Chronik.Ereignis1033 Feldzug Raschtulswall 18
Im Raschtulswall, 29. und 30. Praios 1033 BF
Nahe Grezzano
29. Praios
Autor: von Scheffelstein
Als Domna Richeza erwachte, fühlte sie sich wie gerädert. Sie fror, und ein bellender Husten entrang sich ihrer Kehle, wann immer sie den Mund aufmachte. Ihr war, als hätte sie nicht geschlafen, dabei waren alle anderen schon auf den Beinen.
Die junge Ferkina Golshan war zurückgekehrt. Sehr zum Missfallen des alten Krähenfreund hatte sie zwei tote Kaninchen mitgebracht. Zu wenig, als dass sie alle davon satt werden konnten, zumal der Alte streng untersagte, in dieser Höhle ein Feuer zu entzünden.
Auch der Hund war wieder da, sprang kläffend um die anderen herum und schien seine Furcht vor der Höhle vergessen zu haben. Das Mädchen Zaida hatte ihn heulend in einem Gang unweit der Höhle gefunden.
Selbst Praiodor war wach. Sein Fieber war gesunken, aber er war sehr matt und blinzelte Richeza aus halb geschlossenen Augen an, als sie ihm durch das verfilzte Haar fuhr.
Richeza selbst hätte am liebsten weitergeschlafen, allein, ihr Hunger war mittlerweile unerträglich, und ihre Tante drängte zum Aufbruch. Offenbar hatte sie es nur dem alten Heiler zu verdanken, dass Domna Rifada sie nicht schon vor Stunden geweckt hatte.
Krähenfreund führte die Gruppe nicht wieder hinauf zu der Höhle, durch die sie den Berg betreten hatten, sondern durch einen anderen Gang tiefer ins Innere des Djer Kalkarif hinein. Domna Rifada und Dom Gendahar wechselten sich damit ab, den kleinen Praiodor zu tragen. Mehr als einmal fluchten sie über die engen, feuchten Tunnel, die oft so schmal und niedrig waren, dass sie auch ohne ihre Last Schwierigkeiten gehabt hätten, sich hindurchzuzwängen.
Anfangs wies ihnen das blakende Licht einer Fackel den Weg, mit der Domnatella Romina ihrem Führer leuchtete. Doch nach etlichen Stunden und zwei kurzen Rasten, in denen sie die letzten spärlichen Vorräte der Männer und Golshans Kaninchen geteilt hatten, war die letzte Fackel niedergebrannt, und sie hatten nur noch drei Kerzen übrig. Krähenfreund mahnte sie, während jeder Rast, das Licht zu löschen, um länger etwas von den Kerzen zu haben.
Das sei doch Irrsinn, schimpfte Domna Rifada, hier durch die Dunkelheit zu irren und forderte den Alten auf, sie sofort wieder ans Licht zu führen. Es war ihr anzusehen, dass es ihr gar nicht schmeckte, sich hier seiner Führung anzuvertrauen, doch da nur er den Weg kannte und sie mittlerweile tief in die verzweigten Gänge unter dem Berg hinabgestiegen waren, blieb ihr nichts anderes übrig, als ihm weiterhin fluchend zu folgen.
Irgendwann war Richeza so erschöpft, dass sie sich am liebsten geweigert hätte, weiterzugehen, doch sie riss sich zusammen, setzte mechanisch Fuß vor Fuß und tappte hinter Moritatio her, dem sie mehrmals in die Hacken stolperte. Falls er sich an seinen Angriff in der Nacht erinnerte, zog er es vor, darüber zu schweigen, und Richeza ihrerseits verspürte wenig Lust, ihren Vetter darauf anzusprechen. Überhaupt sprach sie wenig, denn ihr Hals schmerzte, und das Gehen allein kostete sie genug Kraft.
Auch die anderen waren schweigsam, allein Krähenfreund kommentierte ab und an den Weg, und die kleine Zaida sprach mit dem Hund, der freudig bellend voraussprang, und ab und an durchbrachen die Flüche Domna Rifadas oder Dom Gendahars die Stille, wenn der Streitzig sich den Kopf stieß oder Richezas Tante mit ihren breiten Schultern in der sperrigen Lederrüstung in einer Verengung des Ganges stecken blieb.
Schließlich kamen sie in eine schmale Höhle, durch die ein glucksender Bach floss, und Krähenfreund sagte, hier würden sie nun schlafen. Domna Rifadas Wutschnauben nützte ihr gar nichts, der Alte ließ sich nicht zum Weitergehen bewegen, und Richeza war mehr als froh darüber. Während sich alle einen Platz zwischen Bach und Höhlenwand suchten, fragte sie sich, was wohl mit dem Wasserlauf geschähe, wenn es draußen einen der berüchtigten bosquirischen Gewitterstürme gäbe. Doch wenigstens konnten sie ihre Wasserschläuche auffüllen.
30. Praios
Als Domna Rifada zum Weitergehen drängte, war Richeza eben erst eingeschlafen. Der Hunger hatte sie lange wach gehalten. Den anderen schien es mittlerweile nicht sehr viel besser zu gehen, und so war es das Knurren ihrer Mägen, das sie begleitete, als sie schweigend ihren Weg fortsetzten.
Endlich wurde es heller: Graues Zwielicht kam vor ihnen aus dem Gang, und wenig später traten sie durch einen Spalt auf ein Plateau, vier Schritt über dem Boden einer langen, bewaldeten Schlucht. Der Morgen dämmerte erst, doch nach den langen Stunden der Dunkelheit war Richeza froh über das erste schwache Licht des Tages.
Sie kletterten die Wand an einem Seil hinab, die Ferkina löste es und folgte als Letzte – behände wie eine Katze. "Grezzano ist weiter im Norden", erklärte Domna Rifada, nachdem sie sich kurz umgesehen hatte. "Richeza, Moritatio, folgt mir, und auch du, alter Mann!" Doch wie Tsacharias erklärte und sie bald feststellen mussten, waren die Wände der Schlucht zu steil, als dass sie aus ihr hinausklettern konnten. Und so blieb ihnen nichts anderes übrig, als dem Alten abermals zu vertrauen, als er sie nach einer Weile aus dem Licht der Morgensonne heraus in eine Höhle führte und weiter durch schier endlose Gänge und Tunnel. Mehrmals war es Richeza, als sei der Alte sich nicht mehr ganz sicher, welchen Wege er wählen sollte, und einmal ließ er sie nach kurzer Zeit umkehren und einen anderen Tunnel versuchen, was Domna Rifadas Unmut nur weiter zu fördern schien.
Ab und an wenigstens kamen sie an Kaminen vorbei, durch die Sonnenlicht fiel, und zweimal führte ihr Weg sie wieder hinaus ins Freie, doch jedes Mal befanden sie sich hoch oben über einer Schlucht oder einem unpassierbaren Geröllhang und es gab keine Möglichkeit, einen gangbaren Weg hinab zu finden.
Bald nach einer längeren Pause in der Dunkelheit, ging ihnen die letzte Kerze aus, und sie standen in der Finsternis. Die Stimmung fiel, auch wenn Tsacharias versicherte, es sei nun nicht mehr weit, er sei sich ganz gewiss. Sie kamen nur noch langsam voran, schrammten sich Hände und Knie auf, und Richeza fragte sich allmählich, ob ihre Tante nicht doch recht hatte und sie besser den gewundenen Pfad den Djer Kalkarif hinabgestiegen wären, den sie heraufgekommen waren, auch auf die Gefahr hin, den Ferkinas direkt in die Arme zu laufen.
Als es diesmal heller wurde, war Richeza fest entschlossen, lieber einen Steilhang hinabzurutschen als noch einen Schritt weiter durch die Dunkelheit zu stapfen. Doch wie sich herausstellte, war dies nicht nötig.
Der Gang öffnete sich zu einer Höhle, und kurz darauf empfing sie die bereits über der almadanischen Ebene stehende Nachmittagssonne. Weit im Süden erkannte Richeza die Gipfel des Djer Kalkarif.
"Jetzt ist es nicht mehr weit", verkündete Tsacharias Krähenfreund strahlend. "Keine zehn Meilen mehr, und wir sind in Grezzano."
Richeza rutschte an der Felswand vor der Höhle zu Boden und lehnte den Hinterkopf an den von der Sonne gewärmten Stein. Sie schloss die Augen, spürte, wie zum ersten Mal seit Tagen die Lebensgeister in ihren verkühlten Körper zurückkehrten. Keine zehn Meilen?! Der Alte war irre! Sie würde keine zehn Schritt mehr gehen heute, soviel stand fest!
Autor: SteveT
"Ich habe meinen Mann und mein Burggesinde in Grezzano zurückgelassen!", kündigte Rifada nun in Sichtweite der Selaquer Gemarkungsgrenzen an. "Genauer gesagt, ganz in der Nähe - nämlich in der Kate deiner Schwester, Kräutersammler, die sich leider etwas verstockt und unfolgsam zeigte."
Sie beschirmte die Augen mit einer Hand vor dem hellen Sonnenlicht und ließ ihren Blick von hier oben aus dem Gebirge heraus weit über die Elentinische Ebene schweifen. Immerhin waren - zumindest auf den ersten Blick - nirgendwo Reiter der Ferkinas und auch keine Soldaten Praiosmins zu entdecken. Sie hoffte, daß diese selbst nach wie vor in Selaque auf Albacim weilte - auf dem Weg dorthin hatte sie ihre Erzfeindin das letzte Mal gesehen.
"Ihr bleibt am besten hier und ruht noch ein wenig aus!", bestimmte sie mit einem Seitenblick auf Richeza und den Jungen, die ihr beide gar nicht gefielen. "Ich gehe erst einmal allein nach Grezzano und prüfe die Lage dort. Wenn alles gut steht, dann kehre ich bis zum Abend mit ein paar jungen Burschen aus meinem Gesinde und einer Trage zurück. Auf ihr schaffen wir dann den Jungen zur Hütte deiner Schwester, alter Mann!"
Sie kniete sich neben Richeza hin, die sich einfach rücklings ins Gras hatte plumsen lassen und raunte ihr ins Ohr: "Gib auf den alten Zausel acht! Wenn er sich davonstiehlt, ist auch dein Junge verloren - dann war alles umsonst. Hindert ihn notfalls mit Waffengewalt an der Flucht! Ich hole Verstärkung und dann sehen wir weiter ... auch was die da betrifft." Sie lenkte Richezas Blick mit den Augen zu Golshan, die - noch am frischesten von allen - auf Zaida einredete, die bestimmt kein einziges Wort verstand und allein nur aus Höflichkeit zu allem nickte.
"Ich gehe mit Euch, Mutter!", schulterte Moritatio sein Bündel und kam auf sie zugewankt. Auch er hatte dunkle Ringe unter den Augen.
"Nichts da! Du bleibst hier und gehst Richeza zur Hand - sie weiß was zu tun ist!", beschied ihn Rifada knapp, dann trottete sie mit einem knappen "Bis zum Abend!" talwärts von dannen.
- Die Geschichte um Domna Rifada wird hier fortgesetzt: Schauplatz: Falado, Teil 03 (Schauplatz eigentlich: Selaque).
Autor: Ancuiras
Gendahar ließ sich neben Romina nieder, die sehr erschöpft aussah - wie er selbst. Trotzdem durften sie nicht lange weilen.
"Hör zu, wir sollten diesen Ort verlassen, bevor Rifada zurück ist, egal, was der Alte sagt. Es mag gefährlich sein, aber niemand weiß, was Domna Rifada vorhat und ob sie uns nicht in ihre Fehde mit Domna Praiosmin verwickeln will. Wir müssen uns allein durchschlagen, bis wir auf getreue Gefolgsleute deines Vaters treffen. Meinst du wirklich, wir können dem Ferkinamädchen vertrauen? Sie sollte sich in der Gegend auskennen, aber wie machen wir ihr klar, wohin wir wollen?"
Autor: Romina Alba
Romina lehnte sich ein wenig an den Onkel, gerade so viel, dass es noch schicklich war. Sie schaute zu Golshan, die ihren Blick erwiderte und lächelte müde.
"Ich traue Golshan voll und ganz, Onkelchen." Leise neckend flüsterte sie das Kosewort, sie schien seelisch bedeutend intakter, als Gendahar es befürchtete, besonders nach den Bemerkungen in der Höhle, die seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt hatten. "Aber abgesehen davon, dass ich das Gefühl habe, mich drei Wochen nicht mehr bewegen zu können, ist es wirklich schwer, sich ihr verständlich zu machen."
Sie winkte Golshan zu sich. Die junge Wilde kam her und ging mit einen schüchternen Blick zu Gendahar bei den beiden in die Hocke. Romina deutete auf sie und dann auf Gendahar, sich selbst und die kleine Zaida, sagte jeden Namen, beschrieb mit den Fingern einen Kreis, um alle zusammenzufassen und deutete dann nach Westen.
"Ras Ragath?", fragte sie Golshan und deutet wieder auf sie. "Uns alle," wieder führte sie den Finger im Kreis, "nach Ragath?"
Autor: von Scheffelstein
Richeza folgte ihrer Tante mit den Augen, bis diese zwischen den Bäumen verschwunden war. Hechelnd sprang der Hund des Alten hinter der Junkerin her, schnüffelte hier und da an den Sträuchern. Kurz darauf hörte sie ihn kläffen und dann die ärgerliche Stimme ihrer Tante, irgendwo aus dem Wald.
Mit Waffengewalt sollten sie den Alten an der Flucht hindern? Mit welchen Waffen? Ihrem Dolch? Moritatios abgebrochenem Rapier? Aus den Augenwinkeln nahm sie wahr, wie der Streitzig sich zu seiner Nichte setzte und sie leise miteinander sprachen. Sie meinte den Namen ihrer Tante zu hören und auch den Domna Praiosmins. In einem kurzen Anflug von Misstrauen spitzte sie die Ohren. Was, wenn die beiden doch gemeinsame Sache mit der alten Vettel machten? Sie konnten ihre Tante nicht leiden, das war nicht zu übersehen, und vielleicht wollten sie sich den sicheren Weg durch Selaque erkaufen, indem sie der Erzfeindin ihrer Tante in die Hände spielten. Vielleicht planten sie, Moritatio oder sie selbst als Geisel zu nehmen und Praiosmin auszuliefern? In ihrem jetzigen Zustand fühlte Richeza sich mehr als wehrlos, und Moritatio sah auch nicht so aus, als würde er es mit dem kräftigeren Streitzig aufnehmen können, zumal der der weitaus bessere Kämpfer war, wenn die Geschichten stimmten.
"Richeza, wo ist meine Mama?", riss sie die Stimme des kleinen Praiodor aus ihren Gedanken. Sie wandte sich dem Jungen zu, den ihre Tante neben ihr im Gras abgelegt hatte. Sie hatte Rifada noch immer nicht gefragt, ob diese eine Spur Domna Fenias gefunden hatte. Allerdings hätte die Junkerin es ihr wohl erzählt, wenn sie die Domna gesehen hätte oder um ihren Aufenthaltsort wüsste. Nein, wahrscheinlich irrte Praiodors Mutter noch irgendwo allein durch die Berge oder war – was wahrscheinlicher war – bereits verdurstet, erfroren oder den Ferkinas in die Hände gefallen.
"Wir finden sie schon noch, Praiodor!", sagte Richeza und setzte das zuversichtlichste Lächeln auf, zu dem sie in der Lage war. Sie streichelte seine Wange. Er hatte kein Fieber mehr, immerhin etwas. "Komm und schlaf noch ein wenig. Bald sind wir wieder zu Hause, und dann wird alles gut!" Sie zog ihn zu sich heran, bettete seinen Kopf auf ihrem Oberschenkel und lauschte seinem Atem, der bald wieder tief und regelmäßig war. Wie schmächtig er war für sein Alter, vor allem aber: wie furchtsam.
Tsacharias Krähenfreund ließ sich ihr gegenüber im Gras nieder und reichte ihr eine Handvoll Nüsse. Richeza nahm sie wortlos entgegen.
"Könnt Ihr ihn heilen?", fragte sie kauend.
"Sein Fieber ist zurückgegangen. Die Wunde wird heilen." Sie sah ihn an. "Ich meine: Ob Ihr ihn gesund machen könnt. Richtig gesund."
"Was fehlt ihm denn?"
"Guckt ihn Euch an: Er ist krank und schwächlich. Er war nicht immer so. Als kleiner Junge war er ... lebendig. Dann ist sein Vater gestorben, seine Mutter ist verrückt geworden vor Kummer, und er ist an einer Sieche erkrankt, von der er sich nie erholt hat."
Tsacharias schwieg.
"Heißt das: Nein?" Richeza lehnte den Kopf zurück, sah Krähenfreund weiter an. "Wir haben ziemlich viel auf uns genommen, um Euch zu finden. Es hieß, Ihr wärt ein Heiler. Es hieß, Ihr wäret gut."
Tsacharias schwieg weiter. Seine grüngesprenkelten Augen ruhten auf ihrem Gesicht. Richeza wich seinem Blick aus. "Eine Krankheit ist eine Bürde, die wir uns freiwillig auferlegen oder für andere tragen", sagte er. "Sie erfüllt einen Sinn. Sie ist wie Tsas Regenbogen, der uns den Weg weist vom Regen ins Sonnenlicht. Der uns Hoffnung gibt, unser Leben zu ändern, aus dem Regen herauszutreten und das Wohlwollen der Götter wie das wärmende Licht der Sonne auf uns zu spüren. Doch solange wir unseren Blick für die Möglichkeiten des Wandels verschließen, wird auch der Regenbogen für uns nichts weiter sein als ein Zeichen des Unwetters, das ihm vorausgeht."
Richeza runzelte die Stirn, klappte den Mund auf und wieder zu und schüttelte unwillig den Kopf. "So ein ... Unsinn! Hört auf, Euch zu rechtfertigen! Ihr ... könnt ihm also nicht helfen, ja?" Ihre Miene verfinsterte sich. "Das wird meiner Tante aber nicht gefallen."
Er war die Ruhe selbst. "Und was würde Euch gefallen?" Sein Gleichmut verunsicherte Richeza.
"Mir? Ich ... ich will, dass Praiodor wieder gesund wird. Dass er wieder so wird wie früher, als kleiner Junge, was glaubt Ihr wohl?"
Er wiegte den Kopf. "Nichts wird wieder so, wie es einmal war. Das Leben ist Wandel. Stillstand ist der Tod. Die Zeit läuft nicht rückwärts. Das Werden und Vergehen, der stete Neubeginn, das ist Lebendigkeit."
Richeza dröhnte der Kopf. Sie rieb sich die Stirn und sah an ihm vorbei, zur ganz langsam tiefer sinkenden Sonne. Dieser ganze Unsinn musste endlich ein Ende haben! Sie sollte nach Kornhammer zurückkehren, sich um ihr eigenes Leben kümmern. Ihr Großvater hatte recht gehabt, es war unverantwortlich gewesen ...
"Er hält an Altem fest", sagte Tsacharias. "Genauso wie Ihr." Er erhob sich. "Ich werde mit ihm sprechen, wenn es ihm besser geht, und sehen, was ich für ihn tun kann. Wenn Ihr das wünscht."
Richeza nickte nur und sah ihm nach, als er zu der Comtessa und deren Onkel trat, die mit der Wilden sprachen und ihre Worte gestenreich unterstrichen.
Autor: Ancuiras
Diese Golshan schien zwar sehr hilfsbegierig, aber schlau wurde Gendahar aus ihr nicht. Sie hüpfte von einem Bein aufs andere und zeigte mal in die eine, mal in die andere Richtung, dann auf die beiden Streitzigs und Zaida. "Ras'Ragh! Ras'Ragh!"
Gendahar warf seiner Nichte einen zweifelnden Blick zu. Diese schien auch nicht schlau draus zu werden. "Nun, vielleicht sollten wir uns einfach erst einmal nach Grezzano begeben und dann versuchen, den Weg talwärts zu finden, den wir gekommen sind. Hauptsache, wir laufen den Ferkinas nicht in die Arme. Ich schlage vor, dass wir am Nachmittag aufbrechen."
Romina nickte nur geistesabwesend und versuchte weiterhin, Golshans Zeichensprache zu deuten.
Ihr Onkel blickte zu den anderen hinüber. Moritatio hatte sich auf dem Boden ausgestreckt und Richeza hatte sich gemeinsam mit dem Alten über den Jungen gebeugt. Praiodor. Konnte er ihn den da Vanyas überlassen? Sie waren genauo mit ihm verwandt wie er selbst. Vor Gendahars Augen erschien wieder der Anblick der toten Fenia, die kaum wieder zu erkennen war. Selten zuvor hatte ihn ein solches Grauen gepackt, tagelang hatte er es nicht abschütteln können. Er hatte seine Cousine nicht sehr gut gekannt, Stordan, ihren Bruder, der nur wenige Jahre jünger war als Gendahar, schon etwas besser. Aber Freunde waren sie nie geworden, sie schienen immer in einer Art Wettstreit zueinander zu stehen. Würde Stordan für den Jungen sorgen? Er war der nächste Verwandte, doch seine Lande verwüstet, seit der Yaquirbruch so unsicher geworden war. Im Westen war das Königreich bereits zu einem wilden Land geworden und jetzt stiegen auch noch die Ferkinas aus den Bergen herab. Wo sollte das enden?
Erst einmal mussten sie hier weg und wieder sicher ins Tal gelangen. Er wandte sich wieder Romina und Golshan zu. "Runter, ins Tal!" Er zeigte von den Bergen weg, dann machte er die Hand flach. "In die Ebene!"
Es war hoffnungslos. Der Streitziger unterbrach seine Gesten, als ein Schatten auf ihn fiel. Tsacharias Krähenfreund stand vor ihm.
"Gut, dass Ihr kommt. Vielleicht könnt Ihr uns den Weg ins Tal beschreiben, so dass wir allein hinab finden? Oder kommt Ihr gleich mit uns?"
Autor: von Scheffelstein
Tsacharias Krähenfreund blickte auf Gendahar und Romina herab, sein Gesicht war ernst, ja, fast kummervoll. Er murmelte etwas, das nach "der Friede der Menschen" klang und seufzte.
"Ihr wollt also gehen", stellte er fest. "So Ihr nicht warten wollt, kann ich Euch nicht begleiten. Wo die jüngsten ihrer Kinder in Not sind, muss Tsa die größeren ziehen lassen." Seine Augen wanderten über die Frauen und Zaida und hielten dann Gendahars Blick fest.
"Gebt gut acht auf die Mädchen! Es ist ein gefährlicher Weg ins Tal in diesen Zeiten. Noch gefährlicher aber, so scheint es, ist der Weg durch die Ebene selbst. Seid also vorsichtig, haltet Euch verborgen, denn Kühnheit ist der Dummheit dieser Tage nicht fern. Es gibt zwei Wege hinab ins Tal. Der eine führt über Grezzano, nordöstlich von hier. Der Ort ist geplündert, aber es treiben sich noch viele Ferkinas in der Gegend herum. Das Dorf selbst solltet Ihr meiden, wenn Ihr könnt, und wenn nicht, so verzichtet Ihr besser auf ein Feuer, das Euch verrät. Von Grezzano führt eine Straße ins Tal. Sie kreuzt den Weg ins Vanyadâl, also haltet Euch nach Westen. Besser aber Ihr meidet die Straßen, denn sie sind nicht sicher. Der andere Weg ..."
Er seufzte. "Der andere Weg ist kürzer. Er führt durch den Wald und über versteckte Weiden. Er ist auch sicherer, aber für Fremde ist er schwer zu finden. – Wenn Ihr diesen Weg gehen wollt," sagte er, "dann wartet Ihr besser, bis die Dame zurückkehrt, denn ich bin mir sicher, dass sie ihn kennt und sich jetzt schon auf ihm befindet."
Autor: Ancuiras
Gendahar richtete sich auf, so dass er Tsachariaus um einen halben Kopf überragte. "Ich habe nicht um Belehrungen zum Zusammenhang zwischen Kühnheit und Dummheit gebeten, sondern lediglich um eine Beschreibung des Weges und ihrer Fährnisse." Er atmete tief durch. "Für Letzteres danke ich Euch, auch dafür, dass Ihr Euch um den kleinen Praiodor kümmern werdet... Ob wir gehen wollen? In der Tat. Mein Gefühl sagt mir, dass wir von der Dame zumindest keinen Schutz zu erwarten haben. Mir scheint", fuhr er nun an Romina gewandt fort, "und bleibt nichts anderes übrig, als den Weg über Grezzano zu nehmen."
Autor: Romina Alba
Romina nickte und sah zum Onkel auf.
"Ich bin ganz Eurer Meinung, Onkel, Domna Rifada da Vanya ist ein halber Ferkina, und ich befürchte, alles, was nicht mit ihr verwandt ist, betrachtet sie als nutzlos, wenn nicht feindlich." Sie schaute zu Richeza, kurz war ein Zögern zu bemerken, doch sie riss sich los und wandte sich wieder Gendahar zu. "Wir sollten Domna da Vanya nicht mehr begegnen. Vielleicht ist es sogar klug, sich neben den offiziellen Straßen zu bewegen, bestimmt sucht man schon nach uns, und das tut man bestimmt nicht in den Wäldern." Sie schenkte Tsachariaus ein Lächeln. "Ich danke Euch für alles, Meister, macht Euch keine Sorgen, wir werden uns verbergen, bitte segnet uns, auf dass die junge Göttin uns beschützen möge."
Autor: Simanca
Mädchen? Zaida passte es gar nicht, schon wieder so eingeordnet zu werden. Natürlich war sie noch jung, aber sie war sich sicher, notfalls besser auf sich aufpassen zu können, als der auffällige Degenmeister und die eifrig umherschauende Golshan. Wobei diese sicher wusste, wann man sich besser ducken sollte. Außerdem war sie es gewesen, die dem ehrenwerten Streitzig die Haut ... ach ... eigentlich war es ihr ganz recht, wenn es ein wenig ruhiger zuginge. Wenigstens so für ein oder zwei Tage.
Bedauernd sah sie zu Tsacharias hinüber. Gerne wäre sie weiter in seiner und der Begleitung seines Hundes gereist. Nur dieses Mannweib von da Vanya hätte man irgendwo an einen Baum binden müssen, dann hätte man sicher friedlich weiterreisen können.
Autor: Romina Alba
Tsacharias Krähenfreund trat einen Schritt näher, legte seine Rechte auf Rominas Haupt und berührte mit der Linken Gendahars Stirn.
"Gütige Tsa, ich bitte dich, segne und behüte diese deine Kinder, erfülle ihre Seelen mit Freude und Gleichmut, welche die Gaben deiner Schwester sind, schenke ihnen Heiterkeit und Zuversicht, auf dass sie die Prüfungen der Welt bestehen und ohne Furcht ins Morgen blicken. Lasset das Gestern hinter Euch, nehmet das Morgen an, wandelt im Augenblick, der einzig ist und vergänglich. Gehet hin in Frieden und mit dem Segen Tsas!"
Daraufhin trat er zu Zaida und der Ferkina und wiederholte die Worte, zeichnete alsdann den Kreis der Ewigen Erneuerung in die Luft und sprach: "So sei es, mit dem Willen Tsas und ihrer göttlichen Geschwister!"
Autor: Ancuiras
Gendahar nahm den Segen gern entgegen - Tsacharias hatte schon mehrmals bewiesen, dass er die Gunst der Ewigjungen Göttin besaß. Er fühlte, wie ihn ein tiefer innerer Frieden überkam. Während der Alte die beiden Mädchen segnete, blickte Gendahar zu seiner Nichte und schloss sie in den Arm. Sie hatte die Gefangenschaft erstaunlich gut überstanden, dies sagten ihm ihr Blick und ihr Lächeln. Weiterer Worte bedurfte es dazu nicht. Den Göttern sei gedankt, dachte Gendahar, denn er wusste nicht, was er sie fragen oder ihr zum Trost sagen sollte. Dies sollten ihre Mutter und ihre Schwestern tun, wenn er sie unbeschadet dorthin zurück gebracht hatte.
Nachdem der Alte geendet hatte, bedankte sich Gendahar bei ihm und wünschte ihm ebenfalls den Segen der Götter. Tsacharias entfernte sich und setzte sich auf einen großen Stein in der Nähe, die Beine gekreuzt, das Gesicht der Sonne zugewandt und die Augen geschlossen, und summte eine Melodie. Bald schien er entrückt, allein mit seinen Empfindungen und Gedanken.
Gendahar blickte abermals zu Richeza und dem Jungen hinüber. Praiodor hatte keinen guten Eindruck gemacht in den letzten Tagen, was aber nicht verwunderlich war. Doch Richeza, so kratzbürstig sie sonst auch sein mochte, schien sich aufopferungsvoll um ihn zu kümmern. Er würde bei ihr in guten Händen sein. Gendahar betrachtete die Scheffelsteinerin. Er wurde nicht schlau aus ihr. Warum musste jemand, der so schön war - und ohne Zweifel zuweilen auch umsichtig und kenntnisreich - mit dem Temperament einer Harpyie geschlagen sein? Streitlust war ihn Almada breit gestreut, und seine eigene Familie hatte ein gehöriges Maß davon abbekommen, pflegten diese gar, um ihrem Namen gerecht zu werden. Doch was die zierliche Edle aus Kornhammer bisweilen zeigte, ging weit darüber hinaus. Woher dieser Hass auf Romina, woher dieses Misstrauen? Auf dem Marsch aus der Höhle hatten sie kaum ein Wort miteinander gesprochen. Gendahar widerstrebte es, im Streit auseinander zu gehen. Nicht mit einer so hübschen Frau, dachte er, und musste sogleich über sich selbst schmunzeln. Er würde sich wohl nie ändern.
Unwillkürlich hatte er sich ihr einige Schritte genähert. Richeza blickte auf und bemerkte ihn, und ihm blieb nichts anderes übrig, als den Rest der Strecke auch noch zurückzulegen. Praiodor schien zu schlafen, Moritatio lag weiterhin in einiger Entfernung im Gras.
"Wie geht es dem Jungen?", fragte Gendahar, weil er nicht wusste, was er sonst hätte sagen sollen. Er sprach leise, um den Jungen nicht aufzuwecken.
Autor: von Scheffelstein
Richeza blinzelte gegen die tieferstehende Sonne. Wie sie so dasaß, das Gesicht mit blutigem Schorf übersät, das zerzauste Haar fast grau vom Höhlenstaub, in dem Lumpen, der einmal eine Pferdedecke gewesen war, mit einem Strick um die Hüften, die Stiefel löchrig – war es leichter, sich vorzustellen, dass sie die Enkelin einer Zahori war, als dass sie von der rahjagleichen Fürstin abstammte, die – was noch unwahrscheinlicher erschien – auch Domna Rifada zu ihren Ahninnen zählte.
Unwillkürlich legte die Edle den Arm um die schmalen Schultern des Knaben. "Er ist krank", sagte sie heiser und blinzelte wieder, schaute an Gendahar vorbei zu Romina und zurück zum Thangolforster. Ihr Blick wanderte über sein Gesicht, den Bart, seine Schultern, verlor sich irgendwo im Nichts. "Ihr habt also gefunden, wonach Ihr gesucht habt", sagte sie.
"Ihr geht?", fragte sie, als sie ihn wieder ansah. Der Ausdruck auf ihrem Gesicht war schwer zu deuten. "Also dann." Schweigen. "Viel Glück. Streitzig."
Sie drehte den Kopf weg, um zu husten und blickte hinab über die bewaldeten Bergrücken und Hügel, zwischen denen, weit im Westen, die sonnenbeschienene Ebene des Kaiserlehens zu sehen war.
Autor: Ancuiras
Als Gendahar die Gestalt der zerlumpten Scheffelsteinerin betrachtete, fragte er sich, wie er darauf gekommen sein mochte, sie sei eine Schönheit. Als er in ihre Augen blickte, wusste er es wieder. Auch wenn sie momentan eher eine Wilden glich, aber vermutlich sah er gerade selbst auch nicht viel besser aus.
Er nahm ihre kargen Worte entgegen, nickte auf ihre Frage und wünschte ihr ebenfalls viel Glück. Er wollte ihr noch etwas sagen, nach allem, was sie miteinander durchgestanden hatten. Dass es Domna Rifada war, weshalb sich ihre Wege nun trennten. Doch die stolze Domna hatte den Blick schon wieder abgewandt. Gendahar meinte zu spüren, dass alle weiteren Worte sinnlos waren.
Er warf einen Blick auf Praiodor, dessen Brust sich im Schlaf hob und senkte. "Ich weiß, dass Ihr Euch gut um den Jungen kümmern werdet", sagte er leise. "Er wird Euch brauchen, um über den Verlust hinweg zu kommen. Dom Stordan könnte sich seiner annehmen." Er wandte sich zum Gehen.
Autor: von Scheffelstein
Domna Richeza wandte ihm das Gesicht wieder zu, aber er hatte sich bereits umgedreht. "Wartet!", sagte sie scharf. "Was soll das heißen: den Verlust? Habt Ihr Eure Base schon aufgegeben, oder was? Vielleicht ist sie umgekehrt, nachdem sie den Jungen verloren hatte. Und wenn sie bei den Ferkinas ist: Nun ja, vielleicht ... gibt es irgendwann eine Möglichkeit, sie da wieder rauszuholen. Ich jedenfalls", fügte sie grimmig hinzu, "gebe meine Verwandten nicht auf, solange noch Hoffnung besteht, wie Ihr seht."
Autor: Ancuiras
Gendahar fuhr herum. Was war denn jetzt schon wieder? Was faselte sie da von aufgeben? Er wollte zu einer Erwiderung ansetzen, als er endlich den Sinn ihrer Worte erfasste. Sie hatte keine Ahnung! "Dann wisst Ihr noch nicht ...", setzte er an, konnte aber nicht weiter sprechen.
"Was?", unterbrach ihn Richeza scharf. "Was weiß ich nicht?"
Gendahar warf einen Blick auf Praiodor, der sich im Schlaf drehte, und legte einen Finger auf den Mund. Er schüttelte den Kopf und flüsterte kaum hörbar: "Hat Euer Cousin denn nichts erzählt?" Er blickte rasch zu Dom Moritatio. Wahrscheinlich hatte der junge da Vanya genauso wie Gendahar versucht, den grausigen Fund zu verdrängen. Auch Gendahar war es zuwider, es auszusprechen, aber es half nichts. "Fenia ist tot ... wir haben sie gefunden, ich meine, ihren zerschmetterten ... Körper. Sie ist offenbar das Opfer der Harpyien geworden, die auch Praiodor in ihre Gewalt gebracht haben." Er senkte den Blick nach unten. "Ekelhafte Biester."
Autor: von Scheffelstein
Die Edle sah ihn an. Einen Moment herrschte Schweigen, selbst die Geräusche des Waldes, so schien es, waren leiser geworden. "Tot", sagte Richeza langsam. Sie senkte den Blick auf Praiodors Gesicht. Sonderlich erschüttert wirkte sie nicht, eher – nachdenklich? "Das ... tut mir leid." Sie führte die Hand an ihre Lippen, zupfte gedankenverloren an ihrem Daumennagel. Für einige Zeit schien es, als habe sie Gendahar vergessen. Sie sah auf den Jungen, seine bleichen, eingefallenen Wangen.
"Ich ... kann nicht für ihn sorgen", sagte sie, so leise, dass der Streitzig es kaum hörte. "Wenn er krank ist ..." Sie schüttelte den Kopf. "Und wenn er gesund wird ... Falls er gesund wird – braucht er ein Ausbildung. Jemand, der ihn erzieht." Sie atmete tief aus, wischte sich eine Strähne aus dem Gesicht. Sie hob wieder den Kopf, aber ihre Augen wanderten von links nach rechts, so als sei sie noch immer in Gedanken. "Dom Stordan, sagt Ihr?", murmelte sie, ohne ihn direkt anzusehen und seufzte.
Autor: Ancuiras
"Natürlich, mein Vetter ist der nächste Verwandte und zudem Oberhaupt der Familie Culming. Allerdings dürfte er bis auf Weiteres mit seinem Kampf um Land und Lehen beschäftigt sein." Gendahar wischte den Gedanken beiseite. "Um die Ausbildung und die Zukunft des Jungen können wir uns später Gedanken machen. Erst einmal muss er wieder gesund werden." Dafür musste man ihn so schnell als möglich aus diesem Gebirge bringen weg von Harpyien, Ferkinas - und streitbaren Magnatinnen. Außerdem waren sie auf Tsacharias' Hilfe angewiesen, denn bislang war er die einzige Hoffnung für den Jungen.
"Richeza, ich halte Einiges von Tsacharias' Fähigkeiten, auch wenn er dem Jungen noch nicht helfen konnte. Aber dafür braucht er wohl mehr Zeit. Könnt Ihr dafür sorgen, dass Eure Tante ihm diese Zeit und die Ruhe gewährt? Oder wird sie ihn bei ihrem nächsten Wutausbruch von einer Klippe werfen?"
Autor: von Scheffelstein
Richeza blickte den Streitzig an. "Domna Richeza", murmelte sie halblaut, ehe ihr Gesicht sich weiter verdüsterte. "Untersteht Euch, Dom Gendahar, solcherart von meiner Mutter Schwester zu sprechen! Sie ist ein ehrbarer Mensch und wirft niemanden einfach so im Zorn von der Klippe, der es nicht verdient hat! Schon gar nicht, wenn es sich", ergänzte sie leiser, damit der versunkene Tsacharias sie nicht hörte, "dabei um den Heiler handelt, den sie um des Jungen Willen zu suchen bereit war, obwohl es sie einiges an persönlichen Opfern kostete. Haltet Ihr sie für dumm? Oder mich? Ich werde nicht dulden, dass Ihr so über Domna Rifada redet! Auch Ihr habt Ihr einiges zu verdanken, denn ohne ihren heldenmutigen Einsatz wären nicht nur ich und der Junge, sondern auch Eure Nichte und ihre kleine wilde Freundin tot oder wieder bei den Ferkinas." Sie blies die Luft über die Lippen und strich Praiodor über die Stirn, als dieser im Schlaf stöhnte, ohne den Blick von dem Mann zu nehmen.
Dann schloss sie die Augen, rieb sich über die Stirn und seufzte erneut. "Ja", sagte sie, "natürlich werde ich tun, was ich kann, damit es Praiodor besser geht. Bei den Göttern, Dom Gendahar, glaubt Ihr, nach allem, was war, würde ich jetzt aufhören, um ihn zu kämpfen?" Sie schüttelte trotzig den Kopf. "Ich habe geschworen, dass ich für ihn sorge, bis ... bis Domna Fenia wieder ..." Sie blinzelte und senkte den Blick. "Ich hab' bei meinem Blut geschworen, an meines Onkels Grab, für ihn zu kämpfen. Und das werde ich auch! Eine von Scheffelstein bricht ihr Wort nicht. Und eine da Vanya auch nicht."
Autor: Romina Alba
Romina hatte den Blick der Scheffelsteinerin erwidert und war näher gekommen. Auch sie hatte diese wunderbare Ruhe gespürt, die Tsacharias Segen über sie brachte. Langsam schob sie sich neben ihren Onkel.
"Domna Richeza, habt Dank für Eure Hilfe, mein Onkel hat mir alles erzählt." Sie brach ab, als wüsste sie nicht, was sie noch sagen sollte. "Wenn Ihr mal Hilfe braucht ...", unsicher schob sie die Worte nach, "meldet Euch." Sie räusperte sich. "Und gebt mir bitte Nachricht, wie es Praiodor geht." Sie stand nah bei Gendahar, fast, als würde sie Schutz suchen. Plötzlich sah sie sehr jung aus, wirkte fast zerbrechlich.
Autor: Simanca
Unwillig beäugte Zaida die Vorkommnisse in der kleinen Gruppe. Es sagte ihr nicht so wirklich zu, dass man sich jetzt trennte. Tsacharias Segen hatte sie nur daran erinnert, wie gerne sie den alten Zausel hatte. Außerdem würde ihr Raffzahn fehlen. Und na gut, Moritatio auch. Also so irgendwie eben ... wer sollte sie denn sonst ärgern?
Sie seufzte leise und sah hinüber zu Praiodor. In den letzten zwei Tagen hatte sie immer wieder versucht, den Jungen mit Grimassen, eingefangenen Fröschen, die sie aus der Hosentasche zauberte, oder frechen Bemerkungen zum Lächeln zu bringen, hatte aber schnell begreifen müssen, dass irgendwer von Nöten war, der sich in der Heilkunst auskannte.
Energisch rieb sie sich über die Stirn und stiefelte dann entschlossen zu den Streitzigs und der Scheffelsteinerin hinüber. Das konnte man sich doch nicht mit ansehen! "Entschuldigt ... wieso reisen wir nicht zusammen weiter?", erkundigte sie sich. "Also ... zumindest um des Jungen willen? Wir könnten uns besser abwechseln, auf ihn aufzupassen?" Sie blinzelte unschuldig-mädchenhaft.
Autor: Ancuiras
"Wir könnnen nicht zusammen reisen, weil ..." Gendahar blickte von Zaida zu Romina, dann zu Richeza. Er wollte nicht noch einmal Rifada erwähnen, sonst würde Richeza sich wieder genötigt fühlen, sie zu verteidigen. Glaubte sie wirklich, was sie über ihre Tante gesagt hatte? Gendahar war sich sicher, dass Rifada schon so einige eine Klippe runter gestürzt oder über die Klinge hatte springen lassen, ohne sich auch nur zu fragen, ob sie es verdient hatten. Und Angehörige der Familie, die ihr den Grafenthron geraubt hatte, hatten es nach Rifadas Meinung ganz sicher verdient. Aber eine Diskussion darüber war jetzt müßig. "Wir müssen so schnell wie möglich in das Tal. Das bin ich Rominas Eltern schuldig." Er fand es selbst unpassend, dass er seine Nichte als Vorwand benutzte. "Domna Rifada wird noch heute Abend zurück sein mit ihren Leuten. Für Praiodor ist also gesorgt!"
Autor: SteveT
Sich räuspernd trat auch Moritatio zu der kleinen Versammlung hinzu und verneigte sich leicht vor Romina-Alba und Gendahar und petzte Zaida zum Abschied spitzbübisch in die Wange.
"Dom Streitzig, Euer Hochgeboren - meine Ehrerbietung, Ihr seid ein hervorragender Kämpfer und ich glaube, ich werde meinen Lebtag lang üben müssen, um einmal so schnell wie Ihr das Rapier führen zu lernen. Ich hoffe, wir sehen uns bei Hofe wieder - in einer Umgebung, wie sie Ehrenleuten eher angemessen ist."
Er salutierte vor dem älteren Magnaten und trat dann - sichtbar noch eine Spur verlegener - vor Romina hin, dabei seinen zusammengerollten Umhang mit dem Wappen der Hofjunker hinter dem Rücken hervorziehend.
"Domnatella, Ihr seid ... ähm ... ganz bezaubernd ... und ich bedaure, dass sich unsere Wege unter diesen widrigen Umständen gekreuzt haben. Bitte nehmt dies als Zeichen meiner Verehrung, denn ein Fräulein Eures Ranges sollte niemals in Fetzen gewandet am Hofe des Vaters einreiten müssen. Bitte verzeiht mein Betragen in der gestrigen Nacht, ich weiß nicht, was dort in der Höhle in mich gefahren ist."
Er lächelte schief und deutete auf seine kolossale Beule an der Stirn, wo ihn der Stein der Comtessa getroffen hatte: "Immerhin hat mir diese Blamage ein Andenken und Souvenir beschwert, das mich noch lange an Eure Person erinnern wird ..."
Autor: Romina Alba
Romina hatte sich freundlich Moritatio zugewandt und den Umhang angenommen. Als er auf seine Beule deutete, errötete sie leicht und senkte den Blick.
"Ich bitte um Verzeihung, Dom da Vanya, ich wusste mir nicht anders zu helfen, ich hoffe, es ist nicht mehr allzu schmerzhaft." Sie schaute ihm wieder in die Augen und lächelte. "Habt Dank für den Umhang, ich werde ihn in Ehren halten."
Kurz sah sie enttäuscht zu Richeza, die ihre Dankesrede zu ignorieren schien, dann wandte sie sich Zaida zu. "Kommt, Domnatella, es geht nicht anders, wir müssen aufbrechen und können nicht warten, bis Domna Rifada zurückkommt."
Autor: von Scheffelstein
Domna Richezas Aufmerksamkeit war von Romina zu Zaida gewechselt, und als sich Moritatio zu den anderen gesellte, hatte sie ihren Vetter mit einem langen Blick bedacht. Erst als die Comtessa sich zum Gehen wandte, schien ihr aufzufallen, dass sie noch eine Antwort schuldig war.
"Habt Dank für Eure freundlichen Worte", sagte sie, ohne aufzustehen, denn sie hatte noch immer den Kopf des schlafenden Knaben auf dem Schoß. Als Romina stehen blieb, lächelte sie leicht, zögerte und fügte hinzu: "Möget Ihr denen verzeihen, die Euch schlecht behandelt haben. Und möget Ihr selbst Euch vergeben können, dass Ihr Gefangene wart und ... wehrlos." Sie schwieg kurz, während sie die junge Frau betrachtete. Ihr Blick war ernst und eindringlich, aber es lag auch Mitgefühl darin. "Tragt es Euch nicht nach, Domnatella! Es ist nicht Eure Schuld, was geschehen ist. Ihr seid ein freundlicher Mensch und habt verdient, dass man Euch ebenso behandelt."
Autor: Ancuiras
Dom Gendahar warf einen Seitenblick auf die Nichte, wie sie die Worte aufnahm, die Erinnerungen an die Ferkinas hervorrufen mochten. Er konnte aber keine aufsteigende Gefühlswallung erkennen.
Ob so vieler freundlicher Worte kam er nicht umhin, selbst ein Lächeln zu zeigen. Er blickte zu Richeza, die ihn ein weiteres Mal in Erstaunen versetzte. Wie warm sie sprechen konnte! Mit einem Mal schien es ihm weniger dringlich, sich von den anderen zu trennen. Lag nicht die unbeschwerte Weisheit der Jugend in Zaidas Vorschlag, zusammenzubleiben? Verfolgten sie nicht alle das gleiche Ziel? – Vielleicht, aber die Abschiedsworte waren gesprochen und es hätte unentschlossen gewirkt, jetzt doch dazubleiben und sich nun doch der Führung und den besseren Ortskenntnissen der da Vanyas anzuvertrauen. Und Romina hatte recht: Wahrscheinlich suchte man sie schon längst und dann war es schlauer, sich nahe an den bekannten Wegen zu halten. Sie sollten nicht noch länger warten.
"Domna Richeza, Dom Moritatio, auch ich zolle Euch Dank, für alles, was Ihr für uns getan habt", sprach er und deutete eine Verbeugung an. Sein Blick fiel auf den schlafenden Praiodor. "Und du sei behütet auf deinem weiteren Weg, mögen Boron, Tsa und Peraine deinen Körper und deine Seele kurieren." Er wandte sich noch einmal an Richeza. "Verzeiht werte Domna, wenn mir der Hinweis zum Abschied erlaubt sei. In wenigen Tagen ist die Hochzeit des Kaisers. Falls es Euch wider erwarten möglich sein sollte, daran teilzunehmen, solltest Ihr Euch bei Gelegenheit eine andere Garderobe und eine modischere Frisur zulegen."
Bevor sie etwas erwidern konnte, hatte er sich mit einem Nicken an Romina und Zaida umgewandt und auf den Weg gemacht, sich von Krähenfreund zu verabschieden. Wenn dieser nicht noch immer die Augen geschlossen gehabt hätte, hätte er auf dem Antlitz des Thangolforsters ein breites Grinsen sehen können.
Autor: von Scheffelstein
Richeza klappte der Mund auf – und wieder zu, als der Thangolforster und die anderen sich dem Alten zuwandten. Ihre Tante hatte recht: Der Yaquirtaler war ein arroganter Geck! Einige wilde Herzschläge lang verschlug der Ärger ihr die Sprache. Dann rief sie ihm nach:
"Ihr habt ganz recht, Dom Gendahar, ich habe den guten Geschmack Eurer Familia und ihrer aktuellen Begleiter nicht ganz getroffen. Aber seid unbesorgt, ich werde Euch auf der Hochzeit nicht mit meiner Anwesenheit beschämen: Es gibt noch Leute in diesem Land, die es wider die Heiden verteidigen, statt ihnen Tür und Tor nach Almada zu öffnen oder sich gar mit ihnen zu vermählen!"
Autor: Romina Alba
Die Comtessa hatte sich wieder umgewandt, ihr kühler Blick war warm geworden und sie hatte das Lächeln Richeza erfreut erwidert. Doch bevor sie etwas sagen konnte, hatte ihr Onkel sich schon geäußert und das erwähnt, was sie erfolgreich verdrängt hatte. Die Hochzeit des Kaisers. Sie wurde bleich und rechnete nach, wie lange war sie in Gefangenschaft gewesen. Irgendwie hatte sie das Gefühl für die Zeit verloren. Sie war mit dem Orden gen Osten geritten, um diese Hochzeit zu umgehen. Die Hochzeit, die sie und Almada nur demütigen würden. Und jetzt war dieses verfluchte Fest immer noch nicht vorüber. Gehetzt sah sie sich um und hatte es mit einem Male gar nicht mehr so eilig.
"Onkel, vielleicht hat die kleine Zaida recht und wir sollten um des jungen Praiodors Willen doch noch bis Grezzado zusammenbleiben." Sie sah zu Richeza und nagte an der Unterlippe. "Welchen Tag haben wir eigendlich?"
Autor: Ancuiras
Der Thangolforster wandte sich um. Die Entschlussfreudigkeit schienen sie allesamt in den Bergen zurück gelassen zu haben, aber das betraf ihn selbst ebenso. Aber die Gründe, sich von den da Vanyas zu trennen, schienen mit einem Mal unwichtig, aus dem Zorn heraus geboren. Sicherer war die gemeinsame Weiterreise allemal, bei den allenthalben lauernden Gefahren. Er hob beschwörend die Hände. "Meinethalben, mir soll es recht sein, Praiodor zuliebe. Ich füge mich dem Votum der Jugend!" Er verneigte sich vor Zaida und Romina. "Warten wir gemeinsam auf Domna Rifadas Rückkehr ... wenn Ihr uns noch hier aushalten wollt, Domna Richeza. Denn wir Ihr seht", fügte er mit einer ausladenden Geste auf seine verdreckte und mit Blutresten besudelte Kleidung hinzu, "entsprechen wir selbst nur ungenügend der höfischen Kleiderordnung!"
Sein Blick wurde ernster. "Was die Vermählung angeht, so glaubt mir, gab es nur wenige, die weniger glücklich darüber waren als mein Herr Vater ..." Mehr musste er nicht sagen, denn Rominas gequälter Gesichtsausdruck sprach Bände. Nach dem Willen der Streitzigs hätte sie es sein sollen, die den Kaiser ehelichte, keine heidnische Wüstentochter. Vater hatte sich schon vor Jahren darum bemüht, eine Verlobung seiner jüngsten Enkelin mit dem Prinzen und später dem Großfürsten zu arrangieren, doch daraus war nie etwas geworden. Romina musste dies als große Demütigung erlebt haben, doch hier ging es ausschließlich um Politik. Gendahar war indes nicht allzu traurig gewesen, dass Romina nicht mit dem Kaiser vermählt wurde. Allzu düster hatte sich sein Charakter in den letzten Jahren entwickelt - kein Wunder bei einem, der aus dem Totenreich zurückgekehrt war, aber auch kein passender Gemahl für die lebensfrohe Romina. Vater hatte seine Enttäuschung im Kreis der Familie nicht verborgen, seine Loyalität zum Kaiser, dem Auserwählten, schien davon jedoch unerschüttert.
"Welchen Tag wir haben?", besann er sich der letzten Frage seiner Nichte. "Keine Ahnung. Haben wir schon den Rondramond?"
Autor: von Scheffelstein
Richeza quittierte die Entschlussfreudigkeit der Streitzigs und auch die Worte des Thangolsforsters mit einer hochgezogenen Augenbraue.
"Wie es aussieht", sagte sie zu Moritatio, aber laut genug, dass auch die anderen sie hören konnten, "ist unsere Anziehungskraft so groß, Vetter, dass selbst unsere unstandesgemäße Kleidung über unser vornehmes Erbe nicht hinwegtäuschen kann und man bevorzugt unsere Gesellschaft sucht."
Doch Moritatio schien den Spott in ihrer Stimme nicht zu bemerken, vielmehr schien er hoch erfreut, dass die Comtessa nun doch noch nicht abreiste. Unwillkürlich musste Richeza an eine Canzone denken, die sie vor der Landständeversammlung in Punin gehört hatte:
Liebste, gebt mir zu versteh'n:
Soll ich bleiben oder geh'n?
Sagt mir, bleiben wir zu zweit,
Bis ans Ende aller Zeit?
Gebt mir bitte zu versteh'n:
Soll ich bleiben oder geh'n?
Richeza runzelte die Stirn und wandte sich dem Streitzig zu. "Jedenfalls ist heute kein Tag, um ..." Sie bemerkte dass dieser sie musterte und senkte einen Moment lang irritiert den Blick. Als sie wieder aufsah, hatte sie vergessen, was sie hatte sagen wollen, und es erschien ihr auch nicht mehr so wichtig. "Ich ... äm", begann sie und merkte zu ihrem Missfallen, wie sie unter seinem Blick errötete wie ein junges Mädchen.
Ärgerlich schob sie das Kinn vor. "Beten wir, dass meine Tante bald wieder da ist, sonst sind wir bis dahin verhungert. Ich jedenfalls", grummelte sie.
Autor: Romina Alba
Ihr Onkel konnte es nicht lassen. Romina unterdrückte den Wunsch, mit den Augen zu rollen, konnte aber nicht verhindern, dass sich ein verstohlenes Lächeln auf ihre Lippen stahl, als der schöne Gendahar für seine Anzüglichkeiten nur spröden Spott erntete. Sie hatte Frauen, die ihm oder dem Vivar widerstanden, schon immer bewundert. Und sie wusste genau, dass die ebenso mit rahjanischer Schönheit ausgestattete Domna Richeza zu eben jenen Frauen gehörte. Bisher hatte sie noch gedacht, Domna Richeza wäre vielleicht gar nicht an Männern interessiert, doch ihre Reaktion gerade belehrte sie eines Besseren. Umso köstlicher war ihre Standfestigkeit und verdiente jeden Respekt.
"Eure Anziehungskraft ist fürwahr sehr groß, Domna", sie konnte es nicht lassen, ein wenig Öl ins Feuer zu gießen, "ich bin mir sicher, dass Ihr selbst in dieser Aufmachung weitaus schöner als die kaiserliche Braut wärt." Sie verzog das Gesicht. "Alle Seide des dekadenten Südens wird nicht verhüllen, welcher Gesinnung die Novadi ist."
Sie drehte sich weg, das hatte sie eigentlich nicht laut sagen wollen. Ihr Blick traf den Umhang, den sie noch in der Hand hielt. Sie sah auf, fand Moritatio und lächelte ertappt.
"Verzeiht, edler Junker, ich wollte unsere zukünftige Kaiserin nicht beleidigen. Wollt Ihr Euren Umhang zurück?"
Autor: von Scheffelstein
"Nichts weniger als das, Domnatella", kam Richeza einer Antwort ihres Vetters zuvor. "Denn bislang habt Ihr weder angemessenere Garderobe gefunden, noch seid Ihr bereits am Hofe Eures Vaters eingeritten." Und die Verehrung, die Euch mein Vetter entgegen bringt, ist im letzten Wasserlauf auch nicht gerade weniger geworden, dachte sie bissig, doch dann schämte sie sich. Da war seine Mutter gerade mal ein paar Stunden fort, schon sprach eine andere Frau an seiner Statt.
Abrupt drehte sie sich weg, schob Praiodor von ihrem Bein, das bereits eingeschlafen war, und lehnte sich zurück an die Felswand. Seltsam, da waren sie zum ersten Mal seit Tagen weitgehend in Sicherheit, ohne ein Zeichen von Ferkinas, wilden Tieren oder übelmeinenden Zauberern in der Nähe, sie hatte Praiodor gefunden, und es schien zumindest, als würde er die nächsten Tage noch erleben, und doch wünschte sie sich nichts sehnlicher, als dass ihre Tante bald zurückkehrte, nein, jetzt, in diesem Augenblick, als auch der Streitzig sich im Gras niederließ. Auf einmal war ihr sehr bewusst, mit nichts als einer Decke bekleidet zu sein, und sie hätte einiges um die Seide des dekadenten Südens gegeben. Nein, mehr noch um ihre alte, zerschlissene Reisekleidung, die ihrer Tante so unstandesgemäß erschienen war.
Angestrengt zupfte sie einige Blätter aus Praiodors Haar und lauschte, ob sie nicht irgendwo die laute Stimme Domna Rifadas vernahm oder das Bellen des Hundes, der ihr gefolgt war.
Autor: Ancuiras
"Dass eine solche Schönheit soviel Streit und Zorn hervorbringen kann." Der Streitzig streckte seine Beine aus und lehnte sich zurück. "Erstaunlich, meint Ihr nicht?" Er versuchte, Domna Richezas Augen ausfindig zu machen, aber sie wich seinem Blick aus. Konnte es sein, dass sie mit einem Mal schüchtern geworden war? Er zeigte auf die Bergkuppen hinter ihnen und die teils bewaldeten, teil felsigen Hänge unter ihnen. "Man sieht es der Landschaft nicht an, welch' mörderisches, wildes Gesindel es beiheimatet."
Er schüttelte den Kopf und seufzte, als habe er nur zu sich selbst gesprochen. "Gebt mir den Jungen eine Weile, er wird Euch sicher schwer, nach all der Zeit." Er beugte sich über die Domna und griff nach dem schlafenden Jungen. Seine Hand streifte kaum merklich die Decke über ihrem Bein, bevor er den Jungen zu sicher herüber hob und ihn in seinen Armen bettete. "Lasst uns ausruhen, dann können wir nachher noch etwas Wurzeln und Beeren sammeln, und vielleicht fängt Golshan noch ein Karnickel, bevor Eure Tante zurückkommt."
Er lehnte sich ebenfalls zurück an den Felsen und schloss die Augen.
Autor: von Scheffelstein
Kurz kräuselte sich Richezas Stirn, als sie sich fragte, ob das 'mörderische Gesindel' schon wieder eine seiner frechen Bemerkungen war oder ob er das Thema gewechselt hatte. Gerade war sie zu dem Schluss gekommen, dass sie die Worte als Frechheit betrachten musste, und wollte etwas Bissiges erwidern, als ihr ein neuer Gedanke kam: Er provozierte sie mit Absicht! Und dass er sich so unverschämt nah heran gesetzt hatte, lag auch nicht daran, dass die Wiese zu klein war! Und Praiodor – Götter, er interessierte sich bestimmt nicht im Mindesten für Praiodor, auch wenn der zehnmal sein Neffe war, der Junge hatte doch ganz friedlich im Gras gelegen und musste nicht gehalten werden wie ein Säugling!
Richeza warf dem Mann einen misstrauischen Seitenblick zu, doch er hatte die Augen geschlossen und tat ganz unschuldig, ein kaum merkliches Lächeln auf den Lippen. 'Er genießt nur die Sonne', dachte sie.
'Ja, gewiss, die Sonne: Wie dumm bist du eigentlich, Richeza?'
Die Worte ihrer Tante kamen ihr in den Sinn. Ich fürchte, Du hast eine zu romantische Vorstellung von den Männern, mein Kind. Sie tun grundsätzlich niemals etwas ohne Hintergedanken.
Die entscheidende Frage war nur: Was waren die Hintergedanken? War das alles nur ein amüsanter Zeitvertreib für ihn oder konnte es sein, dass ...
Nein, verdammt! Die entscheidende Frage war: Warum stellte sie sich so dämliche Fragen?
Kurz war es Richeza, als habe der alte Tsacharias, der in einiger Entfernung auf einem Stein saß, ein Auge geöffnet und zwinkere zu ihr herüber. Oh, er hatte das alles eingefädelt! Ganz sicher!
Richeza schlang die Arme um die Beine und legte den Kopf auf die Knie. Sie würde einfach schlafen, bis ihre Tante zurückkehrte. 'Wo steckt Ihr überhaupt so lange, wenn man Euch braucht?', dachte sie misslaunig. Dann kam ihr ein neuer Gedanke: Was würde ihre Tante denken, wenn sie jetzt zurückkäme, und ihr Sohn machte der Comtessa schöne Augen und sie selbst säße keine Armeslänge von dem Streitzig entfernt, obwohl sie überall sonst auf der Wiese sitzen könnte? Bestimmt würde sie das Falsche denken!
'Allerdings: Ich saß zuerst hier!', dachte Richeza.
Und während sie noch grübelte, entspannte sie sich allmählich, und ihr Atem ging ruhiger, und die Müdigkeit hüllte sie ein wie ein warmer Mantel.
Autor: SteveT
"Rahja bewahre!", wehrte Moritatio leicht errötend seinen Umhang ab, den die schöne blonde Comtessa ihm zurückgeben wollte. "Ich hätte ohnehin bereits vor ein paar Tagen wieder meinen Garnisonsdienst in Punin antreten müssen. Mein Colonello Filippo di Lacara wird mir so oder so den Kopf herunterreißen und das versammelte Banner damit Imman spielen lassen - ob ich nun auch noch ohne mein Cape zurückkehre, spielt da wirklich keine Rolle mehr."
Mit etwas Befremden registrierte er danach das für ihn verwirrende Zwiegespräch zwischen dem Streitziger und seiner angebeteten Base. Machte ihr der viel ältere Yaquirtaler Gockel etwa den Hof und neckte sie deshalb? Aber nicht in seiner Gegenwart! Ein Yaquirtaler in der Familia war sowieso undenkbar - noch dazu als Galan seiner Richeza - doppelt unmöglich!
Moritatio setzte sich so dicht neben Richeza ins Gras, wie es gerade noch schicklich war und lehnte sich ebenfalls zurück, als ob er gerade jetzt ganz dringend ausruhen müsse - seine langen Beine dabei wie eine Barriere zwischen seiner Base und dem Thangolforster ausstreckend.
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