YB35 Almada, kühn und furchtlos ist Dein Adel!
Erschienen in den Meldungen des Hauses Yaquirblick Nô 35
Rondra 1033 BF (5 Hal II.)
Elfenbaron führt Magnaten wider die Ferkinas
RAGATH/ KORNHAMMER. Ein bunt zusammengewürfelter Haufen war es, der Anfang Praios gen Kornhammer zog, um die Ferkinas in die Berge zurückzutreiben. Etliche Magnaten hatten sich nach der Depesche des Kornhammer Vogtes auf der Landständeversammlung bereit erklärt, zu Schwert, Schild und Lanze zu greifen, das Ross zu satteln und höchstselbst wider die Wilden aus den Bergen zu reiten.
Die Erste, die ihre Hilfe anbot, war Domna Sveva ai-Gurth von Borian y Derp, die Gemahlin des verschollenen Junkers zu Hornenfurt. Sechs Waffenknechte hätten sie nach Ragath begleitet, diese und ihren Hofgeweihten und eine Medica würde sie nach Kornhammer führen, um die Menschen dort zu versorgen.
Auch der erst vor zwei Jahren nach Almada zurückgekehrte Junker zu Kleinblitzackern, Dom Yantur von Pildek, zögerte nicht, der Großtochter des Kornhammer Vogtes, Domna Richeza von Scheffelstein, seine Hilfe anzutragen. Begleitet wurde er von seinem langjährigen Reisegefährten, dem Schwertgesellen Hagen von Mawet.
Weniger erfreut schien Domna Richeza über das Angebot des Taubentaler Barons, León Dhachmani de Vivar y Vivar, der ihr nicht nur seine vier Mercenarios zur Seite stellte, sondern sich erbot, selbst gen Scheffelstein zu reiten. Wie allgemein bekannt ist, zürnt die schöne Domna dem Jungbaron, seit dieser sie und andere mutmaßliche Mitglieder der Hüter des Almadin anzeigte und jene infolgedessen des Hochverrats angeklagt wurden. In der Not der Stunde aber konnte die Scheffelsteinerin es sich nicht leisten, irgendjemandes Hilfe abzulehnen.
Der Landständesprecher Alrik de Braast y Braast ließ es sich nicht nehmen, Dom Hesindian, einem Freund seines verstorbenen Bruders und altem Vertrauten der Braaster Familia, seine Hilfe zuzusichern. Er beauftragte seinen Neffen Rondrigo de Braast, den Edlen zu Deokrath, den Waffenmeister Ambrosch Sohn des Crombasch und ein Dutzend berittene Eisenwaldgrenzer gen Kornhammer zu führen. Die Gerüchte, dass der alte Braaster nur auf Beute aus sei und sein Neffe deshalb auch drei Zahori im Gefolge habe, wagten die übrigen Magnaten ob des hitzigen Gemüts des Deokrathers nicht laut auszusprechen.
Domna Richeza, die wie stets allein reiste, versuchte, in Ragath Mercenarios anzuwerben, musste aber feststellen, dass ihr Dom Boraccio d'Altea um einige Stunden zuvorgekommen war: Er hatte fast alle Söldner nach Khahirios geführt, die noch in der Stadt gewesen waren. Allein zwei Haufen ebenso abenteuerlicher wie unverschämt teurer Landsknechte unter der Führung des Condottiere Marzocchio Zidra waren noch zu haben. Zidra, so sollte sich bald herausstellen, trug nicht umsonst den Namen des bosquirischen Apfelweins, denn eben diesem sprach er kräftig zu. Zwar war ihm seine Trunksucht kaum anzumerken, vertrauenswürdig erschien er der Domna darob jedoch weniger.
Um so erfreuter war die Edle zu Eslamsstolz, als kurz vor dem Aufbruch nach Kornhammer einige weitere Magnaten zu der Truppe stießen, allen voran der erfahrene Condottiere Hernán von Aranjuez, seines Zeichens Baron von Dubios, der nicht nur seinen Waffenmeister Anzures Ballan mit sich brachte, sondern noch ein weiteres Dutzend Mercenarios. Wie die glückliche Fügung es wollte, waren einige der Dubioser Söldner mit Mercenarios aus Zidras Haufen bekannt, und so fiel es dem Baron nicht schwer, stillschweigend das Kommando über die von Domna Richeza angeheuerten Landsknechte zu übernehmen - worüber die Scheffelsteinerin sichtlich erleichtert war.
Auch Trutz Ida y Toras, der Bruder des Barons von Yasamir, gesellte sich mit sechs Waffenknechten zu den Magnaten. Zuletzt traf die ältere Schwester von Domna Richezas verstorbener Mutter mit vier Bewaffneten ein, die berüchtigte Domna Rifada da Vanya. Die Ankunft der Junkerin von Vanyadâl löste bei einigen der Magnaten Unwohlsein aus, gilt die resolute Mittfünfzigerin doch als ebenso harte wie männerverachtende 'Amazone'. Während Trutz Ida y Toras und Yantur von Pildek sich von der harschen Caballera fernzuhalten versuchten, hörte man Dom León hinter vorgehaltener Hand dem Braaster zuraunen, Domna Richeza sei in jeder Hinsicht eine Sinnenfreude, verglichen mit ihrer Tante. Die Scheffelsteinerin, der diese Worte nicht entgingen, warf dem Taubentaler Baron einen finsteren Blick zu.
Angeführt vom Dubioser Baron zog der wilde Haufen gen Nordosten. Gerade hatten die Magnaten Valenca hinter sich gelassen und näherten sich Trigo, der Ortschaft an der Grenze zwischen den Baronien Falado und Kornhammer, da wurden sie eines einzelnen Reiters gewahr, der auf einem weißen Ross saß und ein fröhliches Lied pfiff. Der Deokrather war der Erste, der ihn erkannte: „El Commandante!“ rief er erfreut. Und wahrlich: Bei dem einsamen Reiter handelte es sich um niemanden Geringeres als den Baron von Cres, der einst das Ragather Kürassierregiment in die Schlacht auf den Vallusanischen Weiden geführt hatte. Auf die Frage, was er allein in dieser Gegend mache, erwiderte der Elfenbaron, er sei just auf dem Wege, sich des Wohlergehens eines alten Freundes zu versichern. Dom Rondrigo, der im Borbaradkrieg unter dem Creser gedient hatte, frohlockte, nun werde man abermals gemeinsam für Rondra streiten.
Dom Danilo Caerdonnati von Cres aber machte keine Anstalten, das Kommando über die zusammengewürfelte Truppe zu übernehmen. Stattdessen musterte er die fast siebzig Bewaffneten und die acht Magnaten mit elfengleich unbewegter Miene. Allein der Anblick von Domna Svevas ältester Tochter, Cuéiva Malinya von Derp, die gerade einmal zwölf Götterläufe zählte, veranlasste ihn zu einem kurzen Heben der linken Augenbraue. Alsdann wandte der Creser Baron sich an die Edle von Scheffelstein und fragte, ob ihr Großvater vielleicht aus Versehen die falsche Depesche losgeschickt habe, ob er nicht eigentlich beabsichtigt habe, erneut zu einem jener erbaulichen Tanzabende zu laden, die auf seiner Burg veranstaltet worden waren, als die wahr... warmherzige Domna Richeza die Ältere noch lebte.
Alle Versuche des Deokrathers, den Creser zu einer gemeinsamen Weiterreise zu bewegen, blieben ohne Erfolg. Dom Danilo verkündete, er sei wahrlich in Sorge, sein guter Freund könne einen Herzkasparabald erleiden, wenn eine so große Festgesellschaft unverhofft auf seiner Burg erscheine, von daher sei es seine Pflicht, vorzureiten, und seinem Freund die Gelegenheit zu verschaffen, sich auf die Ankunft seiner Gäste vorzubereiten. Sprach’s und eilte auf seinem weißen Ross davon. Während insbesondere Dom Rondrigo ob der Absage des Cresers enttäuscht schien, weinte der Alt-Answinisten Dom Hernán ihm gewiss keine Träne nach.
Wenige Stunden später hatten die Magnaten Trigo passiert und fluchten über den Zustand des Karrenwegs nach Kornhammer, der durch dichten Wald führte und das Vorwärtskommen erschwerte. Gerade ritten die Späher um eine Biegung, da erblickten sie wegaufwärts auf einem Hügel eine Lichtgestalt. Im Zwielicht unter dem Blätterdach der Bäume schien sie sonnenhell, und die nachrückenden Magnaten mussten die Augen mit den Händen abschirmen, um nicht geblendet zu werden. Domna Sveva sah man ein Schutzzeichen schlagen, und Dom Yantur pfiff durch die Zähne, als der leuchtende Reiter mit der Stimme des Cresers zu sprechen begann.
Es werde bald dunkel, sprach er, und im Dunkeln sei eine almadanische Festgesellschaft leichte Beute für wilde Ferkinas. Er könne nicht zulassen, dass die Gäste seines Freundes auf dessen Land verunglückten, nachher mache der Lehnsherr seines Freundes diesen noch für den Tod der unvorsichtigen Magnaten verantwortlich. So empfahl er den Reisenden, wie er sie nannte, ein Nachtlager auf der Hügelkuppe aufzuschlagen, während er, der Baron von Cres, einstweilen über den Schlaf der edlen Damen und Herren wachen wolle.
Das Magnatenheer rastete also in den Kornhammer Wäldern. Die Yasamirer Waffenknechte, die zur Wache eingeteilt waren, berichteten anderntags, der Elfenbaron sei des nachts gemächlich durch das Lager geschritten, leuchtend wie eine praiosgefällig helle Fackel, und habe über den Titel eines weiteren Buches sinniert, das er zu schreiben gedenke und das eine Fortsetzung des Bandes „Wie sich der Noble im Feld benehmen sollt“ werde. Einer der Yasamirer Soldaten schwor, er habe Ferkinas gesichtet, die jedoch beim Anblick des strahlenden Elfen die Flucht ergriffen hätten. Ob der Mann übertrieb oder nicht, sei dahingestellt, wahr ist, dass man den Creser morgens auf einem umgestürzten Baum sitzen und sich Notizen zu seinem Buche machen sah, während ein Mann in Leder und Fell mit den Schmucknarben eines Ferkinas die Stiefel des Elfenbarons polierte.
Als man weiterritt, begab es sich, dass Dom Danilos Pferd fußkrank war – wie der Creser Baron behauptete – und deshalb nicht schneller vorankam als die Rösser der übrigen Doms und Domnas. Domna Rifadas Begleiterinnen spekulierten leise, ob es sich bei Dom Danilo um einen leibhaftigen Alveraniar handele oder sie sich sein nächtliches Leuchten nur eingebildet hatten, nachdem sie mit Zidras Söldnern einen – oder zwei – Ragatzo getrunken hatten. Ihre Herrin herrschte sie an, sie sollten sich nicht dümmer anstellen als sie seien, Dom Danilo sei nichts weiter als ein Elf aus Fleisch und Blut. Es sei nun ersichtlich, wohin es führe, wenn frau mit ein paar trunkenen Männern ihre Zeit verschwende.
Der Ort Kornhammer war nicht mehr weit, als die Truppe Zeuge eines Überfalls auf ein Gehöft am Waldrand wurde. Gut ein Dutzend Ferkinaponys stand vor dem Haus, aus dem Schreie drangen. Eine Frau kam vom Hof gelaufen, verfolgt von einem der Wilden, der sie mit einer steinernen Axt niederstreckte. – Da kannte Domna Rifada kein Halten mehr: Sie rief ihre vier Begleiterinnen zu sich, und ehe der verdutzte Ferkina begreifen konnte, wie ihm geschah, hatte das Schwert der Domna ihn bereits enthauptet. Ein weiterer Ferkina, der nahe des Hoftors Wache stand, rief aufgeregt in seiner kehligen Sprache nach Verstärkung, dann hob er das gewundene Horn eines Bergrinds und blies hinein. Ein langgezogener Ton hallte durch den Wald.
Dom Hernán fluchte ob des eiligen Vorpreschens der Vanyadâlerin und ließ die Söldner das Gehöft umstellen. Dom Danilo schüttelte leicht das Haupt und gab dem Braaster ein Handzeichen, der daraufhin mit den Eisenwalder Grenzern eilig den Weg zurück in die Richtung ritt, aus der sie gekommen waren. Und wahrlich, kurz darauf hörte man Schreie und Waffenlärm aus dem Westen. „Regel eins“, wandte sich Dom Danilo an die Scheffelsteiner Edle, „halte dir den Rücken frei.“ Doch diese schrie nur auf, zog ihren Säbel und wies in den Rücken des Cresers. Der wandte sich um, streckte zwei Finger aus – und der Ferkina, der mit erhobener Axt auf sein Pferd zustürmte, hob wie geblendet den Arm, zuckte zurück und prallte mit dem Gesicht gegen einen Baum.
Nun aber brachen weitere Ferkinas zwischen den Bäumen hervor und stürzten sich furchtlos auf die Magnaten. Ein Speer hob einen der Yasamirer Waffenknechte aus dem Sattel, und Hagen von Mawet konnte gerade noch von seinem Pferd springen, als eine Lanze das Tier an der Flanke traf und es einbrach. Dom Trutz und seine verbleibenden Soldaten sahen sich einer plötzlichen Übermacht entgegen, jeder hatte sich gleich zweier Wilder zu erwehren.
Plötzlich flogen Pfeile aus dem Wald und schlugen neben den Kämpfenden in Boden oder Bäume ein. Einer aber traf die kleine Cuéiva von Derp, die schreiend von ihrem Ross stürzte und reglos liegen blieb. Dom León sprang aus dem Sattel und warf sich todesmutig dem durchgehenden Pferd des Mädchens entgegen, ehe seine Hufe die Domnita niedertrampeln würden. Einige Schritt wurde der Taubentaler Baron, am Zügel hängend, mitgeschleift, dann ließ er das Tier frei und wollte sich soeben wieder aufrappeln, als ein Ferkina über ihm auftauchte, die Axt zum tödlichen Schlag erhoben. Doch statt dass die Axt Dom León traf, traf der Säbel Domna Richezas den Ferkina im Nacken, und der Wilde stürzte neben dem Taubentaler tot in den Straßenstaub.
Es dauerte nicht lang, und Dom Rondrigo kehrte mit seinen Leuten zurück, die unter Verlusten die Ferkinas in die Flucht geschlagen hatten. Auch von jenen, die auf der Straße mit den Magnaten und deren Wachen kämpften, nahmen nun einige Reißaus. Auf dem Gehöft stritt Dom Hernán derweil lautstark mit Domna Rifada. Der Baron von Dubios hatte den Söldnern befohlen, die Ferkinas gefangen zu nehmen und zu fesseln. Die Vanyadâlerin hingegen hielt blutige Ernte unter den Wilden, gleich, ob diese sich ergeben wollten oder nicht.
Auch Domna Richeza versuchte ihrer Tante Einhalt zu gebieten und verwies darauf, dass es Sache des Vogtes sei, auf seinem Land Gefangene zu richten. Domna Rifada schnaubte nur. Wenn es tatsächlich so schlimm um Kornhammer stehe, wie Dom Hesindian in seiner Depesche hatte anklingen lassen, dann hätte er gewiss nicht genug Korn übrig, um auch noch die Heiden durchzufüttern. Doch als sie einen weiteren Gefangenen gnadenlos niederstreckte, sprang Dom Yantur vor, die Zornesröte im Gesicht. In Rondras Namen solle sie mit dem Gemetzel aufhören! Von Rondras Geboten wüssten die Wilden nichts, erwiderte Domna Rifada, und gegen Tiere sei ein ehrbarer Zweikampf ohnehin nicht möglich. Doch ehe ein handfester Streit losbrechen konnte, verkündete Dom Danilo, scheinbar gelangweilt, eine zweite Regel: „Wisse, auf wessen Seite du stehst.“ Und zum Erstaunen ihrer Begleiterinnen wandte die Vanyadâlerin sich dem Creser zu, und bald parlierten die beiden über Wunderglaube, die Macht zu überleben und die Frage, ob es an einem Sonnentag aus heiterem Himmel regnen könne.
Derweil bat Domna Richeza, die Toten zusammenzutragen. Man zählte siebzehn tote und acht gefangene Ferkinas. Die übrigen waren geflohen. Doch auch die Magnaten hatten Verluste hinnehmen müssen: Dom Rondrigo hatte zwei seiner Grenzsoldaten verloren, Dom Hernán und Dom Trutz jeweils einen Begleiter, und von Zidras Leuten hatten zwei das Leben gelassen. Drei weitere der Söldner waren verwundet, und einer Frau aus Dom Leons Gefolge hatte ein Axthieb den linken Arm abgetrennt. Auch die Magnaten hatten Blessuren davongetragen: Domna Richeza blutete leicht aus einer Beinwunde, Dom Rondrigo hatte eine Platzwunde am Kopf, Dom León hatte sich die Hand verstaucht und ein Pfeil hatte Dom Yantur die rechte Schulter durchschlagen. Am schlimmsten aber hatte es die kleine Cuéiva von Derp getroffen, der ein Pfeil noch immer in der Brust steckte und die bleich und reglos in den Armen ihrer Mutter lag.
Domna Richeza drängte zum Aufbruch – bis Burg Scheffelstein sei es nicht weit. Die gefallenen Soldaten nahm man mit – die toten Ferkinas aber ließ man vorerst am Wegrand zurück. Nicht lang, und der Wald wich rechterhand zurück und gab den Blick frei auf Felder und Weiden. Zwischen diesen hindurch wand sich der Weg zum Dorf Kornhammer und hinter diesem einen steilen Hang hinan. Dort, auf einer Felsklippe vor einer Steilwand ragten die dunklen Mauern der Burg Scheffelstein auf.
Wie traurig aber erschien das Dorf, als die Truppe durch es hindurch zog: Verlassen lag der Dorfplatz da, viele der Häuser hatten mit Brettern vernagelte Türen und Fensterläden, aus anderen rafften Männer und Frauen eilig Kleider und Nahrung zusammen. Auch auf der Straße zur Burg begegneten die Magnaten Flüchtlingen. Einige fielen vor den Reitern auf die Knie, die Hände zum Himmel erhoben und priesen die Götter, dass nun endlich die Rettung da sei. Die Kunde von der Ankunft der Magnaten eilte diesen voraus, und man öffnete ihnen die Tore. In der Unterburg drängten sich Hunderte von Menschen: Zusammengepfercht auf engstem Raum, hatten sie notdürftige Lager aus Decken und Planen errichtet und blickten die Reiter aus müden Augen an.
Noch am selben Abend hielt Dom Hesindian von Kornhammer-Scheffelstein, der Vogt zu Königlich Kornhammer und Herr der Burg Scheffelstein, Rat mit den Doms und Domnas. Vor einigen Wochen, sagte er, seien erstmals Räuber in Kornhammer eingefallen, hatten mehrere Höfe und einige Häuser des Dorfes geplündert, waren aber von den kaiserlichen Soldaten in die Flucht geschlagen worden. Bald darauf aber seien zwei Söldner aus Fer Henna eingetroffen, die berichteten, der Außenposten sei überrannt, alle übrigen Mercenarios getötet worden, und die Ferkinas seien auf dem Weg nach Süden. Am gleichen Abend noch seien die Plünderer in Kornhammer eingetroffen, und diesmal habe man sie nur unter Verlusten zurückschlagen können. Dom Hesindian habe daraufhin die Evakuierung des Dorfes befohlen, zeitgleich aber seien auch aus anderen Orten der Baronie Bauern eingetroffen, die ihren Herrn um Schutz und Zuflucht angefleht hätten. Als dann noch Kunde aus Khahirios und bald darauf Selaque gekommen sei, die ahnen ließ, dass es um die Nachbarlehen ähnlich düster stehe, habe der Vogt ein Schreiben an den Kaiser und die Magnaten zu Ragath geschickt.
Dom Hesindian bat Dom Danilo, die Söldner bereits am nächsten Morgen nach Fer Henna zu führen, um dort nach dem Rechten zu sehen und den wichtigen Außenposten wieder zu besetzen. Domna Richeza solle mit den Kaiserlichen, die noch auf der Burg seien, zu ihrem Gut Eslamsstolz und weiter nach Leuendâl und später Raschtulsrück reiten, um die Menschen der östlichsten Dörfer nach Burg Scheffelstein zu geleiten. Domna Sveva ersuchte den Vogt, mit ihrer verletzten Tochter auf Scheffelstein bleiben zu dürfen und bot an, sich um die Versorgung der Flüchtlinge zu kümmern. Dom Yantur, dessen Schulter ihn zu sehr schmerzte, als dass er die anderen Magnaten schon am nächsten Tag nach Norden hätte begleiten können, erbot sich, zusammen mit seinem Freund, Hagen von Merwet, die Bauern im Kampf zu unterweisen, sodass sie sich gegen die Ferkinas zu wehren wüssten.
Als der Rat endete, zog Dom Hesindian seine Enkeltochter beiseite und sagte, zu seinem Bedauern habe er ihr schlechte Kunde zu unterbreiten: Vor drei Wochen sei Domna Fenia von Culming auf Scheffelstein eingetroffen, die einstige Gemahlin von des Vogtes verstorbenem Neffen Ramiro von Alcorta. Sie habe von einem mächtigen Heilkundigen in den Selaquier Bergen gehört, der ihren seit Jahren kränkelnden Sohn Praiodor vielleicht endlich von seinem Leiden zu befreien vermöchte. Und so sei Domna Fenia mit Domnito Praiodor gen Süden aufgebrochen. Dies aber sei nur wenige Tage gewesen, bevor aus Selaque die Nachricht von den verheerenden Zuständen dort gekommen sei, Dom Hesindian habe von daher wenig Hoffnung, Domna Fenia und ihr Sohn könnten noch am Leben sein.
Wie vom Donner gerührt war die Edle zu Eslamsstolz ob dieser Kunde, war ihr der kranke Sohn ihres geliebten Onkels doch in den letzten Jahren wie ein eigenes Kind ans Herz gewachsen. Sie wolle sofort aufbrechen, die Vermissten zu suchen. Doch Dom Hesindian verbot es ihr. Zu gefährlich sei es derzeit in Selaque und zu wichtig sei es, zunächst die Leute aus den Dörfern Königlich Kornhammers in den Schutz der Burg zu geleiten.
Doch die Edle war so außer sich, dass sie sich ihrer Tante anvertraute und diese fragte, ob sie von einem Heiler in den Bergen Selaques gehört habe. Das hatte Domna Rifada nicht, aber da sie selbst, scheint’s, wenig Lust verspürte, weiter mit jenen Jagd auf Ferkinas zu machen, die diese doch nur verschonten, erbot sie sich, ihre Nichte nach Selaque zu führen. Wie es der Zufall wollte, hatte der Baron von Dubios das Gespräch der Domnas mitbekommen und fragte die Scheffelsteinerin, was es mit ihrer Suche nach Domna Fenia auf sich habe. Domna Richeza erzählte es ihm, und nach einer Weile nachdenklichen Schweigens erklärte der Dubioser, so die Edle es wünsche, werde er sie auf ihre Queste begleiten. Er stehe in der Schuld der Culmings wie auch in der von Richezas Onkel. Und so kam es, dass Domna Richeza, Domna Rifada und Dom Hernán noch vor Morgengrauen mit ihrem Gefolge die Burg verließen und eilig gen Süden ritten, um sich auf die Suche nach Witwe und Sohn Dom Ramiros zu machen.
Dom Danilo aber, begleitet von seinem einstigen Rittmeister, dem Edlen von Deokrath, sowie Dom Trutz und Dom Leon und deren Frauen und Männern, führte die Mercenarios nach Norden, um die Ferkinas aus Fer Henna zurück in die Berge zu treiben.
Kovara Londirez, Stadtschreiberin zu Punin