Chronik.Ereignis1033 Feldzug Raschtulswall 20

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Im Raschtulswall, 1. Rondra 1033 BF

Nahe Grezzano


1. Rondra

Autor: von Scheffelstein

Stimmen weckten Richeza. Hinter den Bergen dämmerte der Morgen herauf. Die Wiese vor der Höhle war noch in Mondlicht getaucht. Am Hang, der zum Wald hinab führte, standen zwei Frauen. In einer erkannte Richeza die ältere Amazone. Die andere hielt ein Ross am Zügel, ihre Umrisse schwarz gegen das Licht des Madamals. Die Frauen sprachen leise, was sie sagten, verstand die Edle nicht, doch als die fremde Reiterin der Amazone antwortete, erkannte Richeza die Stimme ihrer Tante. Richeza stand auf.


Autor: SteveT

Als Richeza zu den schattenhaften Silhouetten der beiden Frauen hinüber spähte, verschlug es ihr fast den Atem: Die beiden umarmten sich, klopften sich gegenseitig auf den Rücken und versanken dann in einen langen Kuss – kein angedeuteter Begrüssungskuss auf beide Wangen, wie er hierzulande zwischen jedermann üblich war, sondern ein echter leidenschaftlicher Kuss auf den Mund - der Kuss zweier Liebender!

"Was du siehst, bleibt unter uns!", trat plötzlich wispernd Gujadanya neben Richeza aus dem Höhleneingang. "Mein Vater ist ein schwacher Mann - es würde ihm das Herz brechen, wenn er davon erfährt!"

So wie ihre Cousine das trotz ihres flüsternden Tonfalls sagte, lag eine unausgesprochene Warnung darin, dass ihr andernfalls klar wäre, wer das Geheimnis nicht bewahrt hatte. "Mutter und Jelissa sind Gemahlinnen vor Rondra, seit sie mit 19 Sommern von den Achmad'sunni vor dem sicheren Tod gerettet wurde. Ohne sie wäre ich heute nicht da oder zumindest nicht die, die ich nun geworden bin", raunte Gujadanya weiter.


"Du bist also gekommen um mich zu finden!", säuselte Rifada fünfzig Schritt weiter und drückte Jelissa Al'Abastra, die eigentlich eine Gebürtige 'von Blutfels' war, nochmals an ihre starke Brust. Die Amhallassidin liess es sich ohne Gegenwehr gefallen, wenngleich ihrer beider Panzer und die zahlreichen Waffen an ihren Gürteln dabei verräterisch klirrten.

"Als hätte ich eine andere Wahl gehabt!", grinste Jelissa süßsauer und löste sich dann schlagartig aus Rifadas Umarmung: "Da ist jemand! Hinter dir zwischen den Bäumen!" Ihre Hand zuckte zum Pfeilköcher, den sie auf dem Rücken trug.

"Ganz ruhig - das sind meine Lakaien mit einer Tragbahre für den kleinen Jungen, damit sie ihn nach Grezzano schaffen können", wiegelte Rifada ihren erschrockenen Elan ab. "Ich selbst kann sie nicht begleiten, da sich dort in den letzten Tagen ein Kriegshaufen unseres falschen Grafens eingenistet hat. Zu gerne hätte ich die Mistratten geradewegs in Richtung der Ferkinas geschickt - aber Dom Hernan ist leider bei ihnen - ein Ragathsqueller Magnat, in dessen Schuld wir stehen!"

Sie schaute im Halbdunkel des gerade erst anbrechenden Morgens in Richtung der Höhle, wo sie Richeza und die anderen zurückgelassen hatte. "Apropos", fragte sie nun mit etwas Besorgnis in der Stimme, "mit wie vielen Schwertschwestern bist du da? Eine Lanze? Eine Halbschwadron? Ist Gujadanya oder gar Ihre königliche Majestät auch dabei?"

Die alte Seneschallin der Keshal Rondra trat einen halben Schritt zurück und blickte einen Moment lang verlegen zu Boden. "Es sind die Wilden, Rifada! Viel zu viele Wilde! Sie streichen wie lauernde Khoramsbestien um unsere Feste herum und warten nur darauf, dass wir uns herauswagen. Königin Ayshal entbietet dir ihren Gruß - du bist nach wie vor wie eine Blutsschwester für sie. Nichtsdestotrotz trägt sie die volle Verantwortung. Es ist ein hoher Gunstbeweis, dass sie deine Tochter und mich in Zeiten wie diesen reiten ließ, um dir und deinem Castillo zur Hilfe zu eilen!"

Rifada riss die Augen auf: "Wie? Was? Soll das heißen, nur du und Gujadanya seid hier? Alle anderen sind auf der Keshal verblieben?"

"So ist es!", nickte Jelissa und griff nach Rifadas Arm, aber diese entwand sich ihr und ließ sich auf die Knie niedersinken, wo sie mit der behandschuhten Rechten mehrmals auf den Boden schlug, daß Grasbüschel und Steinchen wegflogen. "Aber auch dein Sohn und deine Nichte sind hier, zusammen mit dem verletzten Jungen, einem blonden Yaquirtaler Magnaten, einer Ragather Comtessa und einem Waldwachter Mädchen, sowie einem seltsamen alten Tsajünger - es geht ihnen allen den Umständen entsprechend gut - ich denke, es wird dich aufmuntern, das zu hören!"

"Ach, das weiß ich doch!", wank Rifada ab. "Ich habe sie doch selbst aus den Bergen hierher geführt." Sie überlegte einen Moment - dann stand sie auf, äußerlich wieder völlig gefasst. "Also gut, dann muss es nur mit uns Dreien gehen. Wir teilen uns auf, und jeweils eine reitet nach Wildenfest, Schrotenstein und Quazzano, um alle verfügbaren Waffenknechte und Clientes unserer Familia zu sammeln! Schließlich geht es nur gegen die Selaquerin und nicht gegen die Heerschar des Großen Zeltes von Unau! Praiosmin hat noch nie in Krieg und Fehde gestanden - ich selbst kenne überhaupt nichts anderes. Weisst du, wie es zur Zeit um mein Castillo steht?"

Jelissa Al'Abastra erwuchs ein ungutes Gefühl bei der Sache, denn soweit sie von Gujadanya wusste, war immer noch der verfluchte Großinquisitor Amando Laconda der Soberan der Familia da Vanya. Was er zu einer solchen Querella sagen würde, zumal es ausgerechnet gegen seine Protegea Praiosmin von Elenta ging, stand auf einem ganz anderen Blatt - aber es schien Rifada nicht zu interessieren. So antwortete sie nur zögerlich: "Wir sind an deinem Castillo vorbeigekommen, Tor und Zugbrücke waren natürlich geschlossen. Die Leute im Dorf sagten uns, dass dort nun eine gewisse Yegua von Elenta herrscht - aber wohl nur kommissarisch, bis irgendeine junge Harmamund eintrifft."

"Ha! Ha! Harmamund! Soweit kommt's noch!", fauchte Rifada. "Nicht solange wir leben! Auf, gehen wir zu den anderen! Wir haben keine Zeit zu vertrödeln!" Sie wank Landolo, Gilano und Zicardo näher zu kommen und führte sie mit der Tragbahre zur Höhle hinüber.


Autor: von Scheffelstein

Fasziniert starrte Richeza zu ihrer Tante und der Amazone hinüber. Gleichwohl war ihr unangenehm bewusst, Zeugin eines nicht für ihre Augen bestimmten Geheimnisses zu werden, und dass ihre Base sie so direkt darauf hinwies, machte die Situation eher noch peinlicher.

"Keine Sorge", flüsterte sie Gujadanya zu und wandte sich ab, um die Decke zurechtzuzupfen. "Ihr habt nicht zufällig Wechselkleider dabei? Bei den Göttern, selbst wenn sie mir zu groß wären, ich habe diese Lumpen allmählich satt."

Aus den Augenwinkeln bemerkte sie, dass Domna Rifada und Domna Jelissa sich voneinander lösten, dennoch vermied sie weiterhin, zu den beiden Frauen hinüberzusehen, auch wenn sie sich nur widerwillig von dem Anblick losriss und immer wieder verstohlen einen Seitenblick riskierte, wenn Gujadanya sie gerade nicht ansah.

Es war gar nicht einmal so sehr die Tatsache, dass ihre Tante eine Frau liebte, die ihre Neugier anstachelte, sondern vielmehr, dass es überhaupt einen Menschen gab, für den die raubeinige Junkerin etwas empfand, die sich bislang so gegeben hatte, als seien Gefühle ebenso lästig wie ein Mückenschwarm. Die Tatsache, dass sie seit Jahr und Tag eine Geliebte hatte, erklärte nun auch, warum sie ihrem Gemahl mit so wenig Zuneigung begegnete. Wahrscheinlich hatte sie ihn nur geehelicht, um den Fortbestand der Familia zu gewährleisten. Etwas aber, das die ältere Amazone wie selbstverständlich ausgesprochen hatte, drang plötzlich in ihr Bewusstsein: Dein Halbbruder hat recht!

Wenn Gujadanya von der Liebschaft ihrer Mutter mit Domna Jelissa wusste und recht haben sollte, dass diese schon – wie alt mochte ihre Tante sein? – weit über dreißig Jahre währte: Wie konnte es dann sein, dass Moritatio und Gujadanya nicht denselben Vater hatten? Soweit sie sich entsann, hatte ihre Tante Dom Berengar geehelicht und schon bald darauf mit ihm ihren Sohn gezeugt. Und wenn Richeza Gujadanya so betrachtete, hatte diese um Mund und Nase herum mit Dom Berengar doch deutlich mehr Ähnlichkeit als mit Domna Rifada. Oder war ihre Tante doch Männern und Frauen gleichermaßen zugetan und hatte sowohl Domna Jelissa als auch ihren Gemahl mit einem anderen betrogen, und das Mädchen entstammte dieser Verbindung? War ihr Gemahl vielleicht erst im Laufe der Jahre langweilig und dick geworden, sodass sie ihn nicht mehr begehrte? Und hatte der Geliebte sie verlassen und zürnte sie den Männern deshalb, weil Gujadanya sie nun stets an diese unglückliche Liebe erinnerte?

Richeza spürte das brennende Verlangen, ihrer Tante all' diese Fragen zu stellen, aber mehr als nur der Anstand verbot dies, und so bemühte sie sich darum, sich nichts anmerken zu lassen, als ihre Tante nun mit der Amazone und drei jungen Männern herüberkam. "Ihr seid zurück! Den Göttern sei Dank!", sagte sie, und nichts in ihrem Gesicht – so hoffte sie – verriet ihre wahren Gedanken.


Autor: Romina Alba

Romina war schlagartig wach. Stimmen draussen vor der Höhle. Golshan, die hinter ihr geschlafen hatte, war schon wieder irgendwo unterwegs, die kleine Zaida schlief noch, ebenso wie Onkel Gendahar. Romina kletterte über das schlafende Mädchen und berührte den Onkel an der Schulter.

"Onkel Gendahar, wach auf, ich glaube, Domna da Vanya ist zurück! Wir sollten so schnell es geht aufbrechen." Sie schaute sich um. Am glimmenden Feuer lag Praiodor und schlief ebenfalls noch. Vom Richeza und Tsacharias war nichts zu sehen. Sie wandte sich um und schüttelte Zaida.

"Kleine Waldwachterin, wach auf, es wird bald Tag." Sie musste schmunzeln, als sich aus dem Wuschelhaar ein verschlafenes Gesicht schälte.


Autor: Ancuiras

"Was ist los?" Der Thangolforster schrak hoch, der Griff ging zum Degen. Erst langsam wurde sein Blick klar. In der Tat, es dämmerte bereits. Da Vanya? Domna Rifada war zurück? Gendahar stand mit steifen Gliedern auf und ging gemächlichen Schrittes zum Ausgang der Höhle. Die Rückkehr der Junkerin war ein gutes Zeichen - hoffte er.


Autor: SteveT

Rifada führte den kräftigen Hengst von Raul de Vargas am Zügel vor die Höhle, vor der sie die Gruppe gestern verlassen hatte. Landolo, Zicardo und Gilano folgten ihr mit einer provisorisch aus einer Decke und zwei Stangen gezimmerten Tragbahre mit wenigen Schritten Abstand.

Gujadanya kam ihr aus der Höhle entgegen und grüßte ihre Mutter ganz formell mit dem Schwertgruß, dann aber begann sie doch zu grinsen und drückte Rifada kurz an sich: "Unkraut vergeht nicht, wie Ihr immer sagt, Mutter. Ich war mir gewiß, daß Euch die Elentinerin nicht kleinkriegen würde!"

"Ich fürchte, darüber haben die Götter noch nicht entschieden, Kind!", antwortete ihr Rifada nachdenklich mit gerunzelter Stirne. "Ich hätte mir gewünscht, mehr Schwestern vorzufinden als bloß Jelissa und dich." Sie zuckte mit den Achseln. "Aber sei's drum! Du wirst nach Schrotenstein reiten und dort alle Gefolgschaft sammeln, die Lucrann auftreiben kann. Ist er nicht da, so nimmst du das selbst in die Hand!"

Jetzt erst bemerkte sie auch Richeza, die offenbar gleich nach ihrer Tochter aus der Höhle getreten war. Über ihren hässlichen Lumpen trug sie nun immerhin einen roten Kapuzenumhang, wie ihn normalerweise die Achmad'sunni bei schlechter Witterung trugen - offenbar stammte er von Gujadanya, denn er reichte bei Richezas geringer Körpergröße fast bis auf den Boden. "Alveran sei dank! Du siehst wieder wie ein götterfürchtiger Mensch aus!", schmunzelte Rifada und wank Richeza,, vor der sie - wie Gujadanya sofort auffiel - offenbar keine Geheimnisse hegte, zu ihrer Unterhaltung hinzu. "Wie du siehst, haben meine Knechte die versprochene Trage für den Jungen dabei, um ihn zunächst einmal nach Grezzano zu schaffen. Du musst ihn und die anderen aus Selaque herausbringen - am besten erst einmal nach Kornhammer zum alten Hesindian! Ich kann euch nicht begleiten, weil drunten in Grezzano ein Haufen Kriegsknechte des falschen Grafen liegt, der Aranjuezer ist ebenfalls dort! Sie werden angeführt von einem Strohkopf namens Rondrigo vom Eisenwalde - ein verbitterter, alter Verräterhund, der zu Lebzeiten deiner Großmutter gegen uns und für die Harmamunds kämpfte. Deshalb - mach dich nicht mit ihm und seinesgleichen gemein und ziehe ihn niemals ins Vetrauen!"

"Statt rachsüchtig alte Feindschaften zu pflegen, sollte dein Fokus lieber auf den gegenwärtigen liegen!", korrigierte sie Jelissa Al'Abastra und legte Rifada vertraut die Hand auf den Rücken. "Deine Nichte ist eine erwachsene Frau und weiß lange selbst, was sie zu tun und zu lassen hat."

Rifada nickte mißmutig. "Ja, Jelissa hat recht! Bring' also den Jungen in Sicherheit, dorthin wo es dir am klügsten erscheint, und reite dann auf dem Rückweg nach Quazzano in der Ragathsqueller Mark, wenn du unserer Sache weiter dienen willst. Sag' Amando, dass sie ihm seine güldene Monstranz gestohlen hat - ja, seine Musterschülerin höchstpersönlich - und dass sie dir, mir und Moritatio nach dem Leben trachtete. Wenn er Praiosmin dann noch immer schützen will - dann... dann zum Namenlosen mit ihm!"

"Mutter!", rief Gujadanya entsetzt und blickte zum Himmel.

"Ist doch wahr!", fauchte Rifada und wandte sich dann der Höhle zu. "Moritatio war schon immer ein Langschläfer. Aber wo steckt das restliche Gesindel überhaupt? Wegen seinem flachsköpfigen Töchterlein hat der Tobrier eine halbe Heerschar auf unseren Grund und Boden entsandt, was mir gar nicht schmeckt! Zeit, dass sie mit ihr wieder von hier verschwinden - wenn ich sie auch nur zu gerne geradewegs zu den Ferkinas geschickt hätte, damit sie dort nach ihr suchen ...."

Die Frauen grinsten und lachten verschwörerisch, hörten aber augenblicklich damit auf, als die zerzausten Köpfe der besagten Comtessa und der unvermeidlichen kleinen Waldwachterin Zaida am Höhleneingang auftauchten.

"Da ist sie ja! Frisch auf, mein Kind - Ihr werdet erwartet!", lächelte Rifada falsch und deutete den Weg in Richtung Grezzano hinab. "Euer treusorgender Herr Papa hat reichlich schlechte Gesellschaft zu Eurer Errettung entsandt!"


Autor: Romina Alba

Das 'Kind' drückte den Rücken durch und zog die Augenbrauen zusammen. "Habt Dank, Domna da Vanya und seid Euch gewiss, dass ich dafür Sorge trage, dass die schlechte Gesellschaft, so schnell es nur geht, Eure praiotisch beschaulichen Ländereien verlässt." Sie lächelte böse. "Nicht, dass irgend jemand in Almada noch denkt, Ihr hättet die Hilfe von Eurem Grafen in Anspruch genommen, und natürlich bitte ich nachträglich um Verzeihung, dass der Rossbannerorden in Eurer Provinz niedergemacht und ich entführt wurde." Sie machte eine höfische Verbeugung. "Es wird gewisslich nicht wieder vorkommen."

Sie verzog bitter den Mund und drehte sich Gendahar zu, der sie überrascht anschaute. Ihre Hand tastete zu dem Banner, das immer noch in ihrem Brusttuch ruhte. Mit einigen leisen Worten schickte sie Zaida, die wenigen Sachen zu packen, und machte sich auf, nach Golshan und dem alten Heiler zu sehen. Sie fand Tsacharias und ließ sich von ihm nochmal den Weg nach Grezzano erklären.

Golshan kam wenig später zurück, leider nur mit einem kleinen Löffler und einigen Wurzeln und Beeren als Beute. Sie schnatterte etwas, was sich wie einen Entschuldigung anhörte. Romina legte ihr die Hand auf die Schulter und packte alles ein. Sie hatte großen Hunger, doch es drängte sie, von hier weg und zu den Truppen ihres Vaters, wo es richtiges Essen, Kleidung und vielleicht ein Bad gab. Kurz suchte ihr Blick Moritatio, und ihre Hand strich über den schon recht geschundene Umhang, wenigstens einer in dieser komischen Familia, der ein Herz hatte. Als er herübersah, nickte sie höflich und schenkte ihm ein offenes Lächeln.

Dann nahm sie das alte Kurzschwert und den Umhang auf, wünschte allgemein bei Rondra alles Gute und wandte sich dem Weg nach Grezzano zu.


Autor: von Scheffelstein

Richezas Augen wanderten von ihrer Tante zu der Comtessa und dann zu der älteren Amazone, die so unerwartet mit der Stimme der Vernunft gesprochen hatte. Neugierig musterte sie die kampfgestählte Frau - die Geliebte ihrer Tante!, die doch so anders schien als diese. Als Jelissa Al'Abastra ihrem Blick begegnete, lächelte sie, dann wandte sie sich Rifada da Vanya zu, nachdenklich, ernst.

"Kornhammer ist nicht sicher. Ich werde den Jungen nicht dorthin bringen, denn derzeit kann ich nicht für seine Sicherheit einstehen, und ich möchte ihn nicht in Gefahr bringen. Ich werde nach Ragath gehen und den Jungen und den Alten dorthin mitnehmen, denn der hat versprochen, Praiodor zu helfen." Sie sah zu Tsacharias Krähenfreund hinüber, der sich soeben von der Comtessa verabschiedete.

Richeza seufzte leise und wandte sich wieder ihrer Tante zu. "Ich werde ... äh ... Euren Oheim von den Vorfällen in Selaque in Kenntnis setzen. Ich werde auch meinem Großvater Nachricht senden müssen, gewiss ist er in Sorge, und ich weiß nicht, wie es um Kornhammer dieser Tage steht." Ihre Pflicht, das wusste sie, wäre es, umgehend nach Kornhammer zurückzukehren, den Jungen gar in die Obhut anderer zu geben, die ihn nach Ragath geleiten würden. Doch nach allem, was gehschen war, wollte sie sich selbst überzeugen, dass er in Sicherheit war, ehe sie ihn verließ. Und nicht zuletzt stand sie in der Schuld Domna Rifadas.

"Was werdet Ihr nun tun, Tante?", fragte sie deshalb. "Wohin werdet Ihr Euch wenden? Und was werdet Ihr tun? Mit Söldnern und Eurer Garde Euer Castillo zurückerobern? Domna Praiosmin auf Albacim heimsuchen?" Beides erschien ihr wenig erfolgversprechend, denn das eine Castillo war so wehrhaft und uneinnehmbar wie das andere. "Vielleicht solltet Ihr warten, bis Dom Hernán die Briefe in Punin abgegeben hat und man die alte Vettel für ihren Verrat büßen lässt." Doch im selben Moment, da sie es ausgesprochen hatte, wusste sie, dass ihre Tante sich niemals auf diesen Vorschlag einlassen würde. Warten, bis die zähen Mühlen höfischer Ämter sich in Gang setzten, um ihrer Familia Gerechtigkeit widerfahren zu lassen? Das konnte Jahre dauern! Und sie hatte Rifada da Vanya nicht eben als geduldige Frau kennengelernt. Nein, zweifellos würde ihre Tante die Sache selbst in die Hand nehmen. Richeza ertappte sich dabei, dass sie Domna Jelissa einen besorgten Blick zuwarf.


Chronik:1033
Der Ferkina-Feldzug
Teil 19