Chronik.Ereignis1033 Feldzug Selaque 24

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In der Baronie Selaque, 3. Rondra 1033 BF

Auf dem Weg vom Castillo Albacim Richtung Ragath


3. Rondra, nachmittags

Autor: Ancuiras

Gendahar von Streitzig blickte sich ein letztes Mal nach dem Castillo Albacim um. Er war froh, das düstere Gemäuer hinter sich zu lassen. Es war ihm von Anfang an unwohl gewesen, dort Quartier zu machen und sich der Willkür der Vogtin auszuliefern, die er schon auf dem Castillo da Vanya zu spüren bekommen hatte. Es geschah nur selten, dass jemand ihn, den Sohn des Grafen des Yaquirtals und den Vogt von Thangolforst, offen angreifen ließ! Entsprechend verstimmt war er in Gegenwart der fetten Elenterin gewesen und hatte das Reden Dom Rondrigo überlassen. Oder Romina, die niemanden mehr brauchte, der für sie sprach.

Dies war die Grafschaft Ragath und er hatte keinerlei Lehns- oder Amtsgewalt hier. Er wollte nur seine Nichte sicher nach Ragath bringen, der Rest ging ihn nichts mehr an. Immerhin hatte er sich auf Castillo Albacim wieder ordentlich ausrüsten könnten, vermutlich aus den geplünderten Beständen Domna Rifadas. Ansonsten bevorzugte er leichte Rüstung, aber in diesen unsicheren Landen war ihm mit Harnisch, Helm, Schwert und Lanze durchaus wohler.

Er drehte sich nach seiner Nichte um und warf ihr ein aufmunterndes Lächeln zu. Bald würde sie alles überstanden haben. Die größte Unbill, die sie während der kommenden Tage würde erleiden müssen, war das tumbe Balzverhalten dieses Cronbieglers, der nicht mehr von ihrer Seite wich.

Es waren schon merkwürdige Geschehnisse, in die sie in den letzten Wochen verwickelt worden waren, aber nun schien alles ein gutes Ende zu nehmen. Alles? Mit einem Mal drängte sich das Bild der gefesselten Richeza vor sein inneres Auge.

"Ihr traut Ihr auch nicht, oder? Ich konnte es Euch ansehen."

Gendahar fuhr aus seinen Gedanken. Morena von Harmamund hatte ihr Pferd an seine Seite geführt und lächelte ihn an. Sie hatte mit ruhiger, sanfter Stimme gesprochen. Wenn sie nicht so griesgrämig wie sonst dreinschaute, war sie fast hübsch zu nennen, fiel ihm erstmals auf. Ihre langen schwarzen Haare fielen offen auf ihre kräftigen Schultern und unter ihrer Bluse zeichneten sich zwei wohlgeformte ...

Er zwang sich, wieder in ihre Augen zu schauen. Wahrlich, er hatte Rahja all zu lange nicht mehr gehuldigt. Erst jetzt erfasste den Sinn ihrer Frage. "Vom wem redet Ihr?"

"Der Vogtin natürlich." Sie schnalzte mit der Zunge. "Ihr habt ja gehört, wie sie mich in ihre Machenschaften einspannen wollte. Aber ohne mich! Das Königreich hat gerade andere Gefahren zu bewältigen." Sie schüttelte traurig den Kopf. "Ich hoffe nur, dass diese Fehde sich nicht ausweitet."

Sieh an, dachte Gendahar. Noch gestern sprach sie von 'ihrem' Castillo. Sie hat wohl eingesehen, das daraus nichts wird. Aber ihm sollte der Sinneswandel nur recht sein, wenn er denn ehrlich gemeint war. "Eure Sorge ist sicher nicht ganz unberechtigt. Um so ehrenhafter ist es, dass Ihr Euch aus diesem Treiben - weiterhin - heraus haltet." Er blickte sie ernst an. Würde sie nun wütend aufbrausen, wie es bei den Frauen dieses Landstrichs offenbar üblich war?

Stattdessen schlug sie beschämt den Blick zu Boden. "Ihr habt Recht. Ihr müsst wissen... anfangs dachte ich durchaus, es sei eine gerechte Sache, der Junkerin von Vanyadal das Handwerk zu legen. Und ja, natürlich hätte ich es begrüßt, wenn ihr Castillo in die Hände des Hauses Harmamund gefallen wäre. Nun aber sehe ich, dass Domna Praiosmins Beweggründe und Vorgehensweisen kaum ehrenhafter sind. Ich will nicht die Nutznießerin eines solchen Streits sein - wir Harmamunds haben immer mit offenem Visier gestritten!" Ihre Augen blitzten kämpferisch auf, doch sogleich wurde ihr Tonfall wieder ruhiger. "Außerdem möchte ich nicht wissen, was mit den Damen des Hauses da Vanya geschieht, wenn sie in die Klauen der Vogtin gelangen. Da möchte ich keine Hilfsdienste leisten."

"Den Damen? Ich weiß bislang nur von Domna Rifada, die von diesem Gasparo festgehalten wird." Falls Rifada seine Familie nicht mittlerweile bis ins siebte Glied ausgerottet haben sollte, denn irgendwie konnte er sich sie nicht als hilflose Gefangene vorstellen. „Und außerdem habt Ihr es ja abgelehnt, sie zu holen und ins Castillo Albacim zu bringen.“

„Ja, aber jetzt hat Domna Praiosmin diesen Caballero Azzato ohne mich losgeschickt, mit dreißig Männern und Frauen Bedeckung. Es sind keine großen Kämpfer, aber die Ausrüstung dürfte hervorragend sein.“ Diese Beschreibung der Truppe entsprach tatsächlich dem, was ihr Berengar nach seiner Inaugenscheinnahme berichtet hatte. Es war ein undisziplinierter und ungeübter Haufen, aber bis an die Zähne bewaffnet und gut gerüstet. „Sicherlich sind auch ein paar Armbrüste dabei, die jeder Idiot bedienen kann. Ich wüsste nicht, was selbst Domna Rifada dem allein, unbewaffnet und vermutlich gefesselt entgegen setzen sollte.“

Gendahar nickte gedankenverloren. Diesmal schien es wirklich übel zu stehen um Domna Rifada. Aber warum sorgte sich ausgerechnet Domna Morena um deren Wohl? Und warum sollte er sich darum sorgen, wo sie doch auch eine erklärte Feindin seines Hauses war? Und doch ließ ihn das Schicksal der Weggefährtin aus dem Raschtulswall nicht kalt.

Aber selbst wenn er gewollt hätte, was konnte er schon tun? Man musste darauf hoffen, dass der Kaiser rechtzeitig Verstärkung entsandte, um diesen Landstrich endlich zu befrieden. Rifada war aus einem harten Holz geschnitzt.

„Ich befürchte“, fuhr Morena fort, „Caballero Azzato wird sich nicht lange damit aufhalten, sie irgendwohin zu bringen, sondern den Willen der Vogtin auf eine sehr unmittelbare Weise umsetzen.“ Sie fuhr sich mit dem Daumen von links nach rechts an der Kehle entlang.

Gendahar hatte einen Kloß im Hals. Vermutlich hatte sie recht. „Ihr spracht von einer weiteren Dame“, fiel ihm da wieder ein. „Meintet Ihr die Mutter des Barons von Schrotenstein?“

"Nein, Richeza da Vanya natürlich."

Gendahars Kopf fuhr herum. „Was redet Ihr da? Sie ist in der Obhut Dom Hernáns! Zu ihrem eigenen Schutz, und damit sie nicht unbedacht in die Fehde eingreifen kann. Welche Gefahr soll ihr da von der Vogtin drohen?“

"Hatte ich noch nicht davon erzählt?“, fragte Morena fast entschuldigend. „Dom Hernán hielt es für das Beste, sie beim Castillo da Vanya zu lassen, nachdem uns Praiosmins Schergen dort nicht einließen.“

„Domna Richeza in der Hand von Praiosmins Schergen? Warum sollte Dom Hernán das zulassen?“

„Sein Trupp wurde von Ferkinas angegriffen.“

Das entsprach der Wahrheit, wie Morena wusste, auch wenn es ein wenig übertrieben war. Der Kampfeslärm war gerade noch an ihr Ohr gedrungen, kurz nachdem sie mit Hernáns fünf Leuten aus dem Vanyadal aufgebrochen war. Da hatte sie Berengar zurück geschickt, um nach dem Rechten zu sehen. Dieser hatte von einem Versteck aus beobachtet, dass es nur eine Handvoll Ferkinas waren, die schnell zurück geschlagen wurden. Und dann war mit einem Mal der junge da Vanya auf der Bildfläche erschien und hatte so lange auf Dom Hernán eingeredet, bis dieser ihm Domna Richeza dagelassen hatte. Diese Einzelheiten musste der Streitzig aber nicht wissen.

„Dom Hernán selbst wurde verletzt. Da meinte er wohl, nicht länger die Sicherheit der Gefangenen gewährleisten zu können.“

„Zum Henker, Hernán, was habt Ihr Euch dabei gedacht?“, stieß Gendahar zwischen zusammen gepressten Zähnen hervor. „Ihr habt mir Euer Wort gegeben!“

Morena blickte ihn mitfühlend an. „Aber das ist nicht alles. Ich kann mir kaum vorstellen, dass man eine so wichtige Gefangene lange an einem derart unsicheren Ort lässt, wo jederzeit Ferkinas oder die Streiter der einen oder anderen Fehdepartei auftauchen können ..."

„Ihr meint ... sie bringen sie zum Castillo Albacim?"

Die Harmamund hob hilflos die Hände. "Ich weiß es nicht. Ich kann nur sagen, was ich an ihrer Stelle tun würde..."

"Praiosverfl..." Gendahar unterdrückte seine Worte gerade noch rechtzeitig. Praios vergib mir, ich bin selbst Schuld. Ich hätte sie niemals als Gefangene allein zurücklassen dürfen.

Er schaute sich um. Der kleine Zug der Gräflichen hatte allein seine Schnelligkeit als Vorteil. Oberste Priorität war es, Romina sicher nach Ragath zu geleiten. Dom Rondrigo hatte klare Befehle - und Gendahar ganz gewiss nicht die Absicht, diesen zu widersprechen. Rominas Sicherheit war wichtiger als alles Andere. Aber die Gräflichen würden für den Rest des Weges auf seine Begleitung verzichten müssen, auch wenn das eine weitere Schwächung des ohnehin schon sehr überschaubaren Trupps bedeutete.

„Das kann ich nicht zulassen“, fuhr er an Morena gewandt fort. „Die da Vanyas sind weder Eurem noch meinem Haus besonders wohlgesonnen, aber sie haben dafür gesorgt, dass wir den Raschtulswall sicher verlassen konnten. Es wäre ... Unrecht, sie einfach dem Schicksal zu überlassen, das die Vogtin für sie bereit hält.“ Er blickte sie unverwandt an. „Ich muss Euch danken, dass Ihr Eure Sorgen mit mir geteilt habt. Aber was können wir tun? Und warum werde ich das Gefühl nicht los, dass Ihr mit Eurer Rede einen bestimmten Zweck verfolgt?“

Morena lächelte schuldbewusst. „Ihr kennt mich schon zu gut, Dom Gendahar. Nun denn, allein die Sorge um die beiden da Vanyas treibt mich in der Tat nicht um. Mir schmeckt es ganz und gar nicht, dass diese feiste Vogtin nach Gutdünken handeln kann und sich einen Dreck um die Befehle meines Onkels schert, des Kaiserlichen Marschalls! Es ist bitter genug, dass ihm derzeit die Hände gebunden sind und er sich auf die Dienste eines Gefolgsmanns verlassen muss, der – im Vertrauen gesagt – mit dieser Aufgabe scheinbar überfordert ist ...“

Der Thangolforster verriet durch keine Miene, was er von der Ausführungen Morenas hielt, sondern beschied ihr durch ein Nicken, fortzufahren.

„Was wir brauchen, sind mehr Waffenleute, die den Willen des Marschalls – und des Kaisers – in Selaque durchsetzen. Wenn es gelänge, das Kommando über den Trupp Dom Azzatos zu erlangen, wären wir schon einen Schritt weiter. Wir könnten nicht nur Domna Rifada gefangen setzen – möglichst unversehrt, versteht sich – sondern auch Praiosmins Leuten den Weg abschneiden, wenn sie versuchen sollten, Domna Richeza nach Albacim zu bringen.“

Gendahar dachte nach, aber augenblicklich fiel ihm auch nichts Besseres ein. „Aber wie ihr bereits sagtet, führt dieser Azzato, ein Gefolgsmann Praiosmins, den Trupp an.“

„Ja, aber ich habe ihm den Condottiere Berengar an die Seite gestellt. Nun schaut nicht so misstrauisch – es war ein reines Täuschungsmanöver. Berengar ist ein treuer Diener des Marschalls und wird allein dessen Interessen verfolgen.“

Oder des Hauses Harmamund, dachte Gendahar, behielt dies aber für sich.

„Berengar, der alte Haudegen, wird sehr bald der eigentliche Kommandant des Trupps sein, die Leute werden auf ihn hören. Welcher Caballero vorne weg reitet, wird ihnen hingegen egal sein. Wir müssen also nur Dom Azzato aus dem Weg räumen und dafür einen leidlich glaubhaften Vorwand liefern. Ich habe auch schon eine Idee, wie dies ohne Blutvergießen gelingen kann, aber dafür brauche ich Eure Hilfe ...“

„Ich bin ganz Ohr“, sagte der Thangolforster, auch wenn ihm nich nicht ganz klar war, was er von der Sache zu halten hatte.


Im Grenzland von Selaque zu Schrotenstein

Eine Wegstunde östlich vom Castillo Briesach

3. Rondra 1033 BF, abends

Der Caballera war nicht ganz wohl, in der herauf ziehenden Dämmerung allein durch diese Wildnis zu reiten. In alle Richtungen nach lauernden Wilden Auschau haltend, ritt sie wie vom Namenlosen besessen über die verlassene Ebene. Der verabredete Treffpunkt konnte nicht mehr weit sein, wenn der verlotterte Haufen es tatsächlich an einem Tag so weit geschafft hatte. Hoffentlich hatte Berengar ihnen etwas Schneid beigebracht.

Von der nächsten Hügelkuppe aus konnte sie das kleine Lager sehen. Der Platz war nicht schlecht gewählt - am Rande eines Wäldchens, in das man sich bei einem Angriff zurück ziehen konnte. Sie hatte befürchtet, länger suchen zu müssen, aber die Beschreibung Dom Azzatos war ziemlich genau gewesen. Abermals trieb sie ihr Pferd an und brachte den Rest des Weges im gestreckten Galopp hinter sich. Als sie sich der Gruppe näherte, löste sich die Gestalt des Caballeros von San Owilmar aus der Gruppe und schritt ihr entgegen.

Caballero, pah! Eine Schande war es, dass ein solcher Bauer den gleichen Titel führen durfte wie sie selbst, die sie einem mächtigen Fürsten- und Grafenhaus entstammte.

"Heda, Domna Morena, seid willkommen! Ich freue mich, dass Ihr Wort gehalten habt und wieder zu uns stoßt!"

Die Angesprochene stieß ihrem Pferd letztmalig die Sporen in die Seite, so dass es einen großen Satz machte, und riss erst im allerletzten Moment die Zügel herum. Dom Azzato wurde in eine dunkle Wolke aus Staub und Dreck eingehüllt. Soviel für die vertrauliche Anrede und für die Frechheit, Ihr Wort in Zweifel zu ziehen.

Ihre Miene war indes nicht unfreundlich, als sie den Gruß erwiderte. "Ich habe der Vogtin doch versprochen, ihr den Kopf der da Vanya auf dem Tablett zu servieren! Selten war ich mehr gewillt, meinen Worten Taten folgen zu lassen." Sie wartete, bis der Staub sich gelegt hatte, schwang sich aus dem Sattel und betrachtete den hustenden Caballero mit wohl verborgenem Widerwillen. "Meinen Ritt beflügelte aber, dass ich heute noch im Dienst einer weiteren Herrin unterwegs bin - der liebreizenden Rahja."

Der kräfige junge Ritter trat auf sie zu und fasste sie an den Schultern. Seine Augen leuchteten erwartungsvoll. "So habt Ihr mit ihr gesprochen?"

Morena unterdrückte den Impuls, den aufdringlichen Jüngling von sich zu stoßen und links wie rechts zu ohrfeigen.

"Natürlich - hattet Ihr daran etwa gezweifelt?"

"Nein, nein!", stieß er aufgeregt hervor. "So sagt schon, welche Botschaft hat sie Euch für mich aufgetragen?"

Kriech' ich den Stall zurück, in dem du geboren wurdest, und stirb eines langsamen, qualvollen Todes, hätte sie am liebsten geantwortet. Stattdessen setzte sie ein ermutigendes Lächeln auf und sagte: "Sie erwidert Eure Gefühle, das versicherte sie mir höchstpersönlich. Von dem ersten Augenblick an, in dem sie Euch sah, habt Ihr ihr Herz im Sturm erobert!"

"Wirklich?", fragte Dom Azzato ungläubig. "Sie schien so unnahbar, so unantastbar! Eine echte Dame, und dazu die Tochter des Grafen!" Er schlug sich vor Freude auf den Schenkel und lachte wie ein Schwachsinniger.

"Dies gab sie mir als Beweis ihrer Gunst." Die Caballera von Harmamund zog eine blonde Haarsträhne unter ihrem Umhang hervor und reichte sie ihrem Gegenüber.

Azzato betrachtete das Haar zweifelnd. "Es sieht so fahl aus - gar nicht so gülden, wie ich es in Erinnerung habe."

"Ihr Narr", lachte Morena. "Ihr wisst scheinbar gar nichts über eine Domna Romina. Natürlich stammt das Haar aus den unteren Schichten in ihrem Nacken. Sie wollte sich doch nicht verunstalten und bei ihren Begleitern Verdacht erregen..."

"Ihr habt ja so recht - ich bin ein Narr! Ich hatte das Gefühl, sie würdigte mich keines Blickes!"

"Alles Maskerade", winkte Morena ab. "Vor ihrem Onkel und den Leuten Ihres eifersüchtigen Vaters konnte sie natürlich nicht offen zeigen, was sie für Euch empfindet. Außerdem war da ja noch dieser Dom Servando Cronbiegler."

Azzato spuckte aus. "Diese aufgeblasene Turnierritter! Was ist mit ihm? Sagt bloß nicht, sie hatte ihr Herz an diesen speichelleckenden Höfling verschenkt?"

"Wo denkt Ihr hin? Natürlich nicht. Die Lage ist viel schlimmer. Jetzt, wo der Kaiser die Heidenmetzte heiratet, befürchtet sie, mit dem Nächstbesten vermählt zu werden, den ihr Vater als eine gute Partie ansieht."

"Dann kommt ein Cronbiegler ja wohl kaum in Frage", ätzte der Caballero von San Owilmar.

"Leider doch. Der Name Cronbiegler sagt Euch natürlich nichts, da Ihr aus einem altehrwürdigem Magnatenhause stammt. Ragather Patriziat, also ein erbärmlicher Bürgersohn, aber dafür steinreich", fabulierte Morena ins Blaue hinein. In Wahrheit hatte sie nie einen Gedanken daran verschwendet, wer oder was die Cronbieglers waren. "Eure Geliebte hat ernsthafte Sorge, dass sie nur noch wenige Tage in Freiheit zu verbringen hat - und ebenso wenige Nächte." Sie schaute dem Caballero tief in die Augen und setzte ihr schamlosestes Lächeln auf. "Sie wünscht sich nichts mehr, als diese Freiheit zu genießen, solange sie noch kann und nicht in der Ragather Grafenburg weggesperrt ist."

Dom Azzato grinste wie von Sinnen. "Ihr Wunsch soll mir süßer Befehl sein!"

"Doch Ihr müsst noch heute Nacht zu ihr eilen! Schon morgen in aller Frühe wird sie fort sein - und vielleicht für den Rest ihres Lebens unerreichbar! Und wer weiß: Wenn Euch die Ewigjunge hold ist und Ihr Manns genug seid, dann schafft Ihr noch heute Nacht Fakten, an denen auch der Herr Graf nicht vorbei kann..." Sie vollführte mit beiden Händen eine Halbkreisbewegung vor ihrem Bauch.

"Ja, bei Rahja und Tsa, dann ist sie die Meine!", rief Azzato erregt, wurde aber schlagartig wieder ernst. "Aber noch heute Nacht? Was ist dann mit dem Auftrag der Vogtin? Sie hat klare Order gegeben, die Junkerin vom Vanyadal dingfest zu machen oder zur Strecke zu bringen und so schnell wie möglich nach Albacim zurück zu kommen..."

"Wollt ihr diese einmalige Gelegenheit verstreichen lassen?" Morena schüttelte den Kopf. "Es sind nur wenige Stunden bis zum Weiler Carano, wo die Gräflichen lagern. Ein Katzensprung für einen ortskundigen und wagemutigen Reiter, wie Ihr es seid. Morgen früh seid Ihr allemal zurück, dann können wie die Ruine von Briesach in der ersten Morgenstunde stürmen." Sie legte dem noch immer unentschlossen dreinblickenden Caballero eine Hand auf den muskulösen Arm. "Was ist schon eine schlaflose Nacht, wenn man dafür das Herz der schönsten Domna der Grafschaft erobert?"

Der junge Mann richtete sich auf. "Ihr habt recht. Morgen früh sehen wir uns wieder! Wo kann ich sie treffen?"

"An den drei Linden am rahjawärtigen Ortsende Caranos - rahjawärtig, wie passend, meint Ihr nicht?"

"Oh ja", entfuhr es Azzato. "Das ist überaus passend, denn heute Nacht, meine liebe Domna Morena, werde ich der Schönen Göttin huldigen!"


Chronik:1033
Der Ferkina-Feldzug
Teil 24