Chronik.Ereignis1033 Feldzug Ferkinalager 15
Im Raschtulswall, 10. Rondra 1033 BFBearbeiten
Nahe Grezzano und auf dem Djer FaruchBearbeiten
10. Rondra 1033 BF, nachmittagsBearbeiten
Autor: von Scheffelstein
Charrizul fluchte. Seine Wunde unter dem Verband schmerzte noch immer, und er war schwach auf den Beinen, als sei er gerade von einem Weib herunter gestiegen. Nur dass die Erschöpfung, die sich seiner Glieder bemächtigt hatte, sich alles andere als gut anfühlte!
'Finde Ghazal!', hatte Nasfágul Pascha ihm befohlen. 'Er soll in der Geisterhöhle nachschauen, ob die geflohenen Weiber noch immer dort sind, wo der junge Halif sie gesehen hat. Nirgendwo anders konnten wir sie finden.'
Seine Krieger hatte der Shâr in alle Winde geschickt, um die kleineren Stämme zu unterwerfen. Der neue Nuranshâr war bislang auch nicht zu Nasfágul zurückgekehrt. Und Ghazal – Ghazal war verschwunden. Verflucht sollte der Alte sein! Vor einigen Tagen war Ghazal zusammen mit ein paar jungen Kriegern in Richtung des Steinlagers der Flachländer am Rand der Berge aufgebrochen. Angeblich hatten die Geister ihm erzählt, er würde dort etwas von den Flachländern zurückbekommen, das diese den Bâni Khadr im selben Jahr gestohlen hatten, als Yil'Hayatim Charrizuls Vater erschlagen hatte.
'Bald schon werden die Bâni Khadr über alle Stämme der Berge und über die Flachlande herrschen, du wirst sehen', hatte Ghazal ihm kichernd erzählt, bevor er gegangen war. Charrizul wäre es lieber gewesen, der Alte hätte sich weiter um seine Wunden gekümmert und ihm von den Kräutern gegeben, die seine Schmerzen betäubten. Was sollte das auch schon sein, was Ghazal von den Flachländern erhalten wollte, das derart mächtig wäre?
Solcherart grübelnd, näherte sich Charrizul dem Lager der Flachländer, dort, wo diese den weißen Stein aus den Felsen herausbrachen und davontrugen, um ihre Hütten daraus zu errichten. Auch hier hatten sie Hütten gebaut, hässlich und kalt, mit kleinen Öffnungen, durch die der Wind pfiff, und Türen aus schwerem Holz.
Das Lager war nicht verlassen, wie Charrizul zunächst geglaubt hatte. Er sah Männer und Frauen in den Eisenkleidern der Blutlosen. Nicht viele, aber zu viele für ihn. Charrizul erkannte den Mann, der zusammen mit Yil'Hayatim viele der jungen Krieger erschlagen hatte, unten in der Ebene. Charrizul knirschte mit den Zähnen und duckte sich tief hinter einen Felsen. Im Liegen beobachtete er die Flachländer. Von Ghazal aber oder den Bâni Khadr gab es keine Spur.
Autor: Der Sinnreiche Junker von Aranjuez
Noch zwei Wochen. So zumindest schätzte Hernán von Aranjuez. In zwei Wochen würde des Kaisers Marschall Gwain von Harmamund sein Heer nach Selaque geführt haben und ihn endlich von diesem götterverdammten Posten ablösen. Die letzten Tage waren erfreulich ruhig gewesen, doch alles in allem trübte die Aussicht, noch so lange hier verweilen zu müssen, doch die Laune. Selbst jene Freude über die sichere Rückkehr seines Freundes Anzures Ballan war mittlerweile im hernach einkehrenden Trott auch beinahe schon wieder verflogen.
Kurz wandte sich der Baron und Junker um, und sah in Richtung jener Felskante, über welche man mühsam die stinkenden Ogerkadaver gehievt hatte. Nicht einmal die Aasfresser hatten sich seither dort blicken lassen, doch hatten sie freilich in der Gegend in den letzten Tagen und Wochen bereits überreiches Festmahl halten können, sodass sie es sich wohl leisten konnten, das ranzige Fleisch zu verschmähen.
Immerhin, schmunzelte der Condottiere, hier oben stank es nicht, da man am Gebirgsbach eine schöne Stelle für den Donnerbalken gefunden hatte, der die Hinterlassenschaft von zeitweise mehreren Dutzend Menschen diskret hinab ins Tal schwemmte. Freilich hatte es einige Mühe gekostet, dieses stille Örtchen kürzlich um einen weiteren schrägen Balken zu erweitern, an welchem sich diejenigen Leichtverwundeten, denen ihre Verletzungen keine normale Sitzposition erlaubten, festhalten konnten.
Für all jene Gedanken hatte Hernán von Aranjuez Zeit, denn seit seiner Rückkehr nach Grezzano hatten die Ferkinas keinen Versuch mehr gemacht, ihn anzugreifen. Einmal, des Nächtens, hatten sich einige Krieger an den Ort heran geschlichen, doch hatten sie eine böse Überraschung erlebt, als sie in die rund um das verbarrikadierte Steinbrecherdorf verstreuten Fußangeln geraten waren. Recht erbärmlich hatten sie da draußen gejault, bis die Mercenarios sie mit geworfenen Fackeln und Brandpfeilen ausfindig gemacht hatten. Einer hatte nahe genug an einer der Gassen gelegen, sodass sie ihn, fürchterlich zerstochen, hatten herausziehen können. Die anderen hatten sie mit Pfeilen und Armbrustbolzen von ihrem Leid erlöst. Ein Schicksal, welches dem Gefangenen noch nicht vergönnt gewesen war. Während die Aasfresser sich im Vorfeld bereits an seinen Kameraden gütlich taten, musste dieser erst noch einige Fragen des Condottieres beantworten – wussten die Götter, woher sein Vetter Rondago einige Brocken dieser primitiven Zunge kannte – ehe man ihm mit einem Strick sein Ende bereitete.
Seither aber war es ruhig geblieben, sodass er es sogar gewagt hatte, mehrere Patrouillen bis nach Selaque zu schicken. Doch auch dort schien alles ruhig, und solange alles ruhig schien, sah er wenig Veranlassung, sich von hier weg zu bewegen. Freilich, es war an der Zeit, Dom Gwain Bericht zu erstatten, doch war dies weit mehr als ein Tagesritt, und die Zahl seiner Leute war soweit zusammengeschrumpft, dass er eigentlich nicht eine einzige Klinge entbehren konnte. Noch dazu konnte er kaum Verwundete schicken, da es nichtsdestotrotz ein harter Ritt werden würde.
Seufzend zog er sich an dem Schrägbalken hoch, kurz erschauernd vom eiskalten Gebirgswasser an seinem blanken Hinterteil. Er würde wohl seinen Neffen Gualterio schicken müssen. Immerhin konnte er diesem auch den Auftrag anvertrauen, in Punin weitere Mercenarios anzuwerben, um ihre lächerlich geringe Zahl hier wieder ein wenig zu erhöhen. Aber vorher musste er dem Jungen ins Gewissen reden. Nun, da das Haus Aranjuez wieder in der Gunst der Mächtigen stand, war der Bengel imstande, sich noch ein, zwei Abende auf der Kaiserlichen Hochzeit zu vergnügen, je nachdem wie rasch er es nach Punin schaffte. Vielleicht sollte er also doch noch ein, zwei Tage warten ...
- Die Geschichte um Dom Hernán wird hier fortgesetzt: Schauplatz: Dom Gwains Heerzug, Teil 04
Autor: von Scheffelstein
Je länger Charrizul die Flachländer beobachtete, desto mehr kam er zu dem Schluss, dass sie schwach und angreifbar waren. Gut, sie hatten die Wege zu ihrem Lager mit großen Steinen, Ästen und sogar angespitzten Holzpflöcken verstellt. Aber die würden bestenfalls ein paar übermütige junge Krieger aufhalten, wie den, der nahe des Baches an einem Ast baumelte – Charrizul kannte seinen Namen nicht, aber er hatte ihn ein paar Mal im Sommerlager gesehen.
Richtige Krieger und erst recht die Sayadim Zhul würden sich von ein bisschen Holz und Stein nicht aufhalten lassen. Man musste nur etwas höher die felsigen Hänge hinauf klettern, dann konnte man mit Speeren und Pfeilen und Steinen all jene töten, die zwischen den Hütten herumliefen, und wenn man die Pfeile anzündete, ließen sich auch die Bäume in Brand setzen, die über den Wegen lagen, und dann käme man rasch ins Lager und konnte die Blutlosen aus ihren Hütten treiben wie Kaninchen, in deren Bau man brennende Scheite hielt.
Aber es würde Tage dauern, bis die Krieger, die Nasfágul Pascha ausgeschickt hatte, zurück wären. Und vielleicht gab es weiter unten im Tal lohnendere Beute als ein paar Flachländer in Eisenkleidern, die sich in ihrem Lager verkrochen, dass jedes Ferkina-Weib über sie gelacht hätte.
Vorsichtig zog Charrizul sich zurück. Er hatte eine andere Aufgabe. Wo steckte der verfluchte Nuranshâr bloß? Hatte der Junge, den die Flachländer getötet hatten, zu denen gehört, mit denen Ghazal in die Berge aufgebrochen war? Außer Shachzar, der immerhin ein Sayad Zhul war, waren fast nur unerfahrene Krieger bei dem Alten gewesen, denn Nasfágul war noch immer besessen von dem Gedanken, die hellhaarige Sklavin wieder einzufangen, und dafür brauchte er alle seine Männer.
Als Charrizul hoch auf der Klippe stand, aus der die Flachländer die Steine brachen, stutzte er. Tief unter ihm, auf einem steil abfallenden Geröllhang, lagen Tote, mehr als eine Handvoll. Aber es waren keine Menschen, dazu waren sie zu groß! Nein, die in der Sonne verwesenden Leichen hatten massige, unförmige Leiber, und das lange Haar hing struppig und wirr von ihren riesigen Schädeln auf die graugelbe Haut ihrer Schultern herab. Fettglänzer! So viele! Hatten die Blutlosen sie getötet? Oder die Bâni Khadr? Besser, er stieg weiter hinauf auf den Djer Faruch, von dessen schmalem Grat er weit über die umliegenden Hänge und Schluchten blicken konnte und von wo aus er schneller sah, falls weitere Fettglänzer die Gegend unsicher machten.
10. Rondra 1033 BF, am frühen AbendBearbeiten
Autor: von Scheffelstein
Charrizul war müde und hungrig. Den ganzen Tag war er auf dem Berg herum geklettert, ohne irgendwo eine Spur von Ghazal oder den jungen Bâni Khadr zu entdecken. Inzwischen hatte er den Berg halb umrundet und sich weit vom Steinlager der Blutlosen entfernt. Die Nordostflanke des Djer Faruch lag in tiefe Schatten getaucht, doch weiter unten in den Schluchten und Tälern glänzten die Bäche rot im Sonnenlicht.
Ein Lichtblitz blendete Charrizul und lenkte seine Aufmerksamkeit auf ein Felsplateau weiter im Norden. Die Sonne spiegelte sich in Metallwaffen, vielen Waffen! Charrizul starrte zu dem Lager hinüber, wo Menschen, klein wie Ameisen, um ein Feuer herumsaßen. Im ersten Moment dachte er, es seien Flachländer. Aber nein, so weit weg sie auch waren: Viele trugen eine Turach, und die meisten von ihnen hatten keine Eisenkleider. Auch Pferde konnte er sehen, kleine Bergpferde, nicht die großen, scheuen Tiere der Blutlosen, die beim Anblick der ersten Schlange panisch wurden und in die nächste Schlucht stürzten. Dies waren Bân Ferkina! Ob es Farzand war, den der Shâr zum Djer Sarim im Norden geschickt hatte, um die kleineren Stämme zu unterwerfen?
Charrizuls Herz schlug höher. Mithilfe der Krieger konnten sie die Flachländer in ihrem Steinlager leicht besiegen! Mit so vielen Kriegern müssten sie auch die Fettglänzer nicht fürchten. Und die Hoffnung, Ghazal zu finden, wüchse ebenfalls. Außerdem konnte er ein gutes Stück Fleisch gebrauchen und einen warmen Platz am Feuer für die Nacht!
Plötzlich hatte Charrizul es sehr eilig, von dem Berg herunterzukommen.
10. Rondra 1033 BF, abendsBearbeiten
Autor: von Scheffelstein
Das waren keine Bâni Khadr! Niemand der Krieger kam Charrizul bekannt vor, keiner der Männer hatte den kahl rasierten Schädel oder die angefeilten Zähne eines Sayad Zhul, und die Schmucknarben, die die fremden Gesichter zierten, waren anders als die seines Stammes.
Vorsichtig lugte Charrizul hinter dem Felsen hervor auf die lachenden und trinkenden Männer unter ihm. Unter keinen Umständen durften sie ihn entdecken! Diese hier waren stärker als die Flachländer in ihrem Steinlager, diese hier waren vor allem viele, sehr, sehr viele, über achtzig Mann, wenn er richtig gezählt hatte!
Nicht weit unter ihm saß auf einem fellbehangenen Hocker ein großer, kräftiger Mann, kaum älter als Charrizul selbst. Er trug das schwarze Haar zu Zöpfen geflochten, und ein Bärenfell bedeckte seinen narbenversehrten Oberkörper. Bronzereife und ein Armband aus Knochenstücken zierten seine Handgelenke, und in seinem dichten, wilden Bart hingen Bärenkrallen.
Mehrere Krieger saßen auf Fellen und Decken oder dem nackten Steinboden um ihn herum am Feuer und lachten.
"Der Haran wird zufrieden sein, Zhandur", sagte ein Mann. "Nun werden wir noch mehr der Menschenfresser um uns scharen, und es wird nicht mehr schwer sein, sie zu führen."
"Aiwa", sagte der Mann mit dem Bärenfell, es schien der Shâr der Krieger zu sein, so wie er auf die anderen herabsah. "Mharbal hat recht: Den Bân Gassârah steht eine große Zukunft bevor. Und niemand wird uns aufhalten!"
"Am wenigsten die dreckigen Bâni Khadr!", fiel ein weiterer Krieger ein, und die Männer lachten.
"Aiwa, am wenigsten die! Schicken wir ihnen doch die Menschenfresser auf den Pelz, am besten jetzt gleich, dann sind wir sie für immer los." Der Mann, der zuerst gesprochen hatte, wies auf eine große Trommel, die neben dem Shâr stand, ein schweres Ding aus dunklem Holz, das mit den Gesichtsschädeln von vier Menschen geschmückt war, deren leere Augenhöhlen in alle vier Himmelsrichtungen starrten. Auf dem Schlagfell der Trommel lag ein grausiger Schlägel: Der aufgespießte Schädel eines Fettglänzers!
Charrizul stieß keuchend die Luft aus: Die Schädelpauke des Kanishkar, des mächtigen Nuranshârs, der die Bâni Khadr geführt hatte, als Charrizul geboren worden war, der zusammen mit seines Vaters Vater Khenubaal Pascha Furcht und Schrecken unter den Flachländern verbreitet hatte! Wie kamen die Bân Gassarâh an die Pauke? Ob sie sie von den Flachländern erbeutet hatten, die sie damals den Bâni Khadr gestohlen hatten?
"Nein", sagte der Shâr, "die Bâni Khadr sind keine Gefahr für uns. Wir ziehen nach Norden und schicken die Menschenfresser in die Ebenen, wie Mharbal es wünscht. Jetzt, wo die Bâni Khadr keinen Nuranshâr mehr haben, werden wir sie hinwegfegen wie welkes Laub! Aber alles zu seiner Zeit! Um diese Maden kümmern wir uns, wenn wir mit den Blutlosen fertig ..."
Charrizuls erschrockener Aufschrei ließ den Shâr herumfahren. Auch die Krieger um ihn herum sprangen auf. Charrizul fühlte eine große Hand in seinem Nacken und hatte keine Zeit, seine Axt zu heben, denn der Angreifer schlug sie ihm aus der Hand, ehe er sie greifen konnte, und zerrte ihn am Haupthaar grob in die Höhe.
"Hier kriecht noch eine Made im Staub!", rief der Mann, und dann versetzte er dem entsetzten Charrizul einen Stoß, und er stürzte zwei Manneslängen in die Tiefe und kam hart auf Knien und Unterarmen auf. Allein die Felle, die ums Feuer herumlagen, dämpften den Aufprall, doch der Schmerz war stark genug, dass Charrizul fast schwarz vor Augen wurde. Er spürte eine Speerspitze an seinem Hals, und jemand trat ihm in die Seite.
"Hätte fast auf ihn gepisst!", sagte der Mann fröhlich, der ihn überrascht hatte wie einen blutigen Anfänger.
Ein Stiefeltritt drehte Charrizul auf den Rücken. "Ein Iban Khadr!" Jemand spuckte ihm ins Gesicht.
"Tötet ihn!", kam es von weiter hinten.
"Schlagen wir ihm den Kopf ab oder zerquetschen wir die Made unter unseren Füßen?", fragte einer und trat Charrizul ins Gesicht, sodass ihm die Nase brach und ein Zahn splitterte.
"Lasst ihn!", sagte der Shâr, der drohend über Charrizul aufragte wie ein Fels vor dem allmählich dunkler werdenden Abendhimmel. Das letzte Sonnenlicht entflammte seine Armreifen, seine grünen Augen leuchteten wie die eines Raubtiers. "Er ist es nicht wert! Ich habe eine bessere Idee! Hoch mit ihm!"
Kräftige Arme griffen unter Charrizuls Schultern und zerrten ihn in die Höhe.
"Fesselt seine Hände!"
Die Krieger zerrten Charrizuls Arme auf den Rücken und banden sie mit Stricken.
"Gib mir den Kopf!"
Rote Nebel tanzten vor Charrizuls Augen, und er hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten. So hatte er sich seinen Tod nie vorgestellt! Im Kampf gegen einen Fettglänzer, einen Bären oder gar einen Drachen getötet zu werden, ja, das war tapfer! Und vielleicht hätte er eines Tages Nasfágul herausgefordert, und wenn er nicht gesiegt hätte, hätten ihn doch alle für mutig gehalten. Aber überrascht und gedemütigt von den Bân Gassârah? Es konnte nichts Schlimmeres geben!
Der Shâr, den sie Zhandur nannten, trat vor ihn und hängte ihm einen Stein um den Hals. Jetzt würden sie ihn in eine Schlucht werfen oder in einen Bach, wo er kläglich ertrinken würde!
Doch stattdessen klopfte der Shâr der Bân Gassârah ihm auf die Schulter. "Kriech, Made!, sagte er. "Krieche zurück in das Loch, aus dem du gekommen bist und sag deinem Shâr: Die Zeit der Bâni Khadr ist vorbei! Die Zeit der Bân Gassarah ist gekommen!"
"Kriech zurück, Made!", fielen die anderen Krieger johlend ein, und dann stießen sie Charrizul aus dem Lager in eine staubige Schlucht, in der es zunehmend dunkler wurde. Charrizul taumelte vorwärts, Schritt für Schritt, froh, mit dem Leben davongekommen zu sein und doch voller Furcht und Scham. Vielleicht sollte er sich selbst in eine Schlucht stürzen, denn so konnte er nicht vor Nasfágul treten, der Shâr würde ihn für seine Dummheit erschlagen, und das mit Recht! Vielleicht konnte er behaupten, von einem wilden Tier angegriffen worden zu sein oder ein paar Flachländer erschlagen zu haben. Aber dazu musste er die Fesseln loswerden!
Erst am Ende der Schlucht wagte Charrizul, anzuhalten. Schwer atmend lehnte er sich an die Felswand und blinzelte das Blut fort, das aus einer Platzwunde an seiner Stirn in seine Augen lief. Erstmals betrachtete er den Stein, den ihm die Bân Gassârah umgehängt hatten – und fast hätte er erneut geschrien, vor Ekel und Schrecken.
Kein Stein war es, der bei jedem Schritt an seine Brust schlug, sondern ein menschlicher Schädel, aufgehängt an einem Lederband, das in wirrem, weißem Haar verknotet war. Die eingefallenen Augen starrten blicklos in den Himmel, ein blutverkrusteter Bart bedeckte den zahnlosen Kiefer. Es war der Schädel von Ghazal iban Muyanshîr, dem Shâr der Bâni Khadr.
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