Chronik.Ereignis1033 Feldzug Schrotenstein 04

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In der Baronie Schrotenstein, 2. Rondra 1033 BF[Quelltext bearbeiten]

Auf dem Castillo Briesach[Quelltext bearbeiten]


Autor: SteveT

"Señora! Wacht auf! Señora, ich bitte Euch! Macht die Augen auf!"

Rifada erwachte aus tiefster traumloser Schwärze, weil jemand ohne Unterlass an ihrem Arm rüttelte und zog. Einen Moment lang ließ sie die Augen noch geschlossen, dann aber - beim nächsten Rüttler - schnellte ihre Hand nach oben und packte die Hand, die an ihr rüttelte. Sie drückte zu, dass die fremden Fingerknochen knirschten und jemand neben ihr winselte: "Aaaargh! Lasst ab, Señora, ich bitt Euch! Lasst ab! Ihr zerquetscht mir die Hand!"

Rifada riss die Augen auf, da ihr die Stimme völlig unbekannt war. Rote und grüne Funken tanzten vor ihren Augen und schlagartig kehrte ihre Erinnerung an den heftigen Schlag auf ihren Kopf zurück, der sie ins Reich der Träume befördert hatte. Das Bachbett. Die Brücke über den Gambari. Ein Hinterhalt. Sie musste weiter nach Wildenfest. Verstärkung holen. Jetzt!

Ruckartig setzte sie sich mit eiserner Willensanstrengung auf; sofort nahmen die tanzenden Sterne vor ihren Augen noch weiter zu. Sie musste eine Beule, groß wie das Horn eines Unicorns auf der Stirn tragen. Ihr ganzer Schädel brummte.

Der schmutzige Raum, in dem sie gelegen hatte, wurde nur von einem winzigen Fenster in etwa zwei Schritt Höhe erhellt. Draußen war es lichter Tag, nachmittags eventuell, und neben ihr saß ein weißhaariger alter Mann mit übereinandergeschlagenen Beinen auf dem Boden und hielt ihr eine Schüssel entgegen. "Esst Señora! Ihr müsst etwas essen. Euer Magen hat während Eurer Ohnmacht geknurrt, als streiche draußen vor der Tür ein ganzes Rudel Wölfe herum."

Rifada besah sich erst ihn und dann die Schüssel. Es roch in der Tat verlockend, und jetzt spürte sie auch ihren Hunger. Steckrübeneintopf - und ein halber Laib Weißbrot lag auch neben dem alten Klappergestell auf dem Boden. Aber sie musste vorsichtig sein - wo zur Hölle war sie hier überhaupt?

"Bevor ich euren Fraß esse, nimmst du erstmal vor meinen Augen selbst einen schönen Happen davon!", befahl sie dem Alten misstrauisch.

"Nein, nein, Señora - ich hatte meine Schüssel bereits. Diese hier ist nur für Euch allein! Wie heißt Ihr eigentlich im übrig ..."

Ehe er zu Ende gesprochen hatte, fühlte er sich plötzlich an der Gurgel gepackt. "Das war keine Bitte, sondern ein Befehl! Los - iss! Wenn ihr mich vergiften wollt, so gehst du vor mir drauf! Und wer bist du überhaupt?"

"Ich muss doch bitten, Señora - Ihr seid wirklich ein undankbares und grobes Weib!", versuchte sich der Alte verzweifelt aus Rifadas Würgegriff zu befreien - da ihm nichts anderes übrig blieb, nahm er schließlich tatsächlich einen Löffel von dem Eintopf und schluckte ihn herunter. "Eines muss man unserem Gastgeber lassen,"brachte er schließlich schluckend hervor, "die Kost ist gar nicht einmal so übel und in Anbetracht der Umstände meist recht großzügig bemessen. Was mich betrifft, ich bin Massimo Enrico Sferdan aus Punin, Leibsecretair der Ganielle Dallenstein."

"Wer?", frug Rifada verständnislos und betrachte den Alten aufmerksam. Wenn es sich nicht gerade um ein langsam wirkendes Gift handelte, so schien ihm der Verzehr des Eintopfes nicht geschadet zu haben.

"Ganielle D-a-l-l-e-n-s-t-e-i-n", wiederholte der Alte nun seinerseits verständnislos. "Die bekannte Kunstsammlerin und Mäzenin. Die Procurada von Ober-Punin. Mitglied des Hohen Rats. Ihr kennt sie nicht? Woher kommt Ihr denn, Señora?"

"Noch nie gehört!", antwortete ihm Rifada achselzuckend und ließ ihn los, um sich nun doch die Schüssel mit dem Eintopf zu greifen. "Weder von Dir noch von Deiner komischen Herrin. Mit Puninern will ich eh nichts zu schaffen haben – ein falsches und verlogenes Dreckspack alle miteinander!"

Der Alte schnappte nach Luft. Was bildete sich diese Hinterwäldlerin ein? Aber da sie so fest zupacken konnte wie ein Troll, schwieg er lieber und sah ihr beim Essen zu, welches sie gierig in sich hineinschlang.

"Wo sind wir hier überhaupt, verflucht nochmal?", frug Rifada, als die Schüssel leer war, die sie achtlos beiseite warf. Sie erhob sich vorsichtig und ging bis unter das schmale Fenster - eher eine Schießscharte, die zusätzlich mit einem kreuzförmigen Eisengitter gesichert war. Obwohl ihr noch immer schwindelig war, sprang sie hoch und hielt sich an dem Gitter fest, um sich mit größter Kraftanstrengung daran hochzuziehen. Endlich oben angekommen, warf sie schweratmend einen Blick nach draußen - und ließ sich sofort wieder geschockt zu Boden plumpsen.

"Wasser! Draußen ist nichts als Wasser! Ist das ... ist das das Meer? Wo habt ihr Schweine mich hingeschleppt, als ich ohnmächtig war?"

Massimo Sferdan kicherte. Die Frau hatte offenbar - wie viele andere Almadanis auch - ihren Lebtag noch nicht das Meer gesehen. "Natürlich nicht, Señora! Wir befinden uns hier in einem Turmzimmer und was Ihr gesehen habt, ist ein wahrscheinlich grandioser Ausblick über den See!"

Rifada kratzte sich am Kinn. "Den See? Wir sprechen hier vom Schwarzen See nehme ich an - in Schrotenstein?"

"Na also! Jetzt habt Ihr Eure Erinnerung wieder!", applaudierte der Secretair ein wenig spöttisch.

"Und wir befinden uns hier auf der Burg? Im Turmzimmer der Burg?", schlussfolgerte Rifada weiter.

"Jetzt habt Ihr's richtig erfasst!", nickte der Secretair anerkennend.

"Da bin ich aber froh!", atmete Rifada erleichtert auf. "Ich wollte zwar nach Wildenfest und erst danach nach Schrotenstein. Aber so kann ich auch hier alle verfügbaren Waffenknechte rekrutieren und dann mit ihnen weiter nach Wildenfest reiten. Ihr müsst wissen, mein Vetter ist der Herr dieser Burg. Danke, dass Ihr über mich gewacht habt - aber jetzt muss ich gehen - eine Blutfehde, ich muss jemanden umbringen ... mit der ganzen Sippe ausmorden, wenn Ihr versteht? Also, gute Weiterreise!"

Sie ging zur Tür und wollte hinausgehen. "Nanu? Abgeschlossen?" stellte sie stirnrunzelnd fest.

Der Puniner kräuselte die Stirn - das Weib war ja ein Fall für die Noioniten! "Natürlich, Señora! Das haben Kerkertüren so an sich! Und eines müsst Ihr mir erklären: Wenn Euer Vetter der Herr dieser Burg ist, wie Ihr sagt - warum hat er Euch dann selbst hier hereingeschafft?"

"Baron Lucrann?", frug Rifada verständnislos - der alte Wirrkopf gehörte ja ins Kloster La Dimenzia! "Wieso sollte mich mein eigener Vetter hier einschließen? Ich wurde ja auf seinem Grund und Boden überfallen!"

"Vom Schnapphahn Gasparo von Sebeloh, nehme ich an?", frug der Puniner Secretair spitzfindig.

"Ha! Ihr kennt den Schurken!", drehte sich Rifada mit bösem Blick zu ihm um. "O weh, geht's dem ans Leder, wenn ich ihn zu fassen kriege!" Sie wandte sich wieder der massiven Eichentür zu und trat mit voller Wucht dagegen. "AUFMACHEN HIER! Aber rapido!" Sie trat noch einmal zu. Die ganze Tür und das Zimmer schienen zu vibrieren.

Der alte Secretair schüttelte den Kopf. "Es ist sinnlos! Ihr versteht nicht, Señora! Draußen liegt der Schwarze See, gewiss - aber das hier ist nicht Castillo Schrotenstein, sondern Castillo Briesach! Am anderen Ufer! Ihr und ich - wir sind Gefangene des Raubritters Gasparo und kommen erst wieder frei, wenn jemand für uns ein hohes Lösegeld zahlt!"

Mit vor Überraschung offenstehendem Mund starrte ihn Rifada entsetzt an.


Autor: SteveT

"AUFMAAAAACHEN! WIRD'S BALD?", schallte Rifadas wütende Stimme durch das gesamte alte Gemäuer und bis hinaus auf die Fluten des Sees. Ihr erneuter Tritt ließ die steineichene Tür in ihren Angeln ächzen. Gerade als sie erneut dagegen treten wollte, wurde plötzlich quietschend von außen der Riegel zurückgezogen und die Tür schwang auf. Obwohl der Gang draußen von einer Laterne erhellt wurde, verdunkelte sich deren Licht augenblicklich, als ein Bär von einem Mann eintrat - zwei Schritt groß, mit Haaren und Bart bis auf die Brust. Der dürre Puniner Schreibgriffel, der sich in Erwartung eines fürchterlichen Donnerwetters angstvoll in die hinterste Ecke des Raumes zurückzog, hatte also die Wahrheit gesagt. Vor ihr stand der berühmt-berüchtigte Doppel-Gasparo, dem sie töricht in die Falle getappt war.

"Gib Ruhe, Weib, Weib!", drohte er ihr mit erhobenem Zeigefinger. "Man kann dich bis Briesach hören, bis Briesach hören!" Er streckte Rifada ein etwa drei mal eine Elle messendes hölzernes Brett entgegen. "Da! Schreib, schreib! Wir schreiben jetzt an deine Sippe, deine Sippe, dass Gasparo Geld sehen will, Geld sehen will, wenn sie dich wiedersehen wollen, wiedersehen wollen."

Rifada nahm das Brett überrascht entgegen und wog es prüfend in der Hand. Sie hatte zwar keine Ahnung, was er damit beabsichtigte - aber sie wusste genau, was sie damit anfangen konnte. Ansatzlos und wuchtig zog sie ihm das Brett über den Schädel, so hart, dass es splitternd in zwei Hälften zerbrach. Der Puniner Secretair stieß einen Schreckenslaut aus, aber Rifada hatte im Laufe ihres Lebens gelernt, wie man kraftvoll zuschlug. Die meisten Männer verdrehten die Augen und kippten einfach wortlos hintenüber, manche drehten danach noch eine kleine Pirouette, aber keiner stand innerhalb der nächsten sechs bis acht Stunden wieder auf, dem sie mit voller Kraft eine eingeschenkt hatte ...

Der Doppel-Gasparo aber blieb tatsächlich stehen. Nur ein dünner Blutfaden rann von seiner Schläfe herab, wo ihn die Kante des Brettes getroffen hatte. Dann begann er zu allem Überfluss auch noch zu grinsen, wobei er eine ganze Reihe schwarzverfaulter Zähne präsentierte. "Auatsch! Ihr habt aber einen richtigen Wumms, richtigen Wumms! Das gefällt mir, das gefällt mir!" Er deutete auf die Bruchstücke des Brettes: "Los jetzt - schreiben was ich sage, was ich sage."

"Ich denke überhaupt nicht daran!", verschränkte Rifada die Arme vor der Brust und schätzte die Chancen ab, an ihm vorbei nach draußen zu schlüpfen. Aber draußen auf dem Gang stand noch jemand - möglicherweise die zwei jungen Burschen, die auch bei dem Überfall zugegen gewesen waren.

"Wie heißt du, wie heißt du", begehrte der Doppel-Gasparo nun von ihr zu wissen und musterte sie von Kopf bis Fuß - zu ihrem eigenen Missfallen offenbar zu seinem Wohlgefallen, denn seine dunklen Schweinsäuglein begannen zu glänzen.

"Auch wenn es dich nichts angeht, Trollgesicht - ich bin Ri ... äh ... Rinalda Escalada von Elenta, die Schwester der Reichsvogtin von Selaque!", log Rifada - in ihren eigenen Ohren alles andere als überzeugend, da sie das Lügen absolut nicht gewohnt war. Irgendetwas tief in ihrem Inneren riet ihr, ihre wahre Identität besser für sich zu behalten und ihn ausgerechnet auf die falsche Fährte ihrer Blutfeindin zu locken.

"Die Schwester der Vogtin, der Vogtin?", klatschte der Riese begeistert in die Hände, dem das Ganze offenbar in keinster Weise unglaubwürdig vorkam. "Hahaha! Tausend Dukaten, tausend Dukaten!", jubilierte er mit einer kindlichen Freude im Gesicht.

"Tausend Dukaten?", wiederholte Rifada scheinbar begriffsstutzig, schließlich war sie jetzt ja eine von Elenta. "Ihr garstiger Räuber wollt tausend Dukaten Lösegeld aus meiner armen Schwester herauspressen, damit Ihr mich freigebt?"

"Tausend Dukaten, tausend Dukaten!", nickte der Doppelte Briesacher. "Nicht weniger, nicht weniger! Ansonsten, ansonsten ..." Er fuhr sich demonstrativ mit dem Daumen in einer halbkreisförmigen Bewegung über die Kehle.

"Oh wehe mir!", spielte Rifada weiter die Rolle der verängstigten Geisel. "So lasst mich meiner Schwester schreiben, damit Ihr Euer Geld erhaltet und ich nur wieder meine kostbare Freiheit gewinne." Eine Depsche an Praiosmin auf Kosten dieses Rohals käme ihr gerade recht, damit sich die alte Vettel nicht sicher fühlen konnte. Da sie sie schreiben sollte, war er dazu offenbar nicht in der Lage. Umso besser, denn das, was sie Praiosmin schreiben würde, hatte nicht im Allergeringsten mit ihm zu tun. Für sie selbst würde sich danach schon eine Gelegenheit zur Flucht ergeben - darüber war ihr überhaupt nicht bange. Aber wenn sich Praiosmin tatsächlich hierher nach Schrotenstein an den Schwarzen See begab, um denjenigen zur Rechenschaft zu ziehen, der ihr derartige Depeschen schickte, dann würde sie das Land ihres einstigen Liebhabers nicht mehr lebend verlassen, dafür wurde Rifada dann sorgen.


Autor: SteveT

"Hier, Euer Hochgeboren! Es ist zwar nur ein ganz einfacher Kohlestift - aber für das Aufsetzen der wahrscheinlich ohnehin nur sehr knappen Worte, die Euch unser Gastgeber gleich diktieren wird, wird er Euer Hochgeboren hoffentlich dienlich sein. Wenn Ihr aber wünscht, dass ich für Euch schreibe, Euer Hochgeboren, dann ..." Mit einem unterwürfigen Kratzfuß überreichte ihr der Puniner seinen Stift.

"Nicht nötig!", riss ihm Rifada zähneknirschend den Stift aus der Hand, den er nach ihrem Hinweis, sie habe nichts zu schreiben, sofort ungebeten gezückt hatte. Dabei hatte sie gehofft, der tumbe Troll würde ihr den Rücken zuwenden – aber sei's drum.

"Papier! Glotz mich nicht so dumm an! Zum Schreiben brauche ich Papier!", herrschte sie den Raubritter an.

"Ich hab keins, hab keins!", antwortete dieser verlegen und zuckte mit den Schultern. "Und das Schreibbrett habt Ihr zerschlagen, zerschlagen!"

Plötzlich hellte sich sein Gesicht auf und er begann zu lächeln. Er nestelte mit seinen groben Wurstfingern an der Brusttasche seines x-fach geflickten schwarzgrünen Wamses herum, und Rifadas Blick fiel erst jetzt auf das goldene Schmuckstück, das er um den bärtigen Hals trug. Kein Zweifel - es war Griphonis Solaris - ihr eigenes Amulett aus dem Besitz ihrer fürstlichen Urahnin, das Richeza im Inquisitionsturm von Elenta gefunden hatte. Rifadas Augen verengten sich zu Schlitzen, und kalter Hass stieg in ihr auf, während der Doppel-Gasparo tatsächlich ein gefaltetes Stück Papier aus seiner Tasche hervorkramte. Er riss es geräuschvoll in zwei Hälften und reichte ihr eine davon, während er die andere umständlich wieder einsteckte - offenbar um sie schon für die nächste Lösegeldforderung parat zu haben.

"Schreibt an Eure Schwester, die Vogtin, die Vogtin!", befahl er ihr dabei in barschem Ton. "Wenn sie Euch wiedersehen will - tausend Dukaten, tausend Dukaten! Ein einziger Mann soll mit dem Gold in ein Boot steigen, Boot steigen und auf den Schwarzen See hinausrudern, hinausrudern! Keine Garde, keine Garde!"

Rifada entfaltete das Papier stirnrunzelnd. Selbst wenn Praiosmin wirklich eine Schwester gehabt hätte, die sie vermisste, so wäre sie nicht so dumm, auf etwas derart Törichtes einzugehen. Aber was war das? Auf der einen Seite war das Papier ja bereits beschrieben.

Sie ahnte Übles, und als sie einen Blick auf die kunstvoll kalligraphisch verschnörkelte Schrift warf, die sie unter Tausenden wiedererkannt hätte, wurde ihr Verdacht Gewissheit: 'Mein Lieber Raihe Coùlu,' stand dort , 'voller Sehnsucht erinnere ich mich an die Freudentage Deines letzten Besuches. Der Zauber Deines Lachens, der Glanz Deiner Augen haben mich betört, Dir Dinge zu schreiben, die ich zuvor nimmermehr in Betracht gezogen habe, sie jemals einer anderen Person zu schreiben. Deine Nähe lässt mich unter sehnsüchtigem Schmerz erahnen, wovon die Troubadours singen, wenn sie ihre Canzonen Liebfrauen Rahjens Zauber widmen - wenn sie gekostet haben vom verheißungsvollen Trank der Liebe, die ewig ist und mir doch immer so unerreichbar fern schien ...'

Rifada musste ein Würgen unterdrücken - nicht nur die schmalzigen Zeilen waren ekelerregend - sondern erst recht, wenn man bedachte, an wen sie damals gerichtet worden waren! Aber der komplette untere Teil des Briefes fehlte! Diese einfältige Ogerfresse hatte ein unersetzliches Beweisstück wider ihre Erzfeindin zerrissen - den einzigen Brief, den sie damals im Castillo vorsichtshalber selbst behalten und nicht an Dom Hernán übergeben hatte.

"Was ist, was ist?", riss sie der Briesacher aus ihren Überlegungen. "Tausend Dukaten, tausend Dukaten! Und keine Garde, keine Garde!"

"Ja, ja, ja das habe ich schon verstanden!", gab sie kratzbürstig zurück und ging mit dem Blatt und dem Kohlestift zur hinteren Wand des Kerkers, um mit dieser als Unterlage schreiben zu können.

'Praiosmin! Wenn Du miese Ratte dieses Schreiben liest, bin ich unterwegs in Schrotenstein, Bosquirien und Ragatien, um einen Heerhaufen aufzustellen, wie ihn Selaque noch nicht gesehen hat! Wie Du umseitig erkennen kannst, bin ich im Besitz von Beweismitteln, die Deinen ekles Haupt aufs Schafott bringen können, sobald sie dem Kaiser oder der Hofkanzlei vorliegen. Deine einzige Möglichkeit, Dämonenbuhle, diesem Schicksal zu entrinnen, ist, auf der Stelle das reichsvögtische Amt, mein Castillo und auch Castillo Albacim zu räumen und Dich mit Deinem widerlichen Bastard, für dessen Existenz ich ebenfalls Beweise habe, als Eremitin in die Wildnis des Raschtulswalls zurückzuziehen! gez. Rifada Jezebela da Vanya'

Rifada überflog noch einmal die Zeilen ihres Gekritzels und hoffte, dass die Elenterin überhaupt alles entziffern konnte. Aber zumindest ihre eigene Schrift auf der Rückseite würde sie schon erkennen und die damit einhergehende Warnung verstehen.

"Hier, Unhold!", drückte sie den zusammengefalteten Brief Gasparo von Sebeloh in die Hand. "Schickt die Depesche nur gleich an meine Schwester, Vogtin Praiosmin von Selaque auf Castillo Albacim, damit ich nur schnell wieder hier herauskomme!"

Nein, das Lügen oder die Schauspielerei waren wahrlich nicht ihre Stärken, und der Puniner Secretair gaffte sie misstrauisch an - aber der Briesacher schien tatsächlich nicht lesen zu können, und so nahm er den Brief nickend entgegen, ohne ihn noch einmal selbst zu begutachten. "Tausend Dukaten, tausend Dukaten!", murmelte er beim Hinausgehen.





Chronik:1033
Der Ferkina-Feldzug
Teil 04