Chronik.Ereignis1033 Feldzug Raschtulswall 09
Kaiserlich Selaque, 19. Praios 1033 BF
Nahe Elenta
Rückkehr zum Castillo da Vanya
Autoren: von Scheffelstein, SteveT, Simanca
Die Sonne kletterte höher und höher über die schneebedeckten Gipfel des Raschtulswalls. Die Regenwolken der Nacht hatten sich aufgelöst, allein im Norden verdeckte ein finsterer Streifen die Ausläufer der Berge. Die Söldner waren guter Dinge. Gestärkt vom Brot und beschwingt vom Wein der alten Udinia erzählten sie sich von vergangenen Abenteuern. Anzures Ballan hatte Dom Gendahar freiwillig sein Ross überlassen und eine der Mercenarias hatte darauf bestanden selbst die Zügel zu führen, damit "der arme hohe Herr" nicht herabfalle. Eine Riesin von Frau war sie, kaum kleiner als der Yaquirtaler selbst und an Muskeln der Vanyadâlerin in nichts nachstehend, diese aber um einen halben Kopf überragend. Und doch warf sie dem Grafensohn immer wieder verstohlene Blicke zu und wandte - scheu wie eine junge Dienstmagd - den Kopf ab, wann immer der Streitzig zu ihr herunter sah, gerade als schämte sie sich ihres einst von einem Säbelhieb entstellten Gesichts, das wahrlich so aussah, als wäre es von einem Pfuscher wieder zusammengeflickt worden: ein Auge stand tiefer als das andere, die Nase hatte einen Knick nach innen, und eine Narbe spaltete das trübe rechte Auge, die Lippen und den linken Kieferbogen.
Dom Hernán und sein Waffenmeister gingen hinter einer Vanyadâler Späherin voran, sich leise unterhaltend. Die übrigen Magnaten schwiegen und hingen ihren Gedanken nach, während die kleine Schar durch den Pinienwald hinab ins Tal ritt. Auf halber Höhe hielt der Aranjuezer mit einem Mal sein Ross an und hob die Hand, um auch den anderen Einhalt zu gebieten. Eine Weile lauschten sie in die morgendliche Stille hinein, die nur unterbrochen wurde vom Gesang der Vögel und dem Glucksen eines nahen Baches. Dann aber vermeinten sie, Stimmen zu vernehmen, Rufe, die der Wind aus dem Tal zu ihnen herauftrug, ja, sogar Waffengeklirr war zu hören.
Domna Rifada schickte die Späherin nordwärts auf einen Seitenpfad, um sich einen Überblick zu verschaffen, und kurz darauf kehrte die Frau zurück und berichtete, unter ihnen in einer Schlucht hätte sie Ferkinas gesehen. Die Vanyadâlerin wollte sich nun selbst ein Bild machen, und so bewegte sich die Gruppe so leise wie möglich voran, bis der Pfad sich zwischen Klippen oberhalb eben jener Schlucht verlief, in der der Rossbanner-Orden sein schreckliches Ende gefunden hatte.
Von genau dort, wo sie jetzt standen, sagte die kleine Zaida, hätten die Ferkinas mit vergifteten Pfeilen auf die Ritter geschossen und sie mit Felsbrocken und Speeren beworfen. Domna Rifada hieß eine Kriegerin, ihre Nichte Richeza und Dom Hernán, sie zu begleiten, und bald lagen sie zu viert hinter Felsblöcken und Sträuchern verborgen und blickten hinab in die gut dreißig Schritt tiefe Schlucht.
Und wirklich: Dort kämpften Ferkinas. Aber weder hatten die toten Ritter sich wieder erhoben, um sich an ihren Mördern zu rächen, noch hatten sich andere Selaquier an den Ort des Grauens verirrt. Nein, die Barbaren schienen sich untereinander um die Beute zu streiten, rissen und zerrten an den Helmen und Schwertgehängen der Verstorbenen und schlugen sich gegenseitig die Schädel ein mit den erbeuteten Waffen.
"Die spinnen ja völlig", flüsterte Richeza, und eine Weile verfolgten sie gebannt das Schauspiel. Mindestens vierzig oder fünfzig Ferkinas waren dort unten in der Schlucht versammelt, die genaue Zahl ließ sich schwer schätzen, da viele der Wilden zwischen den Büschen und Bäumen herumliefen und sich immer wieder nach den Toten bückten.
Plötzlich ballte Domna Rifada die Fäuste. Da ritt doch der dreiste Dieb auf ihrem stolzen Almanzor! "Das Rossbanner!", sagte sie, "diese ver..." Aber Richeza hielt ihr kurzerhand den Mund zu.
"Still!", flüsterte die Edle erschrocken, denn selbst, wenn ihre Tante leise sprach, hallte ihre Stimme noch bedenklich von den Felsen wider. Zum Glück aber waren die Ferkinas zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Die Vanyadâlerin schien wild entschlossen, ihr Ross und das heilige Banner nicht ein weiteres Mal verloren zu geben, doch Richeza redete auf sie ein, dass es sinnlos wäre, die Ferkinas zu verfolgen, zum einen seien sie gewiss schon fort, bis man den Weg zurückgenommen hätte und dann in die Schlucht geritten sei, schließlich könne man nicht einfach hier die dreißig Schritt auf die Wilden hinunter springen. Zum anderen aber seien es nun wahrlich zu viele Ferkinas, als dass man es mit ihnen aufnehmen könne. Domna Rifada riss vor Wut einige vertrocknete Grasbüschel aus dem Boden, hatte jedoch mit aufeinander gebissenen Zähnen ein Einsehen.
Im Folgenden war die Vanyadâlerin in finsterer Stimmung. Diese wurde genährt von der Tatsache, dass sie erneut einen gehörigen Umweg in Kauf nehmen mussten, um den Ferkinas zu entgehen. Als schließlich Dom Gendahar in der gleißenden Mittagssonne in Ohnmacht fiel und sie ihn vom Pferd heben und in den Schatten legen mussten, damit er wieder zu sich käme, schlug die Junkerin im Vorrüberreiten auf eine junge Birke ein, dass deren Stamm splitterte und in den Bach Selaqua stürzte, an dem sie eine Rast einlegten.
Als der Yaquirtaler nach einem Wasserlauf noch nicht wieder erwacht war, zog sie den Bewusstlosen vom Boden hoch und warf ihn sich wie einen Sack Kartoffeln über die Schulter, um ihn - alles andere als sanft - zu seinem Pferd zu tragen und ihn bäuchlings über den Rücken des Tieres zu werfen. "Vorwärts!", befahl sie in ihrer üblichen Donnerstimme. "Es ist nicht mehr weit! Wir können nicht den lieben langen Tag auf die Genesung dieses Gecks warten!“
"Das könnt Ihr nicht tun!", rief Richeza und sah für einen Moment nicht minder erschrocken aus als die Söldnerin, die nur durch beherztes Zupacken verhinderte, dass Dom Gendahar von ihrem Ross rutschte. "Was, wenn er stirbt?"
"Schmachfug!", knurrte die Vanyadâlerin. "Er hat das Massaker in der Schlucht überlebt, dann wird er die nächsten drei Meilen auch noch schaffen. Wenigstens so lange, bis er uns verraten hat, wo wir deinen kleinen Vetter finden."
Richeza senkte ertappt den Blick, musste sie doch zugeben, dass genau dies ihre größte Sorge war. Doch wie er so über dem Pferd hing, leichenblass in seinem von Blut verdrecktem Hemd, konnte er ihr fast leidtun. Der Anblick weckte unschöne Erinnerungen an jenen Tag, als die Schergen des Beys von Fercaba sie nahe Alming überfallen, niedergeschlagen und eben so über ein Pferd geworfen hatten. Im Thangolforst.
"Zum Glück müssen wir uns um die Ferkinas kaum Sorgen machen, wenn sie sich schon untereinander kaltmachen!", versuchte Moritatio, seine Base zu beruhigen.
"Schwachkopf!", brummte die Junkerin, beinahe gutmütig. "Das waren nicht nur Bâni Khadr, da war noch ein anderer Stamm dabei, hast du die Ziernarben nicht gesehen?"
"Seid Ihr Euch sicher, Mutter?", fragte Moritatio. "Die sahen doch alle gleich aus."
"Für dich vielleicht", beschied Domna Rifada und bedachte ihren Sohn mit einem kritischen Blick. "Ich erkenne einen Iban Khadr, wenn ich ihn sehe, auf Meilen!" Damit schwang sie sich auf ihr Roß und gab ihm die Sporen.
Richeza betrachtete den Bewusstlosen noch für einen Moment. Wo war der Thangolforster damals gewesen, als Novadyas sie von seinem Lehnsland entführten? Ihre Tante hatte recht: Drei Meilen waren nicht weit. Sie hatte den Kerker der Amhashal überlebt – mit einem schlimmeren Fieber als seinem –, da würde er es wohl gerade noch bis zum Castillo da Vanya schaffen! Und doch ritt sie hinter der Söldnerin und achtete wohl darauf, dass diese ihr Pferd durch kein unnötiges Schlagloch führte.
Energisch drängte sich Zaida an den Söldnern vorbei und lief an der Seite des Pferdes, auf dem der ohnmächtige Gendahar saß.
Autor: SteveT
Als die Gruppe endlich wieder in das auf drei Seiten von schroffen Gebirgswänden umschlossene Vanyadâl einbog, hatte sich der Himmel merklich zugezogen. Grauschwarze Regenwolken schichteten sich bizarr über den im Norden, Süden und Osten aufragenden Gipfeln zu einem bleiernen Himmel auf. Spätestens in ein, zwei Stunden war wahrscheinlich wieder eines der scheinbar unvermeidlichen bosquirischen Gewitter im Anmarsch.
Auf dem letzten Wegstück zum Dorf Vanyadâl hob endlich auch blinzelnd der bewußtlose Streitziger wieder seinen Kopf und nahm wahr, daß er wie ein Sack Rüben über dem Rücken eines ihm unbekannten Pferdes hing. Auf Richezas Warnlaut, die hinter ihm geritten war, hielt die Söldnerin, die das Pferd die ganze Zeit geführt hatte, sofort an und half dem "armen hohen Herrn" unter einem verlegenen schiefen Grinsen vom Pferderücken herunter, so daß er das Pferd anschließend wieder so besteigen konnte, wie es einem Mann seines Standes eher geziemte.
"Sieh an - unser Yaquirtaler ist zurück aus Marbos Armen!" stellte Domna Rifada ohne größere erkennbare Begeisterung fest, während ihr Sohn Moritatio Gendahar seinen Wasserschlauch reichte - nicht bloß, um daraus zu trinken, sondern auch, um sich etwas von dem eiskalt geschöpften Nass aus der Selaqua in den Nacken zu gießen, wie er ihm vorschlug. Das brachte die Lebensgeister gemeinhin recht schnell wieder zurück.
"Ihr habt es fast geschafft!" ermunterte ihn Moritatio und wies nach vorne an die Spitze des Zuges, der neben seiner Mutter von Dom Hernán und der kleinen Zaida gebildet wurde, die inzwischen zum wiederholten Male beteuerte, gar nicht die Enkelin der Hexe Udinia zu sein, was Domna Rifada aber nach wie vor glaubte, sondern in Wahrheit aus einem Magnatengeschlecht der Waldwacht zu stammen, das den ganzen Ragatiern hier eben nur nicht bekannt war.
"Spar Dir die Flunkerei, Kind!" wies sie Rifada zum x-ten Male zurecht. "Wenn der Stenz verreckt, dann führst Du uns stattdessen zu Deinem Großonkel und damit basta! Andernfalls lernst Du mal meine harte Seite kennen! Ich bin beileibe nicht immer so ein zartes frommes Lämmchen wie heute!"
Nun kamen die strohgedeckten, eng beieinander stehenden Hütten Vanyadâls hinter einem Ringwall aus angespitzten Palisaden ins Blickfeld und darüber thronte, majestätisch auf einem granitenen Felssockel gelegen, das zwölftürmige Castillo da Vanya. "Rondraseidank kommen wir noch ins Trockene bevor der Schlagregen losbricht!" munterte die Burgherrin all ihre Begleiter auf. Sie wunderte sich innerlich etwas, wieso sie keinen einzigen ihrer Eigenhörigen auf den Schollen rund um das Dorf schuften sah. Faules Dreckspack! Hatten sich wahrscheinlich allesamt verkrochen, nur weil hier und da mal ein paar Ferkinas durch die Talschaft streiften. Daran sollten sie sich doch langsam gewöhnt haben! Bevor sie morgen mit Richeza hinauf ins Gebirge kraxelte, musste sie dem faulen Gesindel nochmal richtig ein Feuer unterm Hintern schüren!
Wie bei bislang jedem ihrer Eintreffen auf der Burg, war auch diesmal wieder die Zugbrücke hochgezogen und es schallte die Frage "Parole?" herab, nachdem sie sich durch einen lauten Pfiff bemerkbar gemacht hatte.
"Nieder mit Praiosmin!" brüllte Rifada genüßlich hinauf und warf Richeza grinsend einen vergnügten Blick zu. Unter allen denkbaren war dies ihre unangefochtene Lieblingsparole ...
Sofort senkte sich ratternd die Zugbrücke und das Fallgatter wurde quietschend emporgezogen. "Zehneinhalb Schritt hohe Mauern. Zwei Schritt dick. Achtzehn Schritt hohe Tortürme. Je neun Schritt im Durchmesser. Vier Pechsäcke an schwenkbaren Kränen oben an der Barbakane über dem Tor. Überdachter Wehrgang. Das Fallgatter - anderthalb Quader schwer!", begann Rifada stolz, an den nach wie vor fiebernden Gendahar gerichtet, die baulichen Merkmale ihrer Burg herunterzurattern, während die Gefährten über die Zugbrücke durch den dunklen Torturm in den lichten Burghof ritten. "Ich wette, dergleichen habt Ihr bei Euch im brav-sicheren Yaquirtal nicht vorzuweisen, hab ich Recht?"
Ihr Sohn wunderte sich derweil etwas, da seine Mutter fälschlicherweise die Parole gerufen hatte, die eigentlich gestern gültig gewesen wäre - und trotzdem hatten diese Vollidioten das Tor geöffnet!
Rifada hatte ihre ohnehin nur rein rhetorische Frage an Gendahar kaum zuende ausgesprochen, als das Fallgatter plötzlich und ohne Vorwarnung postwendend wieder nach unten sauste. Das schwere Eisengitter mit den angespitzten Enden begrub einen der Söldner Dom Hernáns unter sich, der von den spitzen Eisenstäben im Genick aufgespiesst und zerquetscht wurde und nur noch einen kurzen, markerschütternden Schrei ausstoßen konnte, bevor er seine Seele direkt zum Schwarzen Cumpan sandte.
"Was zum....?" drehte sich die Vanyadâlerin verblüfft und erschrocken im Sattel herum und sah das schreckliche Schicksal des Mercenarios, ohne es recht begreifen zu können. Welcher Hornochse stand denn da an der Winde des Gatters? Dafür musste er kopfüber aufgehängt und ausgepeitscht werden - das war sie dem Dubianer nunmehr schuldig! Außer ihr selbst und dem Streitziger waren bislang nur Richeza, Moritatio, Dom Hernán, eine ihrer Geleitreiterinnen und die grobschlächtige Mercenaria, die das Roß des Yaquirtalers führte, in den Burghof gelangt - alle anderen, darunter auch Zaida, Anzures Ballan und das Waisenkind, das sie unterwegs aufgesammelt hatten, standen noch draußen vor dem Fallgatter und schrien entsetzt wild durcheinander.
"Das Gatter! Zieht sofort das verfluchte Fallgatter hoch, ihr dämlichen Bastarde!" brüllte Rifada in einer so furchterregenden Lautstärke auf die Zinnen der Barbarkane hinauf, dass jede ihrer Burgwachen gewußt hätte, was die Stunde geschlagen hat - wären es denn solche oben auf den Zinnen gewesen.
Stattdessen aber begann sich nun zu allem Überfluß auch noch die Zugbrücke quietschend wieder zu heben, so daß die Unglücklichen draußen, die sich zum Großteil auf eben dieser befanden, nur mit einem beherzten Sprung in die stinkende Brühe des umlaufenden Burggrabens in Sicherheit bringen konnten, die durch die starken Regenfälle der letzten Tage glücklicherweise aber immerhin tief genug war, dass ein jeder im Wasser und nicht auf dem harten Boden aufschlug.
"Seid ihr denn von allen guten Geistern verlassen" brüllte Rifada nun wie am Spieß und zoh ihr Krummschwert. "Was ist das hier für eine ork'sche Verräterei?"
"Die Waffen weg! Wir sind Dreißig!" schallte es von oben herab, wo ein dicker Schnauzbartträger in einem grün-weißen Wappenrock aus dem Inneren eines der Ecktürme, wo er sich bislang verborgen hatte, hinaus ins Freie auf den Wehrgang trat. Tatsächlich erschienen auf seinen Ruf hin weitere Bewaffnete in derselben Gewandung auf den Zinnen. Drei darunter, die geladene und gespannte Bögen in den Händen hielten, nahmen die Gruppe von den Türmen des Castillos aus ins Visier. Aus der sich öffnenden Tür des Palas' drängelten sich weitere Bewaffnete mit gezogenen Klingen in der Hand hinaus in den Hof. Im Gegensatz zu den Gerüsteten auf den Wehrgängen und Türmen trugen diese aber vorranging die Farben Schwarz, Weiß und Gold.
"Sieh an, sieh an!" ätzte Rifada, die den wohlbeleibten Schnauzbartträger oben auf den Zinnen an seiner Stimme und an seinem Helm mit weißem Federbusch sofort erkannt hatte. "Unser fetter Capitano Giordan Schlehwein verlässt tatsächlich noch einmal die Tafel und den Weinkeller - oder sollte ich gar sagen: das sündige Bett - seiner Herrin! Hat euch unsere angebliche Bosquirsche Jungfer, die Ketzerin und Dämonenbuhle Praiosmin, ausgeschickt, euch wie feige Ratten auf meine Burg zu schleichen, wenn ich einmal kurz außer Haus zu tun habe?"
Sie wandte sich leise zischend an ihre Gefährten: "Zieht! Und keiner wirft die Waffe weg! Der Kerl ist ein feiger Hund und sie sind in Wahrheit viel weniger, als er behauptet!"
"Haltet Euer freches Maul, Junkerin!" antwortete ihr unterdessen der Capitano der Selaquer Wehr genauso brüllend, wobei sich seine Stimme aber vor Zorn krächzend überschlug, da er das laute Herumbrüllen doch nicht ganz so gewohnt war wie Rifada. "Ihr seid eine Hochverräterin und Lehnseidbrecherin! Ich verhafte Euch im Namen Eurer kaiser- und praiosbefohlenen Herrin und werde Euch in Eisen nach Selaque bringen, wo Euch der Proceß gemacht werden wird, damit Ihr Euer gerechtes Urteil empfangen könnt! Über das Schicksal der Euch begleitenden Personen wird ebenfalls Ihre Hochgeboren, die Reichsvogtin, entscheiden! Hört Ihr nicht, ihr Aufrührer? Die Waffen nieder, habe ich gesagt!"
Autor: von Scheffelstein
Ungläubig starrte Domna Richeza auf den toten Mercenario und die sich hebende Zugbrücke, zog aber auf Geheiß ihrer Tante den Säbel. Als der dicke Gardist auf dem Wehrgang weiterbrüllte, schüttelte die Edle sich, wie um sich von einem Traum zu befreien. Vergeblich. Was war das nur für ein Tag? Erst mussten sie in einer rauchenden Ruine nächtigen, dann durch Finsternis und Regen reiten, um nicht von Wilden abgeschlachtet zu werden, und als sie sich endlich am Ziel glaubten, weigerte sich diese verfluchte Hexe, ihnen weiterzuhelfen, stattdessen hatten sie jetzt einen halbtoten Yaquirtaler Frauenhelden am Hacken, auf den sie auch noch angewiesen waren, wollten sie erfahren, wo Praiodor und der Heiler sich versteckten und nun - durfte das wahr sein? - hatte jemand in ihrer kurzen Abwesenheit das Castillo ihrer Tante überfallen, nannte sie alle Verräter und drohte mit Gefangennahme ...
Richeza platzte der Kragen, zum zweiten Mal an diesem Tag. "Was seid Ihr denn für ein Vogel?", brüllte sie und schwenkte wütend ihren Säbel in Richtung des dicken Mannes. "Kommt da runter, und ich mach' Euch zu Hackfleisch! Was denkt Ihr eigentlich, mit wem Ihr es hier zu tun habt? Ihr habt gerade einen Mann getötet, Ihr fettes Arschloch! Stellt Euch zum Kampf, dann spürt Ihr selbst, wie es sich anfühlt, Eisen im Gedärm zu haben! Ihr Schweinehund! Die Reichsvogtin, sagt Ihr? Die kommt mir gerade recht! Ohne mich" - Richeza hämmerte sich mit dem Säbelknauf gegen den Harnisch - "wäre die Alte weder Reichsvogtin noch hätte sie sich wieder einen Arsch anfressen können, der diese Bezeichnung verdient! Hört Ihr das? Die alte Vettel schuldet mir Ihr Leben und ihre Freiheit! Also haltet besser Euer verdammtes Maul und steckt Ihr die Waffen weg! Wenn nur einer von uns einen Kratzer abbekommt, dann wird die Alte den Rest ihres Lebens in Al'Muktur verbringen, das schwöre ich! Und diesmal holt sie keiner da raus! Euch aber wird man kopfüber am Ragather Stadttor aufhängen, bis Euch die Pisse ins Gesicht läuft und die Geier Eure Eier fressen!" Die Edle ritt ein Stück vorwärts in den Hof hinein, um den Mann näher in Augenschein zu nehmen. "Heißt noch einmal ein Mitglied meiner Familia Verräterin, und ich sorge dafür, dass die Geier hungrig bleiben!", sagte sie drohend. "Was ist jetzt? Ist die Vogtin hier? Dann holt sie her! Ich hab' ein Hühnchen mit ihr zu rupfen!"
Autor: SteveT
"Was? Wie wagt Ihr ehrlose kleine Hure, über meine Herrin zu reden?", donnerte der Capitano mit knallroten Wangen zurück, daß vor Wut sein mächtiger Schnauzbart zitterte. Er deutete mit der Spitze seines Säbels auf Richeza und nickte dem Bogenschützen auf dem Turm im Rücken der Scheffelsteinerin zu. "Cousine!", brüllte Moritatio, der im Gegensatz zu ihr sah, daß der dortige Gardist sofort schoß. Ohne viel Zeit zum Nachdenken, riß er sein Schwert hoch, in dem vergeblichen Unterfangen, den heransausenden Pfeil damit abzuwehren.
"Aaaaaargh!" Moritatio schrie auf. Obwohl er ein Kettenhemd trug, war der Pfeil, der andernfalls Richeza in den Rücken oder ins Genick getroffen hätte, durch das Kettengeflecht fast einen Finger tief in seinen Unterarm eingeschlagen. Er zischte und stöhnte vor Schmerz zwischen zusammengebissenen Zähnen, sein Schwert fiel zu Boden.
"Lump!" brüllte Rifada, und im nächsten Moment sauste ihr Krummschwert kreiselnd durch die Luft, das sie nicht etwa auf den Schützen - der war zu weit weg -, sondern direkt auf Giordan Schlehwein zu geschleudert hatte. Der Capitano wollte sich mit einem Hechtsprung zur Seite, zurück in den Turm, in Sicherheit bringen. Doch bevor seine Beinmuskeln überhaupt reagieren konnten, war das Schwert schon da. Mit einem schrecklichen Vernichtungsschmerz fühlte er, wie ihn die sich drehende Klinge mit der Spitze voran voll im ungepanzerten Unterleib traf, direkt zwischen den Beinen. Panisch schreiend ging er zu Boden, sein durchspießtes Teuerstes mit beiden Händen umklammernd, während all seine Gardisten - und sogar auch Dom Hernán oder Dom Gendahar - mitffühlend die Luft einsogen und lieber gar nicht weiter hinsehen wollten ...
Währenddessen stand die Frau, der die Zornrede Richezas gegolten hatte, mit verbissenem Gesichtsausdruck hinter dem Vorhang an einem der Fenster des Palas - in dem von ihren Soldaten verwüsteten und zu Klump geschlagenen ehemaligen Schlafzimmer der Madalena da Vanya - und starrte, ungläubig den Kopf schüttelnd, in den Hof auf deren hitzköpfige Tochter hinab. Immer wieder kam ihr die Enkelin ihres greisen Lehnsnachbarn aus Kornhammer in die Quere und mischte sich in ihre Angelegenheiten ein! Wenn man sie da so wie eine Übergeschnappte herumschreien und zetern hörte, wußte man sofort, wessen Blutes Kind sie in Wirklichkeit war! Ihr häßliches, älteres Spiegelbild, die treulose Verräterin Rifada, stand ja direkt neben ihr! Hatte das miese, kleinwüchsige Weibstück, das man offenbar nicht zu Unrecht landauf landab "die ragatische Furie" nannte, nicht auch Aureolus' Existenz an den Kanzler und an ganz Almada verraten? Selbst die Schmierfinken vom Haus Yaquirblick hatten sich darüber das Maul zerissen und die Frucht der großen, unsterblichen Liebe zwischen Rakolus und ihr wie etwas Schändliches, Unheilvolles dargestellt und in die Welt hinausposaunt! Wahrlich, auch wenn sie eigentlich nur die treulose Verräterin Rifada für ihre Taten zur Rechenschaft hatte ziehen wollen, sollten nun auch die Scheffelsteinerin und der dämliche Sohn der Vanyadâlerin eine Bestrafung erhalten, die sie beide ihren Lebtag nicht vergaßen!
Sie nahm das geweihte Sonnenszepter zur Hand, ihre bevorzugte Waffe, die ihr ihr einstiger Mentor, Großinquisitor Amando Laconda, vor vielen Jahren zum Geschenk gemacht hatte. Nun aber hatte es Seine Eminenz nicht einmal für nötig erachtet, auf ihre flehentlichen Hilfsgesuche zu reagieren - zum Namenlosen mit ihm und seiner ganzen Drecksippschaft! Sie hörte die markante Stimme von Ordonyo di Alina und trat daraufhin selbst mit einem triumphierenden dünnen Lächeln auf den Lippen hinaus auf den Balkon des Hauptgebäudes ins Freie. Sie hatte für diesen Tag ganz bewußt das goldglänzende Ornat angelegt, wie ihn Laienmitglieder der Suprema gewöhnlich zu hohen Feiertagen trugen.
Ordonyo di Alina, der bislang nur Rifada bekannte und außerordentlich verhasste Junker der Nachbardominie Alina zwischen Schrotenstein und Selaque, war zwischen seinen das Elsterwappen tragenden Waffenknechten hinaus in den Hof getreten und schob eine am ganzen Körper zitternde und schlotternde Gestalt vor sich her, der er sein Stilett an die Kehle hielt.
"Habt ihr es allesamt an den Ohren, verräterisches Pack? Die Waffen weg und die Hände in die Höhe, oder der Fettsack hier stirbt!" Demonstrativ drückte er sein Stilett fester an den Hals des Burgherrn Berengar von Schlehen, so daß ein dünner Blutstropfen über dessen Kehlkopf rann und er nur angstvoll krächzend hervorbringen konnte: "V-V-Verzeih mir, Liebling! Sie kamen in der Nacht, gaben sich für euch aus! Sie ... sie kannten die Parole ..."
Autor: von Scheffelstein
Richeza kochte vor Wut, so sehr, dass sie weder bemerkte, dass sie für einen Augenblick in Lebensgefahr schwebte, noch, wer sie daraus errettete. Hätte ihre Tante den Gardisten nicht bereits entmannt, sie wäre die Treppe zum Wehrgang hochgestürmt und hätte ihm jedes seiner Körperglieder einzeln abgeschnitten! Niemand nannte sie ungestraft eine Hure!
Eine Bewegung am Hauptgebäude lenkte sie von dem röchelnden Fettsack ab.
"Sieh an, Domna Praiosmin!", rief sie der alten Vogtin zu. "Habt Ihr Euch bei den Ferkinas so sehr an die Gesellschaft von Barbaren gewöhnt, dass Ihr Euch auch in der Heimat mit Halsabschneidern umgeben müsst?"
Doch ehe noch die Vogtin antworten konnte, schubste einer ihrer Leute den armen Dom Berengar in den Hof und befahl ihnen, die Waffen zu strecken. Einen Moment nur zögernd, blickte die Edle zu ihrer Tante und senkte den Säbel, wandte sich dann aber sogleich an die Vogtin.
"Verdammt noch mal, Domna Praiosmin, seid Ihr übergeschnappt? Oder habt Ihr Euer Augenlicht verloren?" Sie wies mit der Linken hinter sich. "Dom Hernán von Aranjuez, der Baron von Dubios, ist Euch vielleicht ein Begriff. Und dort Dom Gendahar von Streitzig, der ... Schwager Eures verdammten Grafen. Lasst meinen Oheim frei und kommt zu Sinnen! Das Schwert wird zu gut sein für Euer Haupt, wenn Ihr Euch an Mitgliedern der Nobleza vergeht!"
Autor: SteveT
Reichsvogtin Praiosmin von Elenta wank schnippisch ab. "Mit den beiden Herren habe ich in der Tat nichts zu schaffen, wenn man einmal davon absieht" - ihre Stimme wurde schneidend - "daß sie schwerbewaffnet Seite an Seite mit einer der Felonie beschuldigten Hochverräterin durch mein Lehnsland streifen, ohne dafür zuvor meine Erlaubnis eingeholt zu haben!" Ihr dünnes Triumphlächeln kehrte zurück.
"Aber gut - ich bin eine gnädige Herrin! Streckt die Waffen und meine Soldaten werden Euch beide und Euer Gefolge an die Grenze zu Schrotenstein eskortieren. Dort könnt Ihr dann frei Eurer Wege gehen und ich werde Euch Euer unerlaubtes Eindringen in mein Land für dieses eine Mal nachsehen!"
Sie nickte dem Thangolforster und dem Dubianer huldvoll zu. Dann wurde ihre Miene finster und ihr Blick schmaler und ihr ausgestreckter Zeigefinger wanderte von Rifada zu Richeza zu Moritatio: "Die zwei Weiber und der Jungspund! Los! Packt sie!"
Autor: Ancuiras
"Domna Richeza vergaß noch zu erwähnen, dass ich der Großonkel des Kaisers bin." Der Thangolforster sprach mit Spott in der Stimme, ruhig und schicksalsergeben, aber doch laut genug, dass Domna Praiosmin ihn hören konnte. "Nichts würde ich lieber tun als diesem götterverlassenen Landstrich und ihren Bewohnern - verzeiht, Bewohnerinnen - den Rücken zu kehren. Unglücklicherweise habe ich noch etwas zu erledigen, befindet sich doch meine Nichte Romina, die Tochter des Grafen, in der Hand der Blutsäufer, weil sie mit den Rittern des Ordens der Hadjinsunni versucht hat, dem Ferkina das Fell zu gerben. Sicherlich werdet ihr der Suche nach der jungen Streiterin jedwede Unterstützung zukommen lassen."
Autor: Der Sinnreiche Junker
Welcher Schurke auch immer diesen Hinterhalt geplant hatte, wenn er sein Handwerk auch nur halbwegs verstand, hätten sie keinerlei Chance. Insofern war der Baron von Dubios nach den ersten entsetzlichen Augenblicken der Überraschung ruhig im Sattel sitzen geblieben, und dachte gar nicht daran, eine Waffe zu ziehen. Sein Blick glitt zu dem zerschmetterten Leib des unter dem schweren Fallgitters begrabenen Söldners, und dann zurück zu der die Gewandung der Suprema tragenden Selaquerin, und dann weiter zu Ordonyo di Alina. Zwar kannte er den Junker nicht, doch war dem heraldisch bewanderten Aranjuezer dessen Elsterwappen durchaus ein Begriff.
„Ihr habt Eure Antwort gehört, Domna Praiosmin.“, rief er schließlich vernehmlich mit einem kurzen Seitenblick auf Dom Gendahar, welcher soeben gesprochen hatte. Obgleich Aranjuez und selbst Ragath bei scharfem Ritt durchaus nicht unerreichbar schienen, machte der Yaquirtaler kaum den Eindruck, als sei er zu solchem in der Lage. Dazu die umherstreifenden Ferkinas, und wer wusste darüber hinaus schon, wie viel Zeit wirklich blieb, mit Entsatz zurück zu kehren, bevor hier kurzer Prozess gemacht wurde. Und so hatte er den Gedanken rasch verworfen, auf das Angebot der Reichsvogtin einzugehen.
„Weg hier!“, rief derweil Anzures Ballan nach der eher feuchten und von Flüchen begleiteten Landung im Burggraben, und einem Moment der Orientierung. Spätestens nachdem man drinnen begonnen hatte die Zugbrücke wieder hoch zu ziehen, war dem erfahrenen Waffenmeister klar, dass irgendetwas nicht stimmte. Hier draußen konnte die Handvoll Verbliebender ohnehin nichts ausrichten, und sollte es sich tatsächlich um eine Falle handeln, würde man zweifellos keinerlei Skrupel haben, die im Rang eher unbedeutenden Ausgesperrten einfach zusammen zu schießen. Seine einzige Hoffnung war, dass man auf den Wehrgängen mit den Standespersonen im Inneren beschäftigt war, und ihnen vorerst keine Aufmerksamkeit schenkte.
Freilich bot das deckungslose Gelände vor dem Castillo kaum Schutz, sollte man es sich über dem Burgtor doch anders überlegen, und so kletterte der Söldnerhauptmann aus dem Graben, und rannte hakenschlagend erst einmal parallel zum Mauerwerk davon, gefolgt von den verdutzten Mercenarios, und hoffentlich auch der waldwachter Domnita. Nachdem wohl kaum mit einem Angriff zu rechnen war, und der lautstarke Trubel hinter dem Tor darauf schließen ließ, dass sich das Geschehen auf den Innenraum konzentrierte, war mit etwas Glück das übrige Mauerwerk kaum bis gar nicht besetzt, sodass sich den vermuteten Schützen über dem Tor rasch kein Winkel mehr bot. Und dann würde man weiter sehen…
Autor: SteveT
"Oho! Der Großonkel des Kaisers!", wiederholte die Bosquirische Jungfer, wobei ihre sauertöpfische Miene nicht unbedingt verriet, ob sie davon beeindruckt war oder ob es vielleicht sogar ein Fehler war, dies kundzutun.
"Bestellt Seiner Majestät meine vorzüglichen Grüße! Allerdings hätte ich mir als treue Lehnsvasallin und als loyale Beamtin der Krone gewünscht, daß mir Euer kaiserlicher Neffe oder zumindest Euer Herr Schwager - unser werter Graf - zur Hilfe eilen würden, wenn ich dringlich darum bitte, da meine Burg und mein Markt schon seit über zwei Wochen von Ferkinas eingekesselt sind. Aber absolut nichts geschah! Dadurch bin ich nun leider gezwungen - wie Ihr gerade mitansehen müsst - meine Landwehr-Soldaten und meine schützenden Castillos selbst einzutreiben! Würden wir uns unter anderen Umständen gegenüber stehen, würde ich Euch und den Herrn Baron einladen, mir beim Abendmahl Gesellschaft zu leisten. Aber da die Zeiten nun einmal sind, wie sie sind, habt Ihr meine Alternativen vernommen: Lasst Euch von meinen Getreuen an die Grenze von Schrotenstein geleiten und kehrt irgendwann als Freund zurück oder macht Euch weiter mit diesen zwei aufrührerischen Weibsbildern gemein - dann muss ich Euch leider als meinen Feind ansehen und entsprechend handeln!"
"Was faselt Ihr da von Treue und Loyalität?", riß Domna Rifada endgültig der Geduldsfaden. "Mit dem größten Reichsfeind und Zaubersprücheklopfer das Lotterbett zu teilen und ihm gar noch einen von Dämonen besessenen Bastard zu gebären - das nenn' ich saubere Reichstreue!" Sie wank der Reichsvogtin auffordernd, zu Ihr in den Burghof herunterzukommen. "Diese Leute haben mit unserem Händel nichts zu tun! Los, los - wir regeln das nach der Mütter Sitte! Nur wir beide - Frau gegen Frau! Auf Leben und Tod!"
Praiosmin von Elenta war bei der Schmähung ihrer Liaison mit Rakolus und vor allem bei der ihres Sohnes erst weiß und dann rot angelaufen. Sie blickte ein letztes Mal zu Dom Gendahar und Dom Hernán - keiner von beiden machte irgendwelche Anstalten, sich von der Vanyadâlerin oder der Scheffelsteinerin fortzubewegen. Vielleicht war es sogar besser so, wenn es hinterher keine überlebenden adligen Zeugen dieses Zusammentreffens hier gab. Sie konnte dem Grafen später in einem bedauernden Brief mitteilen, daß die Gruppe, auf der Suche nach seiner Tochter, leider im Gebirge von Ferkinas überfallen und umgebracht worden war ...
Autor: von Scheffelstein
Feindselig starrte die Edle von Eslamsstolz die alte Reichsvogtin an, die Faust noch immer um den Griff des gesenkten Säbels geballt. Einen Moment lang wünschte sie sich, mit der Waffe ebensolche Kunststücke vollbringen zu können wie ihre Tante. Welche Genugtuung es wäre, die edle Klinge durch die Luft fliegen und sich in den fetten Wanst der Alten bohren zu sehen ... Das Nicken der Vogtin in Richtung des Mannes, der Dom Berengar gefangen hielt, entging ihr nicht.
"Ist das zu fassen?", rief Richeza. "Seid Ihr blind? Der Rossbanner-Orden des Grafen liegt erschlagen nur wenige Meilen von hier in einer Schlucht. Seit Tagen schon, und Ihr bequemt Euch nicht, die Leichen zu bestatten! Und aufrührerisch nennt Ihr mich? Flehtet Ihr nicht noch vor zwei Wochen meinen Großvater an, Euch Mercenarios oder Soldaten zu schicken? Nun, hier sind Mercenarios, nicht die meines Großvaters, denn bedauerlicherweise sieht es in Kornhammer nicht besser aus als hier, sonst hätte Dom Hesindian, der Euch stets mit mehr Freundlichkeit begegnete, als Ihr verdient, Euch gewiss seine Unterstützung zukommen lassen. Aber hier sind nun die Söldner Dom Hernáns. Statt sie umzubringen, solltet ihr ihnen lieber danken, dass sie bereits einige der Ferkinas erlegt haben, die Euer ... Elenta verwüstet haben.
Was mich betrifft, wüsste ich nicht, was Ihr mir vorzuwerfen hättet. Der Landfrieden verbietet nicht das Führen von Handwaffen, und auch nicht, seinen Verwandten einen Besuch abzustatten. Darüber hinaus erinnere ich mich noch gut an unsere letzte Begegnung, Domna. Ihr, gefesselt in einem Ferkina-Zelt, mit Eurem Bastard-Sohn. 'Helft uns!' Das waren Eure Worte an mich. Ohne mich hätten die Wilden Euch längst ihrem Götzen geopfert und Euren sauberen Sohn gleich dazu. Und ohne Dom Hesindians Fürsprache beim Kaiser müsstet Ihr nun in Gareth betteln gehen, denn schließlich war er es, der sich dafür einsetzte, dass der Kaiser Euch Gehör schenkte, um vor ihm nach Eurer ungehörigen vierjährigen Abwesenheit den Lehnseid erneuern zu dürfen. Ist dies nun Eure Dankbarkeit?
Pfeift Eure Hunde zurück, Domna, und wählt einen Stellvertreter, um der Forderung meiner Tante zu begegnen, wenn Ihr selbst nicht Frau genug seid!", rief die Edle. "Denn andernfalls werden wir alle sterben: Wir hier mit einigen Eurer Handlanger. Ihr aber auf dem Schafott oder dem Scheiterhaufen wegen Mordes, Hochverrats und Unterstützung von Dämonenjüngern!"
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