Chronik.Ereignis1036 Wider die Taifas 06
Baronie Brindâl, 12. Boron 1036 BF[Quelltext bearbeiten]
Kurz vor Tolacas[Quelltext bearbeiten]
Autor: Meeltheuer
Die Straße schlängelte sich durch die hügelige Landschaft, als eine seichte Brise die Truppen, die sich darauf bewegten, umspielte. Ferando blickte sich kurz um; hinter ihm die Baronie Brindâl, in einiger Entfernung sein Geburtsrecht, Brigellan. Sein Gang durch die Lager der Truppen in Dâl hatte ihm vor Augen geführt, dass das Heer zweigeteilt war; zum einen in diejenigen, die sich Tsa nun näher fühlten und zum anderen diejenigen, die immer noch darauf brannten, wie Kor in die Feinde zu fahren. Wenn Brigellan wieder komplett unter seiner Kontrolle stehen sollte, dann durfte er sich nicht zu sehr auf das Heer der Marschallin verlassen. Er würde anders handeln müssen als so mancher Feldherr, der unter Musik und Gejohle einfach woanders einmarschiert war und dieses oder jenes nun als sein bezeichnet hatte. Nein, er würde eine andere Art von Kampf führen.
Er gab dem Pferd durch den Druck der Schenkel den Befehl schneller zu werden und ritt an die Spitze seiner Truppe, die bei Tolacas auf die Einheit von Dom León traf. Einen kurzen Gruß an Dom León und Leonora darbietend, ging er sofort zum Geschäft über: "Ich hoffe, Eure Soldaten haben nichts dagegen, abseits der Wege zu agieren. Die Marschallin erwartet von uns möglichst effektives Handeln, das werde ich ihr geben."
Autor: vivar
Der Vivar zog eine Braue in die Höhe: „Ei, Domnito! Wenn Effekt Euer Ansinnen ist, weshalb wollt Ihr dann durch Unterholz, Morast und Gestrüpp kreuchen wie ein Strauchdieb?"
Autor: Meeltheuer
Ferando schmunzelte leicht. "Freilich ist es zu Pferd auf den Straßen schneller, aber die erwähnten Strauchdiebe werden in den Wäldern sitzen und sich dorthin zurückziehen, wenn die Häuser verloren gehen. Ich habe nicht vor, mir auf lange Zeit ein Problem am Hals zu halten, sondern es zu lösen. Wenn Eure Reiter den Dreck scheuen, so ist es Euch selbstverständlich überlassen die Straßen zu nehmen." Er wandte sich kurz zu seinen anrückenden Truppen hin und gab ein Handsignal, woraufhin die Einheit das Marschtempo deutlich erhöhte.
Autor: vivar
"Man würde freilich eine gerade Straße präferieren, weil sie schneller ans Ziel führt, aber wenn Ihr ungekannt und unbesehen in Euer Erbland zurückkehren wollt, so können meine Blauröcke und ich Euch überall dort Geleit geben, wo das Gelände für unsere Rösser gangbar ist.
Im Falle aber, dass wir durch die hügelige Wildnis zögen, sollten wir uns vordem in Tolacas mit ausreichend Viktualien eindecken. Mit leerem Magen und ohne Proviant reist es sich ganz erbärmlich abseits der Wege.“ Er wies auf die Ortschaft, die, eingebettet zwischen Weinbergen, vor ihnen lag und nur vom zinnenumkränzten, gedrungenen Turm eines Wehrtempels überragt wurde. „Die Speicher der Rustikalen und Kelter der Winzer dürften nun, da der Winter vor der Tür steht, voll sein und ein paar hungrige Mäuler mehr verkraften können. Was sagt Ihr?“
Autor: Meeltheuer
"Ein guter Vorschlag, Dom León, lasst uns sehen, wie viel die Tolacer hergeben können. Vielleicht ist ja dort der Wein besser als jenen, den ihr in Dâl genießen durftet."
Ferando blickte erneut zu seiner Truppe, die nun im Eilmarsch auf Tolacas zuhielt, um so den Bewohnern weniger Möglichkeiten zu lassen den Soldaten die überzähligen Rationen zu verwehren in dem sie versteckt wurden.
Autor: vivar
„Pandolfo!“, rief Dom León. „Nimm ein Dutzend Leute und reite rechterhand um das Dorf herum zum rahjawärtigen Ausgang, auf dass keiner von den Bauern voreilig Reißaus nehme! Ich will mit den restlichen Reitern über die linke Flanke kommen, während Domnito Ferando direkt auf das Dorf zumarschiert.“
So geschah es. Doch noch ehe die erste Mercenaria aus Ferando Meeltheuers Terzio den Ortseingang erreicht hatte, begann die Glocke des Wehrtempels zu läuten und die Tolacaser rannten und sprangen auf das Tor des Tempels zu, um sich hinter seinen festen Mauern zu verbergen. Offensichtlich waren sie geübt darin, sich vor herannahenden Truppen zu verbergen, denn binnen kürzester Zeit ward das Tor geschlossen und verriegelt.
Dom León hatte derweil den Blickkontakt zu Domnito Ferando verloren, als er durch die Weinberge geritten war. Nun ritt er über die aus Khoros kommende Straße in die Ortschaft ein und befahl, beim ersten Haus Halt zu machen. Es war ein ansehnliches Winzergehöft mit einer weinrebenumrankten Toreinfahrt, in dessen Hof jedoch keine Menschenseele zu sehen war. Die Stallungen und die Hühnerkäfige standen offen und waren leer.
„Ich vermute, es ist zwecklos, hier zu klopfen und um Gastung zu bitten“, seufzte der Vivar. „Auf zum nächsten Haus!“ Doch vor den anderen Häusern des Ortes erging es ihnen nicht besser. Vor manchen sprang ein Kürisser ab und stiefelte hinein, doch nirgends waren menschliche oder tierische Bewohner zu finden. Ein paar Weintrauben, Nüsse und Äpfel waren das Einzige, was sie requirieren konnten. Offensichtlich waren die Tolacaser auch geübt darin, ihre Viktualien in Windeseile in den Tempel zu bringen.
Autor: Meeltheuer
Als Fernado mit den Truppen den Ortskern erreicht hatte und sich ebenfalls keiner der Bewohner hatte blicken lassen, geschweige denn einige größere Mengen an Lebensmitteln gefunden worden waren, wandte sich Ferandos Blick auf auf den Tempel. Er stieg von seinem Pferd ab und schritt zum Tempeltor. Sich noch einmal umblickend, gab er dem Tor nun mit der Faust drei starke Klopfer dann rief er aus: "Travia zum Gruße, wir kommen von Dâl und erbitten um Gastfreundschaft für unseren kurzen Aufenthalt. Gewiss könnt ihr das ein oder andere erübrigen, um die Truppen der Marschallin in ihrem gerechten Ringen wider die Schergen, die euer Land vereinnahmen zu vertreiben. Habt keine Angst! Wir werden euch kein Haar krümmen, wir erbitten lediglich Verpflegung."
Er wandte sich zu seinen Truppen um, gestikulierte zu einem der Seinigen näherzukommen und flüsterte ihm, nachdem er einigen Abstand vom Tor genommen hatte "Falls sie nicht uns unterstützen wollen, so werden wir das Tor aufbrechen und sie vor vollendete Tatsachen stellen. Sucht nach geeigneten Pfählen für eine Erstürmung!"
Dann schritt er zurück zum Tor und erhob erneut die Stimme: "Nun, gute Leute von Tolacas, wie ist eure Antwort auf unsere Bitte?"
Autor: vivar
„Der Name Traviens wurde in der Wacht schon zu oft missbraucht in den vergangenen Götterläufen!“, erscholl es von oberhalb des Tores. Im Torhaus öffnete sich eine Fensterluke und das grimmige, von schwarzem Haar umrahmte Gesicht einer Frau erschien. Vom Rest ihres Körpers waren nur der rote Umhang zu erkennen, den sie, von einer Fibel zusammengehalten, um ihre Schultern geworfen hatte. „Bereits viermal in diesem Jahr kamen bewaffnete Terzios nach Tolacas, einmal im Namen der Culminger und des Grafen Horasio, einmal im Namen Bey Chabuns, einmal im Namen der Gräfin Shahane und einmal im Namen der Seegräfin Abastanea und des Fürsten. Doch sie alle wollten keine Gastfreundschaft, sondern dem Volk von Tolacas etwas nehmen: sein Korn, seine Hühner, seine Früchte seinen Wein oder seine Söhne und Töchter, um sie ihren Haufen einzuverleiben.
Und auch Ihr führt freundliche Rede und eine Marschallin im Munde, während Ihr diese Mercenarios nach Tolacas führt. Seht sie Euch doch an! Keinen Spann Ehr’ im Leib hat dieses Söldnerpack, nur fressen und saufen, huren und buben, morden und brennen, plündern und rauben ist ihr Sinn! Ehrbare Leut’ dagegen bestellen ihre Weinberge und Felder und sammeln, damit sie in der Tristeza nicht darben müssen. Die Tristeza steht vor der Tür und weil dieser Ort schon so oft geplündert, beraubt und verheert worden ist, hat das Volk von Tolacas beschlossen, nimmermehr Mercenarios zu verköstigen. Da sei Rondra davor!“
Autor: Meeltheuer
Ferando runzelte die Stirn und wandte den Blick hinauf zu der geöffneten Fensterluke. "Ihr befleißigt Euch der Leuin, doch seid Ihr auch gewillt, die Bewohner mit einzubeziehen? Wir erfragen, ob Ihr gewillt seid von Euren Reden des Waffenganges abzulassen und guten Willen zu zeigen für diejenigen, die Stabilität und Frieden der Region bringen. Wir sind nicht Culminger, noch Schergen eines Horasio oder Chabun, auch nicht die zuletzt Genannten sind der Grund, warum wir hier sind. Wir erbitten das, was Ihr teilen könnt und erwarten nicht belehrt zu werden, was ehrbare Leut´ tun, aber ich frage Euch dies: Was soll der Mensch tun, wenn ihm kein Weinberg oder Lehen gegeben? Manch einer versteht nur das Schwert oder den Bogen und wenn dies das Los des Lebens ist und nur so es bestritten werden kann, so solltet Ihr Euch hüten von jenen zu reden, die den Kampf so wie die Leuin ihm vorsteht, wählten und sie als mordendes Gesindel schimpft." Er blickte sich kurz um, dann zurück zu zur Luke.
"Ich bin Ferando Hal Meeltheuer von Brigellan, rechtmäßiger Erbe der Baronie Brigellan und auf dem Weg, sie von den Verbrechern, die die Lande schinden, zu vertreiben. Wir haben keinen Hader mit Tolacas und ich sage Euch, wir suchen ihn nicht, jedoch werden wir ihn aber auch nicht aus den Gedanken streichen, sofern Ihr gedenkt die Waffen gegen uns zu richten. Kommt herunter und wir reden, ohne dass Blut fließt. Wir werden zu einem Ergebnis kommen, das verspreche ich Euch mit meinem Ehrenwort als Adliger.
Doch spreche ich auch die Warnung, narrt Ihr uns, so werden wir das Angebot des Friedens mit dem des Schwertes ersetzen."
Autor: vivar
„Junger Herr von Brigellan, auch die anderen Plünderer gaben dem Volk von Tolacas ihr Ehrenwort als Mitglieder der Nobleza, in Frieden zu kommen und den Frieden zu bringen – und doch waren sie nichts als Condottieri“ – sie spuckte verächtlich aus – „die wie die Heuschrecken weiterzogen, als sie ihre Bäuche gefüllt, unsere Weinschläuche und ihre Blasen entleert und ihre Reihen mit Maiden und Jünglingen wieder verstärkt hatten. Nun ist es genug! Kein Tolacaser soll mehr darben, um einem Söldling sein Lasterleben zu bezahlen!
Ja, ich führe den Namen der Leuin mit Stolz in meinem Munde, denn ich bin Haricella Rondralia von Geierschrei, Ritterin der Göttin und Vorsteherin des Löwinnentempels von Tolacas. Meine Klinge führe ich allein zur höheren Ehre Rondras und nicht für Geld noch Ruhm, wie es Eure Mietlinge tun. Im Namen meiner alveranischen Herrin habe mich dem Schutz des Volkes von Tolacas verpflichtet und daraufhin ist all mein Wirken und Trachten gerichtet. Wer daher die Schwelle dieses heiligen Hauses der Göttin ungebeten überschreitet, um sich an den kargen Vorräten der Tolacaser gütlich zu tun, der frevelt wider Rondra und Travia – und gegen Frevler führe ich meine Klinge.
Ihr seid zu viele, als dass wir Euch versorgen könnten, ohne selbst hungern zu müssen! Zieht also weiter und Rondras Segen möge Euch bei der Befriedung Brigellans begleiten. Versündigt Euch am Haus der Göttin und schmeckt Stahl!“
Die Worte waren laut und deutlich gerufen worden, so dass das gesamte Terzio Ferandos sie hatte hören können. Missmutiges Gemurmel brach darauf aus, denn die Mercenarios fühlten sich bei ihrer Ehre gepackt – von welcher sie freilich ein vollkommen anderes Verständnis hatten als die Rondrapriesterin am Fenster. So mancher lockerte bereits den Säbel in der Scheide oder zog einen Bolzen hervor, um zu prüfen, ob er sich gut in die Armbrust einlegen ließe.
Auch Dom León hatte die allerletzten Worte der Ritterin der Göttin vernommen, denn er und seine Reiter waren bei ihrer weitestgehend erfolglosen Suche ebenfalls auf der Plaza des Ortes angekommen. Mit sich führte einer der Blauröcke einen etwa 10-jährigen Knaben mit verwuschelten und von Strohhalmen durchzogenen Haaren. „Ah, Domnito Ferando!“, lächelte der Vivar und lenkte sein Pferd neben das des Brigellaners. „Wie ich sehe, habt Ihr bereits Kontakt zum hiesigen Volke aufgenommen. Auch wir haben jemanden aufgegriffen, der sich im Heu verkrochen hatte. Er heißt Bardolino und behauptet, der Sohn der Winzerin Remedios zu sein – die einen stattlichen Hof ihr Eigen nennt. Ansonsten ist er ein wenig maulfaul, aber vielleicht wollt Ihr Euch ja einmal mit ihm unterhalten?“
Autor: Meeltheuer
Fernado schmälerte leicht die Augen nach den Worten der Geweihten, dann fuhr sein Blick zu León und den Burschen. Eine Handgeste tätigend gebot er dem Jungen sich zu ihm zu gesellen: "Komm nur, dir wird kein Leid geschehen."
Der Junge zögerte einen Moment und begab sich dann etwas scheu und vorsichtig zu Ferando der ihn leicht an der Schulter packte und sich nun wieder zum Tempel hinwandte. "Ich habe hier einen Jungen, welcher der Winzerin Remedios angehören soll. Schickt sie an die Luke und lasst sie ihn besehen. Vielleicht ist sie einer anderen Ansicht als Ihr, Euer Gnaden. Auch wenn Ihr sicherlich meint, meine Gefolgsleute würden den Jüngling am nächsten Baum aufknüpfen, da sie ja, ach so schändlich seien."
Dann beugte er sich zu Bardolino und sprach ruhig zu ihm: "Deine Mutter wird sich sicherlich Sorgen um dich machen und du sicherlich um sie. Auch ich mache mir Sorgen um sie, denn die Geweihte spielt ein gefährliches Spiel, was deine Mutter in Gefahr bringt. Du willst doch nicht, dass deiner Mutter ein Leid geschieht, oder?"
Der Junge schüttelte den Kopf.
Ferando nickte und sprach weiter: "Dann hilf mir, deiner Mutter zu helfen. Wir wollen nur etwas Proviant und dann sind wir auch schon wieder fort und du musst nicht von deiner Mutter getrennt sein. Die Geweihte denkt, wir seien schlecht, doch sie ist es die schlecht ist, denn sie brachte dich in diese Situation, getrennt von deiner Mutter, ganz auf dich alleine gestellt und ohne Schutz. Doch lass mich dir sagen, dass ich dein Schutz bin, solange du von deiner Mutter getrennt bist."
Ferando erhob sich wieder und blickte gen Luke. "Die Mutter möge erscheinen, ich gebe mein Wort im Namen Travias, dass dem Jungen nicht ein Leid getan wird, außer dass er von seiner Mutter getrennt sein, muss bis der Stolz der Leuin Einsicht hat."
Autor: vivar
Für einen Moment war es still hinter der Fensterluke, dann erscholl schrill eine zweite Stimme: „Hier bin ich, Remedios! Bitte, tut meinem Sohn nichts zu Leide, Dom! Er hat Euch nichts getan! Ebenso wenig wie wir anderen. Ihr führt einen großen Haufen an, nicht nur Fußleute, sondern nun auch Reiter und Pferde. Wir brauchen unser Korn selbst, um über durch die Tristeza zu kommen. Geben wir es Euch, so verhungern wir – denn wir können nicht von Ort zu Ort ziehen. Lasst Bardolino frei und zieht weiter Eures Weges, ich flehe Euch an!“
Nach einer kurzen Pause erklang die Stimme der Geweihten erneut: „Wagt es nicht, Hand an den Knaben zu legen, Dom Ferando! Wenn Ihr dem auch nur ein Haar krümmt, so werdet Ihr Euch persönlich vor der donnernden Leuin verantworten müssen!“
Das Murren der Mercenarios wurde lauter. Einer jener alten Haudegen, die der Brigellaner erst nach dem Dâler Patt angeworben hatte, trat vor Domnito Ferando hin und sprach: „Ich sage, wir schneiden dem Bengel die Nase ab, dann die Ohren, dann die Finger, und so weiter. Die Mutter ist weich wie Butter. Irgendwann wird sie das Essen dann schon rausrücken, Comandante!“ Er lachte hämisch und seine Augen blitzten in Vorfreude, als er den Langdolch im Gürtel lockerte. „Soll ich?“
Dom León saß, die Hände abwartend auf den Sattelknauf gelegt, auf seiner Shadifstute und blickte zwischen der Rondrianerin, dem jungen Edelmann, dem Knaben und dem Mercenario hin und her. Dann wandte er sich seiner Knappin zu und sagte trocken: „Lektion Nummer zwei heute: Wer Forellen fangen will, muss sich im Bach die Füße nass machen. Was meine ich damit, Leonora?“
Autor: Rondrastein
Leonora hatte die Situation bisher schweigend neben ihrem Schwertvater beobachtet und wie dieser ihre Hände auf den Sattelknauf gelegt. Auch ihre Augen wanderten vom einen zum nächsten und wieder zurück. Auf ihrem Antlitz spiegelten sich zahlreiche Gefühle wider, die von Mitleid, Abneigung, Abscheu und Neugier hin und her sprangen. Wie konnte man nur eine Mutter mit ihrem Kind erpressen, schoss es ihr durch den Kopf. Das war Unrecht und nicht rondragefällig, so wie es ihr von den Geweihten der Leuin beigebracht worden war. Die Schwachen und Wehrlosen sollte man schützen und sie nicht als Faustpfand nehmen.
Als León de Vivar sie ansprach, wurde sie aus ihren Gedanken gerissen und starrte ihn erst einmal leicht entgeistert an. Sie überlegte lange, bevor sie ihm eine Antwort gab. „Eine Forelle hat wenigstens eine Chance zu entkommen und wird nicht dazu gezwungen sich von dem Angler fangen zulassen“, murmelte die Jugendliche vor sich hin, bevor sie die Frage Dom Leóns beantwortete. „Vermutlich, dass wer etwas haben will, dass er nicht bezahlen kann oder will, muss mit schmutzigen Tricks arbeiten und sich die Hände dreckig machen.“
Die vom Berg schaute ihren Schwertvater an und in ihrem Gesicht war deutlich zu lesen, dass sie das Vorgehen des jungen Barons ohne Land überhaupt nicht gut fand.
Autor: vivar
„Fast richtig, Leonora“, lächelte Dom León. Er war sich bewusst, dass er seiner Knappin ein schlechteres Vorbild als mancher, aber ein besseres als viele war. „Und doch trägt die Metapher weiter. Wer die Forelle haben will, muss sich die Hände und die Füße nass machen und möglicherweise ist der Bach trüb oder schmutzig. Mit den Mühen, geduldig im Bach zu stehen und auf die Forelle zu warten, bezahlt er den Fang. Und wer eine Forelle kauft, der bezahlt lediglich jemand anderes dafür, die Forelle für ihn zu fangen. Die Forelle aber stirbt in jedem Fall, denn wer keine Forelle fängt, der bleibt hungrig.
Wer also etwas Großes erreichen will, muss immer den Preis dafür bezahlen, gleich, welchen Weg er wählt. Nimm einmal Domnito Ferando hier. Er ist mit dem ehrbaren und praiosgefälligen Ansinnen ausgezogen, das Land seiner Väter zurückzugewinnen. Doch ein einzelner Mann, und sei er noch so tapfer, vermag diese ‚Forelle’ nicht zu fangen. Deshalb hat Domnito Ferando Männer und Frauen angeworben, die ihm folgen und ihnen gerechten Lohn versprochen. Sie sind nicht die Edelsten der Edlen, sondern dem blutigen Kor zugewandte Mercenarios, weswegen sie erfahren im Kampfe, aber roh und bar jeder Etikette im Umgang sind. Hätte sich Domnito Ferando sich nicht die Füße nass gemacht, so säße er heute noch in Punin.
Und heute steht er erneut vor der Frage, wie er seine ‚Forelle’ erreichen kann, denn sein Terzio verlangt von seinem Condottiere zu essen. Kann der Condottiere die Versorgung nicht heranschaffen, so entgleitet ihm die Kontrolle über das Terzio wie ein glitschiger Fisch aus seinen Händen. Die Mercenarios werden aufsässig und nehmen sich mit Gewalt, was ihnen aus anderem Grund verwehrt wurde.
Doch Domnito Ferando muss weiter blicken, denn wenn er ein rechter Magnat werden will, so muss er sich als praiotisch gerechter, hesindianisch weiser, phexisch schlauer, rondrianisch tapferer und travianisch milder Herrscher erweisen. Das bedeutet, dass er auch die Folgen seines Handelns für die Tolacaser in den Blick nehmen muss. Wenn er sich einer Dienerin der Leuin widersetzt, um die ‚Forelle’ zu fangen – denn die Forelle ist das Ziel – so muss er sich gewiss sein, dass er den donnernden Zorn Rondras herausfordern wird. Wer das in der Südpforte wagt, der braucht den festen Beistand anderer Götter. Wird Domnito Ferando dies wagen? Und wenn ja, wessen Gottes Weg wird er wählen?“ Dom León blickte seine Knappin aus seinen dunklen Augen an. „Was würdest du tun, wenn du an seiner Stelle wärest?“
Die Knappin biss sich auf die Unterlippe. Sie wollte etwas Gescheites sagen, etwas, das weise und tapfer klang, und ihren Schwertvater stolz auf sie machte. Schließlich stieß sie hervor: „Ich würde Ehrwürden zum Duell aufs erste Blut fordern. Das wäre rondragefällig und niemand von meinem Gefolge und von ihrem Gefolge würde Schaden nehmen. Ja, mit diesem Göttinnenurteil würde entschieden werden, ob die Tolacaser uns versorgen müssen oder nicht.“
Dom León schmunzelte anerkennend. „Der Weg Rondras – wie es sich für eine vom Berg gehört. Lass uns sehen, wie Domnito Ferando agiert.“
Autor: Meeltheuer
Ferando verharrte einen Moment, bevor er dem Söldling mit einer Handgeste und einem leichten Kopfschütteln verdeutlichte, dass der Langdolch nicht zum Einsatz kommen müsse. Seine Aufmerksamkeit wanderte erneut zum Wehrtempel und der Luke: "Werte Remedios, kommt heraus und nehmt Euren Sohn in Empfang. Er soll mit seiner Mutter wieder vereint werden. Sobald Ihr dann vor mir steht, könnt Ihr mit mir folgendes besiegeln: Ihr gebt uns jetzt Proviant für den Weg gen Brigellan und meine Familia wird euch Getreide aus Punin zukommen lassen. Dies sollte nicht mehr als zwölf Tage dauern. Ein Reiter würde sofort gen Praios entsandt werden. Weiterhin würde ich, sobald meine Baronie wieder befriedet ist, meinen Schutz für Tolacas geben, auf das nicht eine einzelne Geweihte der Leuin Euer Heil sein möge. Eure Worte zeigen deutlich, wie sehr Eure Herren Euch im Stich gelassen haben, möget Ihr in Brigellan mehr Glück erfahren. Kommt heraus und gebt mir die Hand auf dies und es soll geschehen."
Ferando pausierte kurz, um sich dann seinen Söldnern zu widmen. Er erhob die Stimme, dass auch die Bewohner im Wehrtempel es hören konnten "Wenn dies, was vorgeschlagen, abgemacht ist, so soll Tolacas nicht zu Schaden kommen. Wird sich jedoch geweigert dies Angebot zu ergreifen, oder gar die Geweihte versuchen dies zu verhindern, so wird mit anderen Mitteln dafür gesorgt, dass ihr Essen habt."
Sich der Position der Stärke bewusst, wandte er sich erneut zum Wehrtempel: "Kommt heraus und habt keine Angst, werte Remedios, Euch soll nichts geschehen."
Er stellte sich abwartend direkt vor den Tempel, auf die Pforte blickend.
Autor: vivar
Hinter den Mauern des Wehrtempels wurde es erneut für eine Weile still, was darauf hindeutete, dass man den von Domnito Ferando vorgeschlagenen Terminhandel diskutierte. Schließlich öffnete sich knarrend das schwere, doppelflügelige Tor und gab den Blick auf den Tempelhof frei, in dem sich die Tolacaser Bäuerinnen und Winzer mit versammelt hatten. Im Torbogen standen zwei kräftige Winzerburschen, die ihre unterarmlangen Rebmesser gezückt, bereit schienen, jeden Versuch des Verrats von Seiten der Mercenarios abzuwehren. In ihrer Mitte stützte sich Haricella von Geierschrei im weißroten Ornat einer Ritterin der Göttin, auf ihren Rondrakamm und blickte mit versteinerter Miene auf die Bewaffneten. Ihre aufrechte Körperhaltung strahlte eine unnahbare priesterliche Würde aus, doch die Finger ihrer rechten Hand spielten kampfbereit mit dem Schwertheft und ihren Blicken war anzusehen, dass sie nichts von den Versprechungen des Brigellanen hielt.
An der wachenden Trias vorbei traten nun eine stämmige Winzerin mit wildem schwarzen Haar, offensichtlich Remedios, und, auf einen knorrigen Rebstock gestützt, ein hakennasiger Greis in einem mit silbernen Weintrauben bestickten Wams. Er wandte sich an den nach wie vor auf seinem Ross sitzenden León de Vivar: „Ich bin Calas Brillez und spreche für die Gemeinde von Tolacas. Euer Angebot, Dom –“
„Du adressierst den Falschen, Maestro Brillez“, entgegnete dieser und verwies auf den Brigellanen. „Ferando Meeltheuer ist es, der hier das Regiment führt.“
Irritiert blickte der Alte von einem zum anderen, dann wandte er sich Domnito Ferando zu. „Nun, Dom, Euer Angebot erscheint uns aufrichtig und wir wollen sehen, was wir entbehren können. Wie viel Proviant werdet ihr benötigen? Und wie viel Korn werdet ihr uns dafür geben können?“
Autor: Meeltheuer
Nachdem der Handel abgemacht war und ein Reiter mit Ferandos Pferd gen Punin davon eilte, setzte er sich zu Kopf seiner Mercenarios und gab den Befehl, sobald der Proviant für eine Woche untergebracht war, zum Marschieren. Nach kurzer Zeit war Tolacas hinter ihnen und sich selbst nicht schonend, legte der Baron mit seiner Truppe einen Gewaltmarsch hin, um so schnell wie möglich die Straße in die Baronie Brigellan zu bewältigen.
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