Gräflich Thangolforst
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Das
Gräfliche Eigengut Thangolforst liegt im Nordwesten der Grafschaft Yaquirtal und ist zum Großteil vom grünen Blätterdach des namensgebenden, legendenumwobenen Thangolforstes bedeckt, einem der ältesten und größten Wälder Almadas. Das Allodgut untersteht heute dem neu inthronisierten Yaquirtaler Grafen Gendahar von Streitzig ä. H. direkt, der schon zuvor unter der Herrschaft seines Vaters Praiodar dessen Vogt zu Thangolforst gewesen war.
Der Thangolforst genoß in früheren Jahren im übrigen Yaquirtal und in der westlich anschließenden Reichsmark Südpforte einen äußerst schlechten Ruf als »Lauerholz«, wo zahlreiche Raubritter, Briganteros, Schnapphähne oder sogar räuberische Barone ihre Schlupfwinkel hatten und von tief im Wald versteckte Burgen aus das ganze Umland drangsalierten. Aber auch der Forst selbst ist vielen Bewohnern des Yaquirtals nicht geheuer, da er - genau wie der Alte Wald zwischen Nemento, Imrah und Artésa oder der Bärnforst in Khabosa - ein Überbleibsel der urzeitlichen Yaingenobel-Haine sein soll und damit Heimstatt zahlreicher Wesenheiten und Kreaturen aus der »Anderswelt« der Feen. Darüberhinaus leben bis heute neben Menschen auch einige Auelfen-Sippen im Herzen und Norden des Waldes, die sich eine weitaus ursprünglichere Lebensart bewahrt haben, wie etwa die Elfen von Punin oder Madasee.
Derographie
Das ewiggrüne Blätterdach des Tangolforstes überspannt fast die gesamte Fläche der Magnatenschaft, der zusammen mit den nördlich anschließenden Flogglonder Wäldern, dem Paenolonforst im Westen und den Brigellawäldern im Südwesten das größte zusammenhängende Waldgebiet Almadas bildet. Obwohl der Boden hier ebenso fruchtbar ist, wie im ganzen übrigen Yaquirtal, erobert der Wald sehr schnell jegliches Kulturland zurück, das die Menschen ihm abzutrotzen versuchen. Selbst die größten Dorfschaften Kantor und Alming liegen nur auf etwas größeren Lichtungen inmitten des Waldes mit einigen wenigen Äckern zur Selbstversorgung rund um die Siedlungen herum, die fortwährend freigehauen und gerodet werden müssen, um nicht schnell wieder zuzuwuchern. Den Thangolforstern ist ihr sie umgebender und schützender Wald heilig und sie haben sich im Laufe der Jahrhunderte gut mit ihm und seinen übrigen Bewohnern arrangiert. Der äußerst wildreiche nördliche Teil des Waldes ist gräflicher Bannwald - nur der Graf selbst und seine getreusten Vasallen dürfen hier jagen.
Der langgestreckte Hügelrücken der Madahöhen durchzieht den ganzen nördlichen Teil des Yaquirtals und wirft auch im Wald bis zu 400 Schritt hohe Hügel auf, auf deren Kuppen und in versteckten Tälern früher die Thangolforster Raubritter hausten.
Im ebenso hügeligen Saumland der Brigella, deren Uferböschungen bis zu fünfzig Schritt hoch sind, wird der Wald etwas lückenhafter und geht in kleinere Haine über, mit Feldern und Obstplantagen dazwischen. Um Tarca herum wird sogar auch Wein angebaut. Der abgeschiedene Ort ist über die Flußschiffer- und Flößerei mehr mit dem reichen Markt Endivarol und mit Brilond in der Waldwacht verbunden, als mit dem eigenen Vogtsitz Kantor, wohin nur ein fährnisvoller Waldpfad in miserabler Qualität führt.
Der Wald Thangolforst
Der Thangolforst ist ein gewaltiger, uralter Wald, in dem man den ganzen Tag wandern kann, ohne auf eine Rodung oder irgendein Zeichen menschlicher Besiedlung zu stoßen. Er trägt seinen Namen nach dem kristallklaren Wildbach Thangol, der mitten in seinem Herzen entspringt und quer durch den Forst westwärts zur Brigella hin strömt. Dort wo der Thangol dem Wald entspringt, soll eine Quellnymphe oder Dryade hausen, die einst von den Raubrittern der Waldburg Eibenlang gefangen genommen wurde, die sie zwangen, ihr Versteck unsichtbar für alle gräflichen Häscher werden zu lassen. So soll die Waldburg heute selbst die Farbe des Waldes angenommen haben und durch Feenzauberei vor dem Auge des Betrachters verschwimmen, wenn sie mal hier, mal dort im Dickicht des Wald auftaucht.
Ein anderer mystischer Ort im Forst ist die Tausendjährige Eiche ganz in der Nähe von Alming, die - je nach Mär und Erzähler - ebenfalls der Wohnort eines Feenwesens oder aber gar selbst eine wundersame Wesenheit sein soll, die ihren Standort innerhalb der letzten Jahrhunderte schon mehrfach wechselte und der alle anderen Bäume des Waldes wie einer Herrin gehorchen sollen.
Der Thangolforst ist ein Mischwald, die Zahl der Laubbäume überwiegt leicht gegenüber der der Nadelbäume. Neben Linden, Eiben, Eschen, Eichen und Bosparanien finden sich auch zahlreiche Zedern, Korkeichen und Fichten. Die Thangolförster Köhler, die in kleinen Weilern inmitten des Waldes leben, fällen keine lebenden Bäume, sondern speisen ihre Meiler nur mit herabgefallenem Bruchholz, an dem hier aber auch niemals Mangel herrscht. Alles andere erschiene ihnen wie ein Sakrileg am Wald, der ihnen Zuflucht und Nahrung bietet. So werden die auswärtigen Flogglonder Holzfäller-Trupps, die sich auf der Suche nach besonders gut gewachsenen Bäumen oft auch in den Thangolforst hinab begeben, sehr kritisch oder sogar feindselig beäugt - schon oft kam es mit ihnen zu bewaffneten Auseinandersetzungen.
Alming
Vor alten Zeiten lag das Dorfe Alming mit den Bewohnern von Perain in Fehde und Feindschaft, die Tribut heischten für ihren hohen Artéser Herrn. Sotanen Tribut aber haben die Alminger nit zahlen wollen, und da sind ihnen die Perainer vor die Tore gerückt und haben sie einzubekommen versucht. Damit aber ihre Zahl nit gleich erblickt werde, haben sie im Lauerholz Büsche und kleine Bäume gefällt, und diese vor sich her getragen und sind so gegen Alming herangezogen, so daß die Türmer schrien: "Der Wald kommt! Der Wald kommt! Das Lauerholz rückt gegen uns!"
An der Tausendjährigen Eich' machten die Perainer halt und warfen einen tiefen Graben auf und verschanzten sich und fügten den Almingern viel Schaden zu. Darauf ward ein starker Ausfall beschlossen, und es fand ein langes Schlagen statt, an dessen End' die Perainer fliehen mussten mit Mann und Weib. Der Wald aber grimmte den Fremden, die geschlagen hatten so viel Holz, und so verwuchsen Baumgeister und Schrate jeden Pfad und Weg, so daß sich die Perainer verirrten und nit mehr aus dem Wald herausfanden."
-zeitgenössische Aufzeichnung im Gfl. Yaquirtaler Archiv zu Al'Muktur, 772 BF