Chronik.Ereignis1033 Feldzug Selaque 16: Unterschied zwischen den Versionen
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Das Pfauenauge flog vom Harnisch des Barons und Junkers auf und ließ sich auf Tsacharias' Fingern nieder. | Das Pfauenauge flog vom Harnisch des Barons und Junkers auf und ließ sich auf Tsacharias' Fingern nieder. | ||
Es war schließlich einer der wenigen Söldner, die der Condottiere noch aus Unterfels mitgebracht hatte, der auf den alten Heiler zutrat, mit wettergegerbten Zügen unter einem ausgeblichenen Caldabreser. „Ihr habt gehört, was der Capitán gesagt hat.“ Eine Waffe hatte er freilich nicht gezogen, ja, nicht einmal die Hand an den Griff gelegt, obwohl das Mietlingsvolk ansonsten gewiss schnell mit einem Eisen zur Hand war. | |||
Hernán von Aranjuez aber hob nur kurz den rechten Zeigefinger auf halbe Höhe, und der alte Mercenario trat wieder zurück ins Glied. Mit der anderen Hand verscheuchte er den Schmetterling – oder glaubte zumindest es getan zu haben, ehe er, noch immer halb von Tsacharias Krähenfreund abgewandt, mit leiser Stimme fortfuhr: „Wenn Euch das Wohl der Gefangenen so sehr am Herzen liegt, haltet Ihr es dann wirklich für klug, meine Geduld dergestalt zu strapazieren? Haltet Ihr es wirklich für klug vor meinen Leuten meine Autorität in Frage zu stellen? Ich sage es nur noch ein einziges Mal: geht jetzt.“ | |||
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Version vom 23. April 2012, 11:38 Uhr
In der Baronie Selaque, 2. Rondra 1033 BF
In Grezzano und im Vanyadâl
Autor: Der Sinnreiche Junker
Es konnte nicht lange her sein, dass der Streitziger verschwunden war, da öffnete sich erneut die Türe ihres improvisierten Gefängnisses, und zwei Mercenarios sowie die Korporalin traten ein. Immerhin waren sie höflich genug, die Landedle auf die Füße kommen zu lassen, was sich freilich mit auf den Rücken gefesselten Händen als nicht ganz einfach erwies. Kaum war sie aber noch immer etwas schwankend oben, zog auch schon die Korporalin ihren Raufdegen, und die beiden Mercenarios machten Anstalten sie jeweils an der Seite zu umrunden. Aus dem Augenwinkel sah sie eine weitere, kürzere Klinge blitzen.
„Was…?“, riss die Scheffelsteinerin die Augen auf, und wich einen Schritt zurück. Die Söldnerin aber setzte nach, und legte ihr die Klingenspitze beinahe unters Kinn, derweil sie mit der anderen Hand den Zeigefinger an die Lippen führte. Derweil hatten die beiden Mercenarios sie umrundet, und griffen nicht eben sanft nach ihren Armen. Wollte man sie meucheln? Richezas Herz schlug bis zum Hals, als sie die kalte Liebkosung von Metall an ihren Händen spürte, und einen Augenblick später waren ihre Fesseln durchschnitten. Sollte sie doch freigelassen werden? Dass man weiterhin ihre Arme festhielt, und sich eine Waffe nur weniger Finger von ihrem Hals entfernt befand, sprach wohl eher dagegen. Tatsächlich wurden ihr dann auch nur die Hände vor dem Körper wieder zusammen geführt, und dann abermals mit einem Strick gefesselt. Die Mercenario steckte ihren Raufdegen weg. „Kommt mit“, wies sie die Gefangene nur knapp an, und trat dann wieder nach draußen.
Richeza von Scheffelstein schossen derweil unzählige Gedanken durch den Kopf, sodass es eines auffordernden Schuppsens in ihrem Rücken bedurfte, ehe sie sich in Bewegung setzte. Draußen hob sie kurz die gefesselten Hände vor die Augen, nach dem Halbdunkel der Hütte geblendet vom gleißenden Licht der Praiosscheibe. Nach einigem Blinzeln aber konnte sie den Dorfplatz überblicken, wo die etwa dreißig Mercenarios zum Abmarsch bereit standen. Offensichtlich sollte es kein weiter Marsch werden, denn die Söldner trugen neben ihren Waffen nur Wasserschlauch und Brotbeutel mit sich, während das ganze übrige Material und die Karren scheinbar zurück gelassen wurden.
Von der Seite her kam ein weiterer Mercenario, der ein Ross am Zügel führte. Offensichtlich hatte man ihr deshalb die Hände vor den Bauch gebunden, damit sie besser aufsteigen und reiten konnte. Prompt nickte die Korporalin in Richtung des Pferdes, sodass Richeza wenig anderes übrig blieb, als einen Fuß in den Steigbügel zu setzen, mit beiden Händen nach dem Sattelknauf zu greifen, und sich nicht ohne Mühe in den Sattel zu schwingen. Einmal davon abgesehen, dass es sich zweifellos um die klapprigste Schindmähre von allen handelte, die wohl zuvor einen der kleineren Karren hier herauf nach Grezzano gezogen hatte, erlaubte man ihr allerdings nicht wirklich zu reiten, sondern der Söldner führte das Ross weiterhin am Zügel.
Überhaupt war von des Aranjuezers Leuten nur noch jeder Dritte beritten, sah Richeza doch nun, dass die Gräflichen um Domna Romina, Dom Rondrigo und Dom Gendahar wieder zurück waren, und offensichtlich hatte man an diese einige Rösser abgetreten, um zumindest diese Truppe vollends beritten zu bekommen. Die Knechte ihrer Tante freilich mussten nicht nur zu Fuß gehen, sondern Landolo und Gilano mussten den verwundeten Zicardo auf einer Bahre tragen, ein Seil zwischen ihren Hälsen, falls sie doch auf die Idee kämen, ihren Kameraden einfach sich selbst zu überlassen.
Die Stimmung auf dem Platz war offensichtlich recht angespannt, gab doch sodann der Baron und Junker ohne ein weiteres Wort der Erklärung ihr gegenüber das Zeichen zum Aufbruch. Auch als er an der Spitze seiner Leute an den Gräflichen vorbei ritt, lüftete er nur noch kurz den Caldabreser, und verließ dann schweigend das Dorf Grezzano in Richtung der Ebene. An seiner Seite ritt der Condottiere Domna Morenas, während Richeza auf ihrem Pferd in der zweiten Hälfte des Zuges eingereiht wurde, gleich hinter ihr die da Vanya-Knechte.
Diese hatten mit ihrer Last durchaus ihre liebe Müh und Not, legte der Zug doch ein beachtliches Schritttempo vor. Freilich stand die Praiosscheibe schon hoch am Himmel, dafür, dass Hernán von Aranjuez ursprünglich geplant hatte, bereits am Morgen die Gräflichen zu Verabschieden, und sich auf die Suche nach seinen Leuten zu machen. Offensichtlich wollte er nicht noch mehr Zeit verlieren.
Immer wieder sahen sich die Mercenarios wachsam nach allen Seiten um, doch war weit und breit kein Ferkina in Sicht, sodass man unbehelligt das Tal erreichte. Hier gab es zwar nur zwei Wege, entweder nach Westen gen Selaque und Castillo Albacim, oder nach Osten, tiefer hinein ins Vanyadâl bis zur Stammburg der alten Familia. Vielleicht war es etwas überraschend für Richeza, dass man sich nach rechts in Richtung des Castillo da Vanyas wandte…
Autor: Romina Alba
Die Comtessa versuchte nun schon seit etlicher Zeit, Golshan dazu zu bringen, etwas anderes anzuziehen, doch die Ferkina war nicht bereit, sich auch nur auszuziehen. Nur langsam drang der Aufbruchslärm von draußen in ihr schwer beschäftigtes Bewusstsein, so trat sie erst aus der Hütte, als der Trupp um Dom Hernán schon im Aufbruch begriffen war.
Vor irgendwo vorne vernahm sie Domna Richezas Stimme. Verdammt, Praiodor, sie hatte der Scheffelsteinerin keine Antwort gegeben! Sie lief los, in Richtung einiger Pferde, auf denen unter anderem, deutlich an der Statur erkennbar, Domna Richeza saß.
Servando Cronbiegler, der neben der Tür ihrer Hütte gestanden war, fluchte laut und setzte ihr nach. Der Castellan hatte befohlen, die Grafentochter nicht aus den Augen und bevor sie aufbrachen, auch nicht auf ein Pferd zu lassen. Doch er war es nicht gewohnt, schnell zu laufen, dazu kam die schwere Rüstung, und diese kleine Comtessa lief wie ein Wiesel!
Romina hörte es hinter sich fluchen und sah sich kurz um. Normalerweise hätte sie es genossen, den Mann abzuhängen, doch das Reiten ohne Sattel, sowie die Drohung des Castellans saßen ihr in den Knochen. Sie wurde langsamer und ließ den Ritter aufholen. Er war recht schnell neben ihr.
"Wo wollt Ihr hin, Euer Hochgeboren?" Cronbiegler versuchte ein gekeuchtes Lächeln. "Wir brechen sehr bald auf, Euer Pferd steht schon bereit."
Romina sah ihn kurz von der Seite an. "Ich muss noch mit Domna Richeza reden, sie wollte, dass wir den kleinen Praiodor mit nach Ragath nehmen."
Der Ritter lächelte - das war einfach! "Der junge Domnito kommt schon mit uns, Comtessa. Er ist bei Eurem Onkel. Dom Gendahar sagte, der Knabe stände jetzt unter seinem Schutz und er würde sich um ihn kümmern. Er hat es wohl mit Domna Richeza so abgesprochen." Er legte der Grafentochter vorsichtig eine Hand auf die Schulter. "Wir sollten auch abreisen, Euer Hochgeboren. In Ragath wartet Eure Familie auf Euch." Er legte all seine Hingabe zu Domna Rahjada in diese Worte.
Romina blieb stehen und schaute den Ritter an. Der Blick aus ihren blauen Augen war einen Moment voller Schmerz und doch so süß. Servando schluckte und unterdrückte ein Schaudern. Sie war doch nur die kleine Schwester. Sie war unnahbar und prüde, so ganz anders als seine Rahjada. Er leckte sich unwillkürlich über die Lippen. Romina senkte den Blick.
"Ihr habt Recht, Dom Servando, lasst uns nach Ragath reiten." Kurz schaute sie traurig der Gestalt von Domna Richeza nach. Dann wandte sich zurück zum Lager. Servando Cronbiegler folgte ihr, ließ seinen Blick prüfend über ihre Gestalt gleiten und schalt sich selbst einen Narren. Wer wollte schon den Eisfink, wenn er den Alveransvogel haben konnte?
Autor: Der Sinnreiche Junker
Gemächlich ließ Morena von Harmamund ihr Ross gen Osten traben, musterte die Hänge und Klippen des Tales, das schon bald ihr gehören sollte. Über sonderlich viel fruchtbares Land und zahlreiche dazugehörige Fellachen, die diese Äcker bewirtschafteten, würde sie nicht verfügen, doch war die Haupteinnahmequelle selaquer Adliger noch nie die Landwirtschaft gewesen. Versonnen lächelte sie bei dem Gedanken an diese Zukunft, denn natürlich würde dies nur der Anfang sein. Kaum vorstellbar, dass die da Vanyas sich mit dem Verlust ihres Castillos abfinden würden, sodass es noch weiteres da Vanya-Land zu holen geben würde. Am besten rottete man dieses Geschlecht gleich mit Stumpf und Stiel aus, auf dass wieder Ruhe einkehre, in diesem Winkel Deres. Sie würde daran ihren Anteil haben, und sich weiter dafür entlohnen lassen.
Schließlich wurde sie eines kleinen Bächleins gewahr, kaum mehr als ein gluckerndes Rinnsal, welches sich zwischen Felsen hinab schlängelte. Schlimm genug, dass sie ihrem neuen Lehen den ersten Besuch alleine und ohne standesgemäßes Gefolge – und noch dazu auf einem reichlich klapprigen Gaul – abstatten musste, da musste sie nicht auch noch daher kommen wie eine Botenreiterin. So lenkte ihren Klepper zu jenen Felsen hin, um sich den Staub von Gesicht und Armen zu waschen, und die langen Haare mit etwas Nässe notdürftig zu bändigen. Der eine oder andere Schluck des kühlen, klaren Gebirgswassers würde ihrer Kehle gewiss ebenfalls gut tun, und womöglich kam auch der Gaul nach einer Tränke etwas kraftvoller daher.
Einige Zeit verging so, ehe sich Morena von Harmamund wieder in den Sattel schwang, doch war sie keine zwanzig Schritt voran gekommen, als sich das Tier unter ihr plötzlich mit einem Schreckenslaut aufbäumte. Ein gefiederter Schaft eines Ferkinapfeiles steckte in seiner Seite, soviel konnte Domna Morena bereits erkennen, während sie verzweifelt versuchte, das verwundete Tier unter Kontrolle zu bekommen. Dergestalt beschäftigt, bemerkte sie kaum, dass sich ihr auch schon mehrere Wilde näherten, die sie zweifellos irgendwoher von oben herab schon seit einer ganzen Weile ausgemacht, und ihre Pause genutzt hatten, um sich heran zu schleichen.
Zweifellos beabsichtigten die Krieger die Frau lebendig gefangen zu nehmen, sodass die Harmamunderin genug Zeit hatte, ihren Säbel zu ziehen. Welch Ironie des Schicksals, so kurz vor den schützenden Mauern Castillo da Vanyas, so kurz vor ihrem neuen Lehen, von den Bergbarbaren abgefangen zu werden. Das Ross hatte sich nur leidlich beruhigt, doch war ihr das wilde Herumspringen in diesem Moment ganz recht, gelang es ihr doch so und mit einigen Säbelwischern, sich die Feinde ein wenig vom Leib zu halten. Schließlich aber sprang einer von ihnen vor, und rammte dem Pferd seinen krummen Speer in die Brust. Ein letztes Mal bäumte sich das Ross wiehernd auf, dann sank es todeswund zu Boden.
Domna Morena immerhin konnte sich mit einer Rolle über den steinigen Boden davor retten, unter dem eigenen Ross begraben zu werden, und schaffte es gar, ihren Säbel in der Hand zu behalten. Wild fuchtelnd kam sie wieder auf die Beine, gewann etwas Raum und einen Moment Zeit, sich zu orientieren. Vor ihr fünf Krieger, und in ihrem Rücken ging es steil bergauf, sodass eine Flucht unmöglich schien. „Hilfe! HILFE!“, schrie sie laut, auch wenn sie wusste, dass auch wenn in dem Tal ihr Ruf gewisslich weithin hallte, wohl kaum jemand in der Nähe war, der zu ihrer Rettung heran eilen würde. Nicht wenn so viele Ferkinas unterwegs waren. Immerhin schienen die Wilden sie noch immer gefangen nehmen zu wollen, sodass sie nur vorsichtig heran kamen, und auf eine günstige Gelegenheit warteten, sie zu überwältigen. Mit den ungestümen Hieben mochte sie sich die Kerle noch eine Weile vom Leib halten, doch würde sie früher oder später erlahmen, und dann wäre es ein Leichtes, sie zu entwaffnen.
Indes, die Götter schienen ein Einsehen zu haben. Gerade als ihr der Schweiß bereits in die Augen lief, und sie zu erblinden drohte, erfüllte plötzlich Hufgetrappel das Tal, so als würde das ganze Regiment der Ragather Schlachtreiter im nächsten Moment um die Ecke brechen. Die Ferkinas wechselten rasche Blicke, denn es war offensichtlich, dass sie nicht von ihrer Beute lassen wollten. Freilich, tot hätten sie von jener Beute nichts, und als das Donnern immer mehr anschwoll, stürmten sie schließlich davon, Hänge und Felsen hinauf, die Morena von Harmamund niemals für gangbar gehalten hatte.
Schwer atmend wischte sie sich mit dem Handrücken den Schweiß aus dem Gesicht, als sechs einsame Reiter um den Felsen bogen, sodass der donnernde Wiederhall mit einem Mal nach nicht mehr als…nun ja, sechs Reitern klang. „Genau im rechten Moment, Dom Hernán“, lächelte Morena von Harmamund angestrengt. Der vorderste Reiter musterte die Harmamund kurz, dann wanderte sein Blick zum toten Pferd, wo noch immer der Pfeil aus der Flanke ragte, und wohl Erklärung genug war. Sie war seinem Blick gefolgt, und zuckte entschuldigend mit den Schultern: „Ach ja, Euer Ross kann ich Euch leider nicht zurück geben.“
Hernán von Aranjuez nickte schmallippig. Wieder irgendein Alleingang, der ihn eines der kostbaren Rösser beraubt hatte. Wenn er auch nur annähernd dem Befehl des Marschalls nachkommen wollte, musste er mobil bleiben, doch schmolz die Zahl seiner Pferde dahin wie ein Schneeball in der Hitze des Praiosmondes. „Ihr hattet Glück, dass wir Euren Hilferuf gehört haben, Domna Morena“, schnitt er dies leidige Thema dann gar nicht erst an. Ein kurzer Wink, und einer der Mercenarios stieg von seinem Ross und überreichte Domna Morena die Zügel. Augenblicke später kam auch schon die Spitze seines Haufens um den Felsen herum. Mit zufriedenem Lächeln setzte Morena von Harmamund einen Fuß in den Steigbügel. Sie würde also doch noch mit einem angemessenen Gefolge in ihr Castillo einziehen.
Autor: Der Sinnreiche Junker
Als der Haufen, nun um einen Kopf größer, weiterzog, ziemte es sich nur, dass die demnächst neue Herrin des Tales sich neben den Condottiere an die Spitze des Zuges setzte. Kurz hatte sie noch einige Worte mit Berengar getauscht, der sich dann zurück fallen ließ, und sich bei den Bewachern der Scheffelsteinerin einreihte. Offensichtlich hatte die Harmamund gesehen, welche Feindin ihrer Familia da mit gebundenen Händen ritt.
„Sagt, Dom Hernán“, hob Morena von Harmamund mit einem Seitenblick an „Was führt Euch in das Tal?“
„Der Befehl seiner Exzellenz“, entgegnete der Baron und Junker zunächst nur knapp, schien aber dann beschlossen zu haben, doch etwas mehr von seinen Absichten kund zu tun: „Der letzte Besuch auf Castillo da Vanya war eher unerfreulich, die Abreise…überstürzt. Ich will wissen, wer dort das Kommando führt, denn ich muss mich darauf verlassen können, dass ich mich im Zweifel in die festen Plätze der Baronie zurückziehen kann, und sei es nur, um Verwundete zu versorgen.“ Wie durch ein Wunder hatte es bislang freilich kaum Schwerverwundete unter den Mercenarios gegeben. Dafür fanden sich bei den Toten, die im Kampf offensichtlich schwere Wunden davon getragen hatten, auffällig viele Leichen mit einem Almadanischen Grinsen oder einer dünnen Stichwunde in der Herzgegend. „Und natürlich muss ich die Besatzung auch darüber unterrichten, dass der Kaiser die Einstellung der Fehde befohlen hat. Zuletzt schließlich will ich mich auch nicht länger als nötig mit Gefangenen belasten.“
Wiederum lächelte Morena von Harmamund zufrieden. „Ja, ich kam nicht umhin zu bemerken, wen Ihr da mit Euch führt. Darf ich fragen, wie es dazu gekommen ist?“
Ohne sie anzusehen zuckte Hernán von Aranjuez mit den Schultern: „Domna Richeza ließ mir keine Wahl. Sie hatte vor wider dem kaiserlichen Befehl weitere Bewaffnete nach Selaque zu führen, um die Fehde fortzusetzen. Das konnte ich nicht dulden, zumal es auch ihrer eigenen Sicherheit diente, wollte sie doch alleine gen Ragath weiter reisen.“
Es war offensichtlich, dass ihm diese Entwicklung nicht gefiel, und so nickte die Harmamund eifrig: „Ihr habt richtig gehandelt, Dom Hernán. Wo könnte man dieser Tage sicherer sein, denn hinter den Mauern von Castillo da Vanya.“ Ihr Lächeln freilich verhieß nichts Gutes für die Gefangene.
Mit der bereits tief stehenden Praiosscheibe im Rücken, erreichte der Zug schließlich das stolze Castillo da Vanya. Der Anblick mochte Richeza schmerzen, nicht nur weil auf den Zinnen die Farben der Elenterin flatterten. Natürlich hatte man längst bemerkt, dass dort wer im Anmarsch war, verlangten Ferkinas und Fehde doch besondere Wachsamkeit, sodass man im hochgelegenen Castillo bereits alarmiert war, lange bevor Hernán von Aranjuez mit seinen Leuten am Fuße der trutzigen Burg ankam. Zwar dürfte dort oben mittlerweile klar geworden sein, dass es sich nicht um Ferkinas handelte, doch führte der Haufen keine Banner, sodass die Tore verschlossen blieben. Auch das zugehörige Dorf schien verlassen, als der Condottiere die Rechte zum Halt hob. Überall wurden nun die Schläuche entkorkt, um die vom Marsch trockenen Kehlen zu erfrischen, und selbst den Gefangenen wurde schließlich dergleichen gereicht.
„Domna Morena, wärt Ihr so freundlich und überbrächtet dem Kommandanten den kaiserlichen Befehl wie auch mein Ansinnen? Wie ich Euch ja berichtete, war mein letzter Aufenthalt eher unerfreulicher Natur, und gewiss würde eine Botschaft, von Euch überbracht, auf weit fruchtbareren Boden fallen.“
Die Harmamunderin zögerte einige Momente. Sicher, das Castillo war in den Händen ihrer Verbündeten, doch wer wusste schon, ob dort oben nicht jemand mit nervösen Fingern saß, der zuerst auf ungebetene Gäste schoss, ehe er nach ihrem Begehr fragte. Andererseits wäre es gewiss kein Fehler, auch eine Rolle in der Befriedung von Kaiserlich Selaque zu spielen, und so nickte sie schließlich fest, und winkte ihrem Mercenario Berengar, der dann am rastenden Zug entlang ritt, sodass beide sich sodann gemächlich auf Weg hinauf vor die hochgezogene Zugbrücke machten.
Unten im Dorf dagegen kehrte wieder erhöhte Wachsamkeit ein, denn die Siedlung schien zwar verlassen, doch war der Baron und Junker niemand, der sich gerne überraschen ließ. Wahrscheinlich hätte er es ohnehin bevorzugt, die Häuser und Hütten sicherheitshalber zu durchsuchen, doch könnte solches Tun oben im Castillo missverstanden werden, sodass sich die Mercenarios auf der Hauptstraße – oder was man hier draußen dafür hielt – wachsam in alle Richtungen umblickten.
Autor: von Scheffelstein
Das Castillo da Vanya! Was, beim Namenlosen, hatte der Aranjuez vor? Sie auf der Burg ihrer Ahninnen gefangen setzen? Oder sie in die Hände dieser verfluchten Harmamund geben, der gegenüber er sich offensichtlich eher geneigt sah, sein Handeln zu erklären? Richeza hatte nicht mehr als Wortfetzen von dem verstanden, was die beiden ausgetauscht hatten, doch das, was sie verstanden hatte, entsprach nicht der Wahrheit und nährte ihre Wut.
Da spielte sich der Söldnerbaron als Befehlsempfänger des Kaisers auf, aber sie wollte verdammt sein, wenn er nicht seine eigenen Pläne verfolgte! Da jedoch kannte er sie schlecht, wenn er glaubte, dass er der Einzige war, der anderen den Tag versauen konnte! Richeza lächelte dünn.
Sie fürchtete den Tod nicht. Was wohl geschähe, wenn sie auf diesem Marsch ums Leben käme, gar beim Einzug in ihrer Tante Castillo? Es gab genug Zeugen, und sie gefangen zu setzen, ohne ein Wort der Erklärung, das widersprach nicht nur der Etikette, das konnte, gerade angesichts der allseits bekannten Verbrüderung des Condottieres mit den Harmamunds, als Geiselname ausgelegt werden. Man brauchte nur einen gelehrten Advokaten – und sowohl ihr Großvater als auch die da Vanyas hatten genügend rechtsgelehrte Freunde ...
Und selbst, wenn man den Aranjuez nicht richtete, so würde er zumindest keine Lorbeeren ernten! Denn wenn sie, Richeza, starb, dann würde es keinen Frieden geben in Selaque, soviel war gewiss!
Ob ihre Tante sie vermissen würde? Ihr Großvater gewiss, es fiel ihr nicht schwer, sich seinen Kummer vorzustellen, und der Gedanke versetzte ihr einen Stich im Herzen. Was würde ihre Tante denken? Würde sie ihren Opfertod als Heldentat ansehen oder wenigstens als Grund, ihre Feinde in Grund und Boden zu stampfen? Oder würde sie Richeza eine Närrin heißen? Würde sie .... um sie trauern? Richeza konnte sich nicht vorstellen, dass Rifada da Vanya um irgendjemanden trauern konnte. Andererseits hatte sie auch gedacht, dass ihre Tante für niemanden Liebe empfand, und jene Szene im Mondlicht vor der Höhle in der vorgestrigen Nacht hatte sie eines Anderen belehrt.
Nein, wenn sie ihrer Familie nützte, dann frei und nicht ...
"...tot."
Irritiert wandte sich Richeza zu der Mercenaria um, die scheinbar ihre Gedanken aufgegriffen hatte.
"Was soll's? Ein Esser weniger und einer, auf den man achtgeben muss", zuckte ein Söldner mit den Schultern.
Redeten die über sie?, fragte sich Richeza, wurde aber abgelenkt durch Tsacharias Krähenfreund, der sich mit grimmiger Miene an ihrem Pferd vorbei nach vorne zu Hernán von Aranjuez durchdrängte.
Autoren: Der Sinnreiche Junker, von Scheffelstein
"Auf ein Wort, Herr Baron."
Hernán von Aranjuez wandte sein Haupt, und sah Tsacharias Krähenfuß – oder wie auch immer er heißen mochte -, der von dem Verwundeten weiter hinten zu ihm nach vorne geschritten war. Wohl der Höflichkeit halber stieg der Condottiere mit klappernder Rüstung von seinem Ross, griff dessen Zügel, und sah den Heiler fragend an. "Ihr wünscht?"
Tsacharias Krähenfreund musterte Hérnan aus braungrünen Augen. "Es ist nicht mein Wunsch, der mich zu Euch führt", erwiderte er. "Denn meine Wünsche sind so bedeutungslos wie die Euren. Ich bin hier, um Euch daran zu erinnern, dass Ihr Euch gegen das Leben versündigt und wider die Gebote der Ewigjungen. Zu leicht verlieren wir in unserem Streben nach Glück und weltlichem Verlangen das Glück der anderen aus den Augen – aus Unwissenheit. Der Unwissenheit, dass wir durch die Befriedigung unserer eigenen Bedürfnisse und das blinde Befolgen von Befehlen anderen Leid zufügen."
Ein Pfauenauge ließ sich im weißen, zerzausten Haar des alten Mannes nieder, der leicht gebeugt in zerschlissener Toga vor ihm stand. Einst war sein Gewand wohl farbenfroh gewesen, doch Staub und Schmutz hatten einen graugelben Schleier darüber gelegt.
"Kehrt um, mein Sohn, bevor es zu spät ist und Euer Ehrgeiz weitere Opfer fordert! Erinnert Euch des Segens, den Ihr bei Eurer Geburt erhieltet: Dass Ihr in Freiheit und Frieden leben möchtet, dass Ihr glücklich sein und nicht leiden möchtet. Diesen Segen, den Ihr erhieltet, teilt Ihr mit allen Menschen, die Ihr in dieses Tal führtet, auch jenen, denen Ihr Gewalt antatet. Lasset die Knospe des Mitgefühls in Eurem Herzen aufgehen und Ihr werdet belohnt werden mit einem Reichtum, der unendlich und unvergänglich ist."
Er war alt, der Mann, alt und gebeugt, seine ledrige Haut faltig wie sein zerschlissenes Gewand, seine altersfleckigen Arme aber waren sehnig, und aus seiner Haltung sprachen weder Demut noch Furcht. Sein Blick war streng – und doch freundlich.
Hernán von Aranjuez hörte sich geduldig die ausschweifende Rede des alten Heilers an, und tatsächlich blitzte etwas in seinen dunklen Augen auf, wenn auch wohl weniger echtes Interesse oder gar Verständnis, so doch eine gewisse Art von Herausforderung – oder vielleicht einfach nur der Wunsch, sich gegenüber irgendwem rechtfertigen zu können. Ungeachtet des Flatterviehs in dessen Haaren, trat er den halben Schritt an Tsacharias Krähenfreund heran, der sie beide noch trennte. „Sehen die Wilden aus, als würden sie irgendetwas auf Eure Meinung geben?“, raunte er leise, sodass hoffentlich nur sie beide verstanden. „Folgt vielleicht Praiosmin von Elenta Euren Worten, oder richten sich die da Vanyas danach? Was also verlangt Ihr von mir zu tun?“
Damit trat er einen Schritt zurück, und verkündete ungleich lauter und für alle – wirklich alle! – hörbar: „Davon ab beurteile militärische Angelegenheiten hier ich, nicht Ihr. Ihr mögt es missbilligen…“, des Condottieres Blick schweifte kurz nach hinten zu den Gefangenen und der Trage mit dem Verwundeten „…dass ich Blut vergossen habe, doch hat niemand diese Leute gezwungen, sich zum Narren vor Frau Hesinde zu machen. Sie waren unterlegen drei zu eins oder mehr, und hätten sie sich einfach ergeben, wäre niemand zu Schaden gekommen, weder körperlich noch in seiner Ehre. So mögen sie für ihre närrische Unvernunft ruhig selber einstehen.“
"Nur, wer für sein Handeln und dessen Folgen Verantwortung trägt, mag das nächste Mal anders handeln. Der aber, der Schuld von sich weist, wird erneut Schuld auf sich laden", erklärte Tsacharias Krähenfreund. "Der Wunsch nach Freiheit liegt in unserer Natur und auch, über unser Schicksal selbst bestimmen zu wollen. Kein Mensch hat das Recht, einen anderen Menschen seiner tsagegebenen Rechte zu berauben. Ihr sprecht von der Weisheit Hesindes, als sei sie Euch allein verliehen worden. Wollt Ihr Euch erheben über den Willen und die Vorsehung der Götter, denen allein es zusteht, über das Leben und Wirken eines Menschen zu richten?"
Der Alte war nicht lauter geworden, aber die Strenge seines Blickes hatte seine Worte erreicht.
"Lasset frei, die, die Ihr gefangen haltet, denn über ihr Leben und ihre Freiheit zu urteilen, ist nicht an Euch. Macht Euch nicht gemein mit den Götterlosen, die Ihr verurteilt und nicht mit den Sündern, die Ihr anklagt! Wenn Ihr in Sorge um das Leben dieser Menschen wäret, so würdet Ihr sagen: 'Folgt mir, und ich werde Euch beschützen!' Und es wäre an ihnen, zu entscheiden, ob sie Euch folgten oder nicht. So aber offenbart Ihr Euch, denn Ihr nehmt Ihren Tod in Kauf und haltet sie gefangen gegen ihren Willen und gegen den Willen der Götter. Darum heiße ich Euch: Lasst sie frei!"
Wer verdammt nochmal war dieser Alte, dass er es wagte, ihn dergestalt zu maßregeln? War hier im Bosquirtal womöglich etwas im Wasser, dass ein jeder hier meinte, tun und lassen zu können was er wollte? Dass jeder meinte daher reden zu können, wie ihm der Schnabel gewachsen war? Der Condottiere legte den Kopf schräg, und kniff die Augen zusammen. „Warum spart Ihr Euch derlei Predigten nicht für die Kinder in der Praiostagsschule auf? Oder vielleicht interessiert sich ja Praiosmin von Elenta oder Rifada da Vanya für Eure Ansichten“, sprach er leise, und wandte sich dann halb ab, um den Weg Morena von Harmamunds und ihres Begleiters hinauf zum Castillo zu verfolgen. „Ich jedenfalls tue es nicht. Dieses Gespräch ist beendet.“
"Hernán von Aranjuez", sagte der alte Heiler, "so heißt Ihr, nicht wahr? Kehrt der Ewigjungen nicht den Rücken zu, denn wenn Ihr den Weg der Götter verlasst, werdet Ihr verlassen sein, wenn Ihr Ihres Beistands bedürft!" Auch Tsacharias Krähenfreund hatte nun seine Stimme erhoben, sodass sie weithin durch das Dorf hörbar war, und doch klang keinerlei Erregung aus seinen Worten, vielmehr war es, als belehre er ein unverständiges Kind zum hundertsten Male.
"So Ihr die Gefangenen nicht freilassen wollt, muss ich Euch bitten, Euch vor den Göttern für ihr Wohlergehen zu verbürgen. Gelobt Ihr im Namen Tsas und im Angesichte Praios', dass Ihr dafür Sorge tragen werdet, dass es ihnen wohl ergehen und an nichts mangeln wird, solange sie in Eurer Obhut sind oder der Obhut derer, denen Ihr sie möglicherweise überantworten werdet, dass Ihnen kein Leid geschehen wird an Leib noch Seele?"
Unruhe machte sich unter den Mercenarios breit. Bislang hatte man dem schrulligen Alten, der da mit wanderte, wenig Aufmerksamkeit geschenkt, doch nun waren seine Worte nicht zu überhören, und wer wie so viele Landsknechte ohnehin schon ein mutmaßlich nicht immer gänzlich göttergefälliges Leben führte, wollte gewiss kein unnötiges Risiko eingehen. Was wusste man schon über den alten Heiler?
Der angesprochene Condottiere hingegen hatte sich glücklicherweise abgewandt um in der Ferne Domna Morenas Aufstieg zu verfolgen, sodass niemand sehen konnte, wie sich seine Kiefer ärgerlich aufeinander pressten. Womöglich überlegte er gerade, den Alten einfach niederstoßen zu lassen, bevor er noch mehr Unruhe in seinen Haufen brachte, doch konnte ein solcher Befehl genauso gut das Gegenteil bewirken, und so manches einfache und abergläubische Gemüt gänzlich verunsichern. Wäre doch nur Anzures hier gewesen, der wäre Tsacharias Krähenfreund auf ein Zeichen hin rechtzeitig über den Mund gefahren, um eine solche Situation zu verhindern.
So verschränkte Hernán von Aranjuez nur die Hände hinter dem Rücken, und als es schon schien, als würde er nicht einmal antworten wollen, erklang dann doch leise vor dem murmelnden Hintergrund seiner Leute seine Stimme: „Die Gefangenen werden ihrem Stand und ihrem Betragen entsprechend behandelt. Ihr wisst, dass ich mehr nicht versprechen kann. Geht nun.“ Insbesondere der letzte Satz war mit durchaus warnendem Unterton gesprochen.
Tsacharias Krähenfreund ließ sich nicht einschüchtern. Seine Stimme übetönte selbst das Gemurmel der Söldner, klar und ohne eine Spur von Furcht oder Ärger: "Hernán von Aranjuez, ich frage Euch erneut: Übernehmt Ihr vor der Götter Angesicht Verantwortung für Eure Taten? Seid Ihr gewillt, Euch unter Praios' Augen und im Namen Tsas für das Leben und das Wohlergehen jener zu verbürgen, die Ihr ihrer Freiheit und somit ihrer Selbstbestimmung beraubt habt?"
Ein Windstoß zauste im Haar des Alten, der Schmetterling flog auf und flatterte um Tsacharias' Kopf und ließ sich auf der Schulter des Condottiere nieder. Der alte Heiler hob die Hand.
"Wenn Ihr Willens seid, Verantwortung zu tragen für die Menschen, die Euch zu folgen Ihr gezwungen habt, so sprecht mir nach, laut und für alle vernehmbar: Ja, ich gelobe in Tsas Namen und im Angesichte Praios', dass es diesen Menschen an nichts mangeln wird, dass sie an Leib und Seele nicht zu Schaden kommen, bis sie ihre tsagegebene Freiheit wiedererlangt haben."
Das Pfauenauge flog vom Harnisch des Barons und Junkers auf und ließ sich auf Tsacharias' Fingern nieder.
Es war schließlich einer der wenigen Söldner, die der Condottiere noch aus Unterfels mitgebracht hatte, der auf den alten Heiler zutrat, mit wettergegerbten Zügen unter einem ausgeblichenen Caldabreser. „Ihr habt gehört, was der Capitán gesagt hat.“ Eine Waffe hatte er freilich nicht gezogen, ja, nicht einmal die Hand an den Griff gelegt, obwohl das Mietlingsvolk ansonsten gewiss schnell mit einem Eisen zur Hand war.
Hernán von Aranjuez aber hob nur kurz den rechten Zeigefinger auf halbe Höhe, und der alte Mercenario trat wieder zurück ins Glied. Mit der anderen Hand verscheuchte er den Schmetterling – oder glaubte zumindest es getan zu haben, ehe er, noch immer halb von Tsacharias Krähenfreund abgewandt, mit leiser Stimme fortfuhr: „Wenn Euch das Wohl der Gefangenen so sehr am Herzen liegt, haltet Ihr es dann wirklich für klug, meine Geduld dergestalt zu strapazieren? Haltet Ihr es wirklich für klug vor meinen Leuten meine Autorität in Frage zu stellen? Ich sage es nur noch ein einziges Mal: geht jetzt.“
Autor: SteveT
"Commandanta! Commandanta, Ihr müsst unbedingt rauskommen!"
Missbilligend blickte Yegua von Elenta von ihrer Lektüre auf. Sie hatte es sich in einem hohen Lehnsessel hinter dem mächtigen Schreibpult des Großinquisitors Amando Laconda da Vanya bequem gemacht - im einzigen Raum des gesamten Castillos, der nicht verwüstet und geplündert worden war - und las in einer Schmuckausgabe des Echsenhammers, in die der oberste Richter der Suprema einige höchst interessante Anmerkungen auf eingelegten Papierstreifen eingefügt hatte - offenbar Gedankenstützen zu vergangenen Hexen- und Magierprozessen hier im Bosquirtal und auch in Ragatien.
Auch wenn viele Jahre seit ihrer Novizenzeit im Sonnentempel zu Ragath oder dann später bei der Sonnenlegion in Neu-Gareth vergangen waren, übten geistliche Schriften nach wie vor eine große Anziehungskraft auf sie aus. Und dass sie ungestraft in den Büchern jenes Mannes lesen konnte, der sie damals als ungeeignet für den Dienst in seinem Tempel eingestuft hatte, machte die Sache nur umso befriedigender.
"Was ist? Was platzt du hier herein ohne anzuklopfen, elender Strohkopf? Ich muss gar nichts!", fuhr sie den Waffenknecht im grün-weißen Wappenrock Selaques an, der sie in ihrer Lektüre unterbrochen hatte.
"Doch, doch Commandanta! Es ist wichtig!", wiederholte dieser mutig noch einmal seine Forderung. "Draußen im Dorf tut sich etwas! Irgendein Kriegshaufen ist dort im Anmarsch ... Mittelländer, keine Ferkinas. Aber auch keine der Unseren - jedenfalls nicht dem ersten Anschein nach."
Yegua zog eine Augenbraue nach oben. "Kann das etwa bereits dieser Mistkerl Ordonyo sein, der neue Truppen in Ragath rekrutieren wollte? Und selbst wenn er mit der kaiserlichen Garde anrückt - mich kriegt er hier nicht weg! Das ist jetzt mein Castillo - jedenfalls so lange, wie mir meine Base kein anderes Lehen zuteilt."
"Ihr solltet Euch das vielleicht besser selbst ansehen, Commandanta! Kommt mit nach vorne zur Barbakane!", schlug der Gardist etwas kleinlauter vor.
"Geh schon mal vor, du Trottel!", befahl ihm die strenge Burgcapitana. "Ich lege meine Waffen und Rüstung an und komme dann gleich nach. Tor und Fallgatter bleiben zu, solange ich euch nichts Gegenteiliges befehle! Ich weiß nichts von einem Kommen unserer Vögtin, also ist uns dieser Besuch in jedem Falle unwillkommen - gleich wer es auch sein mag!"
"Sehr wohl, Herrin!", nickte der Soldat und knallte die Stiefel zusammen. "Sollen wir ihnen ein paar Pfeile auf den Pelz brennen, wenn sie sich trotz Warnung nähern?"
"Das entscheide ich gleich selbst!", beschied ihn Yegua und griff sich ihren gülden glänzenden Harnisch.
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