Chronik.Ereignis1032 Die Herren von Pildek 17

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Baronie Pildek, Mitte Rahja 1032 BF[Quelltext bearbeiten]

Auf der Straße nach Endivarol nahe Carhag-Lo[Quelltext bearbeiten]

Autor: Von Scheffelstein

Der Junker[Quelltext bearbeiten]

Sie verließen Carhag-Lo im Morgengrauen nach einer Nacht in der einzigen Herberge des Dorfes. Das Stroh in den Betten hatte nach Schimmel gestunken, und die Taladura, die ihnen die Wirtin vorgesetzt hatte, war wässrig gewesen und hatte schal geschmeckt. Doch wie hätte er es der Frau verdenken sollen, die selbst ausgezehrt und hungrig war und seit Monaten keine Gäste mehr beherbergt hatte?

Der Zustand der Baronie erfüllte Yantur von Pildek mit Zorn. Zwar gehörte Carhag-Lo nicht zu seiner Dominie, doch der Ort war ebenso herrenlos wie der Rest der Baronie, seit Peliria von Pildek geflohen war, und im Stillen fühlte er sich für das Lehen seiner Base verantwortlich. Auch ihr konnte er kaum einen Vorwurf machen. Gegen ein Söldnerheer hatte sie nichts ausrichten können. Dieser Tage herrschte der Abschaum in der Südpforte – korrupte Magnaten, brutale Soldknechte, gierige Zahori, Emporkömmlinge und selbsternannte Grafen.

Ein halbes Jahr war vergangen, seit er auf sein Landgut zurückgekehrt war. Ein halbes Jahr, in dem er untätig hatte zusehen müssen, wie fremde Mercenarios Reisenden Weggeld abpressten, Zahori dem Adel Vieh und Feldfrüchte stahlen und die Bauern nach einem kalten Winter und einem trockenen Frühsommer hungerten. Das aber, was sie in Carhag-Lo vernommen hatten, setzte dem ganzen die Krone auf: Irgendjemand tötete die Bauern, schlachtete sie ab, weidete sie aus wie Vieh und schändete ihre Leichen. Bei Rondra!, irgendjemand verrichtete das Werk des Jenseitigen Mordbrenners, hier, mitten in Almada, weit entfernt von den Dunklen Landen, über die der Schatten des Dämonenmeisters gefallen war. Schlimmer noch: Unter seinen Augen!

"Was wirst du tun?", unterbrach ihn sein alter Freund Hagen von Mawet in seinen düsteren Gedanken.

Yantur ließ sich Zeit mit einer Antwort. Seine Augen wanderten über die trockenen Felder links der Straße und den Wald auf der rechten Seite. Trotz des heftigen Unwetters am Abend wirkte der Landstrich ausgedörrt. Die Erde hatte den Regen aufgesogen wie ein trockener Schwamm. In der Ferne schwelte ein Feuer: Eine ausgebrannte Scheune oder ein Bauernhaus. Vielleicht ein Blitz in der Nacht. Rondras Zorn war berechtigt!

"Ich werde hier aufräumen", sagte er. "Sobald wir zurück sind."

Hagen ließ den Braunen mit seinem Norburger gleichziehen. "Du wirst mehr Männer brauchen", stellte er fest. "Viele. Und erfahrene. Und Geld."

"Ich hoffe auf die Unterstützung der anderen Magnaten."

Hagen sagte nichts, aber der Junker kannte den Freund gut genug, um den schmalen Mund und die hochgezogenen Brauen zu deuten.

"Zwei Wochen, dann beginnt die Landständeversammlung. Ich denke, auch den anderen Südpfortern wird der Zustand der Grafschaft nicht egal sein. Ich werde mich nach Verbündeten umsehen."

"Du warst lange fort", wandte Hagen ein. "Und – verzeih! – du bist nur ein Junker. Wie willst du die Barone und deine Gräfin überzeugen, dir beizustehen, wenn sie seit Jahr und Tag die Zustände hier nicht nur dulden, sondern vielleicht gar Nutzen aus ihnen ziehen?"

Yantur wollte soeben zu einer Antwort ansetzen, als ein Pfiff von hinten kam. Er blickte über die Schulter zu den drei Fußgängern, die etwas zurückgefallen waren. Lechdaan Uschatee winkte ihm zu und nickte mit dem Kopf in Richtung der Weide links des Weges. Yantur legte die Linke auf den Anderthalbhänder, der am Sattel befestigt war, aber Lechdaan schüttelte den Kopf. Keine Angreifer. Da seine Begleiter keine Anstalten machten, weiterzugehen, wendete der Junker das Pferd. Hagen folgte ihm.

"Was ist?"

Lechdaan nickte erneut in Richtung der Weide. Der schlanke Mann in der ledernen Flickenkleidung und mit dem dichten braunen Bart sprach nicht viel. Aber seine schräg gestellten Augen, die das Nivesenblut in seinen Adern verrieten, sahen mehr als die der anderen.

"Da liegt wer!", sprach Tsadora statt seiner. Sie wies über die Weide den Hang hinauf. Tatsächlich, dort oben unter einer Korkeiche lag jemand, das Gesicht im Gras, den rechten Arm in unnatürlichem Winkel von sich gestreckt. Ein Toter?

Yantur schwang sich vom Pferd und löste das Schwert vom Sattelknauf. "Kommt!", sagte er. "Adran, du bleibst bei den Pferden!", befahl er dem rothaarigen Riesen, der bereits seinen Kriegshammer aus dem Gürtel gezogen hatte.

Etwas schwerfällig in seinem Plattenharnisch, kletterte er über den Zaun. Lechdaan, Hagen und Tsadora folgten. Aufmerksam sahen sie sich nach möglichen Angreifern um, doch nichts regte sich, als sie zu der Person unter dem Baum hinüber stiefelten. Hagen drehte den Mann – ein solcher war es – auf den Rücken. Er war jung, keine zwanzig Jahre alt, und anscheinend lebte er noch, auch wenn er übel zugerichtet war. Trockenes Blut bedeckte sein Gesicht, das linke Jochbein war gebrochen, das Auge blutunterlaufen. Die rechte Schulter war ausgekugelt, und mehrere Rippen waren gebrochen, wie Tsadora feststellte, als sie ihm die Hand auf die Brust legte.

"Das war kein Unfall", stellte Hagen fest.

"Wer tut sowas?" Tsadora schüttelte den Kopf.

"Menschen!", spuckte Lechdaan aus und ließ den Blick über die Weide schweifen.

"Menschen?" Hagen schnaubte. "Menschen tun so was nicht."

"Kannst du ihm helfen?", wandte Yantur sich an Tsadora.

Die blonde Frau wiegte den Kopf. "Er hat 'ne Menge Blut verloren. Ich kann die Wunden verbinden und ihm die Schulter einrenken. Aber er muss bald richtig versorgt werden. Wenn er das Fieber kriegt – ich schätze, dann wird er sterben."

Yantur nickte. "In Endivarol gibt es einen Peraine-Tempel. Dort bringen wir ihn hin. Sieh zu, dass er es bis dorthin schafft. Bei den Göttern, was ist nur aus diesem Land geworden? Du hast Recht, Hagen: Ich war lange fort. Zu lange."


Chronik:1032
Die Herren von Pildek
Teil 17