Chronik.Ereignis1033 Feldzug Schrotenstein 07
In der Baronie Schrotenstein, 3. Rondra 1033 BF[Quelltext bearbeiten]
Auf dem Castillo Briesach[Quelltext bearbeiten]
3. Rondra, in den Nachtstunden[Quelltext bearbeiten]
Autor: SteveT
Zusammengekauert, mit angelegten Ohren und ausgestreckten Vorderbeinen, lag Raffzahn im hohen Schilf am Südufer des Schwarzen Sees und hechelte mit heraushängender Zunge, um seinen Körper zu kühlen in dieser schwülwarmen Nacht.
Er lauschte aufmerksam in die nur von silbrigem Mondlicht erhellte Dunkelheit - aber niemand antwortete auf seine Rufe. Er stemmte sich in den Stand hoch, legte den Kopf zurück und stieß abermals ein schaurig-langgezogenes Heulen aus, hinauf zur Himmelswölfin Liska und dem Mahnmal Madas - aber wieder antwortete ihm niemand, obwohl er genau spüren konnte und auch witterte, dass die Leitwölfin seines Rudels aus Zweibeinern auf einem großen Stein inmitten dieses riesigen Wassers hockte und sich seit Tagen nicht von dort fortbewegte. Um ihn herum zirpten nur diese krabbelnden Blätter, die scheußlich schmeckten und zwischen den Zähnen knirschten, wenn man sie zerbiss.
Er lief zwei Schritte zum Wasser, roch daran und tauchte dann vorsichtig die linke Pfote hinein - nur um sie sofort wieder angewidert zurückzuziehen. War das nass! Dort wo er herkam, gab es kein so großes, endloses Wasser - nur Regenpfützen, aus denen man gut trinken konnte oder schmales schnellfließendes Wasser, über das man leicht mit einem Satz hinwegspringen konnte. Vielleicht hätte er doch besser bei seinem alten Weggefährten und Futterbringer mit dem weißen Pelz um die Schnauze bleiben sollen, anstatt der Leitwölfin quer durch ihr weitausgedehntes Revier zu folgen?
Raffzahn hob erst einmal das Bein und pisste hier und da ein paar Markierungen auf den Boden, damit die Anführerin wusste, dass er da war, und dass alle fremden Rudel gewarnt waren, besser einen riesigen Bogen um diese Gegend zu machen.
Plötzlich witterte er etwas, dass sich ihm sämtliche Haare am Körper sträubten und aufstellten. Er zog den Schwanz ein und presste sich ganz flach an den Boden und knurrte dabei so laut er konnte. Ein riesiger fliegender schwarzer Schatten glitt direkt über ihn hinweg - über das Wasser, zu dem Stein hin, auf dem die Leitwölfin hockte. Sein ganzer Körper begann zu zittern, und Raffzahn bellte, so laut er konnte, und fletschte die Zähne. Obwohl der Schatten schnell wie der Wind an ihm vorbeigeglitten war, spürte er Todesangst und Bedrohung, wie noch nie in seinem Leben.
"Was war das?", frug der junge Mazzuco seinen Herrn und Meister und ließ seine halb abgenagte Entenkeule einfach unter den Tisch fallen.
"Was war was, war was?", glotzte ihn der Doppel-Gasparo verständnislos an, der sich - in ihrer üblichen Essensverteilung - den ganzen Rest der gebratenen Ente schmecken ließ. Er musste laut aufstoßen.
"Na dieser laute Schlag eben!", verdrehte Mazzuco die Augen. Neben all den schlechten Manieren des Raubritters, die sich sein Bruder und er leider schon teilweise ebenfalls angewöhnt hatten, ging ihm vor allem dessen Schwerhörigkeit auf den Geist. Alles musste man zweimal sagen - aber dabei höllisch aufpassen, dass sich der Doppel-Gasparo nicht auf die Schippe genommen fühlte, der ja selbst alles immer doppelt sagte.
"Vielleicht hat draußen ein Kahn angelegt und Filignio ist zurück?", hoffte Mazzuco auf die wohlbehaltene Rückkehr seines Zwillingsbruders aus Selaque, wo er die Lösegeldforderung für die Schwester der Reichsvogtin überbracht hatte, die nebenan zusammen mit dem naseweisen Puniner Kaufmann in ihrer Zelle saß. "Vielleicht war es aber auch bloß wieder die Gefangene, die gegen ihre Türe tritt. Das Weibsbild gibt es scheinbar niemals auf ..."
"Los! Sieh nach, sieh nach!", befahl ihm sein Dienstherr mit einem Wink und spuckte einen kleinen Knochen aus, den er um ein Haar mitverschlungen hätte.
Mazzuco schlurfte behäbig zur Tür nach draußen, zum Anlegesteg des im Wasser erbauten Castillos Briesach und nahm eine der beiden Laternen mit, die den Raum erhellten. Er öffnete die Tür und leuchtete mit der Blendlaterne nach draußen auf den Steg hinaus. Es kam ihm draußen plötzlich unerklärlich kalt vor, und ein durch und durch widerlicher Geruch lag in der Luft, der ihn einerseits an Schwefelquellen, andererseits an den Verwesungsgeruch von Leichen auf einem Schlachtfeld erinnerte. Kein Boot außer ihrem eigenen hatte am hölzernen Steg festgemacht.
Enttäuscht wollte Mazzuco lieber wieder in die warme Stube zurückkehren, als er mit einem Mal, vielleicht alarmiert durch sein eigenes Unterbewusstsein, das Gefühl hatte, von irgendjemandem beobachtet zu werden.
"Heda! Ist da wer?", rief er in die Dunkelheit und leuchtete noch einmal mit dem Lichtkegel der Laterne über die schwarzen Wasser des Sees. Er zuckte zusammen, als sich der Lichtschein mit einem Mal in etwas großem, metallisch glänzenden brach, das ihn an die Schuppenhaut eines riesigen Fisches oder einer Echse erinnerte.
"Was zum ...?", stieß Mazzuco aus und ließ mit vor Entsetzen offen stehendem Mund die Laterne fallen.
Ein widernatürliches rotes Augenpaar unter zwei giftgrün leuchtenden Hörnern blitzte direkt vor ihm in der Dunkelheit auf, und noch ehe er schreien konnte, schlossen sich zwei Klauenhände mit dolchlangen Krallen um seinen Hals und zerquetschten ihm binnen eines Wimpernschlages die Kehle.
Autor: SteveT
"Wer war da, wer war da?", rief Gasparo von Sebeloh zu seinem Knecht nach draußen. Nicht nur das Ausbleiben einer Antwort suggerierte ihm, dass irgendetwas ganz und gar nicht in Ordnung war. Er spuckte stumm einen weiteren Entenknochen aus und erhob sich so geräuschlos wie möglich von seinem Stuhl. Mit zwei schnellen Schritten war er bei seinem Kriegsbeil, das neben der offenstehenden Tür lehnte - für jeden normal gewachsenen Menschen wäre es als formidable, nur zweihändig zu führende Holzfälleraxt durchgegangen. Gerade wollte er die Tür ganz aufreißen und hinausstürmen, als sie plötzlich mit einem ohrenbetäubenden Schlag aus den Angeln flog und so hart gegen ihn prallte, dass er zu Boden geschleudert wurde und die halb zerborstene Eichentür auf ihm landete. Der doppelte Briesacher schüttelte benommen sein zotteliges Haupt und fegte blinzelnd mit seiner linken Pranke die Trümmer der Tür von sich herunter. Er wollte sich gerade wieder hochrappeln, als mit einem grotesken Bockssprung eine Kreatur ins Zimmer sprang, wie er sie sich so grauenhaft selbst in seinen allerschlimmsten Alpträumen nicht hätte ausmalen können.
Autor: SteveT
"Was ist das für ein Radau?", frug Rifada da Vanya ihren Puniner Zellengenossen. "Das hört sich für mich fast wie Kampflärm an!" Sie legte ein Ohr an die dicke Tür, die sie seit gestern erfolglos einzutreten versuchte.
Massimo Sferdan erhob sich steif vom strohbedeckten Verliesboden und klopfte seine Hose am Allerwertesten sauber. "Das sind gewiss die Grünröcke! Unsere städtische Garde rückt an, um mich zu befreien! Meine Dienstherrin Ganielle von Dallenstein ist nicht ohne Einfluss in der Stadt, müsst Ihr wissen, und da ich ihr enger Vertrauter von höchster Importanz bin, wird sie alle Hebel in Bewegung gesetzt haben, damit man im Hohen Rat meine gewaltsame Befreiung beschloss. Jetzt sind wir gleich beide frei, Señora - ich lade Euch nach Punin ein, der Hinrichtung dieses Lumpen Gasparo beizuwohnen.
"Schtttt!", machte Rifada und hob mahnend den Zeigefinger, da sie so nichts hören konnte. "Wenn überhaupt, so ist es meine Gefährtin, die uns hier befreien kommt!", flüsterte sie. Die Puniner ließen sich, ihrer schlechten Erfahrung nach, nur dort blicken, wo es Gold für sie zu holen gab - viel Gold, aber ganz sicher nicht, um einen abgehalfterten alten Federfuchser aus einem Brigantenversteck herauszuhauen.
Mit einem Mal war von draußen ein schreckliches sirrendes Geräusch zu hören - so laut und schrill und hoch, dass Rifada schon glaubte, ihre Ohren würden davon zerrissen. Schmerzerfüllt und halb taub taumelte sie von der Tür zurück und presste beide Hände auf die Ohren.
Auch der Secretair hielt seine Ohren mit den Handflächen zu und starrte sie entsetzt an. "Bei den allmächtigen Zwölfen! Was war das?"
Rifada wollte mit den Schultern zucken, aber sie kam nicht mehr dazu, denn mit einem lauten Knall zerbarst plötzlich der Kerkertür, die sie selbst mit all ihrer Kraft nicht einzutreten vermocht hatte. Von der anderen Seite her wurde etwas sichtbar, was entfernt an ein Bein erinnerte - aber ein Bein, das hässlich gelb-grün schimmerte, als wäre es von Schuppen bedeckt und das in einen widernatürlichen 'Fuß' auslief, der mit langen Klauen und Krallen bewehrt war.
Rifada und der Leibsecretair wichen schluckend zurück bis sie an die hintere Kerkerwand stießen. Der Puniner war kalkweiß vor Schreck. "In der Götter Namen – w... w... wer oder was ist das?", brüllte er und blickte panisch zu Rifada, die ihm darauf keine Antwort zu geben vermochte. Zwei weitere Tritte von unmenschlicher Kraft zerfetzten das Holz der Türe vollständig, und so wurde der Blick frei auf eine grauenvolle Kreatur, wie sie sie beide noch niemals zuvor in ihrem Leben gesehen hatten.
Massimo Sfercha schrie nur noch, brüllte vor Entsetzen, und seine sich dunkel färbenden Beinkleider verrieten, dass er sich vor Angst in die Hose machte.
Auch Rifada schluckte und hatte einen Kloß im Hals. Sie hatte dem gefürchteten Kriegshäuptling Khenubaal Pascha Auge in Auge gegenüber gestanden, der der schrecklichste, abstoßendste und furchteinflößendste Mann war, dem sie im ganzen Leben begegnet war. Gegen den Anblick dieses bizarren, abgrundtief hässlichen und scheußlichen Wesens aber wirkte der grausame Shâr el-Shâr wie eine Lichtgestalt aus Rahjas Paradies, das schrille Fauchen der Kreatur, das Rifada eben schon gedämpft durch die Tür vernommen hatte, war nun aus nächster Nähe für menschliche Ohren nicht auszuhalten. Mit einem einzigen Satz der kräftigen Hinterbeine sprang das Wesen mitten in den Raum.
Es erinnerte Rifda entfernt an eine aufrecht gehende Echse, aber mit giftgrünen Hörnern, die länger und spitzer waren, als die jeder Gemse und dazu mit fledermausartigen Flügeln an seiner Rückseite, die entfaltet eine Spannweite größer die eines jeden Geiers haben mussten. In der klauenbewehrten rechten 'Hand' der Entität hing der schlaffe leblose Körper ihres Geiselnehmers, des Doppel-Gasparos, oder vielmehr das, was noch von ihm übrig war. Sein Genick war offenbar gebrochen, in grotesker Weise abgeknickt, sein vollbärtiger Schädel schleifte zerschlagen und blutbesudelt über den Boden. Sein linker Arm war unterhalb des Ellenbogens unsauber abgetrennt, wie abgerissen oder abgebissen, und ein dicker Schwall dunkelroten Blutes strömte aus dem Stumpf und färbte den Zellenboden rot.
Meister Sfercha erbrach sich bei dem Anblick und sank zitternd wie Espenlaub auf die Knie. Auch Rifada spürte, dass sie zitterte, dass ihre Knie weich wurden, was ihr noch nie zuvor in ihrem langen Leben geschehen war. Dennoch fasste ihr Gehirn noch den erstaunlich klaren Gedanken: "Das muss ein Dämon sein, Rifada! Eine Kreatur der Niederhöllen! Sie existieren tatsächlich!"
Jelissa hatte an der Trollpforte zusammen mit den Amazonenvölkern der anderen Ordensburgen gegen Borbarads Dämonen gekämpft. Sie hatte ihr gesagt: "Nach einer Begegnung mit einem Dämon bist du nicht mehr dieselbe wie vorher. Zu wissen, dass Wesen von so unfassbarer Boshaftigkeit leibhaftig existieren und dass sie in einem einzigen Moment alles vernichten können, was dir lieb und teuer war, lässt dich den verbleibenden Rest deines Lebens anders leben!"
Rifada hatte auch gehört, dass nur geweihte oder magische Waffen eine solche Schreckenskreatur überhaupt verletzen und verjagen konnten. Sie besaß mehrere geweihte Waffen - doch lagen diese allesamt in ihrer Rüstkammer im Bergfried ihres Castillos, sofern sie sich nicht schon die verfluchte Elenterin unter den Nagel gerissen hatte.
Die im Halbdunkel der Zelle unheilvoll rot leuchtenden Augen des Dämons funkelten sie durchdringend an. In der linken Klaue hielt die Kreatur einen Fetzen Papier, das genau wie der Zellenboden von dunkelrotem Blut befleckt war. Es musste die zweite Hälfte des Blattes sein, das ihr der Doppel-Gasparo zum Niederschreiben der Lösegeldforderung überreicht hatte, schoss es Rifada trotz ihrer wilden Panik durch den Kopf.
"A... A... Allmächtiger Praios - steh uns bei!", stammelte Massimo Sfercha neben ihr halblaut, aber kaum hatte er den Namen des Götterfürsten ausgesprochen, stieß das Höllengeschöpf wieder sein furchtbares Sirren aus und sprang vorwärts, den Kopf mit den grotesken giftgrünen Hörnern gesenkt. Die beiden Hörner bohrten sich tief in den Bauch des schrecklich aufstöhnenden Secretairs, spießten seinen Leib geradezu an die hintere Zellenwand, an der er mit einem gequälten Röcheln und einem dunkelroten blutigen Schmierstreifen herab rutschte, als die Kreatur ihren Schädel und die Hörner wieder zurückzog, als wären es zwei Messer, die durch weiche Butter glitten.
Mit der Reaktionsschnelligkeit einer geübten Schwertkämpferin hatte sich Rifada zur Seite geworfen, als der Dämon auf sie zusprang, sonst wäre sie ebenfalls zerquetscht worden. Jetzt strauchelte sie auf allen Vieren auf die offenstehende Zellentür und den draußen vom Licht einer Laterne erhellten Gang zu - sie musste raus hier, nur fort von hier! Das war nicht die Zeit für Tapferkeit, dem bedauernswerten Puniner konnte ohnehin niemand mehr helfen.
Ehe sie jedoch die Tür erreicht hatte, verfing sich etwas schmerzhaft an ihrem linken Bein, das sie am Fortkommen hinderte. Es brannte wie Feuer auf der Haut, und als sie an sich heruntersah, erkannte sie, dass es der ölig schimmernde, muskulöse Rattenschwanz der Kreatur war, der sie spielend leicht eingefangen hatte. Die Spitze am Schwanzende war rasiermesserscharf und hatte ihr Bein bei dieser kurzen Berührung tief aufgeschlitzt.
"NEIN!", schrie Rifada, als sie der Dämon zu sich heranzog und sie wie ein hilfloses Bündel über den Boden geschleift wurde, egal wie sie sich sträubte und festzuklammern versuchte. Die Schreckenskreatur beugte ihren Rumpf und hob mit der linken Klaue einen winzigen Schnipsel Papier vom Boden auf - offenbar ein kleiner Fetzen der Hälfte, auf der sie ihren Drohbrief an Praiosmin verfasst hatte. Praiosmin! Jetzt wurde ihr alles klar! Der Schwarze Rakolus war nicht tot, wie der Kaiser und das Volk Almadas glauben wollten! Er selbst oder zumindest sein von den Zwölfgöttern verdammter Geist mussten dieses Wesen herbeigerufen haben, um sie zu töten und zum Schweigen zu bringen!
Der Dämon hob eines seiner warzigen, muskelbepackten Sprungbeine und blickte mit seinen rotglühenden Augen auf sie herab. Er wollte sie wie einen Wurm zertreten! In panischer Angst fiel ihr Blick auf den zerfetzten Leichnam des Doppel-Gasparos, der direkt neben ihr halb auf dem Boden lag, halb in der Rechten des Monstrums hing. Etwas Güldenes blitzte um dessen gebrochenen Hals auf. Rifada wusste, was es war, und packte blitzschnell zu. Sie riss ihm das güldene Medaillon vom Hals und reckte es mit ihrer ausgestreckten Rechten hoch, dem Dämon entgegen.
Griphonis Solaris, das Greifenamulett ihrer Urahnin Praiana der Gleißenden, wurde augenblicklich heiß in ihrer Hand und begann gleißend hell zu strahlen. Möglicherweise hatte es das auch vorher schon getan, und nur deshalb war Rifadas Blick davon angezogen worden. Der Dämon schrie wieder gellend auf, aber er trat nicht zu, sondern machte einen Satz zur Seite. Rifada wurde halb vom ihm mitgeschleift, da sein fast zwei Schritt langer Schwanz nach wie vor um ihr Bein geschlungen war. Rifada packte das Amulett trotz der Hitze, die ihr die Handflächen verbrannte, mit zwei Händen und reckte es hoch wie ein Schutzschild über sich, hielt es dem Dämon entgegen, sodass er es gut sehen konnte. "Praios verfluche dich, du Scheusal! Fort von hier! Beim Heiligen Gilborn, unserem Schutzpatron wider alle Hexerei, und beim läuternden Licht des Sonnenwagens: Fort von hier! Bei der heiligen Suprema, verschwinde in die Hölle, der du entkrochen bist und reiß deinen Beschwörer mit dorthin!", sprudelte es aus ihr heraus, ohne das sie recht wusste, woher die Zuversicht kam, mit der sie diese Worte sprach.
Der Dämon gebärdete sich wie wild, er sprang hin und her und blaue Funken stoben von der Decke und den Kerkerwänden, wo immer sein widerlicher Leib dagegen stieß. Es war, als bereite ihm bereits der Anblick von Griphonis Solaris Schmerz und Unbehagen.
Kaum löste sich des Dämons Schwanz von ihrem Bein, sprang Rifada auf und taumelte rückwärts zur Tür, das Amulett nach wie vor gegen das Höllenwesen hochgereckt. Sie hatte die Tür jedoch noch nicht erreicht, als sie die peitschende Schwanzspitze des Monstrums traf. Sie hatte eigentlich einen brennenden, ziehenden Schmerz, ähnlich dem Empfangen eines Peitschenhiebes, erwartet, aber stattdessen traf sie die pikenartige Spitze des muskulösen Rattenschwanzes wie ein unparierter Schwertstreich. Ihre Kleidung wurde zerschnitten, und sie spürte ihr eigenes warmes Blut pumpend den Bauch herabrinnen. Sie stolperte nach draußen auf den Gang, der in Wahrheit ein Treppenhaus mit einer Wendeltreppe war, auf allen Vieren kletterte sie Stufe um Stufe die Wendeltreppe nach oben - egal wohin, nur fort von hier!
Als sie an sich herabsah, erkannte sie durch die Fetzen ihres einstigen Waffenrocks, dass ihre linke Brust fast vollständig abgetrennt war und nur noch an wenigen Hautfetzen hing.
'Ihr guten Götter! Lasst mich nicht so sinnlos sterben!', dachte sie. "Lasst wenigstens mein Herz weiterschlagen!" Dann war sie endlich oben und gelangte durch eine Luke auf die Brüstung des Turmes, in dem man sie gefangen gehalten hatte. Sie sah den nur von wenigen Wolken verhangenen Nachthimmel mit der Sichel des Madamals und den hell leuchtenden Sternen über sich und hörte unten im Turm ein explosionsartiges Grollen, gefolgt von einer zischenden Entladung, als habe dort unten in der Zelle ein Blitz eingeschlagen. Sie konnte dort nicht mehr hinuntersteigen!
So stieg sie zitternd auf die ummauerte Brüstung und sprang schicksalsergeben von dieser herab in die Tiefe, die in vollständiger Dunkelheit lag.
"Bitte lasst mich im Wasser aufschlagen!", betete sie während des Fallens, "bitte lasst dort unten Wasser sein!"
Sie kannte die Ruine der Wasserburg Briesach nur aus ihrer Erinnerung und aus weiter Ferne, wenn sie früher manchmal auf dem Rückweg aus Schrotenstein nach Selaque am Ufer des Schwarzen Sees daran vorbeigeritten war. Auf drei Seiten ragte das Castillo direkt aus dem Wasser auf und war offenbar auf einer Sandbank oder einer Felseninsel im See erbaut. Nur auf der vierten Seite der Burg lag Land, nämlich der von einigen wenigen Pappeln und Trauerweiden bewachsene Rest des Inselchens, wo sie früher manchmal Ziegen und Schafe hatte weiden sehen. Sie hätte sich schon damals denken sollen, dass die Ruine in Wahrheit noch bewohnt war, schalt sie sich, obwohl sie in diesem Moment eigentlich ganz andere Sorgen haben sollte.
Ihr Flug dauerte nicht lange, der Turm war vielleicht zehn Schritt hoch, dann klatschte sie mit einem lauten Platschen ins kalte Wasser des Sees, das sofort wieder über ihrem Kopf zusammenschlug, als sie untertauchte.
Das Wasser hatte zwar ihren Aufprall gemindert, doch war der See an dieser Stelle nicht tief genug, vielleicht nur zweieinhalb Schritt bis zum Grund, sodass sie hart auf dem schlammigen Untergrund des Sees aufschlug. Ihre Wunden am Bein, am Kopf, vor allem aber an der Brust, brannten wie Feuer, und das dunkle Algenwasser des Sees würde ihrer Heilung gewiss nicht dienlich sein, dachte Rifada - wenn sie überhaupt so lange lebte.
Sie stieß sich vom Grund ab und tauchte prustend wieder auf, eine Fontäne brackig schmeckenden Wassers ausspuckend und hustend. Alle Knochen im Leib taten ihr weh und fühlten sich wie zerschlagen an.
"Schwimm!", befahl sie sich selbst, "schwimm in die Freiheit, oder du wirst wie die unglücklich Liebenden enden, die sich von den Trauerklippen in den See stürzten, um ihrer Liebesqual ein Ende zu bereiten. Rifada hatte keinerlei Orientierung, in welche Richtung sie sich wenden musste. Sie schwamm einfach mit angestrengten Zügen vorwärts und hoffte, dass sie schnell irgendwo an Land gelangen würde. Wenn sie in die richtige Richtung schwamm, nach Süden, dann waren es keine hundertfünfzig Schritt bis zum Ufer. Wenn sie aber in der Dunkelheit fatalerweise nach Norden schwamm, gen Schrotenstein, dann waren es über zwölf Meilen bis zum jenseitigen Ufer - kein Mensch konnte so weit schwimmen, schon gar nicht in ihrem Zustand ...
|