierenden Caballera und den Ordnerinnen. Doch die vorgerückte Stunde und der gestiegene Alkoholpegel brachten es, beinahe gezwungenermaßen mit sich, dass irgendein rustikaler Trunkenbold sie erkannte und zu grölen begann: "Fi-, Fi-, fifat Fiona, die Rahjas sch-hicks!-te Jüng'rin ist! Phallallalli, phallallalla!" Es dauerte nur Augenblicke, bis der halbe Platz reflexartig in das "Phallalli" einstimmte.
Als Domna Fiona in einer Mischung aus Abwehrgeste und Gruß die Hand hob, ging eine rotnäsige Glasbläserin gar so weit, dieses Zeichen als Aufforderung misszuverstehen, die Caballera an den Händen zu packen und sie in den munteren Reigen hineinziehen. Diese konnte das aufdringliche Weib jedoch beiseite stoßen und sich mit einem Satz auf ein Weinfass retten, welches den Vorteil hatte, ihr gleichzeitig als zwar improvisierte und wenig würdevolle, aber immerhin an Höhe hinreichende Rednerbühne dienen zu können.
"Haltet Ruhe, Volk und Pilger im Taubental!", schrie eine der Büttelinnen. "Haltet Ruhe und hört, was Domna Fiona de las Dardas, Caballera de las Dardas, Euch zu sagen hat! Haltet Ruhe!"
Während die beiden Frauen und Ysidoro für Ruhe zu sorgen suchten, konnte Domna Fiona die Menge überblicken. Gewiss erwartete das Volk nun auch von ihr eine Rede über freien Wein, wie ihn der elende Yaquirtaler vor nicht einmal einer Stunde versprochen hatte.
Autorin: lasdardas
"He da, braves Völkchen, das du dich hier zu Ehren der lieblichen Rahja und als Gäste des khablaischen Dom León hier versammelt hast!", hob sie die Stimme an, die trotz des zarten Persönchens, der sie entstammte, geradezu Kasernenhoflautstärke entfaltete. "Ein Hoch der göttlichen Rahja und ein Hoch ihrem irdischen Diener, dem Baron des Taubentals!" Zum Salute stieß sie die Hand in den Himmel und betrachtete berechnend die wilden Jubelrufe und das aufkommende Jauchzen, das gerade wieder drohte, sich in wildem Reigen und Zügellosigkeit zu verlaufen, als sie die Stimme erneut anhob.
"Ihr wisst, ehrenwerte Rahjagänger, dass wir dieses althergebrachte Fest nur deswegen so ausgelassen feiern können, da es dem stattlichen und von Rahja gesegneten Baron von Vivar gelungen ist, das Taubental von einer wahren Plage zu befreien! Heldenhaft gelang es ihm, uns von den Alstinger Blutsaugern zu befreien, die noch das letzte Tröpfchen an Rahjalust aus uns herauszupressen suchten, uns auch die travianischen Genüsse vorenthielten und uns Hungern und Darben ließen. Ein Hoch dem heldenhaften Baron!" Erneut feuerte sie die versammelte Menge zu einem jauchzenden Salute zu Ehren des hiesigen Barons an.
Erneut sah sie über die Menge der Feiernden. Und fasste einen Entschluss. Nein, dem Koscher Wildschwein würde sie nicht in die Finger spielen. Von diesem Alstinger würde sie sich weder Schlachtfeld noch Waffe aufzwingen lassen. Und besonders dann nicht, wenn dieses rahjagefällige Fest dafür auf dem Spiel stand. Lieber würde sie Dom León eigenhändig für seine Untätigkeit würgen, sobald er sich unversehrt von seinem Lager erhob, so dieser noch einmal seine Caballeras und Junker im Dunkeln ließe.
"Mehr Wein, zu Ehren der lieblichen Rahja, gespendet von unserem geliebten Baron!", brüllte sie, so laut sie konnte über den Festplatz und winkte den Nächststehenden, irgendwo die nächsten Fässer zu organisieren. Irgendwo hier im Dorf gab es noch Vorrat, dessen war sie sich sicher. Und wenn man hier schon dabei war, nicht nur Dom León das Leben, sondern auch seine Baronie vor dem Zugriff des Alstingers zu retten, würde er etwas von seinem Rebenblut sicher gerne der feiernden Allgemeinheit spenden. Da die Familie Vivar-Dhachmani finanziell nicht die schlechtgestellteste war, würde sie diese damit sicher nicht ruinieren.
Sie beugte sich zu dem Hexenbruder zu, der sie mit großen Augen anstarrte. "Kein Wort, oder ich vergesse mich!", kam es mit gedämpften Knurren von ihr. "Den Namenlosen werd' ich tun und wegen diesem Koscher Warzenschwein hier das Rahjafest versauen lassen. Wir müssen zum Rahjatempel, sofort!"
Autor: vivar
Gerade wollte sie leichtfüßig vom Fass springen, als sie über die Köpfe der Menge hinweg zwei Reiterinnen erblickte, die sich durch die Feiernden drängten. "Platz, Platz! Macht Platz, ihr besoffenen Gimpel!", rief die eine. Die wilden schwarzen Locken, der lederne Reitmantel und das Gefluche - das war unzweifelhaft Nuerta, die zahorische Mercenaria, die Dom León zum Schutz Domnatella Flaviens in Waldhaus zurück gelassen hatte. Und dort neben ihr ritt, schmalhüftig und blass unter ihrer Sommerbräune, Domnatella Flavia selbst heran.
"Domna!", schrie Nuerta über den Platz, als sie die Caballera erspähte und winkte mit dem Hut. "Domna! Domna, Ihr begeht einen Fehler! Lasst die Säufer ausnüchtern, und zwar auf der Stelle!"
Unwillen brandete in der Menge auf, doch die Zahori scherte sich nicht darum. Immer näher drückten sie und Flavia Fröhling sich an Domna Fionas Fass heran, bis sie schließlich nur wenige Schritt entfernt waren. "Domna Fiona", rief die junge Waldhauserin, sichtlich außer Atem, "der Alstinger ist im Anmarsch! Mein Verlobter hat ihn aufgehalten, so lange er konnte, aber er musste sich von der Escarra zurückziehen!"
"Wir müssen die Verteidigung des Dorfes organisieren! Jetzt!", rief Nuerta. "Die Reiter des Barons und die Kämpfer des Ko..., des Verlobten der Domna Flavia haben bereits Aufstellung genommen! Wir brauchen jede waffenfähige Frau!"
Autorin: lasdardas
Hätte Domna Fiona die mit dem Organ eines Kasernenhofzuchtmeister ausgestattete Zahori doch nur irgendwie zum Schweigen bringen können, ehe diese die ganzen Feiernden in Aufruhr versetzte! Ansteckend war die Lautstärke offenbar auch, denn auch die zarte Domnatella Flavia stimmte gleicherweise ein.
"Niemand wird es wagen, eine heilige Feier der Rahja zu stören und noch weniger, eine heilige Prozession", verkündete die Caballera von Las Dardas entschlossen und funkelte die Zahori aus nachtschwarzen Augen wild an. "Feiert, gute Leute, stoßt an! Und findet euch morgen allzusammen zur heiligen Prozession zu Ehren der Lieblichen wieder ein!" Mit diesen Worten sprang sie nun endgültig vom Fass, dass ihr leidlich gedient hatte und stiefelte energisch auf die beiden Reiterinnen zu.
Mit einem tiefen Schnaufen trat sie neben die Domnatella und legte die Hand beruhigend auf deren Schenkel. "Beruhige dich erst einmal. Wo sind dein Verlobter und seine Männer? Hier in der Nähe?"
Autor: vivar
"Mein Verlobter ist mit Maestra Lariana und einem haferyaquirischen Edelmann aufgebrochen, um im Drachental eine Blume zu suchen, die Seiner Hochgeboren das Leben retten soll. Ist es wahr, dass Dom León...?"
Autorin: lasdardas
Ein Schatten legte sich über das Gesicht der Caballera, als sie angespannt nickte. "Die Gerüchte sind wahr. Heimtückisch im Rahjatempel vergiftet", knurrte sie leise, so dass keiner der Feiernden sie hören konnte. "Sicher das Werk des Alstingers!"
Autor: vivar
Entsetzt legte Flavia Fröhling die Hand vor den Mund.
"Was führt dich und..." - Domna Fiona warf einen Seitenblick zu der wildgelockten Mercenaria - "deine Begleiterin hierher?"
"Die Koscher und die Reiter Seiner Hochgeboren halten an der Abzweigung nach dem Kloster die Stellung. Ich...wir sind gekommen, um mit meinen Waldhausern Zuflucht im Dorf zu suchen. Wir mussten das Gut aufgeben!"
Autorin: lasdardas
"Sie sollen einstweilen bei Verwandten oder auf dem Pilgerfeld Quartier nehmen und bereit halten. Aber vertraut mir." Ihr Blick richtete sich herausfordernd auf die Zahori. "Du willst sie ausnüchtern, diese Weintäubchen hier? Glaub' mir, das habe ich selbst schon durchdacht. Und selbst wenn es uns gelingt, die Pilger auszunüchtern, ist's nicht gesagt, dass sie bereit sind, ihren Kopf für eine Sache hinzuhalten, die nicht die ihre ist. Wenn's ungückselig läuft, fraternisieren sich einige womöglich noch mit dem Alstinger."
Unter ihrer Hand spürte sie, wie sich die junge Flavia besorgt anspannte und sie tätschelte ihr beruhigend das Bein. "Nur ruhig... wie ich bereits den Pilgern sagte: Niemand wird es wagen, hier anzugreifen. Lassen wir uns drauf ein, sind wir es noch, die den heiligen Festfrieden brechen. Vielmehr gilt es, diesen Angreifern deutlich zu machen, wo und was sie mit ihren Kampfhandlungen zu entehren trachten." Mit schmal zusammengezogenen Augen spähte die Caballera zum Kloster hinauf. Dann richtete sie sich mit einem Lächeln an die Waldhauserin. "Keine Sorge, es wird alles gut werden, ich hab's in meinen Waldwachter Knochen! Doch jetzt entschuldige mich - oder begleite mich, wenn dir dies lieber ist. Wir müssen zum Tempel und mit den Geweihten reden!"
Autor: vivar
Domnatella Flavia nickte bleich, aber gefasst. "Ich werde meinen braven Waldhausern ausrichten, was Ihr gesagt habt, und für sie Unterkunft im Dorf suchen. Die Götter mit uns allen, Domna Fiona! Komm, Nuerta." Sie wendete ihr Pferd.
Die Zahori folgte, nicht ohne sich angesichts von Domna Fionas scheinbarer Sorglosigkeit an die Stirn zu tippen. Der Caballera aber war es einerlei, was Nuerta dachte oder tat. Sie griff den falschen Tito im Nacken und zischte ihm zu: "Und du rührst dich nicht mehr von meiner Seite, wenn du diese Nacht überleben willst!"
Ysidoro und die Büttelinnen im Gefolge, strebte sie der Heiligen Treppe zu.
Autor: dalias
Etwas davon entfernt schob sich ein ungleiches Paar Damen durch die feiernde, zechende und torkelnde Menge auf dem Dorfplatz. Beide schienen gleichermaßen deplatziert. Eine der beiden war Siona von Lindholz, eine blonde zierliche Dame in feinem Kleid. Nur ihre Augen verrieten ihre Unruhe und ihre Trauer. Unruhig irrte ihr Blick durch die Menge, als suche sie jemanden. Die andere war Yppolita di Dalias, eine grobschlächtige Caballera. Leibrock und Hose waren starr vor Dreck. Schlaftrunken und leicht hinkend setzte sie ihre sporenbewehrten Stiefel voreinander und stieß die Feiernden grob bei Seite, so sie nicht freiwillig wichen. Beide achteten nicht auf die Worte und Lobhudeleien der Rednerin auf dem Fass. Yppolita nahm nicht einmal wahr, dass es sich bei der Sprechenden um ihre Waldwachter Tante handelte.
„Ach, ach, Domna... Domna Yppolita, Wohlgeboren! Etwas Urgierendes!“, winkend drückte sich Pribaldo Tracodi durch die der Rednerin zujohlende Masse.
Nach wenigen Herzschlägen erreichte der deutlich übermüdete Secretario seine Meisterin und Domna Siona von Lindholz. Er rang nach Atem. Um weitere Zeit zum Verschnaufen zu finden, vollführte er vor der Dame von Lindholz auf Fels eine ausgiebige Verbeugung, die diese nur am Rande zur Kenntnis nahm.
„Pribaldo, sprich, was ist?“, herrschte Yppolita den Yaquirtaler Federknecht sichtlich ungehalten an.
„Äh... ja..., äh..., Euer Wohlgeboren... und äh Euer Wohlgeboren..., es ist..., nun es...“
„Na, heute noch, wenn’s urgiert“, fuhr Yppolita den Tracodi an und blickte daraufhin entschuldigend zu Siona von Lindholz, die sich schon anschicken wollte, den Daliaser Schelm von Schreiberling zu ignorieren und ihn einfach stehen zu lassen. Ihr Blick verriet ihre rasch anschwellende Ungeduld. Verzögerungen konnte und wollte sie jetzt nicht hinnehmen, schon gar nicht, wenn ein unbedeutender Tintenkleckser sie verursachte.
„Äh, gewiss, Wohlgeboren und äh... Wohlgeboren!“ Knapp nickte Pribaldo Tracodi den beiden Damen zu und hob dann an zu sprechen: „Diese Nacht wohl noch wird Santa Catalina im Taubentale von der rauen Meute des Remigius von Alstingen und seiner Bundesgenossen angegriffen. Dom Fiona, Euer Wohlgeboren Vaterschwester, weiß schon länger... seit Tagen... äh davon... ebenso: Hochgeboren León im Traubental, äh... ach... im Taubental... Domna Fiona hat eben gerade einen Strolch in der Villa Azucena verhört, der wohl... nun, der Drahtzieher des Anschlags auf des Barons Leben war... Nur durch Zufall bekam ich mit, dass die feinen Damen und Herren aus dem Stabe des Barons davon schon seit Tagen wissen, aber nichts unternahmen... und dadurch die Leben, die leibliche Unversehrtheit und Besitzschaften von uns ähm... Ausländern,... äh verzeiht..., billigend hasardierten. Die Drahtzieherschaft hinter dem Giftanschlage schien besagten Kreisen schon von Anfang an bewusst zu sein. Dom Lodovico – welcher wohl ebenso unwissend gehalten wurde wie wir – liegt noch ganz im Vollsuffe in der vivar'schen Villa... daher habe ich äh... nach Euch gesucht.“ Mit einem nach klaren Befehlen bettelnden Blick wanderten Pribaldo Tracodis Augen von der einen Dame zur anderen und retour.
Autor: lindholz
„Das ist ja unfassbar! Erst ein heimtückischer Anschlag und jetzt auch noch Bewaffnete, die gegen diese friedliche Ortschaft ziehen? Wie konnte der Baron es nur versäumen, Vorkehrungen zu treffen oder zumindest uns arglose Gläubige zu warnen!“, fuhr Siona von Lindholz auf. Die Sorge um das eigene Kind verwandelte sich zunehmend in Wut. Mit einem erbosten Blitzen in den Augen wandte sich die Yaquirtalerin an Pribaldo Tracordi, der sichtlich zusammenzuckte: „Ist auch bekannt, von wo sich die Truppen dieses… Remigius nähern?“
Doch Ihr Gegenüber konnte nur entschuldigend den Kopf schütteln.
Domna Siona spürte wie ihr Herz, gefangen zwischen tiefer Verzweiflung und aufwallender Wut, immer lauter in ihrer Brust hämmerte. Vielleicht saßen sie in diesem so friedlich feiernden Dorf bereits fest; umringt von feindlich gesonnenen Truppen. Oder - sie flehte die Götter an, dass dem nicht so war - ihr Sohn war diesen Unholden direkt in die Arme gelaufen!
Gehetzt irrte ihr Blick über das Meer der Feiernden, in der Hoffnung, ein bekanntes Gesicht auszumachen. Ohne den Schreiberling weiter zu beachten, schob Domna Siona sich weiter durch die auf dem Platz versammelte Menschenmenge. Ihre Angst verlieh der zierlichen Frau die Kraft, sich unaufhaltsam ihren Weg durch die Feiernden zu bahnen.
Endlich konnte sie den hochgewachsenen Mann ausmachen, nach dem sie gesucht hatte und ein Funke Hoffnung salbte ihr geschundenes Herz. Espejo Bajoza stand am Rande des Platzes in Richtung der praioswärtigen, von einem Bogen überspannten, Dorfstraße. Mit seinen krausen, schwarzen Locken und den hohen Wangenknochen, hätte er trotz seiner etwas schräg stehenden Nase als rahjagefällige Erscheinung gelten können, wenn nicht Brandnarben seine rechte, von ihr abgewandte Wange und den Hals verunzieren würden. Die zuvor lässige Haltung des Mannes änderte sich schlagartig, als die besorgte Edle, die seinem Blick bisher entgangen war, ihn ansprach: „Espejo, mach' Er unsere Leute ausfindig. Wir müssen umgehend aufbrechen. Eile Er sich!“
Der junge Leibwächter blickte überrascht in die besorgten Züge seiner Herrin. Die ihm unbekannte Caballera Yppolita, die inzwischen wieder zu der Lindholzer Domna aufgeschlossen hatte, registrierte er nur beiläufig, als er sich verbeugte: „Natürlich, Euer Wohlgeboren. Wohin reiten wir?“
„Gen Orondo. Amaros, mein törichter Sohn, ist irgendwo dort draußen, während dieser Ort kurz davor ist, zum Austragungsort eines Machtkampfes zu werden. Wir müssen ihn finden, bevor ihm etwas zustößt!“
Espejo Bajoza eilte sofort davon, um seine Kumpane zu sammeln, während die Worte der Domna Siona langsam in das übermüdete Hirn der Daliaser Caballera drangen.
Autor: dalias
Besorgt schüttelte Caballera Yppolita di Dalias y las Dardas ihr von Müdigkeit schweres Haupt. Mit kläglich krächzender Stimme raunte sie der Lindholzerin zu:
„Verzeiht, Domna Siona, da irrt Ihr Euch. Welch‘ Missverständnis! Nicht Euer Sohn, den ich gar nicht kenne, ist in Gefahr, sondern Euer guter Diener Amando Monzo... Amando Monzo“, wiederholte die Daliaserin den Namen erneut, um jegliche weitere Verwechslungsmöglichkeit ob der Ähnlichkeit der beiden Namen auszuschließen. „Falls ich vorhin bei meinem Bericht aus Versehen Amaros gesagt haben sollte, bitte ich Euch, dies zu entschuldigen. Ich wollte Euch wahrlich nicht in Sorgen um Euren Sohn stürzen, da – lediglich – Euer Diener in Gefahr schwebt. Bitte verzeiht mir, ich wollte Euer gutes und den Göttern ehrbares Mutterherz nicht ängstigen. Verzeiht mir bitte!“ Die Daliaser Caballera wirkte ausgesprochen zerknirscht. Ihre Augen schien sie kaum mehr offen halten zu können.
Pribaldo Tracodi, der hinter die Caballera getreten war, nickte bekräftigend nach jedem Satz seiner Herrin. Um dem Gesagten und seinem Nicken noch mehr Gewicht zu verleihen, raunte er am Ende von Yppolitas Ausführungen gleich einem Echo die Worte: „Nur ein leidiges Missverständnis!“
Autor: lindholz
Die Lindholzer Domna betrachtete die Caballera, deren Verstand bereits von Boron umnebelt zu sein schien. War es wirklich eine gute Idee, wenn sie zuließ, dass die erschöpfte Kriegrin sie begleitete? "Domna Yppolita, es gibt keinen Mann namens Amando Monzo, der in den Diensten meiner Familia stehen würde. Und Azucar, das Ross, welches Euch nach Santa Catalina getragen hat, ist das Reittier meines Sohnes Amaros. Ich befürchte mein leichtsinniges Kind hat der Gelegenheit, sich unter falschem Namen unter das Volk zu mischen, um dem Feste beizuwohnen, nicht widerstehen können. Ich bitte Euch, nicht zu hart über uns und ihn zu urteilen und ihm diesen jugendlichen Leichtsinn zu verzeihen. Seid gewiss, dass er sich für sein Verhalten und die dreiste Vernachlässigung seiner Pflichten wird rechtfertigen müssen." erläuterte sie. Für einen Augenblick spürte sie Wut in sich aufwallen, ob des Verhaltens ihres Sohnes. Wie viel einfach wäre es gewesen, an diesem Gefühl festzuhalten, um an Stärke und Fassung zu gewinnen, doch die Sorge um ihren Jungen war überwältigend und ließ sie nervös hin- und herschreiten, während sie auf die Rückkehr ihres Leibwächters wartete.
Es schien ihr wie eine Ewigkeit, bis Espejo Bajoza, in Begleitung der beiden weiteren Bewaffneten ihres Hauses in ihren weiß-grünen Wappenröcken, erschien. Ein Blick in die bereits glasigen und geröteten Augen der beiden ließ Siona von Lindholz fürchten, dass nicht mit voller Kampfstärke zu rechnen war, falls es zu einer bewaffneten Auseinandersetzung kommen sollte, doch immerhin konnten sich alle aufrecht halten und hatten ausreichend Reittiere für die beiden Damen, sich selbst und Amaros mit sich gebracht, sodass es keinen weiteren Anlass zum Warten gab. Geübt glitt die Yaquirtalerin in den Sattel, während Espejo ihr zumindest einen Dolch zur Selbstverteidigung aufdrängte. Dann setzte sich die Gruppe Berittener in Bewegung und quälte sich in Schlangenlinien durch die zunehmend trunkene Menge der Pilger.
- ↑ Hier beweist Domna Fiona hervorragende Kenntnis der Waldwachter Vewandtschaftsbeziehungen. Dom Franco de Beiras' Großmutter väterlicherseits war eine Sangrín.
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