YB42 Monde der Dürre, Tage des Feuers!
Erschienen in den Meldungen des Hauses Yaquirblick Nô 42
Travia 1037 BF
Monde der Dürre, Tage des Feuers! Vom Sturmtreffen auf dem Blitzacker! Vom Tode der Amazonengräfin! Von der Querella zwischen den Häusern Culming und Al'Kasim!
DÂL. Die Wege der Götter sind verschlungen und unergründlich. Bisweilen scheint es ihnen zu gefallen, uns zügig immer weiter voranschreiten zu lassen, um uns dann mit einem Male durch einen Sturz daran zu erinnern, dass wir sterblich sind.
So konnten auch die Gräfin Shahane Al'Kasim und die Marschallin Gerone von Brig-Lo im vergangenen Jahre zunächst große Fortschritte von der Befriedung der lang umfehdeten Grafschaft Südpforte vermelden, über deren Fortgang bis zum heutigen Tag hier getreulich berichtet werden soll. Die Baronie Mesch gewann im Traviamond der Erbe des alten Barons Obidos', der junge Aquitanyo Rahjian von Mesch von den Goblinesken und Raubrittern zurück – ohne dass er selbst einen Finger hatte rühren müssen. Dem einstmaligen Hofjunker wurde sein Erbland von der Gräfin gewissermaßen auf dem blankpolierten Silbertablett dargereicht.
Zum Säubern verwendeten Shahane Al'Kasim, ihre Caballeras und Waffentreuen allerdings Blut. Sie richteten aufständische Fellachen auf dem Gutshof El Mojal hin und erstürmten das Castillo San Iñiago, welches der Goblinfürst Raganishu zu seinem Hauptsitz erkoren hatte. Diesen und seine Rotpelze verfolgten sie durch die Wälder bis Phexhilf und trieben ihn zurück in die Pilzenklamm. Raganishus Haufen ward dermaßen dezimiert, dass er über Jahrzehnte hinweg keinen Schaden mehr wird anrichten können. Der Condottiere Gorfar Haro, welcher das Castillo Loredoblick im Südosten Meschs okkupiert hatte, ward von einer Hundertschaft Streiter aus Artésa und aus dem koscheren Sindelsaum vernichtet.
Die Eroberung Brigellans
Im Boronmond gelang einem weiteren vormaligen Hofjunker die Eroberung Brigellans und die Unterwerfung der dortigen Taifados. Dom Ferando Meeltheuer, Mundillo des unter tragischen Umständen ums Leben gekommenen Barons Salix Meeltheuer von Brigellan, hatte mit Geld aus dem Kornhandel seiner Familia ein eigenes Terzio zusammengekauft und marschierte nach dem Ende der Kämpfe um Dâl gen Firun. Begleitet wurde er zeitweise von Dom León Dhachmani de Vivar sowie von Dom Shahîm Al'Shirasgan und ihren Garden.
Mit in Tolacas requirierten Viktualien drang er zunächst nach Zamora vor, das er kampflos einnahm und erstürmte dann, am 16. Boron, Castillo Brigellawacht, den Stammsitz seiner Familia bei Meschwig. Dabei fand der Raubritter Stronzo von Vorwaldstetten, den man auch den Caballero Crespo nannte, sein wohlverdientes Ende. Als sich die Nachricht von der Rückkehr des Baronets ausbreitete, leisteten Fillandret und Endivarol an der Brigella keinen Widerstand mehr. Nur in Lambredoca musste der Baronie-Erbe eine kleine Schar von frechen Zahoris bekämpfen, die seinem Befehl zur Aufgabe nicht schnell genug Folge geleistet hatten. Mit Aftervasallen, die seinem Vater nicht die Treue gehalten hatten, ging Dom Ferando wenig zimperlich um: Den Edlen Randolfo Feltonda von Zamora henkte er eigenhändig und ohne Gerichtsverfahren, und die Junkerin Concabella von Endivarol stellte er, all ihrer Würden entkleidet, auf dem Caballerogut Ulceda unter Arrest.
Kampf um Pildek
Das Dâler Patt (der YB berichtete) ermöglichte der Marschallin Gerone vom Berg, noch vor dem Beginn der Tristeza die gesamte Baronie Brindâl zu befrieden. Die Leichten Reiter des Leibregiments Eslam von Almada, das ragatische und das Streitziger Aufgebot sowie die drei Banner Sturmfalken unter dem Croncommandanten Boraccio D'Altea im Winterquartier zu Dâl belassend, stieß sie daraufhin mit drei Schwadronen Ragather Schlachtreiter, den Silberschilden des Barons von Khabosa, einigen reisigen Caballeros, Leichten Kürissern aus dem Taubental sowie den Terzios Colmars Cavallieri und Rakanes Rauwölfe – insgesamt gut 200 Berittene und 350 schwer gerüstetes Kämpfer zu Fuß – über die Inoshügel bis in die Baronie Pildek vor. Unter den Magnaten, die den Zug begleiteten, befand sich auch Domna Peliria von Pildek zum Scheuerflött, die rechtmäßige Baronin Pildeks, die nach fünf langen Jahren erstmals wieder den Boden ihres Erblandes betrat.
Der Marschallin Plan war es gewesen, den Landplacker Galeazzo Fortezza und seine Aguerridos bei Carhag-Lo, wo diese ihr Lager aufgeschlagen hatten, zu überraschen. Diese Mercenarios hatten seit sieben Jahren mit nur kurzer Unterbrechung, als sie der horasische Graf aus eigenem Recht Horasio della Pena 1033 vertrieb, die Baronie Pildek heimgesucht und sich als ihre Herren gebärdet. Doch als das fürstliche Heer am 24. Boron das Dorf erreichte, hatte der listige Taifado Galeazzo sein schwarz-güldenes Tercio, durch verräterische Zahoris gewarnt, bereits seit Tagen gen Dillwisch-Wald abgezogen.
Mit Eilmärschen verfolgte Domna Gerone daraufhin die räuberischen Mercenarios durch das verregnete Pildek. Da diese ihr gesamtes Beutegut mitführten und in Schlamm und Herbstgewitter nur mühsam vorankamen, konnte die Marschallin sie am 26. Boron einholen, ihnen im Sturmtreffen auf dem Blitzacker schwere Verluste beibringen und sie zu kopfloser Flucht gen Firun zwingen.
Heroisch taten sich an jenem Tage Junker Yantur von Pildek, der Vetter der Baronin, und ein junger Rustikal namens Maldonado aus der Nähe von Carhag-Lo hervor. Dom Yantur verwehrte mit nur einem halben Dutzend erfahrenen Streitern und seinen Rustikalen den Aguerridos den Zutritt zu dem Dorfe Kleinblitzackern, sodass die Mercenarios sich nicht hinter dessen Palisaden vor der schweren Reiterei der Marschallin verschanzen konnten. Maldonado indes verspottete, zu Pferde und auf freiem Felde, den Condottiere Fortezza in einem Maße, dass dieser alle Beherrschung fahren ließ und sich blindwütig an die Verfolgung des aufmüpfigen Burschen machte. Dieser aber zog sich immer weiter zurück, bis er am Fuße der berühmten Bluteiche angekommen war. Verwirrt folgte ein Teil seines Terzios seinem Condottiere und fächerte sich so in einer langen Linie zwischen Bluteiche und Kleinblitzackern auf.
Als Galeazzo Fortezza die Ankunft der Fürstlichen bemerkte, war es bereits zu spät. Wie ein Donnerkeil fuhr die Ragather Reiterei in den ungeordneten Haufen hinein und machte wohl ein Hundert der Mercenarios nieder. Was nicht von den nachrückenden Fußtruppen erschlagen ward, flüchtete gehetzt in die Wälder. Galeazzo Fortezza konnte entkommen, den Maldonado aber, der schon in den Jahren zuvor den Aguerridos und dem Stierkönig immer wieder zugesetzt hatte, schlug Domna Peliria noch auf dem Schlachtfeld zum Caballero und belehnte ihn mit dem Landgut Santonderdâl an der Grenze zu Schelak.
Nach diesem Sieg schlug die Marschallin im Markt Pildek, im Herzen der Südpforte, ihr Winterquartier auf und sandte Boten in alle Himmelsrichtungen.
Vom Ende der Aguerridos
Die Frühlingscampanya brachte weitere Erfolge. Domna Gerone führte ihre ausgeruhten Kerntruppen – die Landwehr hatte sie zur Aussaat entlassen –nach Brigellan, um sich zu vergewissern, dass der Domnito Ferando Meeltheuer auch tatsächlich Herr der Lage sei (dies war der Fall). Das Ondit von sich zusammenrottenden Baialan unter Uchakbars Führung am Südufer des Yaquiro brachte sie aber im Phexmond dazu, wieder gen Dâl abzurücken. Gräfin Shahane, die mit ihrem Gefolge, zu dem auch einige Kriegerinnen des Amazonenvolks gestoßen waren, in den kältesten Monden in Agum gelegen hatte, ritt weiter durch den firunwärtigen Teil der Grafschaft, sprach Recht, schuf Ordnung und führte kleinere Scharmützel gegen mindere Taifados – wie einen liebfeldischen Aufschneider, der seine Taifa von einer in der Baronie Phexhilf gelegenen Taberna aus „regierte“.
Im Phexmond erhielt die Gräfin durch die neue Administradora Isindia di Onerdi von Busch Kunde, dass die Renegatin Abastanea di Barrizal, Tochter des selbsternannten Seegrafen Agnello, welcher sich 1033 bei einem Sturz vom Pferde das Genick gebrochen hatte, am Agumer Weg ein befestigtes Feldlager aufgeschlagen habe. Die junge Adlige, die sich selbstbewusst als „Seegräfin“ titulierte, hatte den Condottiere Galeazzo Fortezza und seine etwa 40 verbliebenen Aguerridos unter Vertrag genommen und verlegte nun mit diesem Terzio die Grafenstraße zwischen Geierschrei und Agum.
Gräfin Shahane setzte sich umgehend in Marsch, kesselte die Aguerridos ein, zwang sie am 19. Phex zur Schlacht und schlug sie vernichtend, wobei auch Galeazzo Fortezza sein Leben ließ. Daraufhin steckte sie das Räuberlager in Brand. Über die Seegräfin aus eigenem Recht hielt Shahane Al'Kasim wenige Tage später in Geierschrei Gericht; Isindia di Onerdi trat dabei als Klägerin auf. Ihrem Stande entsprechend ward Abastanea di Barrizal durch das Schwert gerichtet.
Unterdessen war in der gesamten Südpforte der Frühjahrsregen ausgeblieben. Angestiftet von ortsfremden Aufrührern hatten sich daraufhin in der Domäne Strauch im Südosten Geiersgaus die Fellachen erhoben und die alte Edle Nahema von Toldoran von wildgewordenen Stieren aus dem Dorf hetzen lassen, weil sie sich gegen Peraine versündigt habe. Verstärkt durch die Schatzgarde des Pfalzgrafen Ragnus von Bonladur zog Domna Shahane zu Beginn des Perainemonds gen Strauch und lehrte die aufsässigen Fellachen mit der blanken Klinge den praiosgefälligen Umgang mit der Nobleza. Domna Nahema herrscht seither über 23 Seelen weniger, die Pfalzgrafschaft aber war damit befriedet.
Mit den Kräften der Diplomatie
Im Perainemond erreichte eine Depeschenreiterin aus Schelak die Marschallin. Dom Cesk Alcorta, der „treu und pflichtbewusst das Erbe seines Neffen Praiodor administriert und die praiosgefällige Ordnung in Schelak aufrecht erhalten“ habe, sah sich durch ein heranmarschierendes Terzio von Almadaner Hakenspießen unter Führung der jungen Caballera Simanca di Juantilla bedroht. Domna Simanca war von niemand Geringerem als Stordan von Culming, dem Baron von Culming und Südpforter Banus, entsandt worden.
Dieser nämlich lag mit Dom Cesk wegen der Vormundschaft des jungen Baronie-Erben Praiodor von Culming-Alcorta, welcher derzeit in Caldaia weilt, überkreuz. Tieferer Grund des Streits war allerdings die Frage, ob die Baronie Schelak den Alcorta als Erblehen erhalten bleiben oder der Familia Culming und ihrem mächtigen Soberan zufallen sollte. Um zu vereiteln, dass dieser drei Baronien in der Südpforte und damit beinahe das gesamte Culminger Land unter seinem direkten Regiment haben würde, hatte die Gräfin Shahane die faktische Administration des Cesk Alcorta seit dem 1033ten Jahre geduldet. Simanca di Juantilla aber hatte nun von Dom Stordan die Weisung erhalten, res facti zu schaffen und Culminger Familiengüter in Schelak – unter anderem die Dominien Maravillosa-Villaraja, Graupforten und Eslamshaven – vor dem Alcortenzugriff zu schützen.
Andere Klage über Dom Stordan war der Marschallin von Domna Shahane selbst überkommen. Der Culminger sitze nicht nur tatenlos auf seinem Castillo, er weigere sich auch, seiner Gräfin den Durchzug durch seine Baronie zu gewähren, und gefährde so die Sicherung der Gugella. Die Marschallin zögerte nicht lange, sondern sandte zu Dom Stordan und ihrer Stiefmutter und bat sie um eine Zusammenkunft, da sie auf keinen der beiden Magnaten würde verzichten können, wenn es gegen Horasier und Baialan ginge. Daraufhin marschierte sie eilig gen Firun, um Domna Simanca Einhalt zu gebieten, die bereits das schutzlose Maravillosa-Villaraja eingenommen hatte.
Im Ingerimmmond, bei großer Hitze, kamen die Gräfin, die Marschallin und der Banus in Pildek zusammen. Langen Verhandelns bedurfte es, bis Dom Stordan dazu bewegt werden konnte, stillzuhalten, wenn es gegen seinen Bruder Leonato gehen würde, der zum Horasknecht geworden war. Auch gewährte er Durchzugsrechte durch die Baronie Culming und versprach, mit seinen Haustruppen den Kampf gegen die Novadis zu unterstützen. Im Gegenzug musste Domna Shahane zusichern, die Herrschaft Praiodor von Culming-Alcortas über die Baronie Schelak nicht anzufechten und bis zu seinem 21ten Geburtstage die Administration durch Domna Alarya von Amhall de Cascanueva y Culming anzuerkennen. Domna Simanca sollte Madiña, das verlorene Caballerogut ihrer Brüder, zurückerhalten.
Nachdem dies beredet und beschlossen war und Dom Stordan wieder gen Culming abgereist war, tat Gerone vom Berg etwas gänzlich Unerwartetes: sie heiratete. Wie nun erst bekannt wurde, hatte sie sich im Boronmond mit Dom León Dhachmani de Vivar, dem Schönen Baron im Taubental und Soberan der Familia Vivar, verlobt. Auch wenn die Hochzeit am 8. Rahja im Pildeker Rahjatempel stattfand, kann davon ausgegangen werden, dass es sich um ein politisches Bündnis zweier Descendientesfamilias mit dynastischen Absichten und nicht um eine Liebesheirat handelt – zu verschieden sind die rondrianische Kriegerin aus Brig-Lo und der libertinöse Schönling aus dem Taubental (vgl. Artikel in dieser Ausgabe).
Tage des Feuers
Zeitgleich mit diesem göttergefälligen Ereignis brannte erstmals in diesem Sommer ein Weizenfeld nieder. Die Cañocacha war zurück! In den folgenden Wochen flammten überall in der Südpforte, die aufgrund des ausgebliebenen Regens trocken wie ein Zunderkästlein war, Brände auf, die Ernten, Scheuern und Menschenleben fraßen.
Die blutigste Ernte indes hielt die Herrin der Dürre am 21. Rahja 1036 BF in der Baronie Culming. Shahane Al'Kasim zog an diesem Tag mit ihrem Heer durch die Magnatenschaft, um zur Gugella vorzustoßen und die Grenze zu sichern. Mit einem Mal, so wird berichtet, stand der Wald um sie herum in Flammen. Umgeben von Feuerwänden, scheuten die Rösser, warfen ihre Reiter ab und trampelten alles nieder, was sie umgab. Es muss ein grauenvolles Ereignis gewesen sein. Gräfin Shahane, ihre treuesten Caballeros, ein Dutzend Amazonen, gewiss 100 Gräflich Südpforter Reiter und wohl ein Banner des Terzios Colmars Cavallieri vergingen elendiglich in der Feuersbrunst. Nichts als verkohlte Leichenreste blieb von ihnen übrig.
Als Gujadal Al'Kasim, der einzig verbliebene Sohn der Gräfin, die Kunde vernahm, war er außer sich vor Trauer und Wut. Kaum war das neue Jahr angebrochen, da ließ Dom Gujadal durch gräfliche Herolde landauf, landab verkünden, dass es niemand anderes als das „hundsföttische Haus derer von Culming“ gewesen sei, welches unter falschen Vorzeichen seine Mutter nach Culming gelockt, – im Bunde mit der Herrin der Dürre oder selbst die Hand an der Fackel – den Tod der Gräfin und der „Blüte des Südpforter Caballerotums“ vor Praios und Eslamskrone herbeigeführt und die „Reconquista“ um Jahre zurückgeworfen habe.
Als Dom Gujadal seinen Gefolgsmann Zagostino de Minares mit einer schwarzen Rabenfeder zu Dom Stordan sandte, wusste ein jeder, was die Stunde geschlagen hatte – Querella, ohne Gnade und Pardon! Die Ausrufer mit dem Rubinwappen der Al'Kasim, die durch die Dörfer zogen, zahlten jeder, die zu den Waffen griff, um dem „jungen Grafen“ beizustehen, fünf blanke Silbertaler auf die Hand aus. Die Mercenarias und Freien liefen ihm in Scharen zu.
Die Schlacht von Culming und ihre Folgen
Nur einen guten Mond später, in den ersten Rondratagen des 1037ten Jahres, hatte Gujadal Al'Kasim gut und gerne 200 Mann unter seinem Banner vereint. „Lang lebe der Graf!“, riefen sie und „Nieder mit Culming!“ Erfahrene Streiter waren jedoch die wenigsten von ihnen, denn die Marschallin hatte ihrem Gefolge bei Strafe verboten, sich in die strategisch sinnlose Fehde zwischen ihrem Halbbruder und den Culmings einzumischen. Schlecht gerüstet, undiszipliniert und ruhmsüchtig war deshalb der Haufen, den der unerfahrene Feldherr und Landjunker von Flingenförsten im Sturmschritt gen Efferd führte und gegen die hochaufragenden Mauern der Feste Culming warf.
Stordan von Culming aber war gut vorbereitet. Er überschüttete die Angreifer zuerst mit Spott, dann mit Bolzensalven und Gesteinsbrocken, kippte Sturmleitern um und führte höchstpersönlich einen Ausfall zu Pferde an, bei dem Dom Gujadal ohnmächtig zusehen musste, wie sein Feldherrenzelt verwüstet ward.
Als er begriff, dass die Feste Culming nicht zu erstürmen war, begann der Grafenspross, seinen Widersacher zu belagern. Er ließ Bäume in den nahen Wäldern fällen, um Wälle und Palisaden zu errichten und begann mit dem Bau eines Rammbocks. Er hatte sein Lager jedoch noch nicht vollständig befestigt, als am 19. Rondratag Leonato von Culming mit zwei Bannern schweren Fußvolks den Platz erreichte. Als er vernommen hatte, was Dom Gujadal im Schilde führte, war er seinem Bruder Stordan trotz des Grolls, den er gegen ihn hegte, zu Hilfe geeilt.
Noch am selben Tag ward die Schlacht von Culming geschlagen, die für Gujadal Al'Kasim in einem Desaster endete. Eingezwängt zwischen den Mauern Culmings, seinen Palisaden und dem Terzio Dom Leonatos, gerieten die Gefolgsleute des Flingenförsteners in Panik und wurden beinahe vollständig aufgerieben, denn die Culminger ließen keine Gnade walten. Lediglich Dom Gujadal selbst und einige wenige Caballeros und Waffentreue konnten flüchten.
Mit der Herrschaft der Rubaniden über die Südpforte war es von diesem Tag an endgültig vorbei. Ohne Familia, ohne Vasallen, ohne Heer, ohne Grafenstadt und ohne Silber war Gujadal Al'Kasim kein Graf mehr, sondern nur noch ein Taifado, der beim Boltanspiel zu hoch gesetzt und alles verloren hatte. Er floh über die Brigella und ward seither nicht mehr gesehen. Alsbald ging das Ondit, dass Gujadal Al'Kasim über das Silber, welches er seinen Truppen so freigiebig ausgehändigt hatte, gar nicht verfügte, sondern sich bedeutende Summen bei verschiedenen Puniner Handelshäusern, wie den Tournabonis, den Assirefs und den Veracis, nur geliehen hatte, und dass diese nun ein paar fahrende Questadores damit beauftragt hätten, den säumigen Schuldner aufzugreifen und – wie schon so manch anderen Südpforter Magnaten, der bei der Domna in der Kreide stand – diskret in den Puniner Hungerturm zu verbringen.
Die Vernichtung des gräflichen Heerbanns durch Feuer und Schwert in Culming hatte aber auch für die Marschallin schwerwiegende Folgen. Es wäre verlockend gewesen, dem Horasio della Pena – abgesehen von Chabun ben Nafiref der letzte große fremdländische Taifado diesseits von Gugella und Yaquiro – das von Leonato von Culming entblößte Inostal wie eine reife Frucht zu entwenden. Doch Domna Gerone musste ihr Heer nun verteilen, um die Regionen, die bisher von Ihrer Hochwohlgeboren Shahane Al'Kasim kontrolliert worden waren, zu sichern.
Die Rückkehr des Reichsverräters
So war es kein anderer als der Reichsverräter selbst, Khorim Uchakbar, der die kostbare Frucht pflückte. Mond für Mond hatte er jenseits des Yaquiro auf der Lauer gelegen, seine Baialan gemustert, Flöße gebaut und auf den Augenblick gewartet, in dem er über den Fluss setzen könnte.
Im Morgengrauen des 3. Efferd war es soweit. Floß für Floß, entsandt von einer Stelle oberhalb des liebfeldischen Örtchens Torrias, trug die wilde Reiterschar über den Strom. Der Reichsverräter selbst führte den Schlag gegen das nur von einer kleinen Puniner Garnison unter Pfandvogt Bessarion Albizzi besetzte Castillo San Baccio und hisste eigenhändig das blaue Krummsäbel-und-Zelt-Banner des Emirats über der Hafenfeste. Die kleine Garde des Pfandvogtes wehrte sich auch nach ihrer Vertreibung aus dem Castillo tapfer, wurde aber durch die stets nachrückenden Novadis immer mehr zurückgetrieben und schließlich aufgespalten. Einem halben Dutzend Frauen und Männern unter persönlicher Führung Capitán Albizzis gelang es in einer tollkühnen Aktion, sich auf die Puniner Flussbarke Muktur zu retten, die Leinen zu lösen und sich – ohne Ruderer – yaquirabwärts treiben zu lassen. Der größere Teil der Vogtsgarde sah sich dagegen gezwungen, sich in den Alcazar oberhalb des Marktes zurückzuziehen. Nach viertägiger Belagerung, während derer sie tatenlos hatten zusehen müssen, wie die Heiden von dem Marktort und seinem Umland Besitz ergriffen, ergab sich diese Garnison schließlich dem Reichsverräter.
Sogleich nach seiner Landung hatte der schandbare Khorim zwei Dutzend seiner schnellsten Reiter gen Dâl gesandt, um seinen Verbündeten Chabun ben Nafiref auf dem dortigen Alcazar zu entsetzen und ihn zu drängen, die Rückgewinnung Dâls für die Heiden, die in den Monden seit Beginn des Patts in immer weitere Ferne gerückt war, wieder mit Waffengewalt aufzunehmen. Der Nafiref bemannte auch wirklich die efferdwärtigen Mauern Dâls, über die er verfügte, mit zusätzlichen Kriegern und ließ keinen Zwölfgöttergläubigen mehr durch das Estacarca-Tor auf die Felder der Muchareb hindurch, womit er de facto allen Reisenden den Yaquirstieg verlegt hat. Khorim Uchakbar besetzte derweil, blutig jede Gegenwehr niederschlagend, alle Tabernas, Castillos, Wehrtürme und Dörfer zwischen Inostal und Dâl mit seinen Waffentreuen.
Binnen kaum zwei Wochen hatte der ruchlose Bey von Zul'Djerim so den Heiden einen 25 Meilen breiten Brückenkopf in der Wacht geschaffen und die ersehnte Befriedung der Südpforte erneut hintertrieben. Als Gerone vom Berg am Ende des Traviamonds von Seiner Durchlaucht in die Capitale gerufen ward, wo unser geliebter Fürst seinen Cronrat versammelte, musste sie fürchten, dass ihr die Selbstsucht des Al'Kasim und die Schändlichkeit des Uchakbar als ihre eigenen Fehler vorgehalten würden und der Fürst sie von ihrem Kommando abberiefe. Doch die Zwölfe, die das Wirken unseres geliebten Fürsten lenken, hatten anderes mit ihr im Sinn (vgl. Artikel in dieser Ausgabe):
Am 28. Travia kehrte Gerone vom Berg als neue Gräfin von der Südpforte nach Dâl zurück. Das Jubelgeschrei der Dâlis, so wird berichtet, soll verhalten, die Anspannung in der kriegsgebeutelten Grafenstadt dagegen mit Händen zu greifen gewesen sein – zu sehr fürchtete man die verräterischen Absichten Chabun ben Nafirefs, der vor der Stadt lagerte. Als erste Amtshandlung nahm die Gräfin den Treueeid ihrer Vasallen entgegen, darunter auch Dom Ferando Meeltheuer, der in dem von seinem Vater überkommenen Erbrecht auf die Magnatenschaft Brigellan bestätigt ward, weil er sich auf dem Feldzug große Verdienste erworben hatte, und Dom Cesk Alcorta, der als Aministrador von Schelak bis zur Volljährigkeit Domnito Praiodors von Culming-Alcorta bestätigt ward.
Domna Gerone aber ließ eine beachtliche Garnison an Ragather Schlachtreitern in Dâl und brach bereits am Gilbornstage wieder auf – mit der Flussbarke Muktur, welche der tapfere Capitán Albizzi dem Zugriff des Reichsverräters entzogen hatte. Mut bewies Capitán Albizzi erneut, und Mut bewies auch die Marschallin und Gräfin, als sie mit leichter Bedeckung an den heidnischen Stellungen auf beiden Seiten des Yaquirs vorbei nach Oberfels segelten, wo sie am Ende des unwürdigen Taifados Horasio della Pena mitwirkte (vgl. Artikel in dieser Ausgabe).
Die beiden letzten verbleibenden Taifados, Khorim Uchakbar und Chabun ben Nafiref, wurden von dieser Rochade gewiss unvorbereitet getroffen. Doch während die beiden Heiden noch rätseln, wie sie nun reagieren sollen, hat Gräfin Gerone mit Sicherheit bereits den nächsten Garadanzug geplant. Seid auf der Hut, Taifados, denn Euer Ende ist nahe!