Chronik.Ereignis1033 Feldzug Selaque 30: Unterschied zwischen den Versionen
Keine Bearbeitungszusammenfassung |
Keine Bearbeitungszusammenfassung |
||
Zeile 137: | Zeile 137: | ||
Tsacharias, der die Fahne hoch über seinen Kopf hielt, drehte sich zu Gendahar und Anzures um und nickte. "In der Tat, das habe ich. Und wie es scheint, ist sie wirklich auf dem Weg ins Castillo." Er schüttelte den Kopf und seufzte. "Tsa behüte deine Kinder, die voller Leichtsinn sind und Torheit", murmelte er, dann blickte er erneut zu Gendahar auf. "Nein, mein Freund, nicht ich bin es, der in den sicheren Tod rennt, vielmehr Eure Domna. In ihrem Zustand! Unverantwortlich!" Abermals schüttelte er bekümmert den Kopf und winkte den Männern. "Aber nun kommt! Es gilt viele Menschenleben zu retten! Beeilt Euch, dann zeige ich Euch, wohin die Domna und ihre Freunde gegangen sind." | Tsacharias, der die Fahne hoch über seinen Kopf hielt, drehte sich zu Gendahar und Anzures um und nickte. "In der Tat, das habe ich. Und wie es scheint, ist sie wirklich auf dem Weg ins Castillo." Er schüttelte den Kopf und seufzte. "Tsa behüte deine Kinder, die voller Leichtsinn sind und Torheit", murmelte er, dann blickte er erneut zu Gendahar auf. "Nein, mein Freund, nicht ich bin es, der in den sicheren Tod rennt, vielmehr Eure Domna. In ihrem Zustand! Unverantwortlich!" Abermals schüttelte er bekümmert den Kopf und winkte den Männern. "Aber nun kommt! Es gilt viele Menschenleben zu retten! Beeilt Euch, dann zeige ich Euch, wohin die Domna und ihre Freunde gegangen sind." | ||
---- | |||
'''Autor:''' [[Benutzer:Von Scheffelstein|von Scheffelstein]] | |||
"Wartet!", rief Gendahar erneut. Sein Ross weigerte sich noch immer, auch nur einen Schritt näher in Richtung des Dorfes zu machen. Der Blutgeruch und der Anblick der Oger machten es unruhig. Er konnte froh sein, dass es nicht einfach Reißaus nahm. | |||
Fluchend ließ er sich aus dem Sattel gleiten. Ohne den Alten würde er nicht erfahren, wo er Richeza fand und wie er ins Castillo gelangte, ohne von den Bogenschützen niedergemacht zu werden, die offenbar dort oben auf den Wehrgängen und Türmen standen. Gerade eben traf ein dritter Pfeil den wütenden Menschenfresser, der mit dem ausgerissenen Baum um sich hieb. Diesmal durchschlug der Pfeil die Kehle des Monstrums. Sein ohrenbetäubendes Brüllen ging in ein Gurgeln über, dann fiel das Biest der Länge nach vornüber und spießte sich im Sturz einen der gesplitterten Äste des Baumes durch den feisten Wanst. Schwarzes Blut spritzte, und der staubige Boden der Straße färbte sich dunkel. | |||
Die übrigen Oger tobten nur um so wilder. Zwei zankten sich um eine schreiende Frau, die sie bei lebendigem Leib schier in Stücke rissen, die übrigen hielten auf den alten Krähenfreund zu. | |||
Der Alte ''war'' verrückt! Das war Wahnsinn! Niemand konnte hoffen, dieses Schlachten unbeschadet – oder überhaupt – zu überleben! Warum sollte er sein Leben riskieren? Gendahar musste an Rominas Worte denken. Tat er das all hier wirklich, um eine da Vanya zu retten? Nun, sie war nicht irgendeine da Vanya ... | |||
Als er jung war, war ihm mancher Ehemann, dem er die Hörner aufgesetzt hatte, wie ein tollwütiger Oger erschienen. Hatte er sich vor diesen gefürchtet? Nein, er hatte auf seine Fechtkünste vertraut und sich im Eifer der Jugend in jeden Konflikt gestürzt, der an ihn herangetragen worden war. Hatte das Feuer der Jugend ihn etwa verlassen? Bei den Göttern: Noch nicht, Gendahar, noch nicht!, dachte er und zog sein Schwert. | |||
"Könnt Ihr laufen?", wandte er sich an Anzures Ballan. "Gut, dann schafft es lebend bis zur anderen Seite des Dorfes. Wenn Ihr noch ein paar Frauen und Kinder mitnehmen könnt, um so besser. Ich brauche diesen Verrückten lebend. Rondra mit uns!" | |||
Tsacharias Krähenfreund hielt direkt auf die Menschenfresser zu, schwenkte das bunte Tuch und rief: "Frieden sei mit euch, Söhne und Töchter Ogerons!" Einige der Oger blieben verdutzt stehen und gafften den Alten an, der furchtlos mitten unter sie schritt. Wundersamer Weise machte keines der Monstren Anstalten, den alten Heiler zu attackieren, ja, eines der Weibchen und zwei der jüngeren Oger wichen sogar zurück, und als er weiter die Fahne vor ihren groben Gesichtern schwenkte, drehten sie sich um und flohen in verschiedene Richtungen. | |||
Die zwei streitenden Oger schenkten dem Heiler weniger Beachtung. Sie rissen noch immer an der erbarmungswürdigen Bäuerin herum, die ihrem Schicksal inzwischen erlegen war. "Frieden!", rief Tsacharias Krähenfreund, aber sein Rufen ging im Brüllen der Oger unter und im Schreien und Jammern der Dörfler, die sich zum Teil in den Hütten zu verstecken versuchten, zum Teil aus ihnen flohen, denn ein letztes großes Ogerweibchen zerschmetterte die Türen und angelte mit den langen Armen nach den kreischenden Menschen in den Hütten. | |||
Version vom 14. August 2012, 08:57 Uhr
In Ksl. Selaque, 4. Rondra 1033 BF
Im Vanyadâl und auf dem Castillo da Vanya am frühen Abend
Autor: Der Sinnreiche Junker
Anzures Ballan lachte leise in sich hinein. Entweder spielten ihm seine Augen einen Streich, oder aber er war tatsächlich verrückt geworden, denn nachdem er vier Tage lang einem Raben gefolgt war – was wohl eher dafür sprach, dass er den Verstand verloren hatte – stand er nun kurz vor Untergang der Praiosscheibe mitten im Tal von da Vanya. Prüfend befühlte er seine Stirn, doch sie fühlte sich nur leicht erhitzt an. Eigentlich ein Wunder, nachdem er vier Tage mit einem praktisch unversorgten Armbruch, kargen Rationen und nur wenig Wasser einsam durchs Gebirge gestolpert war. Schon seine Amme – welche auch die Amme seines Herrn und Freundes gewesen war – hatte immer gesagt, er, der bezeichnenderweise im Phexmond Geborene, ein wahres Glückskind sei. Und bislang schien sie recht zu behalten.
Der Mercenario wandte sein Haupt zunächst nach links gen Westen, dann nach rechts gen Osten. Grezzano oder Castillo da Vanya? Ein Schaudern erfasste ihn beim Gedanken an den letzten Empfang dort – oder war es nur ein Fieberschub? Eine Woche war vergangen, seit die Vorhut Grezzano verlassen hatte. Zweifellos war der Condottiere längst weitergezogen, und hatte wohl kaum Vorräte zurück gelassen. Das Castillo da Vanya dagegen war aller Wahrscheinlichkeit nach besetzt, sodass es dort Unterkunft und Essen, vielleicht sogar einen Heiler gab. Die Frage war nur, von wem es besetzt war. Abermals erschienen die Bilder vor seinem inneren Auge, wie das herab sausende Fallgatter eine Söldnerin im wahrsten Sinne des Wortes zerquetscht hatte, wie sie rennen mussten wie die Hasen, um den Bogenschützen auf dem Wehrgang zu entkommen. Diese Sache würde Hernán von Aranjuez freilich nicht einfach auf sich beruhen lassen. Das hatte auf dem Anmarsch schon dieser kleine Junker zu spüren bekommen, als der Condottiere dessen Anwesen in Schutt und Asche gelegt hatte. Ganz ohne Zweifel würde er auch die übrigen Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen wollen, sodass er womöglich vors Castillo da Vanya gezogen war, sobald er die Suche nach der Grafentochter aufgegeben hatte. Und viel länger als eine Woche würde er sich wohl kaum mit diesem wenig hoffnungsvollen, dafür aber umso gefährlicheren – das hatten sie zu spüren bekommen, das wussten die Götter! – Unterfangen aufhalten würde.
„Castillo da Vanya also“, murmelte er halb zu sich selbst, halb zu dem Raben, welchem er wie jedes Mal, wenn sie zuletzt eine Weggabelung erreicht hatten, einen Brotkrumen zugeschnippst hatte. Ob der Vogel wohl irgendwie mit dem hochgelehrten Herrn zu tun hatte, welcher erst kürzlich nach langer Absenz wieder in den Schoss des Hauses Aranjuez zurück gekehrt war? Der Magier hatte sich nicht unter den Toten am Grund der Schlucht befunden, sodass er womöglich überlebt hatte. Vielleicht stand das Tier irgendwie mit ihm in Verbindung. Einerlei, wenn er das Castillo mit dem letzten Tageslicht erreichen wollte, würde er sich sputen müssen…
Autor: SteveT
Im prasselnden Sturzregen eines der typischen bosquirischen Sommergewitters erreichte Anzures Ballan bis auf die Haut durchnässt die armseligen Hütten der Dorfschaft Vanyadâl. Die große vieltürmige Burg mit dem wuchtigen Bergfried warf einen dunklen Schatten über den Ort, wann immer ein gleißender Blitz das dunkle Gewölk zerriss. Einer davon schlug knisternd und fauchend direkt in den Bergfried ein, was den ganzen Ort kurzzeitig in ein unwirkliches blaues Licht tauchte. Trotz des Wolkenbruchs brannte der Fahnenmast des Bergfriedes und das grün-weiße Selaquer Banner daran danach lichterloh. Irgendwo auf dem Castillo wurde eine dumpf dröhnende Alarmglocke geläutet.
Das Dorf selbst war noch immer wie ausgestorben - alle Fenster und Türen waren verriegelt oder sogar von außen mit Brettern vernagelt. Selbst Hühner, Schweine oder Ziegen waren keine auf den morastigen, pfützengesprenkelten Gassen zu sehen. Die Wolken am Himmel waren so dunkel, daß man kaum zu sagen vermochte, ob es Tag oder Nacht war. Der altgediente Mercenario war sich aber sicher, daß es allenfalls früher Abend sein konnte.
Er hatte erst wenige Schritte in das Dorf hinein gemacht, als ihn sein Gefahreninstinkt selbst gegen das Tosen des Sturmes ein leises Platschen oder Wasserspritzen wahrnehmen liess, so als ob direkt hinter ihm jemand kraftvoll in eine Pfütze getreten sei. Er wandte sich so schnell um, wie das mit einem gebrochenen und nur behelfsmäßig bandagierten Arm möglich war, und starrte geradewegs auf die nackte, feucht glänzende Brust einer Kreatur, die ihn um zwei Haupteslängen überragte.
Im nächsten Moment fegte ihn ein Faustschlag von den Beinen - so hart, als wäre er von einem Kriegshammer getroffen worden und die riesige Kreatur hinter ihm riss brüllend das Maul auf, aus dem vier bedrohlich lange Eckzähne aufragten.
"Ein Oger!" dachte Anzures im Fallen, "ein verfluchter menschenfressender Oger!" Glücklicherweise war der Aufprall auf dem schlammigen Boden nicht allzu hart - aber mit zwei Schritten stand der Riese über ihm, bei dem es sich - trotz einer Größe von über zweieinhalb Schritt - offenbar noch um ein Oger-Junges handeln musste.
Von weiter hinten auf der Straße näherten sich noch vier weitere von etwa seiner Größe und begannen, wie geistesgestörte Krakeeler gegen die Fenster und Türen der Hütten zu schlagen und zu treten. Auch zwei noch größere, da ausgewachsene Oger-Weibchen mit baumelnden Titten, groß wie Wassermelonen, folgten den Halbstarken noch hintendrein.
"Ihr Götter! In diesem trostlosen Landstrich bleibt einem auch nichts erspart!" fluchte Anzures Ballan gegen das Brüllen des Sturmes und rollte sich im letzten Moment stöhnend zur Seite, als der rechte Fuß des Jung-Ogers knapp neben seinem Kopf niedersauste, der ihn schlichtweg hatte zertreten wollen, wie ein lästiges Insekt.
Autor: Der Sinnreiche Junker
Der Waffenmeister biss auf die Zähne, als der Schmerz seinen Arm durchfuhr. Aber besser noch über den maladen Arm gerollt, als den Fuß des Orgers im Gesicht. Blitzschnell zog er einen Dolch, eine hässliche Basiliskenzunge, denn für das Schwert blieb keine Zeit, zumal er von dort unten auch nicht viel mehr als wirkungslos hätte herumfuchteln können. Schon hob das Junge abermals seinen Fuß, und wieder musste Anzures sich mit Grunzen beiseite rollen. Dieses Mal aber hatte er die Klinge zur Hand, und als das Vieh ein drittes Mal zum Stampfen anhob, setzte er die Klinge in der Kniekehle dessen Standbeines an. Seine Hand war schwarz von Ogerblut, als er sie ruckartig wieder hervor zog. Das Ungetüm hingegen schrie gequält auf, schwankte und verlor das Gleichgewicht ob der durchtrennten Sehnen und Bänder, und ging schließlich mit lautem Platschen zu Boden.
Bis zur Burg hinauf würde er es niemals schaffen, zumal er es der Besatzung – wer immer das gerade sein mochte – kaum würde verdenken können, wenn sie einem Fremden nicht die Tore öffnen würden, dem eine Horde Oger auf dem Fuße folgten. Doch wohin dann? Nicht einmal mit einem gesunden Arm und im Vollbesitz seiner Kräfte würde er sich einem Oger entgegen stellen, geschweige denn einer ganzen Sippe. Es hieß, Oger könnten Menschenfleisch riechen, sodass es nicht sonderlich erfolgversprechend schien, sich irgendwo im Dorf zu verstecken, durch welches die Untiere soeben marodierten. Es sei denn…sein Blick war auf den Brunnen in der Mitte des Dorfes gefallen. Womöglich würden sie ihn dort unten nicht wittern können. Falls doch säße er freilich in der Falle, und selbst wenn der Schacht zu eng sein sollte, als dass sie ihm herunter folgen könnten, so war ihnen doch zuzutrauen, dass sie irgendetwas auf ihn hinab werfen würden. Und selbst wenn nicht, müsste er es von dort unten erst einmal wieder herauf schaffen, mit nur einem guten Arm. Sei’s drum. Mit einem götterlästerlichen Fluch, den Frau Rondra sogleich mit Blitz und Donner beantwortete, rappelte er sich auf, und stürzte in Richtung des von groben Steinen ummauerten Dorfbrunnens…
Autor: Ancuiras
... doch er kam nicht weit. Eine Pranke des zu Boden gegangenen Ungeheuers langte nach ihm, und obschon sie ihn nur streifte, strauchelte er, rannte noch zwei Schritt mit rudernden Armen und fiel abermals hin. Er hörte, wie der Oger hinter ihm sich aufrappelte und auf dem guten Bein in seine Richtung humpelte. Er blickte sich panisch um und krabbelte gleichzeitig auf allen Vieren vorwärts. Das Wesen brüllte vor Zorn und sonderte geifernden Speichel ab, der in langen Fäden aus seinem Maul hing. Es näherte sich unaufhaltsam, und der Waffenmeister sah keine Möglichkeit aufzuspringen, denn dann wäre das Vieh beim ihm gewesen. Weit komme ich so nicht, dachte er bei sich, als er aus dem Augenwinkel, aus der Lücke zwischen zwei Hütten hervor schießend, ebenfalls etwas Großes auf ihn zukommen sah. Er meinte Hufgetrappel zu hören, doch er hatte keine Zeit, in die Richtung zu schauen, da er bereits den Atems des Ogers in seinem Nacken spürte. Als er sich auf den Rücken rollte, den Dolch als einzigen Schutz zwischen ihm und dem Menschenfresser, sah er dessen mit großen Reißzähnen bewehrtes Maul auf ihn nieder fahren.
Im nächsten Augenblick wurde der Schädel des Monsters von einem langen Schaft durchbohrt und ein Schwall Ogernbluts ergoss sich auf Anzures. Gerade konnte er sich zur Seite werfen, bevor der massige Körper zu Boden fiel - eben dort, wo er gerade noch gelegen hatte.
Als sich die Wolke aus Blut und Staub gelegt hatte, sah er einen gepanzerten Ritter, dessen zielgenau platzierte Lanze soeben den Jungoger über das Nirgendmeer befördert hatte, oder wo immer Oger nach ihrem Ableben hingehen mochten. Der Reiter, unter dessen Helm blondes Haar hervor lugte, wendete sein Ross und hielt wieder auf Anzures zu.
"Sitzt auf", rief der Mann ihm zu, "wenn Ihr nicht als Carpaccio enden wollt!"
In der Tat waren die anderen Oger mittlerweile bedrohlich nah heran gekommen.
Autor: Der Sinnreiche Junker
Und wiederum hatte ihn sein Glück nicht im Stich gelassen. Woher der Reiter so plötzlich gekommen war, wer sich unter dem Visier verbarg, und mit welchen Farben er es hielt war einerlei, Hauptsache dem Oger im letzten Moment entkommen. Da nahm man auch gerne einen Schwall wenig wohlriechendes Ogerblut in Kauf, sodass sich neben dem Weiß der weit aufgerissenen Augen auch kurz das Weiß eines bleckenden Grinsens im schwarzklebrigen Antlitz mischte. Die Aufforderung aufzusitzen brauchte der Reiter nicht zweimal zu sagen. Auf ein Knie gestützt, schob Anzures die Klinge in seinen Stiefelschaft, stemmte sich stöhnend hoch – eindeutig war er zu oft über seinen gebrochenen Arm gerollt – und hielt den gesunden Arm dem heranbrausenden Reiter entgegen gestreckt, bereit mit letzter Kraft und hoffentlich ein wenig gnädiger Mithilfe hinter ihm auf die Kruppe des Rosses zu springen…
Autor: SteveT
Wütend knallte Yegua von Elenta die Tür des Abtritts der herrschaftlichen Gemächer auf Castillo da Vanya von außen zu, ohne dass sie darin hätte erledigen können, weshalb sie dieses eigentlich stille Örtchen aufgesucht hatte. Konnte man denn hier nirgendwo seine Ruhe haben? Nicht einmal für einige wenige Augenblicke?
Eigentlich hätte sie allen Grund, ihrer Base dankbar zu sein, die ihr diese Bewährungschance gab und ihr eine mächtige Festung wie diese anvertraute, die unzweifelhaft ein Vermögen wert war. Mit jedem Tag aber, den sie seit der Abreise Praiosmins als deren Statthalterin und Burgcapitana hier verbracht hatte, war es offensichtlicher geworden, dass ihre Base ihr alles andere als die Crème de la Crème ihrer Büttel als Burgwachen zurückgelassen hatte. Unter den sechzehn Dorftrotteln und Vollidiotinnen, die sie unter ihrem Commando hatte, war kaum einer, der unfallfrei seinen eigenen Namen schreiben konnte - geschweige denn, irgendwelche komplizierteren Befehle in der gewünschten Art und Weise ausführen.
Mit zusammengepressten Lippen und sporenklirrend durchquerte Yegua das Arbeitszimmer des Großinquisitors, dessen Gemächer sie zu ihrem Domizil erwählt hatte, und riss die Tür zur Loggia auf, um im prasselnden Starkregen hinaus ins Freie zu treten.
"HEEEEEEYYYY! Was soll das Geklingel?", brüllte sie zur Barbakane hinüber. "Nur weil es gewittert, müsst ihr nicht Alarm schlagen! Das tut es hier jeden verdammten Tag! Und was ist das für ein Geschrei im Keller?"
Gegen das Tosen des Sturmes hörte sie bis zum Tor niemanden. Stattdessen antwortete ihr die Soldatin Lucia drunten im Hof, die ihr selbst noch als die Hellste ihrer Untergebenen vorkam: "Halten zu Gnaden, Domna - es ist nicht wegen dem Sturm! Es wird geläutet, weil der Bergfried brennt!"
"WAS?", schrie Yegua entsetzt und blickte nach oben. Tatsächlich brannten der Fahnenmast und das Selaquer Banner lichterloh, auch das Mauerwerk im obersten Stockwerk des Turmes schien beschädigt, und ein rötlicher Schein, der aus dem Inneren der Türmerstube kam, verhieß nichts Gutes.
"Orkverflucht! Das war ein Blitzeinschlag! Glücklicherweise war bei diesem Wetter wenigstens niemand oben auf den Zinnen!", antwortete Yegua und wandte sich bereits ab, um hinunter in den Hof zu laufen. Sie musste selbst die Löscharbeiten organisieren - ansonsten brannte wegen dieser Lappalie am Ende noch die ganze Burg ab.
"Eusebio war oben!", korrigierte sie Lucias Stimme aus dem Hof.
"Waaas? Dieser Schwachkopf! Wieso das denn?", fauchte Yegua.
"Ähm, er wollte das Banner einholen, damit es bei dem Sturm nicht abgerissen wird und fortfliegt. Das bringt Unglück, sagte er!"
"Friede seiner Asche!", ätzte Yegua und tippte sich an die Stirn. "Zumindest hat er Recht behalten - Unglück hat es ihm fürwahr gebracht!"
Sie knallte die Tür zu, griff sich ihren Helm und Streitkolben von einem Wandregal und stürmte die Treppe hinunter und durch die Vorhalle hinaus ins Freie.
"Nimm dir noch drei Mann hinzu und geht hinunter in den Keller! Sieh nach, was das dort unten für eine Schreierei war. Der Stimme nach, war es diese Rothaarige!", instruierte sie Lucia, während sie selbst weiter durch den Regen bis zum Torhaus lief, wo noch immer die Alarmglocke geläutet wurde.
"Holla! He! Aufhören!", rief sie dem Büttel zu, der das Klöppelseil der kleinen Glocke wie ein Irrsinniger hin und her riss. "Was ist denn los, verflucht nochmal?"
"Ach Ihr seid's!", antwortete ihr der Gardist, der erschrocken zusammengezuckt war. Sein Name war Eskariel, wie Yegua inzwischen wusste. Sie hatte seinen Namen als ersten von allen im Gedächtnis behalten, weil er aus irgendeinem abgeschiedenen Gebirgstal in der Waldwacht stammte und einen so fürchterlichen Dialekt sprach, dass sie kaum einen Satz verstand, als ob er nicht auf Almadanisch, sondern in der Sprache der Echsenmenschen mit ihr kommunizieren würde.
"Drausse sin' achd Oscher, Domscha, so gross wie ä klaa Häusje, die sin so'nem arme Bursch nach und wollden kapudd robbe und kapudd dabbe! Da kimmt awer gerad noch so'nen annern Bursch uffem Pferd und hat de aane uffgespiesst wie ä Mastsau. Da! Der anner kraxelt ach uff de Gaul! Ui, ui, ui dene gehd's jetz schee ans Ledder!"
Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, sprang Yegua die nassen Stufen zur Balustrade empor. Was faselte der Mensch? Sie hatte fast kein Wort seines Kauderwelschs verstanden und nickte nur, scheinbar zustimmend, ehe sie selbst einen Blick hinunter ins Dorf warf, der ihr fast das Blut in den Adern gefrieren ließ. Drunten auf dem Dorfplatz rotteten sich sieben riesige Ungeheuer mit bleicher glänzender Haut zusammen, wie sie sie noch nie in ihrem Leben gesehen hatte. Das also mussten Oger sein, die die Menschen am Rande des Raschtulswalls seit jeher fürchteten. Ein weiterer Oger lag tot oder verletzt am Boden, während zwei Menschen in ihrer Mitte um ihr Leben kämpften. Eben kam der Größte der Oger, ein mächtiger Brocken mit hässlichen Dornen am Hinterkopf, auf die beiden zu, deren verängstigtes Pferd im Angesicht dieser Monster scheute.
Ohne lang zu überlegen, nahm Yegua Eskariel seinen Kompositbogen vom Rücken und zog einen Pfeil aus dessen Köcher. In ihrer Zeit bei den Aguerridos war sie immer eine der besten Schützinnen des Terzios gewesen - nun war der rechte Moment zu überprüfen, ob dies noch immer so war...
Autor: Ancuiras
Gendahar ergriff den Arm des Mannes und zog ihn hoch. Beinahe hätte es ihn selbst vom Pferd gerissen. Früher hatte er jemanden aus vollem Gallop auf sein Ross hieven können, aber zugegebenermaßen waren das schon damals zarte Domnatellas gewesen, die er zeitweilig der ihm zürnenden Sippe entführen wollte, und kein ausgewachsener Kriegsmann. Er musste sein Pferd nahezu vollständig parieren, damit der Mann nicht gleich wieder herunter fiel, aber mit gemeinsamen Kräften gelangen es ihnen. Allerdings baumelte der Mann nun wie ein nasser Sack quer über dem hinteren Teil des Pferderückens, weitaus weniger graziös als einst die Donmnetallas.
Die Aktion hatte viel zu viel Zeit gekostet, und schon war ein weiterer Oger, diesmal ein riesiges ausgewachsenes Exemplar, bis auf wenige Schritt heran gekommen. Gendahar gab seinem Pferd die Sporen, dass trotz der doppelten Last wie wild davon schoss, den Gestank des Ungeheuers kaum noch ertragend.
Gendahar blickte sich um, während er auf das andere Dorfende zuhielt. Er hatte genug Zeit gehabt, die Siedlung zu studieren, während er sie aus seinem Versteck in den Büschen am rahjawärtigen Hang beobachtet hatte. Ihm war gleich aufgefallen, dass kaum Menschen in dem Ort zu sehen waren. Dann waren plötzlich der arme Mann hinter ihm und die wütenden Oger erschienen, aber noch immer war nirgendwo ein Zeichen von Richeza, wegen derer er den ganzen Weg aus Schrotenstein wie der Wind hierher geritten war.
Selbst wenn es ihm gelingen sollte, den Ogern zu entkommen, konnte er nicht einfach fortreiten. Sicher lag Richeza in einem Verlies tief unterhalb des Castillos, wo sie zwar sicher vor den Ogern, aber nach wie vor in den Händen der Schergen Praiosmins war.
Autor: von Scheffelstein
Am Ortsausgang hätte Gendahar beinahe einen alten Mann über den Haufen geritten, der plötzlich zwischen den Büschen auf den Weg trat. Der Mann stolperte rückwärts und ließ dabei einen Arm voll totes Holz fallen, und das Pferd wich so plötzlich zur Seite aus, dass Anzures Ballan kopfüber vom Pferd rutschte und – wieder einmal – auf dem verletzten Arm aufkam.
"Oh!", machte der Mann, als Gendahar das Pferd zügelte. "Oh!", dann noch einmal, als er über den liegenden Söldner hinweg ins Dorf schaute und die Oger erblickte. Einem der Ungeheuer steckten zwei Pfeile in der Schulter, und es wütete mit einem ausgerissenen jungen Baumstamm in der Hand und zertrümmerte Tür und vernagelte Fenster einer Kate. Aus den übrigen Hütten drang Geschrei herüber, und in diesem Moment brach einer der Oger aus einer Hütte aus und schleifte einen halbwüchsigen Mann hinter sich her, dessen abgetrennten Arm er bereits im Mund hatte.
"Ihr guten Götter!", rief der Alte aus, in dem Gendahar, als er sein Pferd wendete, nun den Heiler Tsacharias Krähenfreund erkannte.
"Guter Herr", wandte der Alte sich an ihn, der ihn offenbar in Rüstung und Helm noch nicht erkannt hatte, "helft uns! Helft den armen Leuten! Wir müssen sie aus den Hütten herausholen und in Sicherheit bringen!" Er betrachtete den Söldner, der sich soeben aufrappelte, besorgt, dann band er einen Teil des bunten Gewandes los, und hielt das farbige Tuch in die Höhe. "Gütige Tsa, schütze und bewahre das Leben dieser armen Menschen! Segne sie und lasse Frieden herrschen in diesem Tal!"
Er bückte sich, hob einen der Äste auf, die er zuvor fallen gelassen hatte und band das Tuch wie eine Fahne daran. "Folgt mir!", sagte er. "Ihr müsst die Menschen aus den Häusern holen! Ich werde die Ungeheuer vertreiben, habt keine Angst!"
Und so schritt er auf das Dorf zu, in dem die Oger wie tollwütige Wölfe tobten und eine Spur von Blut und gesplittertem Holz hinterließen.
Autor: Der Sinnreiche Junker
Anzures schwankte, und ihm tanzten bunte Lichter vor den Augen. Trotz des Adrenalins in seinem Körper, raubte ihm der pochende Schmerz in seinem gebrochenen Arm nach dem abermaligen Sturz beinahe das Bewusstsein. So mochte es gut sein, dass er mit dem gesunden Arm auch deshalb den Gendahars ergriff, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, und abermals zu stürzen.
„Hört nicht auf ihn, der Mann ist toll!“, presste er mühsam hervor, dem alten Heiler nachblickend, wie er mit einem Parlamentärsfähnchen auf die Oger zu hielt.
Autor: Ancuiras
Gendahar rollte die Augen. Dieser Tsacharias konnte einen wirklich in den Wahnsinn treiben. "Wartet, Ihr rennt in den sicheren Tod! Er versuchte, sein Ross in Richtung der Dorfmitte zu lenken, aber es wollte nicht. "Sagt, habt Ihr Domna Richeza gesehen? Im Castillo vielleicht?"
Autor: von Scheffelstein
Tsacharias, der die Fahne hoch über seinen Kopf hielt, drehte sich zu Gendahar und Anzures um und nickte. "In der Tat, das habe ich. Und wie es scheint, ist sie wirklich auf dem Weg ins Castillo." Er schüttelte den Kopf und seufzte. "Tsa behüte deine Kinder, die voller Leichtsinn sind und Torheit", murmelte er, dann blickte er erneut zu Gendahar auf. "Nein, mein Freund, nicht ich bin es, der in den sicheren Tod rennt, vielmehr Eure Domna. In ihrem Zustand! Unverantwortlich!" Abermals schüttelte er bekümmert den Kopf und winkte den Männern. "Aber nun kommt! Es gilt viele Menschenleben zu retten! Beeilt Euch, dann zeige ich Euch, wohin die Domna und ihre Freunde gegangen sind."
Autor: von Scheffelstein
"Wartet!", rief Gendahar erneut. Sein Ross weigerte sich noch immer, auch nur einen Schritt näher in Richtung des Dorfes zu machen. Der Blutgeruch und der Anblick der Oger machten es unruhig. Er konnte froh sein, dass es nicht einfach Reißaus nahm.
Fluchend ließ er sich aus dem Sattel gleiten. Ohne den Alten würde er nicht erfahren, wo er Richeza fand und wie er ins Castillo gelangte, ohne von den Bogenschützen niedergemacht zu werden, die offenbar dort oben auf den Wehrgängen und Türmen standen. Gerade eben traf ein dritter Pfeil den wütenden Menschenfresser, der mit dem ausgerissenen Baum um sich hieb. Diesmal durchschlug der Pfeil die Kehle des Monstrums. Sein ohrenbetäubendes Brüllen ging in ein Gurgeln über, dann fiel das Biest der Länge nach vornüber und spießte sich im Sturz einen der gesplitterten Äste des Baumes durch den feisten Wanst. Schwarzes Blut spritzte, und der staubige Boden der Straße färbte sich dunkel.
Die übrigen Oger tobten nur um so wilder. Zwei zankten sich um eine schreiende Frau, die sie bei lebendigem Leib schier in Stücke rissen, die übrigen hielten auf den alten Krähenfreund zu.
Der Alte war verrückt! Das war Wahnsinn! Niemand konnte hoffen, dieses Schlachten unbeschadet – oder überhaupt – zu überleben! Warum sollte er sein Leben riskieren? Gendahar musste an Rominas Worte denken. Tat er das all hier wirklich, um eine da Vanya zu retten? Nun, sie war nicht irgendeine da Vanya ...
Als er jung war, war ihm mancher Ehemann, dem er die Hörner aufgesetzt hatte, wie ein tollwütiger Oger erschienen. Hatte er sich vor diesen gefürchtet? Nein, er hatte auf seine Fechtkünste vertraut und sich im Eifer der Jugend in jeden Konflikt gestürzt, der an ihn herangetragen worden war. Hatte das Feuer der Jugend ihn etwa verlassen? Bei den Göttern: Noch nicht, Gendahar, noch nicht!, dachte er und zog sein Schwert.
"Könnt Ihr laufen?", wandte er sich an Anzures Ballan. "Gut, dann schafft es lebend bis zur anderen Seite des Dorfes. Wenn Ihr noch ein paar Frauen und Kinder mitnehmen könnt, um so besser. Ich brauche diesen Verrückten lebend. Rondra mit uns!"
Tsacharias Krähenfreund hielt direkt auf die Menschenfresser zu, schwenkte das bunte Tuch und rief: "Frieden sei mit euch, Söhne und Töchter Ogerons!" Einige der Oger blieben verdutzt stehen und gafften den Alten an, der furchtlos mitten unter sie schritt. Wundersamer Weise machte keines der Monstren Anstalten, den alten Heiler zu attackieren, ja, eines der Weibchen und zwei der jüngeren Oger wichen sogar zurück, und als er weiter die Fahne vor ihren groben Gesichtern schwenkte, drehten sie sich um und flohen in verschiedene Richtungen.
Die zwei streitenden Oger schenkten dem Heiler weniger Beachtung. Sie rissen noch immer an der erbarmungswürdigen Bäuerin herum, die ihrem Schicksal inzwischen erlegen war. "Frieden!", rief Tsacharias Krähenfreund, aber sein Rufen ging im Brüllen der Oger unter und im Schreien und Jammern der Dörfler, die sich zum Teil in den Hütten zu verstecken versuchten, zum Teil aus ihnen flohen, denn ein letztes großes Ogerweibchen zerschmetterte die Türen und angelte mit den langen Armen nach den kreischenden Menschen in den Hütten.
|