Chronik.Ereignis1033 Feldzug Raschtulswall 09: Unterschied zwischen den Versionen

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"Praiodor! Denk' an Praiodor!", murmelte Moritatio entschuldigend, als er Richeza durch den Eingang in den Turm stieß. Doch seine Base starrte nur mit weit aufgerissenen Augen in den Hof hinunter.
"Praiodor! Denk' an Praiodor!", murmelte Moritatio entschuldigend, als er Richeza durch den Eingang in den Turm stieß. Doch seine Base starrte nur mit weit aufgerissenen Augen in den Hof hinunter.
*''Das Schicksal Domna Rifadas wird hier weiterverfolgt: [[Chronik.Ereignis1033 Feldzug Selaque 03|Schauplatz: Selaque, Teil 03]].''


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Version vom 8. März 2011, 14:34 Uhr

Kaiserlich Selaque, 19. Praios 1033 BF

In der Junkerschaft Vanyadâl, nahe Elenta und auf dem Castillo da Vanya


Rückkehr zum Castillo da Vanya

Autoren: von Scheffelstein, SteveT, Simanca

Die Sonne kletterte höher und höher über die schneebedeckten Gipfel des Raschtulswalls. Die Regenwolken der Nacht hatten sich aufgelöst, allein im Norden verdeckte ein finsterer Streifen die Ausläufer der Berge. Die Söldner waren guter Dinge. Gestärkt vom Brot und beschwingt vom Wein der alten Udinia erzählten sie sich von vergangenen Abenteuern. Anzures Ballan hatte Dom Gendahar freiwillig sein Ross überlassen und eine der Mercenarias hatte darauf bestanden selbst die Zügel zu führen, damit "der arme hohe Herr" nicht herabfalle. Eine Riesin von Frau war sie, kaum kleiner als der Yaquirtaler selbst und an Muskeln der Vanyadâlerin in nichts nachstehend, diese aber um einen halben Kopf überragend. Und doch warf sie dem Grafensohn immer wieder verstohlene Blicke zu und wandte - scheu wie eine junge Dienstmagd - den Kopf ab, wann immer der Streitzig zu ihr herunter sah, gerade als schämte sie sich ihres einst von einem Säbelhieb entstellten Gesichts, das wahrlich so aussah, als wäre es von einem Pfuscher wieder zusammengeflickt worden: ein Auge stand tiefer als das andere, die Nase hatte einen Knick nach innen, und eine Narbe spaltete das trübe rechte Auge, die Lippen und den linken Kieferbogen.

Dom Hernán und sein Waffenmeister gingen hinter einer Vanyadâler Späherin voran, sich leise unterhaltend. Die übrigen Magnaten schwiegen und hingen ihren Gedanken nach, während die kleine Schar durch den Pinienwald hinab ins Tal ritt. Auf halber Höhe hielt der Aranjuezer mit einem Mal sein Ross an und hob die Hand, um auch den anderen Einhalt zu gebieten. Eine Weile lauschten sie in die morgendliche Stille hinein, die nur unterbrochen wurde vom Gesang der Vögel und dem Glucksen eines nahen Baches. Dann aber vermeinten sie, Stimmen zu vernehmen, Rufe, die der Wind aus dem Tal zu ihnen herauftrug, ja, sogar Waffengeklirr war zu hören.

Domna Rifada schickte die Späherin nordwärts auf einen Seitenpfad, um sich einen Überblick zu verschaffen, und kurz darauf kehrte die Frau zurück und berichtete, unter ihnen in einer Schlucht hätte sie Ferkinas gesehen. Die Vanyadâlerin wollte sich nun selbst ein Bild machen, und so bewegte sich die Gruppe so leise wie möglich voran, bis der Pfad sich zwischen Klippen oberhalb eben jener Schlucht verlief, in der der Rossbanner-Orden sein schreckliches Ende gefunden hatte.

Von genau dort, wo sie jetzt standen, sagte die kleine Zaida, hätten die Ferkinas mit vergifteten Pfeilen auf die Ritter geschossen und sie mit Felsbrocken und Speeren beworfen. Domna Rifada hieß eine Kriegerin, ihre Nichte Richeza und Dom Hernán, sie zu begleiten, und bald lagen sie zu viert hinter Felsblöcken und Sträuchern verborgen und blickten hinab in die gut dreißig Schritt tiefe Schlucht.

Und wirklich: Dort kämpften Ferkinas. Aber weder hatten die toten Ritter sich wieder erhoben, um sich an ihren Mördern zu rächen, noch hatten sich andere Selaquier an den Ort des Grauens verirrt. Nein, die Barbaren schienen sich untereinander um die Beute zu streiten, rissen und zerrten an den Helmen und Schwertgehängen der Verstorbenen und schlugen sich gegenseitig die Schädel ein mit den erbeuteten Waffen.

"Die spinnen ja völlig", flüsterte Richeza, und eine Weile verfolgten sie gebannt das Schauspiel. Mindestens vierzig oder fünfzig Ferkinas waren dort unten in der Schlucht versammelt, die genaue Zahl ließ sich schwer schätzen, da viele der Wilden zwischen den Büschen und Bäumen herumliefen und sich immer wieder nach den Toten bückten.

Plötzlich ballte Domna Rifada die Fäuste. Da ritt doch der dreiste Dieb auf ihrem stolzen Almanzor! "Das Rossbanner!", sagte sie, "diese ver..." Aber Richeza hielt ihr kurzerhand den Mund zu.

"Still!", flüsterte die Edle erschrocken, denn selbst, wenn ihre Tante leise sprach, hallte ihre Stimme noch bedenklich von den Felsen wider. Zum Glück aber waren die Ferkinas zu sehr mit sich selbst beschäftigt. Die Vanyadâlerin schien wild entschlossen, ihr Ross und das heilige Banner nicht ein weiteres Mal verloren zu geben, doch Richeza redete auf sie ein, dass es sinnlos wäre, die Ferkinas zu verfolgen, zum einen seien sie gewiss schon fort, bis man den Weg zurückgenommen hätte und dann in die Schlucht geritten sei, schließlich könne man nicht einfach hier die dreißig Schritt auf die Wilden hinunter springen. Zum anderen aber seien es nun wahrlich zu viele Ferkinas, als dass man es mit ihnen aufnehmen könne. Domna Rifada riss vor Wut einige vertrocknete Grasbüschel aus dem Boden, hatte jedoch mit aufeinander gebissenen Zähnen ein Einsehen.

Im Folgenden war die Vanyadâlerin in finsterer Stimmung. Diese wurde genährt von der Tatsache, dass sie erneut einen gehörigen Umweg in Kauf nehmen mussten, um den Ferkinas zu entgehen. Als schließlich Dom Gendahar in der gleißenden Mittagssonne in Ohnmacht fiel und sie ihn vom Pferd heben und in den Schatten legen mussten, damit er wieder zu sich käme, schlug die Junkerin im Vorrüberreiten auf eine junge Birke ein, dass deren Stamm splitterte und in den Bach Selaqua stürzte, an dem sie eine Rast einlegten.

Als der Yaquirtaler nach einem Wasserlauf noch nicht wieder erwacht war, zog sie den Bewusstlosen vom Boden hoch und warf ihn sich wie einen Sack Kartoffeln über die Schulter, um ihn - alles andere als sanft - zu seinem Pferd zu tragen und ihn bäuchlings über den Rücken des Tieres zu werfen. "Vorwärts!", befahl sie in ihrer üblichen Donnerstimme. "Es ist nicht mehr weit! Wir können nicht den lieben langen Tag auf die Genesung dieses Gecks warten!“

"Das könnt Ihr nicht tun!", rief Richeza und sah für einen Moment nicht minder erschrocken aus als die Söldnerin, die nur durch beherztes Zupacken verhinderte, dass Dom Gendahar von Anzures Ballans Ross rutschte. "Was, wenn er stirbt?"

"Schmachfug!", knurrte die Vanyadâlerin. "Er hat das Massaker in der Schlucht überlebt, dann wird er die nächsten drei Meilen auch noch schaffen. Wenigstens so lange, bis er uns verraten hat, wo wir deinen kleinen Vetter finden."

Richeza senkte ertappt den Blick, musste sie doch zugeben, dass genau dies ihre größte Sorge war. Doch wie er so über dem Pferd hing, leichenblass in seinem von Blut verdrecktem Hemd, konnte er ihr fast leidtun. Der Anblick weckte unschöne Erinnerungen an jenen Tag, als die Schergen des Beys von Fercaba sie nahe Alming überfallen, niedergeschlagen und eben so über ein Pferd geworfen hatten. Im Thangolforst.

"Zum Glück müssen wir uns um die Ferkinas kaum Sorgen machen, wenn sie sich schon untereinander kaltmachen!", versuchte Moritatio, seine Base zu beruhigen.

"Schwachkopf!", brummte die Junkerin, beinahe gutmütig. "Das waren nicht nur Bâni Khadr, da war noch ein anderer Stamm dabei, hast du die Ziernarben nicht gesehen?"

"Seid Ihr Euch sicher, Mutter?", fragte Moritatio. "Die sahen doch alle gleich aus."

"Für dich vielleicht", beschied Domna Rifada und bedachte ihren Sohn mit einem kritischen Blick. "Ich erkenne einen Iban Khadr, wenn ich ihn sehe, auf Meilen!" Damit schwang sie sich auf ihr Roß und gab ihm die Sporen.

Richeza betrachtete den Bewusstlosen noch für einen Moment. Wo war der Thangolforster damals gewesen, als Novadyas sie von seinem Lehnsland entführten? Ihre Tante hatte recht: Drei Meilen waren nicht weit. Sie hatte den Kerker der Amhashal überlebt – mit einem schlimmeren Fieber als seinem –, da würde er es wohl gerade noch bis zum Castillo da Vanya schaffen! Und doch ritt sie hinter der Söldnerin und achtete wohl darauf, dass diese das Pferd durch kein unnötiges Schlagloch führte.

Energisch drängte sich Zaida an den Söldnern vorbei und lief an der Seite des Pferdes, auf dem der ohnmächtige Gendahar lag.


Autor: SteveT

Als die Gruppe endlich wieder in das auf drei Seiten von schroffen Gebirgswänden umschlossene Vanyadâl einbog, hatte sich der Himmel merklich zugezogen. Grauschwarze Regenwolken schichteten sich bizarr über den im Norden, Süden und Osten aufragenden Gipfeln zu einem bleiernen Himmel auf. Spätestens in ein, zwei Stunden war wahrscheinlich wieder eines der scheinbar unvermeidlichen bosquirischen Gewitter im Anmarsch.

Auf dem letzten Wegstück zum Dorf Vanyadâl hob endlich auch blinzelnd der bewußtlose Streitziger wieder seinen Kopf und nahm wahr, daß er wie ein Sack Rüben über dem Rücken eines ihm unbekannten Pferdes hing. Auf Richezas Warnlaut, die hinter ihm geritten war, hielt die Söldnerin, die das Pferd die ganze Zeit geführt hatte, sofort an und half dem "armen hohen Herrn" unter einem verlegenen schiefen Grinsen vom Pferderücken herunter, so daß er das Pferd anschließend wieder so besteigen konnte, wie es einem Mann seines Standes eher geziemte.
"Sieh an - unser Yaquirtaler ist zurück aus Marbos Armen!" stellte Domna Rifada ohne größere erkennbare Begeisterung fest, während ihr Sohn Moritatio Gendahar seinen Wasserschlauch reichte - nicht bloß, um daraus zu trinken, sondern auch, um sich etwas von dem eiskalt geschöpften Nass aus der Selaqua in den Nacken zu gießen, wie er ihm vorschlug. Das brachte die Lebensgeister gemeinhin recht schnell wieder zurück.
"Ihr habt es fast geschafft!" ermunterte ihn Moritatio und wies nach vorne an die Spitze des Zuges, der neben seiner Mutter von Dom Hernán und der kleinen Zaida gebildet wurde, die inzwischen zum wiederholten Male beteuerte, gar nicht die Enkelin der Hexe Udinia zu sein, was Domna Rifada aber nach wie vor glaubte, sondern in Wahrheit aus einem Magnatengeschlecht der Waldwacht zu stammen, das den ganzen Ragatiern hier eben nur nicht bekannt war.
"Spar Dir die Flunkerei, Kind!" wies sie Rifada zum x-ten Male zurecht. "Wenn der Stenz verreckt, dann führst Du uns stattdessen zu Deinem Großonkel und damit basta! Andernfalls lernst Du mal meine harte Seite kennen! Ich bin beileibe nicht immer so ein zartes frommes Lämmchen wie heute!"

Nun kamen die strohgedeckten, eng beieinander stehenden Hütten Vanyadâls hinter einem Ringwall aus angespitzten Palisaden ins Blickfeld und darüber thronte, majestätisch auf einem granitenen Felssockel gelegen, das zwölftürmige Castillo da Vanya. "Rondraseidank kommen wir noch ins Trockene bevor der Schlagregen losbricht!" munterte die Burgherrin all ihre Begleiter auf. Sie wunderte sich innerlich etwas, wieso sie keinen einzigen ihrer Eigenhörigen auf den Schollen rund um das Dorf schuften sah. Faules Dreckspack! Hatten sich wahrscheinlich allesamt verkrochen, nur weil hier und da mal ein paar Ferkinas durch die Talschaft streiften. Daran sollten sie sich doch langsam gewöhnt haben! Bevor sie morgen mit Richeza hinauf ins Gebirge kraxelte, musste sie dem faulen Gesindel nochmal richtig ein Feuer unterm Hintern schüren!

Wie bei bislang jedem ihrer Eintreffen auf der Burg, war auch diesmal wieder die Zugbrücke hochgezogen und es schallte die Frage "Parole?" herab, nachdem sie sich durch einen lauten Pfiff bemerkbar gemacht hatte.
"Nieder mit Praiosmin!" brüllte Rifada genüßlich hinauf und warf Richeza grinsend einen vergnügten Blick zu. Unter allen denkbaren war dies ihre unangefochtene Lieblingsparole ...
Sofort senkte sich ratternd die Zugbrücke und das Fallgatter wurde quietschend emporgezogen. "Zehneinhalb Schritt hohe Mauern. Zwei Schritt dick. Achtzehn Schritt hohe Tortürme. Je neun Schritt im Durchmesser. Vier Pechsäcke an schwenkbaren Kränen oben an der Barbakane über dem Tor. Überdachter Wehrgang. Das Fallgatter - anderthalb Quader schwer!", begann Rifada stolz, an den nach wie vor fiebernden Gendahar gerichtet, die baulichen Merkmale ihrer Burg herunterzurattern, während die Gefährten über die Zugbrücke durch den dunklen Torturm in den lichten Burghof ritten. "Ich wette, dergleichen habt Ihr bei Euch im brav-sicheren Yaquirtal nicht vorzuweisen, hab ich Recht?"
Ihr Sohn wunderte sich derweil etwas, da seine Mutter fälschlicherweise die Parole gerufen hatte, die eigentlich gestern gültig gewesen wäre - und trotzdem hatten diese Vollidioten das Tor geöffnet! Rifada hatte ihre ohnehin nur rein rhetorische Frage an Gendahar kaum zuende ausgesprochen, als das Fallgatter plötzlich und ohne Vorwarnung postwendend wieder nach unten sauste. Das schwere Eisengitter mit den angespitzten Enden begrub einen der Söldner Dom Hernáns unter sich, der von den spitzen Eisenstäben im Genick aufgespiesst und zerquetscht wurde und nur noch einen kurzen, markerschütternden Schrei ausstoßen konnte, bevor er seine Seele direkt zum Schwarzen Cumpan sandte.
"Was zum....?" drehte sich die Vanyadâlerin verblüfft und erschrocken im Sattel herum und sah das schreckliche Schicksal des Mercenarios, ohne es recht begreifen zu können. Welcher Hornochse stand denn da an der Winde des Gatters? Dafür musste er kopfüber aufgehängt und ausgepeitscht werden - das war sie dem Dubianer nunmehr schuldig! Außer ihr selbst und dem Streitziger waren bislang nur Richeza, Moritatio, Dom Hernán, eine ihrer Geleitreiterinnen und die grobschlächtige Mercenaria, die das Roß des Yaquirtalers führte, in den Burghof gelangt - alle anderen, darunter auch Zaida, Anzures Ballan und das Waisenkind, das sie unterwegs aufgesammelt hatten, standen noch draußen vor dem Fallgatter und schrien entsetzt wild durcheinander.

"Das Gatter! Zieht sofort das verfluchte Fallgatter hoch, ihr dämlichen Bastarde!" brüllte Rifada in einer so furchterregenden Lautstärke auf die Zinnen der Barbarkane hinauf, dass jede ihrer Burgwachen gewußt hätte, was die Stunde geschlagen hat - wären es denn solche oben auf den Zinnen gewesen.
Stattdessen aber begann sich nun zu allem Überfluß auch noch die Zugbrücke quietschend wieder zu heben, so daß die Unglücklichen draußen, die sich zum Großteil auf eben dieser befanden, nur mit einem beherzten Sprung in die stinkende Brühe des umlaufenden Burggrabens in Sicherheit bringen konnten, die durch die starken Regenfälle der letzten Tage glücklicherweise aber immerhin tief genug war, dass ein jeder im Wasser und nicht auf dem harten Boden aufschlug.
"Seid ihr denn von allen guten Geistern verlassen" brüllte Rifada nun wie am Spieß und zoh ihr Krummschwert. "Was ist das hier für eine ork'sche Verräterei?"
"Die Waffen weg! Wir sind Dreißig!" schallte es von oben herab, wo ein dicker Schnauzbartträger in einem grün-weißen Wappenrock aus dem Inneren eines der Ecktürme, wo er sich bislang verborgen hatte, hinaus ins Freie auf den Wehrgang trat. Tatsächlich erschienen auf seinen Ruf hin weitere Bewaffnete in derselben Gewandung auf den Zinnen. Drei darunter, die geladene und gespannte Bögen in den Händen hielten, nahmen die Gruppe von den Türmen des Castillos aus ins Visier. Aus der sich öffnenden Tür des Palas' drängelten sich weitere Bewaffnete mit gezogenen Klingen in der Hand hinaus in den Hof. Im Gegensatz zu den Gerüsteten auf den Wehrgängen und Türmen trugen diese aber vorranging die Farben Schwarz, Weiß und Gold.

"Sieh an, sieh an!" ätzte Rifada, die den wohlbeleibten Schnauzbartträger oben auf den Zinnen an seiner Stimme und an seinem Helm mit weißem Federbusch sofort erkannt hatte. "Unser fetter Capitano Giordan Schlehwein verlässt tatsächlich noch einmal die Tafel und den Weinkeller - oder sollte ich gar sagen: das sündige Bett - seiner Herrin! Hat euch unsere angebliche Bosquirsche Jungfer, die Ketzerin und Dämonenbuhle Praiosmin, ausgeschickt, euch wie feige Ratten auf meine Burg zu schleichen, wenn ich einmal kurz außer Haus zu tun habe?"
Sie wandte sich leise zischend an ihre Gefährten: "Zieht! Und keiner wirft die Waffe weg! Der Kerl ist ein feiger Hund und sie sind in Wahrheit viel weniger, als er behauptet!"
"Haltet Euer freches Maul, Junkerin!" antwortete ihr unterdessen der Capitano der Selaquer Wehr genauso brüllend, wobei sich seine Stimme aber vor Zorn krächzend überschlug, da er das laute Herumbrüllen doch nicht ganz so gewohnt war wie Rifada. "Ihr seid eine Hochverräterin und Lehnseidbrecherin! Ich verhafte Euch im Namen Eurer kaiser- und praiosbefohlenen Herrin und werde Euch in Eisen nach Selaque bringen, wo Euch der Proceß gemacht werden wird, damit Ihr Euer gerechtes Urteil empfangen könnt! Über das Schicksal der Euch begleitenden Personen wird ebenfalls Ihre Hochgeboren, die Reichsvogtin, entscheiden! Hört Ihr nicht, ihr Aufrührer? Die Waffen nieder, habe ich gesagt!"


Autor: von Scheffelstein

Ungläubig starrte Domna Richeza auf den toten Mercenario und die sich hebende Zugbrücke, zog aber auf Geheiß ihrer Tante den Säbel. Als der dicke Gardist auf dem Wehrgang weiterbrüllte, schüttelte die Edle sich, wie um sich von einem Traum zu befreien. Vergeblich. Was war das nur für ein Tag? Erst mussten sie in einer rauchenden Ruine nächtigen, dann durch Finsternis und Regen reiten, um nicht von Wilden abgeschlachtet zu werden, und als sie sich endlich am Ziel glaubten, weigerte sich diese verfluchte Hexe, ihnen weiterzuhelfen, stattdessen hatten sie jetzt einen halbtoten Yaquirtaler Frauenhelden am Hacken, auf den sie auch noch angewiesen waren, wollten sie erfahren, wo Praiodor und der Heiler sich versteckten und nun - durfte das wahr sein? - hatte jemand in ihrer kurzen Abwesenheit das Castillo ihrer Tante überfallen, nannte sie alle Verräter und drohte mit Gefangennahme ...

Richeza platzte der Kragen, zum zweiten Mal an diesem Tag. "Was seid Ihr denn für ein Vogel?", brüllte sie und schwenkte wütend ihren Säbel in Richtung des dicken Mannes. "Kommt da runter, und ich mach' Euch zu Hackfleisch! Was denkt Ihr eigentlich, mit wem Ihr es hier zu tun habt? Ihr habt gerade einen Mann getötet, Ihr fettes Arschloch! Stellt Euch zum Kampf, dann spürt Ihr selbst, wie es sich anfühlt, Eisen im Gedärm zu haben! Ihr Schweinehund! Die Reichsvogtin, sagt Ihr? Die kommt mir gerade recht! Ohne mich" - Richeza hämmerte sich mit dem Säbelknauf gegen den Harnisch - "wäre die Alte weder Reichsvogtin noch hätte sie sich wieder einen Arsch anfressen können, der diese Bezeichnung verdient! Hört Ihr das? Die alte Vettel schuldet mir Ihr Leben und ihre Freiheit! Also haltet besser Euer verdammtes Maul und steckt Ihr die Waffen weg! Wenn nur einer von uns einen Kratzer abbekommt, dann wird die Alte den Rest ihres Lebens in Al'Muktur verbringen, das schwöre ich! Und diesmal holt sie keiner da raus! Euch aber wird man kopfüber am Ragather Stadttor aufhängen, bis Euch die Pisse ins Gesicht läuft und die Geier Eure Eier fressen!" Die Edle ritt ein Stück vorwärts in den Hof hinein, um den Mann näher in Augenschein zu nehmen. "Heißt noch einmal ein Mitglied meiner Familia Verräterin, und ich sorge dafür, dass die Geier hungrig bleiben!", sagte sie drohend. "Was ist jetzt? Ist die Vogtin hier? Dann holt sie her! Ich hab' ein Hühnchen mit ihr zu rupfen!"


Autor: SteveT

"Was? Wie wagt Ihr ehrlose kleine Hure, über meine Herrin zu reden?", donnerte der Capitano mit knallroten Wangen zurück, daß vor Wut sein mächtiger Schnauzbart zitterte. Er deutete mit der Spitze seines Säbels auf Richeza und nickte dem Bogenschützen auf dem Turm im Rücken der Scheffelsteinerin zu. "Cousine!", brüllte Moritatio, der im Gegensatz zu ihr sah, daß der dortige Gardist sofort schoß. Ohne viel Zeit zum Nachdenken, riß er sein Schwert hoch, in dem vergeblichen Unterfangen, den heransausenden Pfeil damit abzuwehren.

"Aaaaaargh!" Moritatio schrie auf. Obwohl er ein Kettenhemd trug, war der Pfeil, der andernfalls Richeza in den Rücken oder ins Genick getroffen hätte, durch das Kettengeflecht fast einen Finger tief in seinen Unterarm eingeschlagen. Er zischte und stöhnte vor Schmerz zwischen zusammengebissenen Zähnen, sein Schwert fiel zu Boden.

"Lump!" brüllte Rifada, und im nächsten Moment sauste ihr Krummschwert kreiselnd durch die Luft, das sie nicht etwa auf den Schützen - der war zu weit weg -, sondern direkt auf Giordan Schlehwein zu geschleudert hatte. Der Capitano wollte sich mit einem Hechtsprung zur Seite, zurück in den Turm, in Sicherheit bringen. Doch bevor seine Beinmuskeln überhaupt reagieren konnten, war das Schwert schon da. Mit einem schrecklichen Vernichtungsschmerz fühlte er, wie ihn die sich drehende Klinge mit der Spitze voran voll im ungepanzerten Unterleib traf, direkt zwischen den Beinen. Panisch schreiend ging er zu Boden, sein durchspießtes Teuerstes mit beiden Händen umklammernd, während all seine Gardisten - und sogar auch Dom Hernán oder Dom Gendahar - mitffühlend die Luft einsogen und lieber gar nicht weiter hinsehen wollten ...

Währenddessen stand die Frau, der die Zornrede Richezas gegolten hatte, mit verbissenem Gesichtsausdruck hinter dem Vorhang an einem der Fenster des Palas - in dem von ihren Soldaten verwüsteten und zu Klump geschlagenen ehemaligen Schlafzimmer der Madalena da Vanya - und starrte, ungläubig den Kopf schüttelnd, in den Hof auf deren hitzköpfige Tochter hinab. Immer wieder kam ihr die Enkelin ihres greisen Lehnsnachbarn aus Kornhammer in die Quere und mischte sich in ihre Angelegenheiten ein! Wenn man sie da so wie eine Übergeschnappte herumschreien und zetern hörte, wußte man sofort, wessen Blutes Kind sie in Wirklichkeit war! Ihr häßliches, älteres Spiegelbild, die treulose Verräterin Rifada, stand ja direkt neben ihr! Hatte das miese, kleinwüchsige Weibstück, das man offenbar nicht zu Unrecht landauf landab "die ragatische Furie" nannte, nicht auch Aureolus' Existenz an den Kanzler und an ganz Almada verraten? Selbst die Schmierfinken vom Haus Yaquirblick hatten sich darüber das Maul zerissen und die Frucht der großen, unsterblichen Liebe zwischen Rakolus und ihr wie etwas Schändliches, Unheilvolles dargestellt und in die Welt hinausposaunt! Wahrlich, auch wenn sie eigentlich nur die treulose Verräterin Rifada für ihre Taten zur Rechenschaft hatte ziehen wollen, sollten nun auch die Scheffelsteinerin und der dämliche Sohn der Vanyadâlerin eine Bestrafung erhalten, die sie beide ihren Lebtag nicht vergaßen!

Sie nahm das geweihte Sonnenszepter zur Hand, ihre bevorzugte Waffe, die ihr ihr einstiger Mentor, Großinquisitor Amando Laconda, vor vielen Jahren zum Geschenk gemacht hatte. Nun aber hatte es Seine Eminenz nicht einmal für nötig erachtet, auf ihre flehentlichen Hilfsgesuche zu reagieren - zum Namenlosen mit ihm und seiner ganzen Drecksippschaft! Sie hörte die markante Stimme von Ordonyo di Alina und trat daraufhin selbst mit einem triumphierenden dünnen Lächeln auf den Lippen hinaus auf den Balkon des Hauptgebäudes ins Freie. Sie hatte für diesen Tag ganz bewußt das goldglänzende Ornat angelegt, wie ihn Laienmitglieder der Suprema gewöhnlich zu hohen Feiertagen trugen.

Ordonyo di Alina, der bislang nur Rifada bekannte und außerordentlich verhasste Junker der Nachbardominie Alina zwischen Schrotenstein und Selaque, war zwischen seinen das Elsterwappen tragenden Waffenknechten hinaus in den Hof getreten und schob eine am ganzen Körper zitternde und schlotternde Gestalt vor sich her, der er sein Stilett an die Kehle hielt.

"Habt ihr es allesamt an den Ohren, verräterisches Pack? Die Waffen weg und die Hände in die Höhe, oder der Fettsack hier stirbt!" Demonstrativ drückte er sein Stilett fester an den Hals des Burgherrn Berengar von Schlehen, so daß ein dünner Blutstropfen über dessen Kehlkopf rann und er nur angstvoll krächzend hervorbringen konnte: "V-V-Verzeih mir, Liebling! Sie kamen in der Nacht, gaben sich für euch aus! Sie ... sie kannten die Parole ..."


Autor: von Scheffelstein

Richeza kochte vor Wut, so sehr, dass sie weder bemerkte, dass sie für einen Augenblick in Lebensgefahr schwebte, noch, wer sie daraus errettete. Hätte ihre Tante den Gardisten nicht bereits entmannt, sie wäre die Treppe zum Wehrgang hochgestürmt und hätte ihm jedes seiner Körperglieder einzeln abgeschnitten! Niemand nannte sie ungestraft eine Hure!

Eine Bewegung am Hauptgebäude lenkte sie von dem röchelnden Fettsack ab.

"Sieh an, Domna Praiosmin!", rief sie der alten Vogtin zu. "Habt Ihr Euch bei den Ferkinas so sehr an die Gesellschaft von Barbaren gewöhnt, dass Ihr Euch auch in der Heimat mit Halsabschneidern umgeben müsst?"

Doch ehe noch die Vogtin antworten konnte, schubste einer ihrer Leute den armen Dom Berengar in den Hof und befahl ihnen, die Waffen zu strecken. Einen Moment nur zögernd, blickte die Edle zu ihrer Tante und senkte den Säbel, wandte sich dann aber sogleich an die Vogtin.

"Verdammt noch mal, Domna Praiosmin, seid Ihr übergeschnappt? Oder habt Ihr Euer Augenlicht verloren?" Sie wies mit der Linken hinter sich. "Dom Hernán von Aranjuez, der Baron von Dubios, ist Euch vielleicht ein Begriff. Und dort Dom Gendahar von Streitzig, der ... Schwager Eures verdammten Grafen. Lasst meinen Oheim frei und kommt zu Sinnen! Das Schwert wird zu gut sein für Euer Haupt, wenn Ihr Euch an Mitgliedern der Nobleza vergeht!"


Autor: SteveT

Reichsvogtin Praiosmin von Elenta wank schnippisch ab. "Mit den beiden Herren habe ich in der Tat nichts zu schaffen, wenn man einmal davon absieht" - ihre Stimme wurde schneidend - "daß sie schwerbewaffnet Seite an Seite mit einer der Felonie beschuldigten Hochverräterin durch mein Lehnsland streifen, ohne dafür zuvor meine Erlaubnis eingeholt zu haben!" Ihr dünnes Triumphlächeln kehrte zurück.

"Aber gut - ich bin eine gnädige Herrin! Streckt die Waffen und meine Soldaten werden Euch beide und Euer Gefolge an die Grenze zu Schrotenstein eskortieren. Dort könnt Ihr dann frei Eurer Wege gehen und ich werde Euch Euer unerlaubtes Eindringen in mein Land für dieses eine Mal nachsehen!"

Sie nickte dem Thangolforster und dem Dubianer huldvoll zu. Dann wurde ihre Miene finster und ihr Blick schmaler und ihr ausgestreckter Zeigefinger wanderte von Rifada zu Richeza zu Moritatio: "Die zwei Weiber und der Jungspund! Los! Packt sie!"


Autor: Ancuiras

"Domna Richeza vergaß noch zu erwähnen, dass ich der Großonkel des Kaisers bin." Der Thangolforster sprach mit Spott in der Stimme, ruhig und schicksalsergeben, aber doch laut genug, dass Domna Praiosmin ihn hören konnte. "Nichts würde ich lieber tun als diesem götterverlassenen Landstrich und ihren Bewohnern - verzeiht, Bewohnerinnen - den Rücken zu kehren. Unglücklicherweise habe ich noch etwas zu erledigen, befindet sich doch meine Nichte Romina, die Tochter des Grafen, in der Hand der Blutsäufer, weil sie mit den Rittern des Ordens der Hadjinsunni versucht hat, dem Ferkina das Fell zu gerben. Sicherlich werdet ihr der Suche nach der jungen Streiterin jedwede Unterstützung zukommen lassen."


Autoren: Der Sinnreiche Junker, Simanca

Welcher Schurke auch immer diesen Hinterhalt geplant hatte, wenn er sein Handwerk auch nur halbwegs verstand, hätten sie keinerlei Chance. Insofern war der Baron von Dubios nach den ersten entsetzlichen Augenblicken der Überraschung ruhig im Sattel sitzen geblieben, und dachte gar nicht daran, eine Waffe zu ziehen. Sein Blick glitt zu dem zerschmetterten Leib des unter dem schweren Fallgitters begrabenen Söldners, und dann zurück zu der die Gewandung der Suprema tragenden Selaquerin, und dann weiter zu Ordonyo di Alina. Zwar kannte er den Junker nicht, doch war dem heraldisch bewanderten Aranjuezer dessen Elsterwappen durchaus ein Begriff.

„Ihr habt Eure Antwort gehört, Domna Praiosmin“, rief er schließlich vernehmlich mit einem kurzen Seitenblick auf Dom Gendahar, welcher soeben gesprochen hatte. Obgleich Aranjuez und selbst Ragath bei scharfem Ritt durchaus nicht unerreichbar schienen, machte der Yaquirtaler kaum den Eindruck, als sei er zu solchem in der Lage. Dazu die umherstreifenden Ferkinas, und wer wusste darüber hinaus schon, wie viel Zeit wirklich blieb, mit Entsatz zurück zu kehren, bevor hier kurzer Prozess gemacht wurde. Und so hatte er den Gedanken rasch verworfen, auf das Angebot der Reichsvogtin einzugehen.

„Weg hier!“, rief derweil Anzures Ballan nach der eher feuchten und von Flüchen begleiteten Landung im Burggraben, und einem Moment der Orientierung. Spätestens nachdem man drinnen begonnen hatte die Zugbrücke wieder hoch zu ziehen, war dem erfahrenen Waffenmeister klar, dass irgendetwas nicht stimmte. Hier draußen konnte die Handvoll Verbliebender ohnehin nichts ausrichten, und sollte es sich tatsächlich um eine Falle handeln, würde man zweifellos keinerlei Skrupel haben, die im Rang eher unbedeutenden Ausgesperrten einfach zusammen zu schießen. Seine einzige Hoffnung war, dass man auf den Wehrgängen mit den Standespersonen im Inneren beschäftigt war, und ihnen vorerst keine Aufmerksamkeit schenkte.

Freilich bot das deckungslose Gelände vor dem Castillo kaum Schutz, sollte man es sich über dem Burgtor doch anders überlegen, und so kletterte der Söldnerhauptmann aus dem Graben, und rannte hakenschlagend erst einmal parallel zum Mauerwerk davon, gefolgt von den verdutzten Mercenarios, und hoffentlich auch der waldwachter Domnita. Nachdem wohl kaum mit einem Angriff zu rechnen war, und der lautstarke Trubel hinter dem Tor darauf schließen ließ, dass sich das Geschehen auf den Innenraum konzentrierte, war mit etwas Glück das übrige Mauerwerk kaum bis gar nicht besetzt, sodass sich den vermuteten Schützen über dem Tor rasch kein Winkel mehr bot. Und dann würde man weiter sehen …

Nach einem beherzten Sprung war auch Zaida im Burggraben gelandet und versuchte, erst einmal wieder Boden unter die Füße zu bekommen, was sich als glitschige Angelegenheit erwies. Noch hatte sie nicht so ganz verstanden, was da vorgefallen war, nur der Todesschrei des Söldners hing ihr noch in den Ohren. Grimmig biss sie die Zähne zusammen und versuchte, im Chaos des Burggrabens etwas zu erkennen, als mit einem „bwawaak" Rahjagunde an ihr vorbeihüpfte. Hiergeblieben! Eilig griff sie nach der Kröte und stopfte sie sich vorne ins lose sitzende Hemd, richtet sich dann auf und … sah sich hilflos um. Die anderen um sie rannten und flüchteten in Richtung Deckung. Also zog sie den Kopf ein und rannte hinter ihnen her.

Flinkfüßig, da weniger bepackt, konnte sie einige der Mercenarios überholen und erreichte so kurz hinter Anzures Ballan die Deckung. Rasch rückte sie näher an den Mann heran und spähte in Richtung der Burg. Das ging ihr alles zu langsam, diese Mercenarios brauchten ja ewig, um sich zu sammeln und zu besprechen, dachte sie bang. Wer wusste, was in der Zwischenzeit da drin mit Dom Gendahar geschah? Na gut, ein bisschen machte sie sich um die Ragather Furien auch Sorgen. Aber nur ein bisschen.

„Sagt an guter Mann", wandte sie sich an den verbliebenen Anführer, im Versuch, den Tonfall ihrer Mutter nachzuahmen, auch wenn ihr mittlerweile doch etwas mulmig zumute war. Sie schüttelte die Ärmel und Schlamm aus dem Burggraben bröckelte zu Boden. „Was gedenken wir denn jetzt zu tun, um ihnen zu helfen?"

„Ihnen zu helfen?“, knurrte Anzures, derweil gerade der letzte verbliebene Mercenario neben ihnen im Dreck landete. „Wenn du dich nicht, wie deine Vettel von Mutter, Tante oder Großmutter dort oben in der Berghütte gleich, hier heraus und in die Mauern zaubern kannst, und uns alle am besten gleich mit, dann gibt es da nichts mehr zu helfen“, sprach er in einem Tonfall, der keinen Hehl daraus machte, dass es ihm wahrscheinlich lieber gewesen wäre, Zaida und der kleine Wurm wären auf der anderen Seite des Fallgitters, sodass er sich nicht auch noch mit ihnen herum schlagen müsste.

„Nein …“, wandte er sich an die Runde „… was immer dort drinnen vor sich geht, hineingelangen können wir nicht. Also sollten wir schleunigst Fersengeld geben und in … mhm …Schrotenstein Alarm schlagen. Das ist die beste, die einzige Hilfe, die wir leisten können. Oder hat jemand einen besseren Vorschlag?“ Nacheinander sah der Söldnerhauptmann jedem in dem verbliebenen Häuflein ins Gesicht – nun ja, nicht jedem, auf Zaidas Meinung schien wohl keinen Wert gelegt zu werden – doch erntete er erwartungsgemäß nur Kopfschütteln bzw. ein nicht minder aussagekräftiges Ausspucken …


Autor: SteveT

"Oho! Der Großonkel des Kaisers!", wiederholte die Bosquirische Jungfer derweil Dom Gendahars Worte, wobei ihre sauertöpfische Miene nicht unbedingt verriet, ob sie davon beeindruckt war oder ob es vielleicht sogar ein Fehler war, dies kundzutun.

"Bestellt Seiner Majestät meine vorzüglichen Grüße! Allerdings hätte ich mir als treue Lehnsvasallin und als loyale Beamtin der Krone gewünscht, daß mir Euer kaiserlicher Neffe oder zumindest Euer Herr Schwager - unser werter Graf - zur Hilfe eilen würden, wenn ich dringlich darum bitte, da meine Burg und mein Markt schon seit über zwei Wochen von Ferkinas eingekesselt sind. Aber absolut nichts geschah! Dadurch bin ich nun leider gezwungen - wie Ihr gerade mitansehen müsst - meine Landwehr-Soldaten und meine schützenden Castillos selbst einzutreiben! Würden wir uns unter anderen Umständen gegenüber stehen, würde ich Euch und den Herrn Baron einladen, mir beim Abendmahl Gesellschaft zu leisten. Aber da die Zeiten nun einmal sind, wie sie sind, habt Ihr meine Alternativen vernommen: Lasst Euch von meinen Getreuen an die Grenze von Schrotenstein geleiten und kehrt irgendwann als Freund zurück oder macht Euch weiter mit diesen zwei aufrührerischen Weibsbildern gemein - dann muss ich Euch leider als meinen Feind ansehen und entsprechend handeln!"

"Was faselt Ihr da von Treue und Loyalität?", riß Domna Rifada endgültig der Geduldsfaden. "Mit dem größten Reichsfeind und Zaubersprücheklopfer das Lotterbett zu teilen und ihm gar noch einen von Dämonen besessenen Bastard zu gebären - das nenn' ich saubere Reichstreue!" Sie wank der Reichsvogtin auffordernd, zu Ihr in den Burghof herunterzukommen. "Diese Leute haben mit unserem Händel nichts zu tun! Los, los - wir regeln das nach der Mütter Sitte! Nur wir beide - Frau gegen Frau! Auf Leben und Tod!"

Praiosmin von Elenta war bei der Schmähung ihrer Liaison mit Rakolus und vor allem bei der ihres Sohnes erst weiß und dann rot angelaufen. Sie blickte ein letztes Mal zu Dom Gendahar und Dom Hernán - keiner von beiden machte irgendwelche Anstalten, sich von der Vanyadâlerin oder der Scheffelsteinerin fortzubewegen. Vielleicht war es sogar besser so, wenn es hinterher keine überlebenden adligen Zeugen dieses Zusammentreffens hier gab. Sie konnte dem Grafen später in einem bedauernden Brief mitteilen, daß die Gruppe, auf der Suche nach seiner Tochter, leider im Gebirge von Ferkinas überfallen und umgebracht worden war ...


Autor: von Scheffelstein

Feindselig starrte die Edle von Eslamsstolz die alte Reichsvogtin an, die Faust noch immer um den Griff des gesenkten Säbels geballt. Einen Moment lang wünschte sie sich, mit der Waffe ebensolche Kunststücke vollbringen zu können wie ihre Tante. Welche Genugtuung es wäre, die edle Klinge durch die Luft fliegen und sich in den fetten Wanst der Alten bohren zu sehen ... Das Nicken der Vogtin in Richtung des Mannes, der Dom Berengar gefangen hielt, entging ihr nicht.

"Ist das zu fassen?", rief Richeza. "Seid Ihr blind? Der Rossbanner-Orden des Grafen liegt erschlagen nur wenige Meilen von hier in einer Schlucht. Seit Tagen schon, und Ihr bequemt Euch nicht, die Leichen zu bestatten! Und aufrührerisch nennt Ihr mich? Flehtet Ihr nicht noch vor zwei Wochen meinen Großvater an, Euch Mercenarios oder Soldaten zu schicken? Nun, hier sind Mercenarios, nicht die meines Großvaters, denn bedauerlicherweise sieht es in Kornhammer nicht besser aus als hier, sonst hätte Dom Hesindian, der Euch stets mit mehr Freundlichkeit begegnete, als Ihr verdient, Euch gewiss seine Unterstützung zukommen lassen. Aber hier sind nun die Söldner Dom Hernáns. Statt sie umzubringen, solltet ihr ihnen lieber danken, dass sie bereits einige der Ferkinas erlegt haben, die Euer ... Elenta verwüstet haben.

Was mich betrifft, wüsste ich nicht, was Ihr mir vorzuwerfen hättet. Der Landfrieden verbietet nicht das Führen von Handwaffen, und auch nicht, seinen Verwandten einen Besuch abzustatten. Darüber hinaus erinnere ich mich noch gut an unsere letzte Begegnung, Domna. Ihr, gefesselt in einem Ferkina-Zelt, mit Eurem Bastard-Sohn. 'Helft uns!' Das waren Eure Worte an mich. Ohne mich hätten die Wilden Euch längst ihrem Götzen geopfert und Euren sauberen Sohn gleich dazu. Und ohne Dom Hesindians Fürsprache beim Kaiser müsstet Ihr nun in Gareth betteln gehen, denn schließlich war er es, der sich dafür einsetzte, dass der Kaiser Euch Gehör schenkte, um vor ihm nach Eurer ungehörigen vierjährigen Abwesenheit den Lehnseid erneuern zu dürfen. Ist dies nun Eure Dankbarkeit?

Pfeift Eure Hunde zurück, Domna, und wählt einen Stellvertreter, um der Forderung meiner Tante zu begegnen, wenn Ihr selbst nicht Frau genug seid!", rief die Edle. "Denn andernfalls werden wir alle sterben: Wir hier mit einigen Eurer Handlanger. Ihr aber auf dem Schafott oder dem Scheiterhaufen wegen Mordes, Hochverrats und Unterstützung von Dämonenjüngern!"


Autor: Ancuiras

"Euer Hochgeboren", erhob Gendahar abermals das Wort an Domna Praiosmin. "Ich wäre Euch dankbar, wenn Ihr mich aus Eurem Streit mit der Junkerin heraus halten würdet. Weshalb ich hier bin, habe ich Euch bereits auseinander gesetzt: Die Tochter des Grafen zu erretten. Domna Rifada war so freundlich mich hierher zu geleiten, um meine Verletzungen auszukurieren. Nicht mehr und nicht weniger. Wenn Ihr etwas gegen sie vorzubringen habt, so tut dies vor dem Puniner Hofgericht. Oder lasst die Herrin Rondra in einem Zweikampf entscheiden, wenn es denn sein muss."


Autor: SteveT

Während ihre Nichte und der Yaquirtaler zu ihrer Erzfeindin sprachen, griff Domna Rifada unter ihren Brustpanzer und zog das Bündel Briefe hervor, das ihr Richeza im Turm der Inquisition überreicht hatte. Sicher acht oder neun Schreiben in Praiosmins kunstvoll gemalter Handschrift. Adressiert an einen gewissen Raihé Coûlo, "ihr Seelenentzücken". Jeder, der ihre jüngere Vergangenheit kannte, wusste, wessen wahrer Name dies war.

Rifada behielt nur den einen Brief bei sich, den sie bereits im Turm geöffnet und überflogen hatte. Sie reichte das Bündel so unauffällig wie eben möglich an Dom Hernán, zu dem sie in den letzten Tagen - zu ihrer eigenen und vor allem zu dessen größter Verblüffung - ein klein wenig so etwas wie ein Vertrauensverhältnis aufgebaut hatte. Sie zischte ihm ins Ohr: "Bringt diese Briefe nach Punin und übergebt sie der Hofkanzlei oder gar dem Kaiser! Hier gibt es gleich ein Schlachtfest und wenn ich ins Gras beißen muss, will ich sicher sein, das diese Kebse dort ebenfalls bald dran glauben muss! Wenn gleich die Schwerter durcheinander laufen, will ich, dass Ihr zum Bergfried rennt und meinen Sohn und Richeza mit Euch nehmt. Ersterer wird Euch auf meinen Befehl hin folgen, letztere werdet Ihr wahrscheinlich leider mit Euch zerren müssen. Verriegelt die Tür von innen und rennt hinauf in meine Waffenkammer im zweiten Stock. Dort findet Ihr im Regal eine Strickleiter, über die Ihr unbeschadet nach draußen in die Freiheit zu Euren Waffenknechten gelangen könnt. Ich werde Euren Rückzug decken und sie so lange wie nur möglich aufhalten. Ihr werdet mich verstehen - eine Junkerin verlässt ihr Castillo nicht!"

Sie blickte gemeinsam mit Hernán zu Dom Gendahar hinüber und zuckte mit den Achseln: "Ihn mitzunehmen könnte ein Risiko sein, da er in seinem Zustand keine Strickleiter hinabklettern kann. Aber seid wegen ihm unbesorgt - sie hat es nur auf mich und vielleicht noch auf meinen Sohn und meine Nichte abgesehen. Ihm wird kein Haar gekrümmt werden - der Großonkel des Kaisers ... das wagt sie nicht!" Sie klopfte dem Aranjuezer ein letztes Mal auf den Rücken. "Gehabt Euch wohl und meinen Dank für alles - aber los jetzt, der Tanz beginnt!"

Tatsächlich wies just in diesem Moment die Reichsvogtin von Selaque mit Eisesblick und ausgestrecktem Zeigefinger auf Rifada, Richeza und Moritatio: "Genug der Worte! Diese drei! Ergreift sie!"

Rifada ließ die Stachelkugel ihres Morgensterns mit einem tiefen Summen über ihrem Kopf kreisen und trat ihrem Pferd in die Flanken, dass es den unter Gebrüll auf sie losstürmenden Waffenknechten des Junkers von Alina entgegensprang. "Ordonyo!", brüllte sie. "Du bist der Erste!"


Autor: von Scheffelstein

Die Fassungslosigkeit, dass Domna Praiosmin es trotz aller mahnenden Worte wagte, ihre Gefangennahme zu fordern, wandelte sich rasch in Entsetzen, als Richeza sah, wie viele der Mordsknechte nun auf Domna Rifada zustürmten. Ein Blick zu den Mauern - fast zwanzig Bewaffnete standen aufseiten der Vogtin. Ein Blick hinter sich, ließ Richezas Mut sinken. Nur eine Kriegerin in da Vanyas Farben, die nun die Waffe zog. Dazu die entstellte Söldnerin, die auf die andere Seite des Pferdes gewechselt hatte und nun, das Schwert blankgezogen, den Zügel fester fasste. Doch schien es nicht, als wolle sie sich in den Kampf stürzen, vielmehr, als betrachte sie sich als neue Leibwächterin des Thangolforsters.

Ich schwöre Euch, Onkel, ich werde alles in meiner Macht Stehende tun für Praiodor. Das waren ihre Worte an Ramiros Grab gewesen. Die Edle schluckte schwer. Schon sauste der Morgenstern ihrer Tante auf den ersten Gegner nieder, fegte ihn beiseite wie ein Insekt. Doch es waren so viele! Die Gedanken flogen hinter Richezas Stirn. Sie dachte an Rifadas Worte im Inquisitionsturm. Und an die in der Waffenkammer. An ihr Grinsen, als sie die Parole zum Tor hinauf rief. Solange, bis Domna Fenia wieder bei Sinnen ist, will ich für ihn kämpfen und sorgen, als sei er mein eigener Sohn, nein, besser, ich verspreche es. So hatte sie bei ihrem Blut geschworen. Aber welche Hoffnung hatten sie, den Knaben rechtzeitig zu finden, wenn die Alte sie jetzt in den Kerker warf?

Richeza wandte sich um zu dem verletzten Yaquirtaler. "Dom Gendahar", sagte sie mit Tränen in den Augen, "wenn ich jetzt sterbe und Ihr lebt, versprecht mir, Praiodor zu finden und für sein Wohlergehen zu sorgen. Wenn Fenia Eure Base ist, so seid Ihr ebenso verwandt mit ihm wie ich. Lasst ihn nicht im Gebirge sterben, ich bitte Euch!" Noch einen Augenblick sah sie den Thangolforster flehend an, während ihr hilflos die Tränen über die Wangen rannen. Doch sie wartete eine Antwort nicht ab, sondern fuhr herum und riss den Säbel hoch, um sich den beiden Männern entgegenzuwerfen, die heranstürmten, um sie gefangen zu nehmen.

"Die Waffe weg!", rief der eine. Die Edle ließ das Pferd steigen, doch das Tier, noch jung und unerfahren, weigerte sich, auf den Gardisten niederzutrampeln, scheute vor dem Hindernis. Nein! Nicht auch das Pferd noch durfte sie im Stich lassen! Wiehernd kam das Ross wieder zu Boden, traf dabei den zweiten Mann eher zufällig an der Schulter. Aufheulend wich dieser zurück. Der andere aber griff nach Richezas Bein, hielt sie fest. Blind hieb die Edle nach ihm, doch er wich aus. Wenn er ihren Waffenarm zu fassen kriegte, war sie verloren! Kurz entschlossen schlug sie nach seiner Hand, die Klinge fuhr durch den Handschuh, trennte die Hand von seinem Arm - brüllend fuhr er zurück - glitt weiter, durch den Schaft ihres Stiefels. Heiß schoss der Schmerz in Richezas Wade. Der andere Gegner war heran, hob das Schwert, sie trat ihm den Stiefel ins Gesicht, fühlte mehr als dass sie hörte, wie die Nase brach. Geblendet vom eigenen Blut stolperte der Gardist gegen ihr Ross und fiel zu Boden.

Zwei!, dachte Richeza. Erst zwei! Und trat dem Pferd die Hacken in die Seiten ...


Autor: Ancuiras

Dom Gendahar schloss die Augen, hielt sie für einen Moment fest geschlossen und öffnete sie wieder. Er stöhnte innerlich. Es war also doch kein böser Traum, in den er hier geraten war. Das Sirren von Rifadas Morgenstern und das Knacken des Schädels, den er traf, waren allzu wirklich. Schön, das Zwiegespräch war rondrianisch geworden. Aber was hatte er mit den Streitigkeiten dieser Amazonen zu schaffen?

Dann sprach Domna Richeza zu ihm. Er sollte sich um Praiodor kümmern? Er kannte den Jungen doch gar nicht! Er jetzt bemerkte er die Tränen in Richezas Augen. Wenn schöne Frauen weinten und von ihrem Tod sprachen, war er noch immer schwach geworden. Er musste an Rinaya denken, aber das würde er gegenüber Richeza besser für sich behalten. Bevor er antworten konnte, wandte sie sich ab zum Kampf. Zwei feige Schurken auf einmal stürzten ihr entgegen.

Der Kampfgeist durchströmte Gendahar wie so viele Male zuvor. Die Schmerzen und das Fieber waren vergessen. Er schüttelte sich.

"Dein Schwert" raunte er der Söldnerin zu, die neben seinem Pferd stand, und schenkte ihr dabei das einnehmendste Lächeln, zu dem er unter diesen Umständen fähig war. Sie überreichte ihm die Waffe mit offenem Mund. Er richtete sich im Sattel auf. Es würde nicht ganz einfach werden, denn er konnte nur den rechten Arm benutzen. Er würde das Pferd allein mit den Schenkeln lenken müssen. Doch er hatte schon schwierigere Übungen gemeistert.

Er trat dem treuen Tier mit den Hacken sanft in die Flanke und es machte einen Satz nach vorn, auf zwei Söldner der Vogtin zu. Diese hatten nicht mit einem Angriff aus dieser Richtung gerechnet und ehe sie es sich versahen, war der eine durch einen Schlag auf den Oberarm entwaffnet worden und die zweite konnte sich nur durch einen Sprung zur Seite in Deckung bringen. Na also, geht doch, dachte der Thangolforster, als plötzlich von links eine weitere Schergin mit einer schweren Armbrust erschien. Verdammt, sie musste sich in einem toten Winkel verborgen haben, die man vom Toreingang aus nicht einsehen konnte. Domna Praiosmin hatte den Hinterhalt wirklich perfide geplant.

"Fahr in die Niederhöllen, Rubio!" zischte sie und legte auf den Thangolforster an. Der erhob sein Schwert, wohl wissend, dass es keinen Schutz bieten würde. Das letzte, was der Thangolforster sah, war ein ein schäbiges Grinsen im Gesicht der Söldnerin.

Dann, nach einem Schrei und einem Schwall von Blut, war es weg. Das Grinsen. Genaugenommen auch das Gesicht, denn dort wo es einmal gewesen war, klaffte nun die tiefe Wunde der Glefe, die Gendahars Schutzgeist, die entstellte Söldnerin, wie eine Langaxt geschwungen hatte. Wie ein gefällter Baum kippte die Schützin hintüber. In einer letzten unwillkürlichen Bewegung betätigte sie die Armbrust und der Bolzen schoß davon, doch da sie schon halb im Fallen gewesen war, flog er viel höher als geplant, direkt auf die Galerie im ersten Stock zu.

Gendahar sandte ein Stoßgebet zur Herrin Rondra, bedankte sich bei der Söldernin mit einem Nicken und wandte sich der noch immer zahlreichen Gegnerschar zu ...


Autor: Der Sinnreiche Junker

Hernán von Aranjuez hatte scharf die Luft eingesogen, als er vernahm, was Rifada da Vanya ihm vorschlug. Gewisslich ging es ihm weniger um die Art des Abganges an sich – in Unterfels erzählte man sich noch immer die Geschichte, wie er in voller Rüstung in die Yaquirfluten sprang, um der Gefangennahme durch die siegreichen Horasier zu entgehen – sondern wohl eher darum, dass mehr oder weniger viele zurückbleiben mussten. Schließlich nickte er mit grimmigem Gesichtsausdruck, und schob sich das Papierbündel in den Gürtel. „Rondra mit Euch, Domna…“, und zu mehr kam er nicht, denn da sprengte die Junkerin auch schon mit kreisendem Morgenstern davon.

Unglücklicherweise griffen auch Augenblicke später deren Nichte und Dom Gendahar an, sodass ihm nur noch übrig blieb, Moritatio mit dem Arm vor dessen Brust zurück zu halten. „Eure Mutter wird eher sterben denn zu weichen, doch wenn Ihr leben wollt, wenn sie leben soll, dann tut Ihr genau das was ich sage! Der einzige Weg hinaus ist der Bergfried, ich hole den Streitzig und Ihr Domna Richeza. Sagt ihr, es ist die einzige Möglichkeit Praiodor zu helfen.“ Damit gab er dem Ross des Jungen einen Hieb auf den Hintern, sodass dieses mit entsetztem Wiehern davon sprang, derweil er selbst seinem Pferd die Sporen gab, um Dom Gendahar zu erreichen. Mit einem Schreckensschrei sprang der Gardist beiseite, der sich ihm in den Weg stellen wollte, derweil hinter ihm zwei Bogensehnen losgelassen wurden. Doch waren die Schüsse überhastet, denn der eine ging fehl, und der andere durchschlug nur den auf dem Rücken getragenen Schild des Aranjuezers, nicht jedoch die Rüstung.

„Dom Gendahar!“, rief er, nun selbst das Schwert in der Faust, und sich mit einem weiten Schwinger Raum verschaffend. „Zum Bergfried, rasch!“

Und ohne weitere Erklärungen trieb er sein Pferd dorthin, würden Überraschung und Verwirrung bei den Gardisten der Elenterin doch rasch verfliegen. Die Söldnerin mit dem zerhauenen Antlitz indes warf dem schönen Yaquirtaler wie es schien noch einen letzten Blick zu, ehe sie sich mit einem wütigen Schrei und weitausholenden Hieben auf die Gegnerschar stürzte.


Autor: Ancuiras

Zum Bergfried? Nun, vielleicht nicht die schlechteste Idee, sich dort zu verschanzen. Wenn sie Glück hatten, würde Domna Praiosmin diesen Schritt nicht erwarten. Der Thangolforster drängte sein Pferd an die Seite des Barons und ließ sein Schwert im Kreis sausen, was ihm zwar Platz verschaffte, aber keinen Gegner ernsthaft bedrohte.


Autor: von Scheffelstein

Aus den Augenwinkeln nahm Richeza wahr, dass sich auch Dom Gendahar in den Kampf gestürzt hatte, doch ihr blieb keine Zeit, sich darüber zu wundern. Ein Pfeil durchschlug Moritatios Caldabreser und fegte ihn ihr vom Kopf, hatte sich aber in den Haaren verfangen, sodass ihr der Hut für einen Moment die Sicht nahm. Hastig riss sie ihn vom Kopf, ungeachtet der Haare, die an dem Pfeil hängen blieben. Sie kam gerade noch dazu, den Säbel hochzureißen, als ein Schwert auf sie niederfuhr. Der Aufprall war so hart, dass ihr Arm taub wurde. Der grinsende Angreifer fasste in die Zügel ihres Pferdes. Vergeblich versuchte die Edle, ihn mit dem Säbel zu erreichen – er stand auf der falschen Seite, und ihr Arm war zu kurz; er hatte keine Mühe, auszuweichen. Ein Pfeil streifte ihren Harnisch, wurde abgelenkt und bohrte sich in den Boden. Ein zweiter Pfeil traf ihr Pferd in die Flanke.

Panisch machte das Tier einen Satz vorwärts, der Söldner versuchte, es am Zügel zurückzureißen. Hart wurde der Kopf des Pferdes zurückgerissen, der Söldner verlor dabei das Gleichgewicht und ließ den Zügel los, der nun auch Richeza entglitt, als das Pferd zu bocken begann. Instinktiv beugte die Edle sich vorwärts, bekam aber weder Zügel, noch Mähne zu fassen – der nächste Sprung des Pferdes schleuderte sie aus dem Sattel; das Tier sprengte davon.

Drei rasche Herzschläge später krachte Richeza zu Boden, spürte, wie mindestens eine Rippe brach und blieb, den Säbel noch immer umklammert, einen Moment wie betäubt liegen.

"Cousine!", hörte sie ihren Vetter rufen, und der Söldner über ihr fuhr zu Moritatio herum. Schwert prallte auf Schwert, dann aber hatte der Söldner plötzlich einen Ogerfänger in der Linken, den er vorwärts stieß ...

Richeza griff nach dem Bein des Söldners, wodurch dessen Schwung gebremst wurde. Der Ogerfänger durchbrach einige Ringe von Moritatios Kettenhemd, drang aber nicht tiefer ins Fleisch ein.

"Zum Namenlosen ...!", fluchte der Mann und versuchte, das Gewicht an seinem Bein abzuschütteln. Ein kurzer Augenblick der Unachtsamkeit, während dessen Moritatios Schwert auf ihn herabfuhr und ihm Kehle und Schulter zerriss. Mit ungläubig aufgerissenen Augen ging der Mann zu Boden. Auch der junge da Vanya wirkte einen Moment lang schockiert, dann aber packte er Richeza an der Schulter.

"Schnell!", sagte er. "Weg hier!"

Noch benommen vom Sturz, ließ die Edle sich mitziehen, schaffte es kaum, auf die Beine zu gelangen und stolperte hinter ihrem Vetter her.

"Was zum ...?", entfuhr es ihr, als er auf den Bergfried zuhielt, in dem soeben Dom Hernán verschwand. "He, was ...?" Sie versuchte, sich aufzurichten, da stieß er sie bereits die Treppe hinauf zum Eingang des Gebäudes. "Was machst du da?", fragte sie entgeistert. Ihr Blick zurück über die Schulter zeigte ihr, dass Domna Rifada inzwischen von allen Seiten umzingelt war.

"Verzeih mir", sagte Moritatio, während er sie weiterzog.

"Nein!", schrie Richeza. "Deine Mutter!" Sie versuchte, sich loszureißen, aber die Schmerzen schwächten ihren Widerstand.

"Praiodor! Denk' an Praiodor!", murmelte Moritatio entschuldigend, als er Richeza durch den Eingang in den Turm stieß. Doch seine Base starrte nur mit weit aufgerissenen Augen in den Hof hinunter.


Autor: Der Sinnreiche Junker

Glücklicherweise war der Innenhof des Castillo da Vanya von überschaubarer Größe, sodass keiner der Bogenschützen einen weiteren Pfeil auflegen konnte, bevor der Condottiere nicht den Aufgang zum Bergfried erreicht hatte, geschweige denn, dass den beiden Berittenen jemand folgen konnte. Rasch schwang sich der Baron aus dem Sattel, sodass das Pferd zwischen ihnen und der Treppe, und somit in der Schusslinie stand. Mit einem schnellen Schritt sprang er zu Dom Gendahar, der wohl mit seiner Schulter nicht ganz so schnell absteigen konnte, ließ den Schild vom Rücken gleiten, und hielt ihn, mit der Schwerthand nur locker gegriffen, über die Kruppe dessen Pferdes, sodass zumindest der Rücken des Thangolsforsters gedeckt war. Mit dem anderen Arm indes umfasste er ihn wenig zärtlich und mit nur wenig Rücksicht auf dessen angeschlagene Gesundheit an der Hüfte, sodass dieser sich mehr oder weniger aus dem Sattel fallen lassen konnte. Immer noch schmerzhaft, wie der Schrei bezeugte, aber wenigstens schnell. Und keinen Augenblick zu früh, brach doch das erste Ross wiehernd zusammen, den gefiederten Schaft eines Pfeiles in der Seite.

„Wir können über den zweiten Stock entkommen, doch benötigt Ihr ein Seil, also rasch!“, erklärte er dem mit schmerzverzerrtem Gesicht an seiner Seite die Stufen hoch Taumelnden nur knapp, ehe auch schon ein weiterer Pfeil neben ihnen am Gemäuer unter einem Regen von Putzbröckchen zerbrach. Kaum hatte er seine Fracht durch die Türe geschoben, kamen auch schon Richeza und Moritatio die Stufen empor. Ein letzter Blick über die Schulter auf den Innenhof, wo die Gardistin Rifadas, die das Schicksal ihrer Herrin offenbar zu teilen gedachte, gerade zu Boden ging, derweil sich die Söldnerin, wiewohl bereits mit einem Pfeil in der Schulter, noch immer mit derben Schwüngen der Glefe mehrere Gegner gleichzeitig vom Leib hielt, dann schloss Hernán von Aranjuez die Pforte des Bergfrieds, und schob den Riegel davor.

„Zum Trauern wird später noch Zeit sein, nun gilt es sich zu eilen“, sprach er drinnen barsch. „In der Waffenkammer im zweiten Stock befindet sich eine Strickleiter, über welche wir nach draußen gelangen können. Domna Rifada wollte es so, die Einzelheiten erkläre ich Euch später. Richeza …“, wandte er sich gänzlich ohne Höflichkeitsbezeugung an die Scheffelsteinerin. „Sucht Euch eine Schießscharte oder dergleichen, und ruft nach draußen. Beschäftigt sie, lenkt sie ab, erzählt ihnen, wie lange wir es hier aushalten können und dass man uns suchen wird, und so weiter. Hauptsache sie kommen nicht auf die Idee, dass wir uns gerade absetzen. Moritatio, wir brauchen ein Seil, um Dom Gendahar hinab zu lassen. Mit seiner Schulter wird er wohl kaum die Strickleiter benutzen können …“


Autor: von Scheffelstein

"Nein!", rief Richeza und warf sich gegen die Tür. "Wir können sie doch nicht dort sterben lassen!" Nur halb bekam sie mit, was der Aranjuezer sagte. Da eilten sie auch schon davon, Dom Hernán und der Thangolforster die Wendeltreppe hinauf und Moritatio nach unten, wohl auf der Suche nach einem Seil. Für einen winzigen Moment war die Edle versucht, die Tür wieder aufzureißen, aber sie wusste, dass es dafür nun zu spät war. Kurz schloss sie die Augen und lehnte sich mit der Stirn an die Tür, dann eilte sie den Männern hinterher, die Treppe hinauf, auf der Suche nach einem Fenster.

Auf der nächsten Ebene fand sie eines, doch sie konnte von dort nicht in den Burghof sehen, aus dem weiterhin Waffenlärm zu hören war. Stattdessen blickte sie auf den Palas, wo Domna Praiosmin noch immer auf dem Balkon vor dem einstigen Schlafzimmer ihrer Mutter stand. Richeza kroch in die enge Fensternische, in der Hoffnung, doch noch einen Blick auf den Hof zu erhaschen, doch der war von hier nicht einsehbar.

"Hure!", brüllte sie stattdessen zu der Reichsvogtin hinüber. "Ihr sollt in die Höllen fahren! Ihr und Eure verdammte Dämonenbrut! Ihr werdet diese Burg nicht lebend verlassen!" Sie musste innehalten, der Schmerz raubte ihr den Atem. Keuchend krümmte sie sich zusammen, Schweiß trat auf ihre Stirn. Sie holte tief Luft. "Ich verfluche Euch, Praiosmin von Elenta!", schrie sie dann weiter. Ein Pfeil schlug neben dem Fenster in die Mauer ein und fiel in den Hof hinunter. "Ich bin noch nicht fertig mit Euch, verdammte Dämonenbuhle!"

Richeza zog sich vom Fenster zurück. Ihr schwindelte. Einen Moment blieb sie in der Nische liegen, die Wange an den kalten Stein gepresst. Als sie sich aufrappelte, bemerkte sie die Spur aus feinen Blutstropfen, die von der Tür quer durch den Raum zum Fenster führte. Erschrocken fasste sie sich an den schmerzenden Brustkorb, aber der Harnisch war unversehrt. Stattdessen sickerte Blut aus dem Schnitt in ihrem Stiefel. Auch das noch!

Auf der Wendeltreppe kam ihr Moritatio entgegen, die Arme beladen mit Decken, Seilen und einem Rucksack, aus dem Werkzeug herausschaute. "Schnell", sagte sie, "ich brauche ein Tuch, ich muss die Wunde verbinden."

Er sah sie erschrocken an, sie nickte die Treppe hinauf und folgte ihm weiter nach oben. Die Tür der Waffenkammer war aufgebrochen - zum Heiligtum ihrer Tante besaß auch niemand einen Schlüssel. Moritatio lud die Gerätschaften in der Mitte des Raumes ab und hastete erneut die Treppe hinunter. Richeza ließ sich derweil an einem der mit Rüstzeug vollgepackten Regale nieder und zerrte sich den rechten Stiefel vom Fuß. Der Strumpf, den sie darunter trug, war blutgetränkt. Sie zog ihn aus und begutachtete die Wunde. Der Muskel schien nicht vollständig durchtrennt, aber der Schnitt war tief und blutete.

Moritatio kehrte zurück, reichte ihr atemlos einen Haufen aufgewickelte Leinenrollen. Sie nahm sie ihm wortlos ab, drückte einige der Tücher fest auf die Wunde und begann, sie abzubinden. "Hilf den anderen!", sagte sie zu ihrem Vetter, der noch immer neben ihr stand und sie beunruhigt ansah.


Autor: Der Sinnreiche Junker

Drunten ertönte bereits ein Pochen und Rumpeln an der Pforte des Bergfriedes, doch war das massive Holz stabil, und würde so schnell nicht nachgeben. Viel mehr Sorgen musste man sich darüber machen, dass doch irgendjemand irgendwann auf die Idee kommen könnte, dass sie gar nicht vorhatten, sich hier zu verschanzen. Entsprechend trieb der Baron von Dubios die Gefährten zur Eile an.

„Domna Rifada hat mir ein Bündel Briefe übergeben, welche dem Ruf der Elenterin in Punin kaum zum Vorteile gereichen werden. Wohl hat sie vorausgesehen…“, erklärte er den plötzlichen Entschluss zum Bergfried zu flüchten, derweil er eine Schlaufe knüpfte „… dass die Sache hier ein blutiges Ende nehmen würde. ‚Eine Junkerin verlässt Ihr Castillo nicht!‘, sprach sie zu mir, und die Aussicht, ihre Feindin dennoch zu verderben, wie auch Euch beiden mit ihrem Opfer zur Flucht zu verhelfen, dürfte sie in diesem Entschluss bestärkt haben.“

Kurz blickte er vom Sohn zur Nichte der Junkerin, und zog schließlich besagtes Bündel aus seinem Gürtel. „Entsprechend ist es von höchster Wichtigkeit, diese Briefe nach Punin zu bringen. Im Zweifel wendet Euch an meinen Vetter Dom Rafik, er wird gewiss anlässlich der Hochzeit aus Unterfels anreisen. Er versteht etwas von solchen Dokumenten, und wird wissen, was zu tun ist. Am besten verwahrt einstweilen Ihr es …“, hielt er es der Scheffelsteinerin hin. „… denn Ihr werdet zuerst gehen. Moritatio und ich werden Dom Gendahar abseilen, und sollten wir es nicht rechtzeitig schaffen, sollten die Briefe schon auf dem Weg sein. Ich würde es zunächst in Schrotenstein versuchen, zweifellos wird sich auch Anzures zunächst dorthin wenden. Mit etwas Glück holt Ihr ihn vielleicht sogar noch ein.“ Ob er das im Hinblick auf ihre Verwundung am Bein wirklich glaubte, musste freilich dahingestellt bleiben. Schließlich warf er vorsichtig einen Blick aus dem Fenster. Auf der Rückseite des Bergfrieds war offensichtlich niemand zu sehen, sodass Moritatio und er sich daran machten, die Strickleiter an den offensichtlich genau für einen solchen Fall im Mauerwerk versenkten Eisenhaken zu befestigen. Ein weiterer prüfender Blick, und dann warfen die beiden die Strickleiter in die Tiefe.

„Dom Gendahar…?“ Dieser hatte sich schwer atmend auf eine Truhe sinken lassen, und versuchte wohl nicht zu sehr an seine schmerzende Schulter zu denken. „Haltet Euch sicherheitshalber mit dem gesunden Arm an der Strickleiter fest. Zu zweit sollten wir Euch halten können, doch es geht tief hinab.“ Sollte er es sich doch anders überlegen, war nun gewiss der rechte Moment. Während Richeza von Scheffelstein ein letztes Mal den drei Männern zunickte, ehe sie sich, ob ihres Beines nicht ganz ohne Mühen, aufs Fensterbrett schwang, und mit dem Abstieg begann, hatte der Aranjuezer seine Sitzschlinge für Gendahar von Streitzig vollendet. „Helft Seiner Hochgeboren zum Fenster“, wies er Moritatio an, derweil er das andere Seilende sicherheitshalber ebenfalls an einem der Haken befestigte …


Autor: Ancuiras

Der Schmerz in der Schulter raubte Dom Gendahar fast die Sinne und der Schwindel war auch keineswegs besser geworden. Seine Entscheidung, sich in den Kampf zu werfen, war wohl doch etwas voreilig gewesen. Andererseits hätte er es dann vielleicht nicht mehr in den Bergfried geschafft.

Die Aussicht, wie ein Kartoffelsack die Mauer herunter gelassen zu werden und sein Überleben in die Hände anderer zu legen, war auch nicht gerade ermutigend. Aber er hatte keine Wahl. Die Vogtin hatte unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass es allen, die sich gegen sie wandten, an den Kragen ginge.

Mühsam erhob sich der Thangolforster. "Zum Fenster schaffe ich es schon noch allein", wehrte er den Arm Moritatios ab, auch wenn er sich da nicht ganz so sicher war. Leicht schwankend gelang es ihm dann aber doch. "Hinunter werde ich allerdings eine kleine Hilfe benötigen, zumindest wenn ich in einem Stück ankommen soll." Er setzte sich auf den Fenstersims und blickte hinab. Verdammt, ging das tief runter.


Autor: von Scheffelstein

Mit zusammengebissenen Zähnen kletterte die Edle von Eslamsstolz die Strickleiter hinunter. Sie hatte die Wahl, entweder das verletzte Bein zu belasten oder die Arme. Nach zwei Sprossen entschied sie sich für das Bein. Beim Abstieg machte es weniger Probleme als beim Laufen, wann immer sie aber ihr Gewicht an ihre Arme hing, zerriss es ihr beinahe den Brustkorb vor Schmerzen.

Sprosse für Sprosse kämpfte die Domna sich nach unten vor, bis sie endlich den schmalen, abschüssigen Grünstreifen erreichte, der sich zwischen Bergfried und Burggraben an der Mauer erstreckte. Sie warf einen raschen Blick nach oben – Dom Gendahar saß bereits auf dem Fenstersims – dann begann sie, die Seile aufzurollen, an denen Moritatio und Dom Hernán Rucksäcke und Deckenbündel herabgelassen hatten. Ein Regentropfen traf ihre Stirn, ein zweiter ihre Hand.

Wie um alles in der Welt sollten sie die Sachen trocken durch den Graben bekommen? Kritisch betrachtete Richeza die schlammige Brühe. Gut vier Schritt mochten es bis zum Ufer sein. Nicht zu weit. Ein guter Werfer vermochte die Bündel vielleicht ans andere Ufer zu schleudern, allerdings konnte man hier nicht weit ausholen. Um den Graben einfach zu durchwaten, schien er zu tief, und schwimmend würde es schwer werden, alles trocken auf die andere Seite zu bringen. Einen Moment lang erwog die Edle, einfach ihr Glück mit dem nächstbesten Rucksack zu versuchen, entschied sich jedoch dagegen. Sie würde es gewiss nicht schaffen, die Bündel hinüberzuwerfen, selbst unversehrt wäre es schwer geworden, und sie wollte nicht riskieren, die kostbare Ausrüstung im Burggraben zu versenken.

Weitere Regentropfen fielen auf ihr Hemd und machten ihr schmerzlich bewusst, dass ihr Umhang zusammengerollt an ihrem Sattel hing – ebenso wie ihr Degen. Aus der Burg waren Rufe zu vernehmen und das Donnern gegen die Pforte des Bergfrieds auf der anderen Seite. Der Waffenlärm aber war verstummt. Ob ihre Tante ...? Die Edle schluckte und lehnte sich mit verschränkten Armen an die Mauer. Hoffentlich machten die anderen schnell!


Autor: Der Sinnreiche Junker

„Sobald Dom Gendahar unten angekommen ist, werdet Ihr ihm folgen“, wies oben der Aranjuezer den womöglich neuen Junker von Vanyadâl an, und klopfte sich zur Erklärung auf die gepanzerte Brust. Er würde gewiss länger nach unten brauchen, als der ungleich leichter gerüstete Moriatio. Einstweilen aber galt es den verwundeten Thangolsforster heil nach unten zu bringen. Moritatio war ihm mit der Sitzschlaufe behilflich, wobei er das Seil mit einem gemurmelten „Verzeiht!“ noch durch dessen Gürtel führte. Dann blickte er zu dem Baron, der sich das Seil derweil zweimal um den Unterarm geschlungen hatte, und einen Stiefel gegen die Mauer gestemmt hatte. Ein kurzes Nicken noch, dann ging es los. Was gar nicht so einfach war, musste doch Dom Gendahar erst einmal vom Fenstersims ins Freie gelangen. Mit Moritatios Hilfe aber gelang es unter wohl einigen Schmerzen, und nachdem er sich an der ersten Seilsprosse festhalten konnte, griff auch Moritatio hinter dem Baron von Dubios zum Seil.

Quälend langsam ging es hinunter, und es mochte sich wohl die Frage stellen, für wen die Zeit langsamer verging: für den Thangolsforster mit dem sich gefühlt kaum nähernden Boden unter sich oder für die beiden oben am Seil, mit dem Hämmern der Feinde an der Pforte des Bergfrieds im Rücken. Oder womöglich ja auch für Domna Richeza, der nicht viel anderes übrig blieb, als tatenlos zu warten. Mehrfach wanderte der bangende Blick Dom Gendahars zum Seil: würde es halten? Würde man ihn halten können? Würden die Schergen der Elenterin die Pforte überwinden, und seine Helfer angreifen können, derweil er nicht mehr oben, noch lange nicht unten schwebte? Das eine oder andere Mal war sein Weg abwärts von merklichem Rucken begleitet, doch schließlich, als er womöglich gar nicht mehr nach unten schauen wollte, spürte er die Berührung Domna Richezas, die seinen Stiefel gepackt hatte, um die letzten ein, zwei Schritt zu dirigieren.

Oben hatte Hernán von Aranjuez längst ihre Fracht aus dem Blickfeld über die Kante des Fenstersimes hinweg aus den Augen verloren, sodass den beiden nicht viel mehr übrig blieb, als so lange Seil zu geben, bis sie kein Gewicht mehr spürten. Längst schon brannten ihre Arme, als endlich, endlich das Seil locker hing, und ein kurzer Blick hinab bestätigte, dass Dom Gendahar tatsächlich heil unten angekommen war, und gerade mit Hilfe der Scheffelsteinerin die Schitzschlinge abstreifte. Augenblicke und nur eine kurze Verschnaufpause später machte sich Moritatio, dessen Wunde am Unterarm wieder aufgebrochen war, aber der nun auf die Zähne biss, auf den Weg nach unten, gefolgt von dem schwerer gerüsteten, und demzufolge deutlich langsamer absteigenden Aranjuezer.

„Ich glaube, der Graben ist nicht tief genug, als dass wir nicht mehr stehen könnten“, sprach Moritatio zu seiner Cousine. Sein Blick freilich verriet Zweifel. Hier und dort mochte der Graben mal tiefer, mal weniger tief sein, und die häufigen und schweren Wolkenbrüche im Bosquirtal machten es schwer, den Wasserstand verlässlich einzuschätzen. So blieb nichts anderes übrig, als dass Moritatio vorsichtig und mit einem Schaudern ob des kalten Wassers in den Graben kletterte, bis ihm das Wasser in der Mitte tatsächlich nur bis zur Brust ging. Richeza warf ihm schließlich ein Bündel nach dem anderen zu, die dieser dann weiter auf die andere Seite des Grabens warf, und kaum hatten sie das letzte Bündel so aus dem Schatten der Mauer hinüber befördert, kam auch Hernán von Aranjuez schwer atmend unten an.

Mittlerweile fielen die Regentropfen dichter, sodass der eine oder andere denken mochte, dass der Gang durch den Burggraben nun auch gleich war, doch bedurfte es freilich noch etwas Anstrengung, vor allem den Thangolsforster hinüber zu bekommen. Am gesunden Arm hielt ihn der Aranjuezer, derweil Moritatio und die nun ebenfalls im Wasser stehende Richeza ihm hinein halfen, und auf der anderen Seite das Ganze noch einmal in umgekehrter Reihenfolge. Als sie sich so schließlich auf den weglosen Abstieg machten, hätte wohl niemand vermutet, dass es sich bei den vier erschöpften, schmutzstarrenden und bis auf die Knochen durchnässten Personen, die immer wieder sorgenvolle Blicke über die Schulter zurück warfen, um Standespersonen handelte, darunter gar den 'Großonkel des Kaisers' .

Dem angemessen war auch die Stimmung in der kleinen Gruppe. Nun, da sie den Häschern anscheinend vorerst entkommen waren, blieb erstmals Zeit, über die Ereignisse der letzten Stunde nachzugrübeln. Domna Rifada wahrscheinlich, Dom Berengar womöglich tot, das Castillo verloren, die Hoffnung den kleinen Praiodor bzw. Domna Romina zu finden ferner denn je. „Ich kehre um“, war es schließlich Moritatio da Vanya, der einfach stehen blieb …


Chronik:1033
Der Ferkina-Feldzug
Teil 09