Chronik.Ereignis1033 Streit ums Taubental 01

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Zu Gast im Taubental

Wie die ersten Gäste von Stand in Santa Catalina eintrafen. Wie sie nach allen Regeln der Gastfreundschaft empfangen wurden.


Baronie Taubental, 1. Travia 1033 BF[Quelltext bearbeiten]

Zu Santa Catalina im Taubental (mittags)[Quelltext bearbeiten]

Autor: lindholz

In gemächlichem Tempo ließen die drei Edeldamen aus dem Hause derer von Lindholz ihre Pferde auf dem staubigen Karrenweg am Ufer des Flüsschens entlangtraben, während sich langsam die von der späten Nachmittagssonne beschienenen Ziegeldächer von Santa Catalina auf einem Hügel zwischen den zahlreichen Obstbäumen zeigten. Tief wurden die Äste von den schweren und verlockend prallen Früchten nach unten gezogen und die Ernte war sicher nicht mehr weit. Es war sehr einfach, sich vorzustellen, wie ihr zuckersüßer Saft schon beim ersten Bissen die Zunge zum jubilieren brachte, während man sich im Schatten der Bäume ausruhte und das Wasser der Inoscha dem Wind eine kühlende Note verlieh.

"Ach, was für ein zauberhaftes Örtchen", verkündete Alisea und ließ der Mitteilung einen erfreuten kleinen Seufzer folgen. Unter normalen Bedingungen hätte Siona von Lindholz, die Mutter der gut gelaunten, blonden Dame an dieser Stelle einen Noioniten zu Rate gezogen; bezeichnete ihre ältere Tochter doch gelegentlich selbst Ratzingen als verschlafenes Nest und ließ sich in solchen Augenblicken meist nur durch das Versprechen, Sherbeth oder eine größere Stadt in den nächsten Wochen aufzusuchen, davon abhalten, ihre Umgebung mit einem Ausdruck des Leidens zu beglücken, der selbst dem Theaterkönig Pherisjo ter Marloff ein anerkennendes Nicken abgerungen hätte.

Doch die bevorstehenden Festlichkeiten ließen die Größe des Ortes zu einer Nebensächlichkeit herabsinken; bot sich doch hier die Möglichkeit, die zur Zeiten der Landesständeversammlung bestellten Kleider zum ersten Mal in geeignetem Rahmen vorzuführen und - in den Augen ihrer Mutter wesentlich beunruhigender - dem attraktiven Baron von Taubental zu begegnen. Bereits vor dem Eintreffen der Einladung seiner Hochgeboren León Dhachmani de Vivar hatten ihre Töchter ihr in den Ohren gelegen, wobei die um ein Jahr jüngere Lianna zumindest eine Contenance an den Tag gelegt hatte, wie sie einer Dame von Stand angemessen war. Am Ende hatte die Gemahlin des Edlen zu Ribera nachgegeben und musste sich eingestehen, dass die Aussicht auf ein paar unbeschwerte Tage auch ihr gut tun würden. Die administrativen Aufgaben, die sie in der häufigen Abwesenheit ihres Mannes zusätzlich zu ihren Pflichten als Dame des Hauses zu erfüllen hatte und die ständige Angst, dass eines Tages Soldaten vor dem dem Portal stehen würden, setzten ihr doch mehr zu als ihr lieb war und spülten geflüsterte Sätze an die Oberfläche, die sie in die Tiefen des Meeres des Vergessens verbannt zu haben glaubte: 'Entstammt sie nicht dem Hause Sentenberg?' 'Habt ihr das von ihrem Vetter gehört?'

Erst als der Lärm der Gassen an die Ohren von Domna Siona drang, gelang es ihr, die Stimmen aus der Vergangenheit zu verjagen. Die Plätze und schmalen Straßen von Santa Catalina wimmelten geradezu von Pilgern, Einheimischen und Händlern und ihre Leibgarde hatte einige Mühe, für die drei Adligen und die Dienerinnen genügend Abstand zu schaffen, damit die berittene Gruppe passieren konnte.


Autor: vivar

"Hopp! Hopp! Hopp! Hopp! ..." Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, rannte der junge Catalinensermönch die Heilige Treppe hinunter, die vom Kloster hinunter ins Dorf führte. Eigentlich waren die etwa 300 Stufen für den Aufstieg frommer Gläubiger zum Rosentempel der Schönen Göttin errichtet worden, der mit seiner beeindruckenden eslamidischen Kuppel und den sechs Türmchen auf dem Klosterhügel thronte. Einen Novizen, der die Treppe zur körperlichen Ertüchtigung missbraucht hätte, hätte man deshalb wohl sanft getadelt. Doch Bruder Zafir, ein schlanker Mittzwanziger mit hellbraunen Locken und strahlend blauen Augen, war kein Novize mehr, auch kein einfacher Mönch, sondern der Hospitiar, dieser Tage einer der drei wichtigsten Menschen im Kloster.

Die Oktav der Santa Catalina stand an, und um den Abt während der bedeutenden Festwoche des gesamten Jahres nicht allzu sehr mit derischen Angelegenheiten zu belasten, hatte das Kapitel der Catalinenser zwei Ämter erwählt, die mit der Organisation der Feierlichkeiten betraut waren. Das eine war das des Zeremoniars, welcher dafür zu sorgen hatte, dass ein jeder seinen Platz bei den Prozessionen kannte, die Musiker ihre Einsätze nicht verpassten und bei den Heiligen Tänzen niemand "aus der Reihe tanzte", im Tempelraum Liegen, Kissen, Laternen und Glasbecher in ausreichender Menge vorhanden waren und auch sonst die Göttinnendienste in bester Harmonie abliefen. Zur Zeremoniarin war Schwester Paloma erkoren worden, die derzeit wohl beste Tänzerin des Klosters, wie Bruder Zafir neidlos anerkannte.

Sein eigenes Amt war weniger spiritueller, sondern eher administrativer Natur, aber mindestens ebenso wichtig. Er war für die Unterbringung und das Wohlergehen der Pilger zuständig, in erster Linie derer, die im Gästetrakt des Klosters Gastung fanden, darüber hinaus aber auch für die vielen Dutzende, die unten im Dorf nächtigten. Der Hospitiar wachte darüber, dass die Betten rein, die Tafeln gedeckt und die Becher gefüllt wurden. Er kümmerte sich darum, dass die großen Spender und die Würdenträger - meist Hochadlige - die geräumigsten Kammern und die besten Sitzplätze erhielten, dass die Ehrengäste, wann immer möglich, ihre Sonderwünsche erfüllt bekamen und er erinnerte die weniger großen Spender und kleineren Würdenträger (Land- und Niederadel, Handelsherren, Patrizier und ähnliche) diskret daran, dass auch sie durch eine Zuwendung an die Kirche der Schönen Göttin einen Platz in der vordersten Reihe ergattern konnten. Darüber galt es für ihn, immer dort zu sein, wo Pilger Rat suchten oder ein spezielles Anliegen hatten, so dass er sie an jemanden verweisen konnte. Aufgrund seiner bedeutenden Aufgabe pflegte Bruder Zafir sich - nicht ohne Eitelkeit - mit der Achse zu vergleichen, ohne die sich das Rad des Festes nicht drehen könnte.

"Hopp! Hopp!" Mit den letzten Sätzen gelangte der junge Mönch an den Fuß der überdachten Treppe. Er machte Halt um sein Gewand etwas zu ordnen, einen leichten, einfachen Überwurf aus roter Farbe, der von einer Schärpe zusammengehalten wurde und Schultern und Beine unbedeckt ließ und zu dem er lediglich geschnürte Ledersandalen trug. Dann fuhr er sich mit der Linken einmal durch die Locken, atmete zweimal tief durch und trat ins Freie.

Auf dem Hauptplatz des Dorfes schlug ihm die Mittagssonne entgegen, so dass er, geblendet, blinzeln musste. Zu seiner Linken konnte er die Vögtin Zafira Brago erkennen, die sich, wie er zufrieden feststellte, mit ihren Knechten dem Aufbau von Tribünen und Bänken widmete. Vor der Villa Colombi lud ein Fuhrwerk gerade Weinfässer und Spezereien ab, und Bauern brachten Körbe voll frisch eingebrachter Früchte zur Zehntscheuer. Alles schien nach Plan zu laufen. An der Stelle, an der er selbst stand, waren die Balken für ein Gerüst bereit gelegt worden, auf dem in drei Tagen die Statue Rahjas stehen und dem Fest ihren Segen spenden würde.

Suchend ließ Bruder Zafir seinen Blick über den Platz schweifen um zu sehen, ob neue Pilger eingetroffen waren, denen er helfen konnte.


Autor: dalias

Dies also war Santa Catalina im Taubental. Secretario Pribaldo Tracodi hatte Domna Yppolita in den letzten Tagen viel Schönes und Wundersames von diesem Ort in der Abgeschiedenheit der Waldwacht berichtet. Vielleicht waren ihre Verwandten väterlicherseits, die Glieder der Familia de las Dardas, doch zu beneiden, so nahe an einem solchen Quell des Rahjaglaubens ihre Wohnstatt haben zu dürfen. Rahja, Rondra und Phex waren ihr doch im Herzen tausendmal lieber als der ferne Sonnengott, der Schutzgott ihrer Familia.

Domna Alveranis Gloria Yppolita di Dalias y las Dardas sprang von der alten Mähre, die sie hie her ins Taubental getragen hatte. Dieses klapperdürre, steinalte Pferd war das einzige Reittier, über das ihr Bruder und sie, ja die ganze Familia verfügten. Domna Yppolita klopfte den Staub von ihrem alten Reisemantel und ihrem Caldabreser und nickte ein paar vorbeieilenden Lakaien oder Handwerkern verhalten zum Gruße zu. Die Vorbeieilenden schienen in diesem geschäftigen Gewühl des kleinen Pilgerortes Woher und Wohin zu kennen.

Neben ihr kam Dom Lodovico von Dalias, der Administrador von Gut Vivar zum Halten. Das Pferd, auf dem er saß, war genau so fett und rund wie sein Reiter, der sich nur mühsam auf dem Rücken des Tieres halten konnte; dieses Kunststück schien ihm aber auch nur zu glücken, weil er sich an einem Weinschlauch festhalten konnte, an dem er ab und an zufrieden nuckelte. Den Abschluss der kleinen Pilgergruppe bildeten Secretario Pribaldo Tracodi, der auf einem Esel saß und der großen Höhe, in der er sich dadurch befand, nicht zu trauen schien, und Alrico, der Bursche Lodovicos, der einen schwer beladenen Esel führte und genüsslich auf einem Strohhalm kaute.

„Das… das, Cousinchen, ist Sannna Cata… Canalina. Hier werden feiern und uns betrinken!" Schallend begann Dom Lodovico zu lachen. „Heho, schöne Holde! Kennst Du mich noch?" Aufgeregt begann der Administrador von Vivar Küsse in die Menge zu werfen – nicht darauf achtend, ob die Frau, nach der er zielte, alt oder jung, hässlich oder schön, ledig oder vermählt war.


Autor: vivar

Leichten Fußes schritt der junge Mönch auf die Reisegruppe zu, ein gewinnendes Lächeln auf den Lippen tragend. Er öffnete im Schreiten die Arme, drehte sich dabei geschwind einmal um die eigene Achse und kam schließlich mit einladend ausgebreiteten Händen vor den Rössern zum Stehen. Diese mit einer sanften Segensgeste an der Stirne liebkosend, blickte er aus strahlend blauen Augen zu Dom Lodovico und Domna Yppolita auf und sprach: "Rahja zum Gruße! Im Namen der Santa Catalina, im Namen des Abtes Bonaventura, darf ich Euch in unserem schönen Ort von Herzen willkommen heißen! Hier werdet Ihr, fern von derischen Verdrüssen, göttliche Freuden kosten, auf dass Labsal auf Eure Seele komme und ihr der Schönheit Rahjens Eure Herzen zu öffnen vermögt.

Erlaubt mir, mich vorzustellen, meine Lieben: Ich bin Bruder Zafir Contador, Hospitiar der Festtage und persönlich darum bemüht, dass Ihr eine angenehme Zeit in Santa Catalina verbringen werdet. Dürfte ich Eure Namen erfahren, wenn es Euch beliebt? Wart Ihr schon einmal hier oder ist es das erste Mal, dass Ihr uns mit Eurem Besuch beehrt? In letzterem Falle wäre es mir ein Vergnügen Euch eine angemessene Unterkunft -"

"Andachtsbilder! Andachtsbilder der Santa Catalina! Pilgerstäbe! Statuetten aus Rosenholz!" Bruder Zafir verstummte, als sich eine ältere Frau in schlichter Kleidung der Gruppe näherte. Sie war über und über mit Andachtsschnitzereien an Lederschnüren behängt, so dass sie beim Gehen wie eine Aussätzige klapperte. Die Schnitzbildchen und Statuetten stellten wahlweise die Dorfpatronin (als nackte Tänzerin), eine Taube mit ausgebreiteten Schwingen (bisweilen mit weiblichen Brüsten), Stuten oder Hengste (der Unterschied war nicht zu übersehen) dar. "Nur zwölf Heller der Pilgerstab, poliert und splitterfrei, edle Domna!", hielt die Alte der Daliaserin ein Stück geschliffenes Holz hin, welche die Augen weitete, als sie erkannte um was für eine Art von 'Pilgerstab' es sich handelte. "Oder für den Dom, eine Rahja im Rosenkränzlein?" Sie trat näher an Dom Lodovico heran und raunte mit gesenkter Stimme: "Opfert ihr jeden Abend eine Weintraube, und Eure Liebste wird Euch verfallen! Wirkt garantiert!"

Lodovico di Dalias beugte sich im Sattel weit nach vorne, reichte der alten Devotionalienhändlerin einen polierten Silbertaler mit dem Konterfei des borongesegneten Kaisers darauf, nahm das ihm angebotene Rahjenkränzlein und raunte der alten Thesia schelmisch zwinkernd zu: „Nimmt die Holde im Kränzlein denn auch Vergorenes oder Destilliertes?“

"Na, na, Thesia", wedelte der Catalinenser die Andenkenhändlerin freundlich, aber bestimmt fort. "Die Herrschaften sind gerade erst angekommen und werden gewiss ein ander Mal Zeit haben, Deine Schnitzereien zu bewundern - und wenn ich Dich noch mal außerhalb Deines Ladens erwische, sag' ich der Administradora Bescheid!"

Als Thesia sich getrollt hatte, zuckte Bruder Zafir entschuldigend mit den Schultern und lächelte sein Bubenlächeln. "Verzeiht, teure Pilger. Hier im Dorf versucht ein jeder auf seine Weise von der Festwoche zu profitieren und lässt dabei bisweilen außer Acht, dass die Menschen hierher kommen um der Göttin und ihrer Heiligen zu huldigen, und nicht um schnöden Tand zu erhandeln." Er schüttelte den Kopf, als sei ihm solch kaufmännisches Denken vollkommen fremd, dann fügte er augenzwinkernd hinzu: "Falls Ihr an wahrer, von der Göttin inspirierter Devotionalienkunst interessiert sein solltet, so lasst es mich nur wissen - ich kenne mich hier aus..."


Autor: dalias

„Rahja den anderen elf Zwölfen zuvor Euch zum Gruß, Euer Gnaden.“ Murmelnd fielen die anderen drei Pilger in den Gruß Domna Yppolitas an den Catalinenser Zafir ein. Yppolita di Dalias wandte sich zu ihrem aufgesessenen Begleiter um. „Mit Eurer Erlaubnis, bester Cousin, stelle ich uns kurz vor.“ Dom Lodovico, der sich in seinem Sattel wieder zurückgelehnt hatte und seinen rechten Zeigefinger über die Rahjenfigur am gerade erworbenen Kränzlein gleiten ließ, bedeutete seiner Base mit einer huldvollen Geste, dass sie doch fortfahren möchte.

„Dies hier“, mit ausladender Armbewegung und spöttischem Grinsen wies Domna Yppolita auf den Reiter, „dies ist der edle und wohlgeborene Dom Lodovico di Dalias, Administrador von Hochgeboren Dom Leons Eigengut Vivar. Ich bin Alveranis Gloria Yppolita di Dalias y las Dardas. Und das“, mit einer knappen Bewegung des Kopfes gab sie zu verstehen, dass die beiden Personen hinter ihr und Lodovico gemeint waren, „das sind Pribaldo und Alricio, zwei Diener Dom Lodovicos.“

Leicht neigte Yppolita di Dalias ihr Haupt zur Seite und begutachtete das wohlgefällige Gesicht ihres Gegenübers, sein volles Lockenhaar, seine klaren blauen Augen und die unverhüllten Schultern. „Nie zuvor in meinem Leben war ich in diesem rahjagesegneten Orte; gerne lasse ich mir von Euch ein standesgemäßes Logement weisen, Euer Gnaden. Wenn Eure kostbare Zeit als Hospitiar dieser Feierlichkeiten dies denn erlaubt. Untröstlich wäre ich, wenn ich Euch mit dieser Bitte molest fiele.“

Pribaldo Tracodi, der mit einiger Mühe und auf umständliche Weise von seinem Esel geklettert war, trat etwas steif und breitbeinig an Bruder Zafir und Yppolita heran, schüttelte die Hand des Hospitiars, beugte sich vor und flüsterte ihm ins ihr Ohr: „Die wohlgeborene Domna und ich würden es begrüßen, wenn’s denn möglich wäre, dort unsere Unterkunft zu finden, wo auch… nun… ähm… sagen wir… die Gäste und Edelleute aus nördlicheren Gefilden Quartier finden. Alter Zeiten wegen, Euer Gnaden. Alter Zeiten wegen. Wohlgeboren hier war lange Zeit im Norden und hofft, dort vielleicht ein paar bekannte Gesichter wiederzusehen. Nichts Verdächtiges oder gar… gar… Illegales, nein, nein, gewiss nicht. Nur… ähm… ähm… der alten Zeiten wegen, Euer Gnaden. Wäre dies möglich?“


Autor: vivar

Bruder Zafir strich dem Lakaien beruhigend über die Schulter, während er vergnügt zu Domna Yppolita aufblinzelte. "Sorgt Euch nicht, holde Domna Yppolita, um meine kostbare Zeit. Sie ist ein Geschenk der Götter, das ich gerne mit unseren Gästen teile." Er deutete der Dame gegenüber eine Verneigung an, um sich dann für einen Moment dem Administrador von Vivar seine Aufmerksamkeit zuzuwenden: "Dom Lodovico, es ist eine Freude Euch zu Santa Catalina begrüßen zu dürfen. Der Baron ist, soweit ich informiert bin, noch nicht aus Kellfall eingetroffen und hat sich erst zur großen Eröffnungsfeier, welche übermorgen im Tempel" - er drehte sich etwas und wies mit seinem nackten Arm den Hügel hinauf, wo die Tempelkuppel in der Sonne glitzerte - "stattfinden wird, angekündigt. So seid Ihr zwei Nächte noch Euer eigener Herr." Der Mönch zwinkerte dem Daliaser verschwörerisch zu.

"Wenn's Euch genehm ist", lächelte er dann wieder Domna Yppolita an, "so werde ich Euch nun eine Herberge weisen. Das beste Haus im ganzen Taubental ist die Herberge Zur Goldenen Rose, gleich hier am Platz." Er wies auf ein beeindruckendes zweistöckiges Steingebäude mit grün bemalten Fensterläden und einer Hofeinfahrt für Fuhrwerke zu seiner Rechten. "Dort werdet Ihr ohne Zweifel mit Messer und Gabel speisen, guten Wein aus dem Yaquirtal trinken und in weichen Federn schlafen können, sowie Standesgenossen aus Nah und Fern begegnen.

Im Übrigen habt Ihr wohl daran getan, bereits heute anzureisen. Zwar beginnen die Heiligen Tage in diesem Jahr erst übermorgen, am Vorabend des vierten Traviatags. Doch weil sich unser Festkalender nach den Wandlungen Madas richtet und somit ein jedes Jahr auf andere Tage fällt, pflegen viele Pilger bereits etwas früher aufzubrechen, um keine der Prozessionen zu missen und so sind die Herbergen für gewöhnlich ab dem ersten Feiertag zur Gänze belegt. In der Goldenen Rose werdet Ihr Euch gewiss die Zeit vertreiben können; ich hörte, man spielt dort Karten und schmaucht Drôler Kraut. Am heutigen Abend findet beim Rösserlwirt darüber hinaus ein Volkstanz statt, der zwar ein plumpes, bäurisches Vergnügen ist, den man aber mit ein bisschen von dem dort destillierten Obstwasser durchaus genießen kann."

Bereits die nächsten Ankömmlinge, drei Edeldamen mit ihrer Garde, am Eingang des Dorfplatzes erspähend, verneigte sich Bruder Zafir erneut mit ausgebreiteten Händen vor den Daliasern: "Wenn Ihr für den Augenblick keine weiteren Fragen oder Anliegen habt - mit denen Ihr mich selbstverständlich jederzeit molestieren dürft, Domna Yppolita -, so bleibt mir nichts weiter, als Euch abermals zu Santa Catalina im Taubental willkommen zu heißen und die Große Gastgeberin zu bitten, dass sie Euch einen angenehmen Aufenthalt schenken möge. Wir werden das Menschenmögliche dafür tun."


Autor: dalias

„Gnädiger Shafiro, äh… Euer Gnaden, Dom Zafir,“ begann sich Lodovico di Dalias, der außereheliche Sohn eines Daliaser Soberans und einer Zahori-Hexe, in die Unterhaltung einzumischen, „seid vielfach bedankt und seid Euch dessen versichert, dass die werte Domna und ich Euch aufs Höchste verobligiert sind. Mögen Rahja und Travia Eure und Eures guten und sittsamen Ordens Gastfreundschaft in alveranischen Gefilden tausendfach vergelten! Das Haus ‚Zur Goldenen Rose‘ wollen wir uns empfohlen sein lassen. Meine Base und ich sind es dem großen und alten Namen unserer Familia natürlich schuldig im besten Haus am Platz Logement zu nehmen.“

Lodovico lehnte sich im Sattel wieder etwas nach vorne. Sein Ross begann zu scharren und auf der Stelle leicht zu tänzeln. In vertraulicherem und weniger hochtrabendem Ton fuhr der Caballero fort: „Eine Sache noch, ehrenwerter Bruder Shafiro. Kennt Ihr womöglich eine ortsansässige Magd, die den Ort nebst Umgebung gut kennt und die sich den einen oder anderen Taler hinzuverdienen will? – Sollte sie überdies noch strammere Waden haben als die alte Thesia, dann schickt sie mir in die ‚Goldene Hose‘! Dies würde mich Euch und Eurem hohen Orden noch mehr verobligieren.“ Mit diesen Worten und einem Augenzwinkern schnippte Lodovico Bruder Zafir eine goldblinkende Dukatenmünze zu.

„Woher hat mein Vetter so viel Gold?“, flüsterte Domna Yppolita dem Secretario verstohlen zu. „Von seinem Bruder, äh Halbbruder bezieht Wohlgeboren eine ordentliche Leibrente und von Dom León erhält er auch gutes Geld für seine unschätzbar wertvollen Dienste… ähm… Überdies hat Wohlgeboren zu Vivar kaum Gelegenheit, nun ja, das Geld auch auszugeben. Warten wir, wie lange der Atem reicht…“ Secretario Pribaldo Tracodi blinzelte zum Gasthof hinüber und ließ dann Blick zu den beiden Pferden wandern, ihren pekuniären Wert taxierend.

„Domna Yppolita und du, Schwätzer," fuhr Lodovico seine Begleiter an, "los auf zur ‚Goldenen Rose‘. Mich dürstet und hungert. Und dies ist kein Zustand für einen Almadaner Noblen. Euer Gnaden, seid bedankt für den warmen und zwölfegefälligen Empfang, den Ihr uns bereitet habt.“ Auch Yppolita, Pribaldo und Alricio fielen in die Dankesworte Lodovicos ein und wandten sich Richtung Gasthof.


Autor: vivar

Elegant fing Bruder Zafir die blinkende Münze auf und ließ sie irgendwo unter seinem roten Leinentuch verschwinden. Dann fuhr er sich durch die Locken und näherte sich federnden Schrittes der nächsten Reisegruppe. Mit einer schwungvollen Verneigung kam er vor den drei Damen der Familia von Lindholz zu stehen und strahlte sie an: "Gepriesen sei die Rosengleiche, dass sie es mir, ihrem unwürdigen Diener, gestattet, am heutigen Tage drei ihrer zartesten Rosen zu betrachten! Rahja zum Gruße, Ihr Schönen! Im Namen der Santa Catalina, im Namen des Abtes Bonaventura, darf ich Euch in unserem Orte von Herzen willkommen heißen! Hier werdet Ihr, fern von derischen Verdrüssen, göttliche Freuden kosten, auf dass Labsal auf Eure Seele komme und ihr der Schönheit Rahjens Eure Herzen zu öffnen vermögt.

Erlaubt mir, mich vorzustellen, Domnas: Ich bin Bruder Zafir Contador, Hospitiar der Festtage und persönlich darum bemüht, dass Ihr eine angenehme Zeit in Santa Catalina verbringen werdet. An Euren Gesichtern sehe ich, dass es das erste Mal ist, dass Ihr uns mit Eurer Anwesenheit beehrt. Dürfte ich es daher wagen, Euch um Eure geschätzten Namen zu bitten, auf dass ich Euch eine standesgemäße Unterkunft weisen kann?"


Autor: lindholz

„Gepriesen sei die Herrin der Abendröte, Euer Gnaden, und seid bedankt für Eure charmante und zuvorkommende Begrüßung.“ erwiderte Domna Siona auf die Worte des Catalinensers mit einem freundlichen Nicken. „Ich bin Domna Siona von Lindholz und dies sind meine beiden Töchter Alisea und Lianna.“ Bei diesen Worten deutete die blonde Dame mit den haselnussbraunen Augen unterstrichen von einer eleganten Geste auf die jeweils Benannte, welche durch ein Senken des Hauptes bei niedergeschlagenen Augen das Knicksen nachahmten und den Geweihten der Liebholden ebenfalls mit einem „Euer Gnaden.“ ihre Ehrerbietung erwiesen.

Danach ergriff ihre aus Albernia stammende Mutter erneut das Wort: „Ihr seid ein guter Menschenkenner wie mir scheint. Eine bewundernswerte Fähigkeit und sicherlich für jemanden im Dienste der Rosengleichen von großem Vorteil.“ Da die Edeldame keine Pause einlegte blieb Bruder Zafir nur die Möglichkeit mit einem offenen Lächeln und einem Nicken seine Zustimmung zu zeigen. „Tatsächlich ist es so, dass es uns zum ersten Mal vergönnt ist, an diesen Festlichkeiten teilnehmen zu können, von deren Einzigartigkeit uns schon so viel berichtet wurde. Und wahrlich freuen meine Töchter sich ebenso wie ich auf die von Heiterkeit erfüllten Tage, die hier begangen werden.“

„Ihr werdet sicherlich nicht enttäuscht sein“, bestärkte der Catalinensermönch die Worte der Domna. „Der ganze Ort lebt von ganzem Herzen für dieses Ereignis.“

Siona von Lindholz nickte: „Tatsächlich wurde mir sogar zugetragen, dass einige der freundlichen Menschen von Santa Catalina selbst bereit sind, ihre Häuser, so sie an der Prozessionsstraße gelegen sind, gegen eine gewisse Kompensation angereisten Pilgern zur Verfügung zu stellen, damit es diesen vergönnt ist, sowohl einen unverstellten Blick auf das Abbild Rahjens zu werfen als auch die Nächte in eigenen vier Wänden verbringen zu können?“


Autor: vivar

"Oh, wie erfreulich! Schon wieder Yaquirtaler!", bewies Bruder Zafir, dass er neben Menschenkenntnis auch in der almadanischen Derographie einigermaßen bewandert war. "Möget Ihr eine angenehme Reise gehabt haben! Es ist in der Tat so, Domna Siona, dass Ihr von den Bewohnern des Dorfes Räumlichkeiten anmieten könnt. Gewiss sind Euch bei Eurem Ritt durch das Dorf die Rosenblüten aufgefallen, die mit Kreide auf die Türen einiger Häuser gezeichnet sind? Nun, wo Ihr eine oder mehrere solcher Kreiderosen findet, vermieten die Eigner des Hauses eine oder mehrere Kammern, in der Regel aber gleich das gesamte Obergeschoss." Mit einem Blick auf die Entourage der Lindholzer fuhr er fort:" Ein recht geräumiges Haus ist das des Glasbläsers Pandolfo, der sein Atelier gleich hier zwischen dem Platz und dem Aranischen Hof hat. Von dort aus werdet Ihr gewiss einen guten Blick auf die Prozession und kurze Wege zu allen weiteren Festlichkeiten haben." Die Zufriedenheit Domna Sionas über diese Antwort aus ihren Augen herauslesend, fügte er hinzu: "Falls Ihr im Augenblick oder später während der Feiertage noch Bedarf an irgendwas haben solltet - sei es auch eine Nichtigkeit - so zögert nicht, Euch vertrauensvoll an mich zu wenden. Ansonsten hoffe ich, Euch bei der Eröffnungszeremonie am übermorgigen Tage wieder zu sehen." Er verteilte Kusshände an die drei Edeldamen.


Autor: lindholz

Nachdem man dem gutaussehenden Hopitiar gedankt und sich von ihm verabschiedet hatte, wendete die Gruppe die Pferde und wandte sich wieder der Straße zu, die sie eben erst hinter sich gelassen hatte. Tatsächlich fand sich auf vielen der Türen mit Kreide angebrachte Rosenblüten und gleich die zweite rechter Hand prangte auf dem Eingang zu einem größeren Haus, an dem sich statt eines Schildes eine Scheibe vielfarbigen Glases munter im sanften Abendwind drehte. Die drei Damen saßen ab und betraten begleitet von einer der Wachen das im Erdgeschoss gelegene Atelier mit den Verkaufsräumen, während die restliche Dienerschaft draußen verblieb.

Pandolfo erwies sich als ein überraschend junger, aber zuvorkommender Mann und nach kurzen Verhandlungen war man sich einig und es konnte damit begonnen werden, das auf den Pferden verstaute Gepäck in das obere Stockwerk zu bringen. Die Familie des Glasbläsers würde währenddessen in seiner Werkstatt nächtigen, wo über die Festtage ohnehin nicht gearbeitet wurde; man konzentrierte sich ganz auf den Verkauf von dem, was dem Geist des Künstlers über den Götterlauf entsprungen war: Verzierte Karaffen und dünnwandige Pokale, Teller aus Goldglas, bunt schillernde Kännchen und Vasen mit Mosaikmuster, prunkvolle Leuchtgefäße in Netzglastechnik sowie aufwendig gestaltete Flakons für Parfum konnten die Edeldamen in den Regalen bewundern.

Die Wohnräume waren nicht üppig, aber komfortabel eingerichtet und vom Balkon hatte man einen ausgezeichneten Blick auf die Straße, konnte aber, wie Domna Alisea enttäuscht feststellte, keinen Blick in den Garten des benachbarten aranischen Anwesens werfen. Nachdem man sich etwas erfrischt und umgezogen hatte, machte sich Domna Siona mit ihren Töchtern auf, in der nahegelegenen Taberna Zum Rösserlwirt das Abendessen einzunehmen. Wie Esfera, die Ehefrau des Glasbläsers berichtet hatte, sollten dort traditionelle Bauerntänze der Waldwacht dargeboten werden. Zwar hielt die Edeldame nicht viel davon, sich dem Bauernstande all zu sehr anzunähern, doch die almadanische Lebensart war ihr wie ihren Töchtern immer noch ein wenig fremd und die gebürtige Albernierin hatte auf ihre Neugier hörend beschlossen zu dem gegebenen Anlass eine Ausnahme zu machen.