Chronik.Ereignis1033 Streit ums Taubental 29

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Liebe macht blind

Wie Bruder Zafir von Liebe erfüllt wurde. Wie er sehnsüchtig die Taubentaler Tänzer betrachtete. Wie er sich um alle Gäste des Tempels kümmerte. Wie Dom León nicht mehr dazu kam die charakterlichen Vorzüge der Shadifrösser zu beschreiben.


Baronie Taubental, 3. Travia 1033 BF

Im Rosentempel zu Santa Catalina (nach Einbruch der Dunkelheit)

Autor: vivar

Bruder Zafir war ganz von Liebe erfüllt. Von Zeit zu Zeit durchliefen ihn jene wohligen Wellen innerer Wärme, die seine tiefe Zuneigung zu allem Schönen und Guten gebar. Er stand mit den nackten Füßen auf dem Marmorboden und ließ die strahlend blauen Augen liebevoll durch den Rosentempel wandern.

Selbst zu den schönen Dingen fühlte er sich hingezogen! Da waren die zwölf abwechselnd in weißem Selaquestein und rosafarbenem Eternenmarmor gehauenen Säulen. Meisterlich gedrechselt und mit eingemeißelten Weinblättern verziert, schraubten sie sich wie schlanke Rebstöcke sechs Schritt in die Höhe. Auf ihnen wölbten sich die sanft geschwungenen Spitzbögen, deren Schlusssteine blühenden Rosen glichen, und die den gen Alveran strebenden Aufbau trugen.

Tagsüber schien die Praiosscheibe durch dessen hohen Spitzbogenfenster und leuchtete den Tempel von innen aus. Als die Praiosscheibe sich aber jenseits der Berge zur Ruhe gelegt hatte, hatten Zafir und seine Brüder und Schwestern Öllaternen entzündet und an den Säulen befestigt. Deren Wildrosenduft hatte sich einer betörenden Wolke gleich über die Feiernden gelegt und ihre farbigen Glasfensterchen tauchten den Tempel in ein geheimnisvolles Meer aus Rot, Blau, Gelb, Orange und Weiß.

Dass sich in der Dunkelheit über dem Aufbau noch die zwiebelförmige Kupferkuppel des Rosentempels wölbte, konnte Bruder Zafir nur erahnen, denn das Licht der Laternen füllte lediglich die Tanzfläche im Zentrum vollständig aus. Bereits die Liegen der Gäste lagen im Halbschatten. Duftkerzen auf den Beistelltischchen sorgten jedoch dafür, dass Speisen, Getränke und Gesichter der unmittelbaren Nachbarn klar erkennbar waren.

Während er mit allen Sinnen die Eindrücke aufnahm, fühlte er, dass heute einer jener Abende sein konnte, nach denen sich sein ganzes Herz, sein ganzer Geist und sein ganzer Leib sehnten, und die er doch nur selten erleben durfte. Er würde den 'Atemhauch Rahjas auf seiner Haut spüren', wie Hochwürden Bonaventura es nannte. Der Gedanke an die Präsenz des Göttlichen durchlief ihn wie eine neuerliche Welle und trieb das Blut in seine Wangen.

Liebevoll blickte der Mönch auf Bonaventura XXII. Colombi, der ihm Herr, väterlicher Freund und Liebhaber zugleich war. Bonaventura war jenseits der sechzig, und dennoch bewegte er auf der kreisrunden Tanzfläche so gekonnt wie kaum ein zweiter. Mit angeborener Leichtigkeit den treibenden Takt der Musik wahrend, vollführte der Abt schwungvolle Kreisschritte, kleine Stampfer, kaum merkliche sprünge, bewegte kraftvoll Arme und Haupt. Dabei kam er den anderen Tänzern und Tänzerinnen mit Leib und Händen so nahe, dass es schien, sie würden sich berühren.

Bruder Zafir wusste, dass sie sich nie berührten. Nicht in dieser Anfangsphase des Tanzes, "ex positio" genannt, in der die Musik ruhig schreitend war und die Tänzer den Abstand wahrten um sich mit ihrem Können der Göttin, den Mittänzern und den Zuschauern vorzustellen. Die Musiker - Bruder Farimiro an der Kabasflöte, Schwester Isandra an der Vihuela, Bruder Rahjimundo an der Viola da Gamba und Schwester Rahjineza an der Dabla - saßen am Rand der Tanzfläche und begleiteten die Tänzer.

Obwohl sie alle in das gleiche rote Tuch gewandet waren, bewegten die Tanzenden sich höchst unterschiedlich. Bonaventura tanzte würdevoll und mit all der Selbstsicherheit eines langjährigen Tanzmeisters. Die blonde Elea Colombi bewegte ihren schlanken Leib schlangengleich. Sie war die Großnichte des Abtes, wenn auch nicht die leibliche. Vor zweiundzwanzig Götterläufen war sie als Neugeborenes vor der Schwelle der Villa Colombi aufgefunden worden und von Ahumeda Colombi an Tochters statt angenommen worden - wie Zafir gehört hatte, eine nicht ungewöhnliche Praxis in der rahjasfrommen Familia Colombi. Seit vergangenem Götterlauf war sie nun Hofkaplanin des Barons und nahm diesem die Beichte ab.

Liebevoll folgten Bruder Zafirs Augen den Bewegungen Schwester Palomas, der - das war neidlos anzuerkennen - derzeit wohl besten Tänzerin vor der Herrin, welche das Kloster beherbergte. Ihre kreisenden Hüften ließen sein Herz höher schlagen, fasziniert untersuchten seine Augen das Muskelspiel ihrer nackten Arme und Beine und seine Hände zuckten, als wollten sie eine ihrer wirbelnden schwarzen Locken erhaschen. Nicht umsonst war Schwester Paloma vom Klosterkapitel zur Zeremoniarin erwählt worden, die gemeinsam mit dem Abt die Tänze anleitete. Mit den Muschelpaaren, die sie um ihre Finger gewunden hatte, mit den Armen nach oben riss und immer wieder klappernd gegeneinander schnellen ließ, dirigierte fast unmerklich die Musiker und die anderen Tanzenden, wohl zwanzig an der Zahl.

Kurioser mutete Hochwürden Rahjico von Brandelonde an. Der Abt des einzigen anderen Catalinenserklosters in der Waldwacht war beinahe so rund wie die Fässer von Wein und Federweißem, die er am Nachmittag gemeinsam mit den Vertretern seiner Abtei herbeigeschafft hatte. Seine Nase war so rot wie sein Talar und sein Haarkranz, obschon ohne grau, lichtete sich bereits. Doch selbst er, der eher ein Jünger des Rebensafts als des Tanzes war, bewegte sich mit einer gewissen kugeligen Eleganz, die Bruder Zafir überraschte und für die er den Dicken liebte.

Nur zu gerne wäre er selbst auf die Tanzfläche gesprungen um sich in den Reigen einzureihen. Doch seine Aufgabe war heute ein anderes. Durch die Stufen und die Säulen von den Tänzern getrennt, lagerten die hochherrschaftlichen Gäste der Göttin und des Klosters. Immer zwei Menschen teilten sich einen der bequemen und breiten Diwane, von denen je zwei sich ein kleines Holztischchen teilten und so eine Gruppe bildeten. Jeder Besucher hatte beim Betreten des Rosentempels die Stiefel zurückgelassen, war rituell an Haupt, Händen und Füßen gereinigt worden, mit einem Reif aus Weinblättern bekränzt worden und dann zu dem ihm zugedachten Diwan geführt worden, wo er sich, ganz nach Belieben, setzen oder hinlegen konnte.

Die sieben Novizen des Klosters und einige Laienbrüder und -schwestern waren unter Bruder Zafirs Aufsicht für das leibliche Wohlergehen der Gäste verantwortlich. Sie trugen kalte und warme Speisen, Wein und Federweißen auf. Auch die junge Elena de las Dardas y Sangrín, die erst am heutigen Nachmittag ihr Novizengelübde abgelegt hatte, war unter ihnen. Er wollte verdammt sein, wenn heute abend jemand unzufrieden und nüchtern wieder nach Hause ginge!

Bruder Zafir strich sich die hellbraunen Locken aus dem Gesicht, griff sich eine Silberplatte mit mandelgefüllten Zuckerspeisen und begann lächelnd seinen Rundgang. Dabei konnte voll stiller Zuneigung 'seine' Gäste betrachten. Er schmunzelte über Lodovico di Dalias, den Administrador von Vivar, der sich zur Feier des Tages den Kaiser-Alrik-Schnauzer gewichst hatte, dem aber der Rebenkranz schief auf dem Haupt saß. Der Halbzahori wusste offensichtlich nicht, wo er als erstes hinschauen sollte. Deshalb sprach vor allem dem Wein zu und ließ sich nebenbei von Schwester Eulalia - einer eher rustikalen Schülerin der Schönheit aus Brilond -, die sich an seiner Seite nieder gelassen hatte, mit Datteln füttern. Dabei versuchte er immer wieder, ihre Hand zu der überdimensionierten Schamkapsel zwischen seinen Beinen zu führen. Das Lederteil war mit Stationen aus dem Leben und Sterben der Santa Catalina bemalt und recht eindeutig als Tand aus dem unerschöpflichen Fundus der Devotionalienhändler aus dem Dorf zu identifizieren. Schwester Eulalia war Catalinenserin genug um ihre Finger immer wieder auf halbem Wege kehrt machen zu lassen und Dom Lodovico noch begieriger zu machen.

Der Leib der jungen Caballera Yppolita di Dalias y las Dardas, die, wie Bruder Zafir verstanden hatte, eine entfernte Base des Lodovico war, schien der einer Kriegerin zu sein. Dennoch hatte sie ihn am heutigen Abend Mut bewiesen und ihn in ein ärmelloses Kleid aus blauem Samt gezwängt, hatte ihre Ohren mit kunstvollen, aber völlig altmodischen Ohrgehängen geschmückt und sich an Kohlstift und Lippenrot gewagt. Träge räkelte sie sich auf dem Diwan. Mit Geschichten von ihrer Aventuriade durch Mittelreich, Bornland und Thorwal versuchte sie die Aufmerksamkeit des Ritters Rodgrimm von Koschtal, eines dunkelblonden Hünen in ihrem Alter, zu erringen. Dieser saß aufrecht neben ihr, den Kelch in der Rechten, die Linke im Schoß liegend, aber er schien ihr nur halb zuzuhören. Sein hauptsächliches Augenmerk lag auf Schwester Paloma, deren Hüftbewegungen immer lockender wurden.

Als Domna Yppolita bemerkte, dass ihre Versuche nichts fruchteten, wandte sie sich Bruder Zafir zu. "Ssafir, mein Go-goldlöckchen!", kicherte sie und stopfte sich ein weiteres Mandelplätzchen in den Mund. "Wollt Ihr Euff niff ein biffen fu mir fetfen?"

Er lächelte und ließ sich für einen Moment neben ihr nieder, wickelte eine ihrer Haarsträhnen um seinen Finger und flüsterte ihr ein Kompliment über ihr Kleid zu. Dann drückte er ihr einen Kuss auf ihre von einer breiten Narbe verunzierte rechte Pranke, löste sich wieder von ihr und trug die Platte weiter zum Tisch von Domna Yppolitas Muhme, der Caballera Fiona de las Dardas. Die 40-Jährige mit ihren rabenschwarzen, wallenden Locken, in denen schwanengleich ihr Hals schwamm, war eine wahrhaft rahjagefällige Frau und dem Hospitar als langjähriger Gast höchst sympathisch. Sie lag vor ihrem Gemahl Ludovigo de Sangrín, einem Bär von einem Mann, auf dem Diwan und betrachtete aufmerksam den Tanz.

Dem Ehepaar gegenüber saß, die Arme auf die Lehnen gestützt, Nazir von Viryamun und Flogglond, der Fürstenspross, Falkner und Poet aus dem nahen Falkenhain. Der Mittvierziger war ein guter Freund der Catalinenser von Brandelonde und auch gemeinsam mit diesen angereist. Im Augenblick beglückwünschte er gerade Domna Fiona zur Wahl ihrer Garderobe. Er selbst trug ein schönes Wams von karmesinroter Farbe, in das Dutzende goldener Reben eingestickt waren.

Seine Schwester hingegen, die alte Caballera Inarés von Viryamun und Flogglond, hatte auch sieben Götterläufe nach dem Tod ihres Gatten, des vormaligen Junkers von Vivar, die schwarze Trauerfarbe nicht abgelegt. Vermutlich hatte sich zierliche Domna mit dem langen, offen getragenen Silberhaar und der ledrigen Haut einfach daran gewöhnt, dachte Bruder Zafir. Obwohl sie die Caballera von Las Dardas und auch deren verstorbene Eltern gut kannte, ja, nach seinen Erkundigungen gar gut mit ihnen befreundet war, schenkte sie ihren Tischnachbarn keine Aufmerksamkeit und blickte stattdessen immer wieder mit verkniffenem Mund zu Dom Lodovico hinüber. Offenbar war sie ihm nicht hold. Bruder Zafir gab einem seiner Brüder einen stillen Wink und dieser schwebte mit herzlichem Lächeln auf die alte Flogglonderin zu. Der Zeremoniar nickte zufrieden. Missgunst und schlechte Stimmung zwischen seinen Gästen konnte er nicht brauchen.

Er strich mit den Fingern sanft über Domna Fionas Schulter, worauf sie mit einem abwesenden Lächeln antwortete und begab sich tiefer in den Halbschatten hinein. Dort waren um einen Tisch die Administradores von Taubental, Orondo und Altos, versammelt. Die von Kellfall und Villanúa würden wohl erst im Laufe der Feiertage anreisen. Sie waren alle nicht von Stand, doch die Höflichkeit und die Klugheit gebot es, alle Vasallen des Barons im Taubental einzuladen - bis auf den Caballero von Drachental, der, wie Bruder Zafir bei einem Blick in die Listen vergangener Jahre festgestellt hatte, wohl noch nie eingeladen worden war. Und Bruder Zafir hätte bei aller rahjagefälligen Gastgeberkunst auch nicht gewusst, wie man einen leibhaftigen Drachen behandelte. Er hoffte inständig, dass das Untier nichts von seiner jahrelangen Ausladung wusste.

"Bruder Zafir, Euer Gnaden!", riss ihn Esclarmunda Silvani, die derbe Administradora von Altos, aus den Gedanken. "Die Maestra Lampérez hier erzählte uns gerade vom Ende des guten Dom Falk. Welch traurige Nachricht!"

Der Catalinenser schenkte der Hofmagierin einen fragenden Blick, den diese mit ihren Rehaugen auffing. Durch die tsafarben schillernde Schminke - gewiss Zauberwerk - wirkten Lariana Lampérez noch groß und sehnsuchtsvoll. Unter diesem grobschlächtigen Volk wirkte die blasse Frau von 40 Jahren mit den schmalen Hüften und der knabenhaften Brust wie ein Kind unter Erwachsenen, das sich nach seinen Spielkameraden sehnte. Sie strich sich unschuldig die wie mit lauterem Gold bestäubte Robe glatt und zog die nackten Schultern hoch: "Ich fand, das sei ein interessanteres Gesprächsthema als das Gerede von Äpfeln und Holzschlag und Ziegenzucht."

"Darf ich Euch die geschätzte Maestra für einen Moment entführen?", ergriff er sanft aber bestimmt die kleinen Finger derselben und zog sie mit sich in eine dunkle Ecke. Die Vögte blickten ihnen überrascht nach und begannen dann eifrig zu flüstern.

"Maestra Lariana", raunte nun seinerseits Bruder Zafir, indem er seinen Arm um ihre zarte Schulter legte, "auch ich vermisse den edlen Falk Fröhling, der seinem Namen alle Ehre machte, schmerzlich. Aber wir waren doch übereins gekommen, dass nach dem Willen Seiner Hochwürden und Seiner Hochgeboren am heutigen Abend über die Angelegenheit zu schweigen, um die Feierstimmung nicht zu vermiesen. Habt Ihr das vergessen, meine Liebe?"

Die zierliche Magierin senkte schüchtern die Augen. "Nein, Bruder Zafir... ich wollte es auch gar nicht verraten. Aber Dom Falk will es so."

"Er wollte es so, meint Ihr", korrigierte der Catalinenser sie nachsichtig.

"Nein, er will, dass alle im Taubental davon erfahren, wie er starb." Sie senkte die Stimme zu einem kaum hörbaren Flüstern und stellte sich auf die Zehenspitzen, um sein Ohr zu erreichen: "Erst vor einer Stunde habe ich mit ihm Zwiesprache gehalten. Er warnte mich vor Dreschflegeln aus Gold, die alle Lilien niederzumähen drohen. Ach, der alte Mann ist ein Goldschatz!" Sie lächelte selig.

Bruder Zafir starrte sie einen Moment mit offenem Mund an. Dann klappte er ihn wieder zu, führte Maestra Lariana zu dem nächstbesten Novizen und bat ihn, sie mit genügend Wein zu versorgen und vor allem keinen Moment aus den Augen zu lassen.

Die Zauberin sprach mit den Geistern der Verstorbenen! Kopfschüttelnd ging er weiter zur Sitzgruppe der Aranier. Die Aranier, das waren Domna Aisha von Franfeld, der Rosenritter Shafirio ay Ankrabad sowie die Fernhändlerinnen Melisandra Chaziani und Yashima saba Dhachmani. Domna Aisha, eine charmante und sehr diskrete Dame in den frühen Vierzigern elburischer Abkunft, die ein [[Königlich Franfeld|Königliches Eigengut in der fernen Grafschaft Ragath verwaltete, hatte sich bei ihrem verschleierten Nachbarn untergehakt, plapperte auf Tulamidya und gestikulierte lebhaft.

An Dom Shafirio ay Ankrabad war das Auffälligste der silberdurchwirkte Gesichtsschleier, der nur die schwarzen Augen freiließ. Sein Haar verbarg er unter einem kunstvoll gewickelten roten Turban, an dem ein fein geschliffener Rosenquarz prangte. Sein Gewand war eine weiße, mit aberhunderten roten Rosen bestickte Robe. Dazu trug er eine rote Schärpe. Kostbare Ringe zierten seine gepflegten Finger. Auch wenn der Fremde, der sich vor einigen Jahren in jenem Taubentaler Haus, das nun der Aranische Hof genannt wurde, einquartiert hatte, ein regelmäßiger Tempelgänger war, war er für Bruder Zafir immer noch ein Mysterium. Er war stets verschleiert, sprach kaum und schien eher in stiller Andacht als bei fröhlichen Feiern seinen Weg zu Rahja zu beschreiten. Auch jetzt lauschte er dem munteren Gespräch der drei anderen, ohne sich selbst einzumischen.

Melisandra Chaziani war mehr als eine reiche Handelsherrin vor allem eine junge Frau von atemberaubender Schönheit, vielleicht schöner als jede andere, die an diesem Abend im Tempelrund weilte. Bruder Zafir hatte sie bereits - wie viele andere - beim Betreten des Tempels bewundert. Sogar der Baron hatte bereits enige Male zu ihr herüber geblickt. Nun ertappte sich der Catalinenser dabei, wie er unwillkürlich stehen blieb und mit den Augen die Kurven der Aranierin nachfuhr, die sich unter dem beinahe bis zur Hüfte geschlitzten, nachtblauen Abendkleid nur allzu deutlich abzeichneten. Ihr Antlitz mit den hohen Wangenknochen, den vollen Lippen und den braunen Augen, die wie auf Öl schwammen, ließ selbst in ihm, der sich eher zu Männern hingezogen fühlte, Begehren aufsteigen. Domna Melisandra schien ihn gar nicht zu bemerken und fuhr sich mit den schlanken, beringten Fingern durch das kastanienfarbene Haar, während sie mit Domna Aisha sprach.

Doch die rundliche und stark geschminkte Yashima saba Dhachmani, die streng genommen gar keine Aranierin, sondern eine Khunchomerin war, wies ihre Sitznachbarin mit einigen tulamidischen Worten und einem Fingerzeig auf seine Anwesenheit hin.

"Oh, ich habe Euch gar nicht bemerkt, Bruder... äh... Zafir, nicht?" Ein scheinbar überraschtes, zahnweißes Lächeln.

"Von einer Rosenmagnatin wie Euch bemerkt zu werden, darf ein einfacher Lilienknecht wie ich nicht zu hoffen wagen", verneigte sich der Catalinenser vor dem Diwan.

Perlendes Lachen stieg in der aranischen Schönen auf. "Das ist Waldwachter Bescheidenheit, nehme ich an. Gefällt Euch der Anblick?" Sie neigte kokett den Kopf zur Seite.

Bruder Zafir lächelte. "Wenn die Schönheit Rahja heilig ist, wie könnte es mir da missfallen, Schönes beim Sein zu beobachten?"

"Ihr seid geübt, wie ich sehe. Beobachtet Ihr mich schon lange?"

"Lange genug...", sprach er und fügte hastig hinzu, "...um zu wissen, dass Euch nach einem Mandelplätzchen verlangt." Er reichte ihr das Tablett.

Sie griff mit zwei Fingern nach einem Zuckergebäck. "Sehr aufmerksam, mein Freund. Ihr Catalinenser veranstaltet wahrlich eine reizende Feier."

"Ich danke der Göttlichen Gastgeberin, dass Ihr Euch wohlfühlt. Wenn es Euch an irgendetwas mangeln sollte, so zögert nicht nach mir persönlich zu schicken. Edle Domnas, Euer Excellencia."

Als er weiter wanderte, atmete er tief durch und befühlte verstohlen seine geröteten Wangen. 'Wie ein Novize!', scholt er sich. Am nächsten Tischchen herrschte Schweigen. Die kupferhaarige Maid Lessina saß dort mit Corvara und Salvestro de Beiras y Bejar und beobachtete wie gebannt die immer lebhafter werdenden Tänzer. Sie war nicht von Stand, aber als Schülerin Domna Melisandras konnte und wollte Bruder Zafir sie nicht von der Feier ausschließen. Außerdem hatte sie sich scheinbar mit den schlaksigen Beiraszwillingen Freundschaft geschlossen. Diese hoben sich mit ihrer milchig weißen Haut, den kühlen goldgrünen Augen und der dunklen, hochgeschlossenen Gewandung von den übrigen Feiernden ab wie Krähen von einem Schwarm Avesvögel. Die Rebenkronen wirkten, als hätten sie sich auf dem rabenschwarzen Haupthaar verirrt. Selbst sie schien jedoch die Wärme des Tanzes zu erfassen. Ihre Wangen zierte ein leichtes Rosa.

Auch die blonde Edle zu Ribera, für ihre wohl 40 Götterläufe immer noch gut aussehend, verfolgte beeindruckt den Tanz. Gesellschaft leistete ihr dabei ihre Tochter Lianna, eine stille und schweigsame Maid von kaum 18 Jahren, die scharf zu beobachten wusste. Unweigerlich entging ihr auch nicht die sich nähernde Gestalt Bruder Zafirs, den sie mit einem schüchternen Lächeln bedachte, bevor sie den Blick wieder auf die sich wiegenden Tänzern richtete.

Die hübsche Domnatella Alisea wiederum, die im Gegensatz zu ihrer jüngeren Schwester die blonde Haarpracht der Mutter geerbet hatte, interessierte sich weniger für die sich im Rhythmus der Dabla bewegenden Körper. Wie ihre Schwester trug sie ein leichtes Kleid im Ton eines vollmundigen Rosé mit silbernen Stickereien, welches an die liebfeldische Moda alla Aureliana angelehnt war. Trotz des einladenden Anblicks war es ihr aber bisher nicht gelungen den Blick Dom Leóns auf sich zu lenken. Bruder Zafir beobachtete stumm, wie sie immer wieder aufs Neue ein Lächeln aufsetzte, sich leicht aufrichtete, mit den Fingern durch ihr sorgfältig frisiertes Haar fuhr und dabei zum Diwan des Taubentaler Barons hinüberblickte.

In diesem Augenblick fiel dem Hospitiar ein diskreter Fingerzeig von Schwester Rohalija am Tempeleingang auf. Er löste sich von Domnatella Aliseas Anblick und trat leichten Schrittes zu der schwarzhaarigen Akoluthin. Sie wies mit der Hand auf einen vieleicht zwanzig Lenze zählenden Jüngling mit kurzem, dunkelblondem Haar, der neben ihr am Eingang stand und die Feierlichkeiten aus kühlen, meergrauen Augen betrachtete: "Der junge Herr teilte mir mit, dass er ein kleines Päckchen für Domna Alisea von Lindholz bei sich trüge, Bruder Zafir, und bittet darum, dass es ihr überstellt wird."

"Danke, Rohalija, ich nehme mich der Angelegenheit an. Und vermeide doch beim nächsten Mal, mit dem Finger auf die Leute zu zeigen, ja?"

Der Jüngling hatte den Hospitiar inzwischen bemerkt und blickte ihm entgegen. Obwohl er nach eigener Aussage nur einen Kurierdienst ausführte, hatte auch er beim Betreten des heiligen Rosengartens die rituelle Waschung vollziehen müssen. Nun stand er barfüßig und rebenbekränzt auf der Tempelschwelle. In dem weiten, weißen Leinenhemd und der Hose aus rotem Wildleder bot einen durchaus gefälligen Anblick. Er bot einen durchaus gefälligen Anblick. Mit Interesse stellte Bruder Zafir fest, dass sein Gegenüber kaum die Statur aufwies, die auf schwere körperliche Arbeit schließen ließ. Wenn auch nicht schmächtig, so haftete dem Leib des Jünglings doch noch etwas geradezu knabenhaftes an. Ob es sich wohl um einen Leibdiener aus der albernischen Heimat der Domna Siona handelte?

"Die Liebholde mit Euch. Ich bin Bruder Zafir und mit der Ausrichtung dieser sakralen Feierlichkeiten betraut. Mir wurde ausgerichtet, dass Ihr etwas bei Euch tragt, welches der Tochter der Edlen zu Ribera, übergeben werden soll?", begrüßte der Hospitiar den Boten.

Dieser neigte das Haupt ehrerbietig zum Gruß, bevor er erwiderte: "Rahja auch mit Euch, Bruder Zafir. Ihr seid richtig informiert worden. Ihr würdet mir einen großen Gefallen erweisen, wenn Ihr dieses Schmuckstück der edlen Dame überreichen könntet." Der Jüngling reichte ihm einen kleinen roten Samtbeutel und gestattete dem Hospitiar, die dunkelrote Schleife zu lösen, die es geschlossen hielt, nachdem Zafir Contador in Hinblick auf die Sicherheit seiner Gäste darum bat. Im Inneren befand sich eine silberne Brosche in Form einer Weintraube. Die einzelnen Früchte waren aus kleinen, ovalen Rosenquarzstücken gearbeitet.

Während Bruder Zafir die schöne Arbeit berachtete, fuhr der dunkelblonde Jüngling fort: "Die Arbeit wurde ausdrücklich zu diesem Anlass gefertigt. Ich hoffe daher, ihr verzeiht mein Eindringen."

"Welch schönes Kleinod! Ich werde es der Domnatella Alisea überreichen. Es wird sie sicherlich vortrefflich zieren", antwortete Bruder Zafir und blickte seinem Gegenüber freundlich in die graublauen Augen. Mit einem innerlichen Seufzen musste er jedoch feststellen, dass dessen Blick weiterhin distanziert, ja geradezu abweisend blieb. Liebevoll blickte er dem blonden Mann für einen Moment hinterher als dieser sich nach einem höflichen Dank und einem weiteren Neigen des Hauptes verabschiedet hatte.

Kurze Zeit später übergab er das Schmuckstück der jungen Domna. Mit einem freudigen Glänzen in den Augen, nahm sie die Rebenbrosche entgegen und steckte sie sich an das Kleid: "Ich danke Euch sehr."

"Ein wirkliche schönes Werk der Silberschmiedekunst, wenn ich das anmerken darf, Euer Wohlgeboren", äußerte der Hospitiar.

"Oh, wie Recht Ihr habt." Die Domnatella schenkte ihm ein kurzes Lachen, welches sich jedoch ein wenig trübte, als ihr Blick auf den schönen Baron fiel und ihre folgenden Worte schienen mehr an sich selbst als ihren Gesprächspartner gerichtet. "Auch wenn ich befürchte, dass sein Zauber in dieser Nacht verschwendet sein wird." Als sie den fragenden Blick des Dieners der Leidenschafts bemerkte, lächelte sie geheimnisvoll, umschloss die Hände des Catalinensers kurz. "Seid nochmals bedankt." Dann heftete sie ihren Blick wieder begehrlich auf den Schönen Baron.

Dieser aber schien am Nebentischchen zu sehr damit beschäftigt zu sein seinen eigenen Sitznachbarn etwas zu erzählen, als dass er ihr einen Blick hätte schenken können. Daher unternahm Domnatella Alisea zu Bruder Zafirs freudiger Überraschung den Versuch den schneidigen Leutnant Ardan von Kündoch in ein Gespräch zu verwickeln. Der Tobrier, der seinen grüngoldenen Paraderock ausführte, wirkte jedoch aufgrund seiner steifen Körperhaltung neben der koketten Junkerstochter mindestens ebenso deplaziert wie die Beiraszwillinge. Er aß kontrolliert. Er nippte lediglich an seinem Wein. Den Rebenkranz trug er mit einem würdevollen Missmut, der Bruder Zafir ob seiner unfreiwilligen Komik fast auflachen ließ. Seine Antworten auf die Schäkereien der jungen Lindholzerin fielen flüchtig und ausweichend aus. Von Zeit zu Zeit drehte er sich zu seiner Dienstherrin um. Bruder Zafir konstatierte, dass er wohl um sie ebenso besorgt war wie um sich selbst. 'Auch dich wird früher oder später der Atemhauch Rahjas streifen, mein lieber Leutnant!'

Seine Herrin dagegen war, wie Bruder Zafir liebevoll befand, seit gestern erblüht wie eine Rose. Für die Comtessa und den Schönen Baron, die beiden hochrangigsten Gäste, war ein Diwan in nächster Nähe der Tanzfläche reserviert worden. Auf dem Diwan gegenüber hatte der Vetter Dom Leóns, Baron Franco de Beiras y Vivar von Bangour, samt seiner Gemahlin Yedra de Bejar, Platz genommen. Dom Franco, ein Mann von etwa vierzig Götterläufen war von einer edlen Blässe, ebenso schlank und hochgewachsen wie seine Kinder, und zeichnete sich durch eine schmale, etwas zu lange Höckernase aus. Er war angetan mit einem Wams und Beinkleidern aus feinstem dunkelrotem Brokat - wohl das hellste, was er in seiner Truhe gefunden hatte. Die Rebenkrone trug er, der das Vertrauen des Kaiser höchstselbst genoss, wie ein kleiner Fürst. Seine Bewegungen waren maßvoll und zurückhaltend, und er trank in kleinen Schlücken aus seinem Pokal. Wenn er grinste, machte er auf Bruder Zafir den Eindruck eines Wolfes, der die Zähne fletschte. Neben ihm wirkte seine Gemahlin, die sich bequem an ihn gelehnt hatte, eher klein und unscheinbar. Hinter dem Diwan stand Rahjanetta, eine Novizin, deren einzige Aufgabe es war mit einer Kristallkaraffe Dom Franco und Domna Yedra nachzuschenken.

Ihnen gegenüber, auf der anderen Seite des reichlich gedeckten Tischchens, saß der Herr des Taubentals, an dessen Rahjagefälligkeit sich Bruder Zafir immer wieder laben konnte, mit überkreuzten Beinen und redete von den Vorzügen der Shadifpferde. Dom León war mit einer blauen Seidentunika angetan, die mit Silberstickereien in Form von sich kreuzenden und trennenden Rebenranken verziert war und seine starken Arme frei ließ. Das edle Antlitz wirkte gelöst und heiter. Während er erzählte, blitzten seine schwarzen Augen lebendig. Seine Hände fuhren durch die Luft und zeichneten nach, was er sagte. Er blickte seinem Vetter ins Gesicht, lachte hell auf, zwinkerte gut gelaunt der Comtessa zu, trank einen Schluck aus seinem Pokal, rückte sich die Rebenkrone zurecht und erzählte weiter.

Die Comtessa schließlich sah nur bezaubernd aus. Bruder Zafir hatte erst nicht glauben wollen, dass die elegante Schönheit in dem grünen schulterfreien Seidenkleid, mit blutroten Lippen und weißen Lilien im hochgesteckten Honighaar, die selbe junge Frau war, die am gestrigen Tage verschwitzt und im Reiterharnisch auf dem Dorfplatz des Taubentals angekommen war. 'Rahja tut große Wunder und Rahjanetta kleine', dachte er bei sich. Auch Domna Romina schien großen Gefallen an der Feier zu finden. Ihre Wangen glühten - ob vom Wein oder aus anderen Gründen, wusste der Catalinenser nicht zu sagen -; sie folgte den Erzählungen Dom Leóns lebhaft, blickte ihn, auf die Armlehne des Diwans gestützt, bisweilen verstohlen von der Seite an, verlor sich aber auch immer wieder im Anblick der Tanzenden, die nur wenige Schritt an ihr vorbeiwirbelten. Als Bruder Zafir sie und ihren Beschützer am Eingang des Tempels in Empfang genommen hatte, war sie ihm zunächst zerstreut, ja beinahe etwas wehmütig erschienen. Doch als die Musik begonnen hatte, die Tänzer kamen nach und nach auf die freie Fläche kamen und sich im Takt wiegten, hatte er zusehen können, wie all ihre weltlichen Sorgen, alles, was außerhalb des Rosentempels geschah, verflogen war. Von ihrer Knappin Zaida ließ sie sich Wein nachschenken.

Diese stand gemeinsam mit Leonora Karinor vom Berg, Dom Leóns Knappin, hinter dem Diwan. Die beiden gaben ein besonders liebliches Bild ab. Die eine rabenschwarz, die andere golden gelockt; die eine mit 15 bereits ein junges Mädchen, die andere mit 12 noch ein Kind. Beide trugen Wappenröcke, die ihnen etwas zu groß waren; die eine einen grünen mit mit drei goldenen Löwenhäuptern, die andere einen blauen mit drei silbernen Lilien. Beide hielten Kristallkaraffen in den Händen, aus denen sie ihren Herren bei Bedarf nachschenkten (Dom Leóns Karaffe war bereits leerer). Beide waren so konzentriert auf ihre ehrenvolle Aufgabe, dass sie zusammenzuckten, als Bruder Zafir hinter sie trat und ihnen aufmunternd auf die schmalen Schultern klopfte.

"Gut macht ihr das, Kinder. Was würden wir nur ohne euch machen?", lächelte der Hospitiar freundlich.

Zaida grinste verstohlen zurück, aber Leonora nickte nur, während sie mit den Augen weiter geradeaus starrte. Vielleicht war es Zeit, das Mädchen ins Bett zu schicken? Während er darüber nachdachte, hörte Bruder Zafir, wie sich die Comtessa den Schönen Baron in seinen Ausführungen unterbrach. Offensichtlich war sie von den Rössern der Heiden nicht so begeistert wie ihr Sitznachbar.

"Zugegeben, ein Shadif ist recht schön und meist schnell, doch auch launisch und etwas schwach auf der Brust und in den Beinen", sagte Domna Romina. "Und, mit Verlaub, holder Baron, viel zu klein für Eure stattliche Statur. Wollt Ihr während des Reitens mitlaufen oder mit einem Schritt aufsteigen? So gebrechlich kommt Ihr mir gar nicht vor." Sie lachte neckend und nahm einen weiteren Schluck Wein.

"Da müssten mir die Beine schon bis zur Brust reichen, Hochwohlgeboren", lachte auch der Vivar, "denn ich habe noch kein Shadifross gesehen, dass nicht mindestens siebeneinhalb Spann misst."

"Vom Haupte bis zum Schweif?", spottete Domna Romina.

"Vom Boden bis zum Widerrist, selbstverständlich. Im Stockmaß steht das Shadif einem gut gezüchteten Yaquirtaler aus dem Kaiserlichen Marstall kaum nach. Es sind aber der Charakter und die Schnelligkeit, die dieses Pferd vor allen anderen auszeichnet."

"Was die Schnelligkeit betrifft, so mag ein Wettritt am morgigen Tage Klarheit bringen, teurer Vetter", zog Dom Franco eine Braue im blassen Gesicht hoch. "Aber dass Ihr diesen Heidenpferden einen herausragenden Charakter zusprecht, erstaunt mich doch bass. Ist es nicht eher so, dass die Shadif, verstört von dem lästerlichen Geschwafel der Wickelköpfe um einen Wüstengötzen und entfremdet vom Segen der Ross- und Rosenherrin, zu Nervenzucken, Fieber und - wie unsere geschätzte Comtessa sagte - Launenhaftigkeit neigen?"

Dom León hob den Finger. "Ein vortrefflicher Einwand, mein Lieber. Aber glaubt Ihr nicht, dass -" Der Vivar unterbrach sich und legte den Kopf schräg und blinzelte, als spüre oder fühle er etwas nach. Mit Verwunderung im Blick sah er zunächst zu Dom Franco und seiner Gemahlin. Dann wandte er den Kopf langsam zu Domna Romina. "Hochwohlgeboren, Ihr..." Wieder brach er ab.

"Was ist Euch, Dom León?", fragte die Comtessa.

"Ach, nichts, meine Sinne müssen mir wohl einen Streich spielen. Mir war für einen Augenblick, als habe jemand ein trübes Glas vor meine Augen gehalten, so dass ich Euch nur als verschwommenen Schatten sah." Er schüttelte den Kopf, schloss kurz die Augen und fuhr fort: "Glaubt Ihr nicht, liebe Freunde, dass das Ross, Rahjas heiligstes Tier, klüger als sein verblendeter Herr sein kann? Wer auf einem Shadif mit dem Wind um die Wette reitet, der wird den Hauch des Göttlichen spüren, sei er fromm oder Heide. Glaubt Ihr nicht, dass Rahjas Macht auch bei den Beni Novad wirkt? Wer sich in Liebe mit der Liebsten vereinigt, ist der Göttin ein Wohlgefallen, auch wenn er Khabla nur als eine der Gemahlinnen seines falschen Gottes kennt. Glaubt Ihr nicht, dass -" Dom León unterbrach sich ein drittes Mal.

"Bona dea, schon wieder? Offensichtlich blendet mich Eure Schönheit, Hochwohlgeboren." Er lächelte sein Siegerlächeln und streckte die Rechte nach seinem Weinpokal aus, der auf dem Tischchen ruhte. "Bei... ich kann meine Finger kaum noch erkennen!" Seine Hand zitterte sichtlich, als sie den Pokal umschloss und anhob. Auf halbem Weg zum Mund jedoch schien ihn die Kraft zu verlassen und der halbvolle Kelch polterte zu Boden, seinen Inhalt über Domna Rominas Füße verspritzend.

"Aber Dom León!" Die Comtessa fuhr, mehr erstaunt als entsetzt, hoch. Ringsumher wandten die anderen Gäste den Blick ob des Geräuschs.

"Pardonniert mir meine Ungeschicktheit, Hochwohlgeboren!", brach es aus dem Schönen Baron hervor. "Aber ich - meine Augen! - ich bin blind! Ich bin blind!" Sinnlos fuchtelte er mit den Armen vor sich herum und wischte dabei ein Schälchen mit in Öl eingelegten Mandelkernen vom Tisch. Er wurde lauter: "Ich sehe nichts mehr! Es brennt! Es brennt! Ah! Feuer in meinen Augen, in meinen Adern!"

Wie von einem Skorpion gestochen, fuhr er von seinem Diwan auf. Unter seiner bronzefarbenen Haut war er kreidebleich geworden. "Feuer und Blut! F-feuer und Bluuu -!" Blind versuchte der Baron sich in der Luft festzuhalten und erhaschte Domna Romina am Arm. Dann stürzte er mit einem gurgelnden Schrei zu Füßen der Comtessa, wo er sich wie in Krämpfen wand.

"Santa Catalina steh' uns bei!", flüsterte Bruder Zafir entsetzt.


Autor: dalias

"Höhöhö, da-da-da liegt er!", lachte Lodovico di Dalias, Administrador von Vivar, laut auf. Beide Hände legte er auf seinen vor Lachen bebenden Wanst. "Da scheint einer... einer seinen eigenen Wein nicht vertragen zu können. Eulalalalia, Täubchen, wie kommt's, dass ich noch so nüchtern bin... hmm? Ich kann noch sitzen ohne mich festzuhalten. Schau... hick!" Zum Beweis dieser kühnen These hob Lodovico beide Arm hoch, was ihn doch rasch in erheblich Schieflage brachte. Um nicht so wie sein Herr auf dem Boden zu landen, besann er sich eines Besseren und klammerte sich am Diwan fest. "Und nun, Eulalalalalia, noch ein Becher,... einer geht immer... das wusste schon mein Herr Vater. Alte Familienweisheit... ja, ja."


Autorin: ehrenstein

Romina zitterte am ganzen Leib. Gift, er war vergiftet worden. Es war ihr, als würde sie schlagartig nüchtern, als die Erinnerung sie überfiel. "Gift! Einen Magier!", schrie sie laut und schaute zu ihrem Leutnant, der herbeigeilt war. "Das Gegengift, schnell, wo habt ihr es?"

Ardan von Kündoch schüttelte betreten den Kopf und stürzte fluchend aus dem Tempel. Immer hatte er es am Gürtel gehabt, am anderen Gürtel, der hier war verziert und war ihm angebrachter erschienen.

Die Comtessa drückte ihr Entsetzen nieder, Tränen rannen ihr über ihre Wangen, sie erinnerte sich zu gut an den Schmerz von damals, einen Schmerz, wie sie ihn nie wieder erleben wollte. Sie ging neben Dom León auf die Knie und begann zu beten.


Autorin: lasdardas

"Dom León", entfuhr es auch Zaida, die vor Schreck fast den Inhalt ihrer Karaffe über den Rücken der schönen Comtessa verteilt hätte. Mit zittrigen Händen stellte sie das Kunstwerk aus geschliffenem Kristall beiseite, um sich bestürzt dem Geschehen zuzuwenden, als sie stutzte. Es mochte wohl der Vielzahl von Abenteuerromanen geschuldet sein, so wie ihrer wilden Fantasie und den Erzählungen ihres Zahorifreundes, dass ihr Blick mit einem Mal auf die Karaffe in Leonoras Händen fiel. Denn, so ratterte es gerade in ihrem Kopf, wie mochte es wohl jemand gelungen sein, Dom León zu vergiften, ohne dass ein anderer der Gäste siech darnieder sank?

Beherzt griff sie zu und entwand aus den Händen von Dom Leóns zuvor noch etwas abwesend wirkender Knappin die Karaffe mit Wein und sah sich dann suchend um. Alle Gedanken an den Grund für solch ein namenloses Verbrechen schob sie strikt von sich, ebenso das dringende Bedürfnis, sich auch besorgt um den sich vor Schmerz windenden Baron des Taubenthals zu scharen.

Na, wer mochte von all den Versammelten wohl eine Ahnung von Giften haben? Ihr Blick huschte suchend umher.

Das Gackern des feisten Gockels Lodovico ignorierend, schob sich Domna Fiona hastig unter den Bärenpranken ihres Gatten hervor, der sich seinerseits schon alarmiert aufgesetzt hatte. Für einen kurzen Moment huschte ihr der Gedanke durch den Kopf, dass die Herrschaft über das Taubenthal wohl doch noch einmal neu und vielleicht sogar zu ihren Gunsten verteilt werden könnte. Doch beim Anblick des sich windenden Dom León zerstob jeder Gedanke an Intrigen und an seiner statt trat ein kalter, schneidender Zorn. Wer auch immer es gewagt haben mochte, den Günstling der schönen Göttin auf ihrem eigenen Fest und mit ihrem lieblichen Wein zu vergiften, den sollte ein Fluch treffen, auf das ihm mehr verginge, als nur das Sehen!

Noch während ihr diese Gedanken durch den Kopf huschten, schob sie sich energisch und gewandt an den verwirrten, bestürzten und zuweilen auch abschätzenden Beobachtern dieses Spektakels vorbei und rutschte an Domna Rominas Seite neben dem schönen Baron auf die Knie. "Domna Romina, Zafir, helft mir!", wies sie den Geweihten und die Comtessa mit befehlsgewohntem Ton an und suchte den Baron an den Schultern festzuhalten. "Zaida!" Ein kurzer Blick zu ihrer Tochter sorgte für ein irritiertes Stirnrunzeln. Was wollte das Mädchen bei Satuaria ausgerechnet jetzt mit dieser vermaledeiten Karaffe? "Komm her und hilf mir!"

Hilflos sah sich Zaida einen Moment lang hektisch um und drückte dann ihrem Vater die Karaffe in die Hand, der verdutzt auf diese hernieder sah und hinter dessen Stirn sich die Vinsalter Zahnräder sichtlich drehten. Mit knappen Gesten wies Fiona ihre Tochter an, sich zu positionieren, um den Baron zu halten - und sich wie zufällig auch zwischen das was sie zu tun gedachte und die all zu neugierigen Blicke der sie Umringenden zu stellen. Ihr Hoffen war, dass Schwester Melisandra ebenfalls zur Stelle war - rasch warf sie ihr einen hilfesuchenden Blick zu - so ihre Kraft nicht ausreichen sollte, den Baron lange genug am Leben zu halten bis... ja... bis hoffentlich die vorausschauende Comtessa für Rettung sorgte.

Fest wie beim Griff in die Zügel eines bockenden Pferdes hielt sie Dom Leóns Kopf und beugte sich vor. Ihre schwarzen Haare breiteten sich wie ein Vorhang vor ihrem Gesicht aus, als sie sich hinabbeugte und ihren Baron einen satuarischen Kuss zuteil werden ließ.


Autor: damotil

Melisandra hatte mit einem Stirnrunzeln ihr aktuelles Gespräch unterbrochen und den Blick ebenfalls in die Richtung gelenkt, in der jener rahjaungefällige Tumult ausgebrochen war. Als sie den Blick Fionas bemerkte, den diese ihr zuwarf, seufzte sie leise und stellte den Pokal mit dem edlen roten Rebenblut behutsam ab. Elegant erhob sie sich und wollte gerade herüberschreiten, als ihre Schülerin Lessina an ihre Seite eilte.

„Meisterin!“ Aufregung schwang in der Stimme der jungen Dame mit kupferroten Haaren mit. „Was ist geschehen?“

Erneut hob die Aranierin die Augenbrauen und mit leicht tadelndem Tonfall erwiderte sie: „Lessina, bei Rahja! Woher sollte ich das jetzt schon wissen? Kehr zu Deiner Gesellschaft zurück. Wir reden später.“ Lessina wollte etwas erwidern, aber der kaum merklich erhobene Finger der Hand ihrer Lehrmeisterin ließ sie verstummen noch ehe die erste Silbe über ihre Lippen gekommen war. Melisandra entschuldigte sich höflich auf Tulamidya bei Yashima saba Dhachmani. Dann schritt sie, nicht unbedingt eilend, zu der Gruppe, die sich um den scheinbar mit dem Tode ringenden Dom gebildet hatte.


Autor: lindholz

'Was tut diese Frau denn da?', schoss es Domnatella Alisea durch den Kopf, während sie versuchte, einen klareren Blick auf das zu erhaschen, was beim Baron vor sich ging. Als der schöne Taubentaler zusammengebrochen war, war sie sogar noch schneller auf den Beinen gewesen als ihr Sitznachbar von Kündoch. Besorgt war sie zu der niedergesunkenen Gestalt geeilt, während ihre Schwester und Mutter bei den Plätzen verharrten, um jene, die möglicherweise helfen konnten, in ihrem Tun nicht zu behindern. Auf solch einen Gedanken kam die blondhaarige Adlige freilich nicht und reagierte stattdessen eher ungehalten, als ihr auch noch diese schwarzgelockte Göre im Weg herumstand.

'Warum beugt sich die Domna denn so nach unten? Küsst sie etwa Dom Leon?' Die dunklen Haare der ihr Fremden versperrten den Blick, aber es sah ganz danach aus, als würde sie dem Baron zumindest ungebührlich nahe kommen. Ein Pfeil der Eifersucht bohrte sich in ein Herz, welches sich vor Sorge ohnehin schon zu einem kleinen Etwas zusammengekrümmt hatte. Alisea hatte schon so viel von dem schönen Dom Leon gehört und jetzt starb er hier einfach so, ohne dass sie auch nur ein Wort mit ihm hatte wechseln können. Und zu allem Überfluss war da auch noch diese Frau, die seine Mutter sein könnte, aber es sicher nicht war und sich ungefähr dort befand, wo die junge Domna sich gelegentlich hingeträumt hatte. 'Das darf nicht wahr sein. Oh, du Schöne Göttin, lass es nicht geschehen, dass Boron ihn von einem Fest zu Deinen Ehren reißt!', flehte sie innerlich, während sie die Hand zum Mund hob und sich in das Fleisch des Zeigefingers beißen musste, um ihre Gefühle im Zaum zu halten.


Autorin: beiras

Auch Dom Franco war geschwind aufgesprungen, ohne seinen fast noch vollständig gefüllten Weinkelch zu verschütten. Er trat näher an seinen Vetter heran, ließ aber genug Platz für diejeniegen, die diesem bereits zur Hilfe geeilt waren. Seine Gemahlin blickte ihm aus weitaufgerissenen Augen hinterher und verzog das Gesicht ob des schrecklichen Schauspiels, dass sich den Anwesenden hier bot. Zuckend wand sich Dom León auf dem Boden.

Dom Franco kniete sich dicht neben ihn und legte ihm eine Hand auf die Schulter, woraufhin der am Boden liegende versuchte, sich dieser Hand zu entziehen. "Verhaltet Euch ruhig, Vetter.... man versucht Euch zu helfen", sprach Dom Franco mit seiner melodischen Stimme auf ihn ein. Der Klang seiner Stimme hätte nicht anders geklungen, hätte er auf ein kleines Kind eingeredet, welches verängstigt in einem Baum saß. Er schien ob der Situation die Ruhe zu bewahren, auch, wenn seine Augen flink über die anwesenden Gäste huschten, als suche er nach jemandem... oder etwas. Eine Hand ließ er auf der Schulter des mit dem Tode ringenden Mannes liegen, während er mit der anderen vorsichtig dessen Gesicht berührte: Das Gesicht war mit kaltem Schweiß bedeckt.


Autor: vivar

Sein Leib indes hörte nicht auf zu zittern und zu zucken. Unter den Händen von Domna Romina, Zaida und Bruder Zafir wand er sich, verdrehte die Augen und verkrallte die Finger im Gewand Domna Fionas, die ihre Lippen wieder von den seinen gelöst hatte.

Die Catalinenser hatten schlagartig ihre Darbietung unterbrochen. Die Musiker hatten die Instrumente abgesetzt und die Tänzer wankten atemlos und verstört umher. Bonaventura XXII. blickte verwirrt von einem zum anderen, doch niemand seiner Mittänzer schien ihm Auskunft geben zu können. Die Novizen an den Tischen hatten ihre Pflicht vergessen und waren neugierig zum Ort des Unglücks geeilt, wo sie die Traube der ratlosen Schaulustigen verstärkten.

Einzig Bruder Zafir hatte sich mit Domna Romina niedergekniet und versuchte, den spastisch zuckenden Baron festzuhalten, doch auch das half nichts. "Eine Katastrophe", flüsterte er, "eine Katastrophe!" Dann schrie er laut: "Wo bleibt dieses Gegengift?"

"Lasst mich durch!", rief eine helle Stimme, doch es war nicht der Leutnant, sondern die kindliche Maestra Lampérez, die sich durch die Zuschauer schob. Stumm betrachtete sie den sich windenden Barons aus ihren Rehaugen. Dann deutete sie mit ihrem kurzen Stab auf ihn und flüsterte eine unhörbare Formel.Doch bereits nach wenigen Augenblicken senkte sie den Stab wieder und ein Schatten der Trauer legte sich über ihr blasses Antlitz. "Oh mein lieber Baron! Ich kann nichts für Euch tun! Wäre ein böser Geist in Euch gefahren, so hätte ich ihn vertreiben können, doch Ihr seid von Menschenhand vergiftet worden und dagegen bin ich machtlos."

"Was für eine miserable Kophta bist du eigentlich?", keifte Yashima saba Dhachmani. "Mein Lieblingsneffe liegt im Sterben und du bist machtlos? Radscha gebe, dass diesen Gegengift wirke!"


Autorin: ehrenstein

Leutnant Ardan von Kündoch war wirklich sehr schnell. Den Gedanken, dass es um den Waldwachter Gockel eigetlich nicht schade wäre, verdrängte er. In seinem Gemach schnappte er sich den anderen Gürtel und löste im Zurücklaufen die kleine Metallphiole aus der Halterung. Er erinnerte sich gut, wie ihre Hochwohlgeboren Gräfin Rohalija ihm die Phiole gegeben hatte. Alle am gräflichen Hofe wussten von dem Giftattentat vor einigen Jahren. Die Gräfin hatte es ihm gegeben, weil Romina nachlässig geworden war, was gefährlich war, solange noch Rebenthaler lebten.

Er kam zurück in den Tempel und eilte weiter, bis er schweratmend hinter Romina stand. Er reichte seiner Comtessa das Fläschen, die es öffnete und Domna Fiona an der Schulter rüttelte. Es hatte sie irritiert, als die ältere Frau den zuckenden Mann küsste, doch was wusste sie schon über Rahjarituale? Vielleicht half so etwas, schaden konnte es wohl nicht. Doch jetzt sollte Dom León Mund freigegeben werden.

"Domna Fiona, ich habe hier ein Gegengift; ich würde es dem Baron gerne geben."


Autorin: beiras

Dom Franco brauchte mittlerweile beide Hände, um den zuckenden Körper des mit dem Tode ringenden Mannes im Zaume zu halten. Er verstand nicht, was die Las Dardas da tat, aber er bemerkte, dass ihre Bewegungen sich veränderten, für einen Augenblick erlahmten. "Seid vorsichtig; sie vergiftet sich nur selbst! Zieht sie von ihm weg, bevor noch mehr geschieht!", rief er aus, doch niemand reagierte. Um die beiden von einander zu trennen, musste er jedoch eine seiner Hände von Dom León lösen.

Er versuchte, Domna Fiona sanft ein Stück nach hinten zu schieben, doch in diesem Moment durchzuckte es den gequälten Körper auf dem Steinboden erneut, so dass Franco ins Straucheln geriet und hart gegen Fiona prallte, die dadurch gegen Domna Romina gedrückt wurde. Der vollkommen überraschten Comtessa wurde hierdurch das geöffnete Fläschchen mit dem Gegengift aus der Hand geschlagen.


Autorin: ehrenstein

Romina stieß einen verzweifelten Schrei aus. Es schien als kröche die Zeit und dennoch konnte die Comtessa nur zusehen, wie das Fläschchen auf den Boden aufschlug. Sie versuchte es zu fangen, doch es sprang, wie von Schelmenhand verzaubert, davon und ergoss dabei seinen ganzen Inhalt über den Boden.

Entsetzt schloss die Comtessa die Augen und sackte in sich zusammen. Das Gegengift war verschüttet. Wie sollten sie dem Vergifteten jetzt noch helfen? Er würde qualvoll sterben. So jung, so schön! Tränen quollen aus ihren geschlossen Augen. Doch etwas in ihr wehrte sich. Noch war er nicht tot. Sie hatte noch nie aufgegeben, warum jetzt damit anfangen.

Die Comtessa riss die Augen auf und schaute sich um. "Wir müssen den Baron auf den Diwan heben! Leutnant! Dom Franco!" Sie sah den Bangourer Baron bittend an und wandte sich dann an Rahjanetta. "Wir brauchen Seidentücher, um ihn festzubinden, damit er sich nicht verletzt."

Langsam kam Romina in Fahrt. Sie berührte Bruder Zafir am Arm. "Bitte, Euer Gnaden, lasst unter den Pilgern nach Heilkundigen suchen! Vielleicht sind auch Zahorisippen anwesend; die haben immer Heiler dabei. Lasst verkünden, die Heilung werde gut bezahlt." Sie schaute in die Runde, als suche sie nach weiteren Möglichkeiten. "Gibt es Tsa- oder Perainegweihte hier? Oder andere Magier in der Nähe? Vater Bonaventura..." - ihr Blick suchte nach ihm, fand ihn, ihre blauen Augen waren verzweifelt, doch sie riss sich zusammen - "ich könnte nach Ragath oder Punin reiten und Hilfe holen." Wenn er solange leben wird. Sie schaute zu dem zuckenden Mann und griff sich an Herz. Sie musste schnell reiten und Taladur war am Nächsten. Dort gab es gewiss Magier... sie würde ihn oder sie notfalls aufs Pferd binden. Entschlossen straffte sie sich. "Ich geh' mich umziehen. Dom Ardan, lasst die Pferde satteln."


Autor: vivar

"Mit Verlaub, Hochwohlgeboren", brachte Rahjanetta zögerlich hervor, "aber die Schmerzen scheinen doch von innen zu kommen?"

"Was höre ich? Ragath? Punin? Bis dahin ist León längst tot!", erklang es da schrill von Yashima saba Dhachmani. Die feiste Handelsherrin trat in den Kreis und richtete anklagend den Finger auf Domna Romina. "Und Ihr über alle Berge - ist es das, was Ihr wollt? Schleunigst verschwinden ehe herauskommt, aus wessen Händen das Gift stammt?" Ihre Brauen zogen sich finster zusammen. "Oh ja, ich habe gestern in Waldhaus genau mitbekommen, dass Ihr meinen teuren Neffen nicht ausstehen könnt! Und mit diesem 'Gegengift' hättet Ihr ihm gewiss den Rest gegeben, wenn der gute Sahib Franco es Euch nicht aus der Hand geschlagen hätte! Schaut wenigstens hin, wenn er stirbt!"

"Bitte, bitte, Domna Yashima", versuchte der Hospitiar die aufgebrachte Tulamidin zu beruhigen, "Hochwohlgeboren Romina ist unser Ehrengast!" Ein verzweifelter Seufzer entrang sich seiner Brust.