Chronik.Ereignis1046 Rosen auf verbrannter Erde 04
Omlad, 1046 BF
In einer Seitenstraße nahe des großen Bazaars.
Achtung, der Text enthält (minimale) Spoiler auf das Abenteuer Federfall!
Ein älterer Einheimischer mit wettergegerbtem Gesicht, eingehüllt in grobgewebte Tücher, blickte sinnend auf Emilios Anhänger, der in Silber das Zeichen Marbos darstellte. Dann machte der Alte dem jungen Mann eine Geste, näherzukommen. Als Emilio der Aufforderung folgte, trat der andere einige Schritte aus dem belebten Teil der Straße in einen ruhigen Winkel. “Marhibo? Mutter der Geier? Ihr folgt ihr?” Die Stimme des Alten klang prüfend. Die Hand des jungen Reisenden griff unwillkürlich an seine Brust mit dem Anhänger, während er nickte. “Ich folge ihr.” Der verwitterte alte Mann senkte nun seine Stimme noch etwas, und sagte in verschwörerischem Tonfall: “Dann wisst ihr wohl von dem zerstörten Turm des Schweigens. Der alten Stätte?”
Emilios Interesse war nun eindeutig geweckt. “Ich habe davon gehört, ja. Ein gefallener Stern hat ein uraltes Heiligtum der Umm’Ghulshach freigelegt! Diesen Mond bin ich erst in der Gegend vorbeigekommen. Leider war keine Zeit, den Ort aufzusuchen, meine Karawane…” - “Bêhi, bêhi!” fiel ihm hier der Alte ins Wort. “Gut, gut.” Emilio entschuldigte sich etwas verlegen: “Men-fadlek1, ihr wolltet sagen, Sahib?”
Sein Gegenüber blickte ihn versöhnlich an “Ah, jung zu sein… Nun, berichten möchte ich euch: Meine Tochter Aysha - es mögen die Zahranida2 ihre Schritte beschützten - nun Aysha war ihre Ziegen hüten, in jenen Hügeln nahe der Grabstätte, und sie hat etwas gefunden.”
Der Alte sah sich vorsichtig um, bevor er in seiner Umhängetasche nach einem in Stoff gewickelten Gegenstand fasste, den er nun ganz vorsichtig freilegte. Es war eine kleine schwarze Statuette. Die Figur zeigte eine schreitende Person mit dem Haupt eines Geiers, und ihr Sockel war bedeckt mit fremdartig wirkenden Schriftzeichen.
Die Augen des Almadaners weiteten sich, er musste an sich halten, das Relikt nicht anzufassen. Der Alte erfasste diese Geste. “Es ist für euch interessant? Ich suche jemand der diesen Talisman zu schätzen weiß. Ihr seid ein guter Mann, ihr folgt Marhibo. Ich mache euch einen guten Preis.” Der Dom die Rueda langte nach seinem Geldbeutel.
“Das würde ich lassen, wenn Euch Euer Geld lieb ist, Extranjero.3”, ein Mann in angestaubtem, gelb-rotem Waffenrock und strohigem braunen Haar, der an einem Pfahl lehnte hatte den Kopf seicht zur Situation gedreht und kaute an einem Halm. Seine Brust zierte ein ebenfalls angestaubtes Wappen - ein blutroter und tropfender Krummdolch auf Gold. Der Alte kniff verärgert die Augen zusammen, wagte den bewaffneten Mann, aber nicht mit einem Fluch zu bedenken.
Überrascht sah der junge Almadaner von seinem angebahnten Geschäft hoch, und es dauerte einen Moment, bis Verständnis in seinem Blick aufdämmerte. Dann wandte er sich freundlich wieder an den Verkäufer: "Ihr gestattet?" Vorsichtig nahm Emilio die Statuette in genaueren Augenschein. Das Stück roch nach frisch gebranntem Ton und nach Lampenschwarz. Der junge Mann trat nun einen Schritt zurück. "Shokran, heute nicht." Griesgrämig zog sich der Alte zurück, nicht ohne einem außer Hörweite gemurmelten Wunsch, dass den Reisenden die Hände zerbrechen mögen.
Emilio näherte sich nun dem rot-gelb Gewandeten, der ihm unerwartet beigestanden war. "Danke für Eure Warnung! Würdet ihr mir gestatten, Euch zum Dank für meinen geschonten Geldbeutel zumindest auf Getränke eurer Wahl einzuladen? Emilio Lampérez di Rueda aus Ragath." Dazu machte er die gehörige Geste der höflichen Vorstellung.
“Di Rueda? Seit ihr nicht auch Vertriebene? Dann habe ich Euch gern geholfen. Seit diese Gerüchte im Umlauf sind über uralte Heiligtümer, meint jeder hier daraus etwas Beneficio schlagen zu müssen. Einige machen das schlauer und andere eben etwas stümperhaft. Eine echte Plage.” Der fremde Ritter nahm den Halm aus dem Mund, so dass man ihn nun auch klarer verstand. “Gegen einen gekühlten Wein habe ich ganz sicher nichts, wer zu einem solchen nein sagt, verneint das Leben.” Er schwang sich aus seiner lehnenden Position in einen festen Stand, so dass der Schatten nicht mehr sein Gesicht allzu sehr verbarg. Das struppige Haar setzte sich in gekürzter Form auch in seinem Gesicht fort, aber besonders fielen seine Augen in dem staubig-braunen Gesicht auf, sie waren dunkelbraun mit Bernstein farbenen Sprenklern. “Ah, ich Destraido 4, mein Name ist Cuerno di Castari, gehörnte Klinge des Südens, auf Durchreise.” Er machte eine beinahe anzügliche Begrüßungsgeste als Erwiderung auf jene Emilios.
Wenn er den alten Relikthändler als "stümperhaft" bezeichnete, dann musste dieser di Castari in phexischen Belangen mit vielen Wassern gewaschen sein. Emilio musterte sein Gegenüber aufmerksam und mit offenem Blick. Keiner, der sonderlich auf Äußerlichkeiten acht gab. Es würde Emilio nicht überraschen, wenn er mit seiner Waffe sehr viel pfleglicher umging als mit sich selbst. Aber Cuerno konnte gut auf andere achtgeben...wenn er denn wollte, so schien es. Die Augen waren interessant. Ließen vermuten, dass bei dieser "Gehörnten Klinge" hinter der Fassade des Herumstreichers unterwartete Seiten lagen.
Der di Rueda stellte fest, dass Cuerno ihm irgendwie sympathisch war und lächelte ihn an. "Ja so ist es, unsere Familien teilen sich das Schicksal der Vertriebenen und die Wappenfarben. Und wir wissen beide den kühlen Wein zu schätzen. Ich kenne einen guten Ort dafür!"
“Gut, dann lasst uns keine Zeit verschwenden, meine Kehle ist schon staubig genug. Außerdem dürstet es mich mehr über das Schicksal unserer Familias auszutauschen.”, antwortete Cuerno gemächlich-lässig. Er klopfte etwas Staub von seiner Kleidung, befand, dass es reichte und wandt sich zum gehen.
Die Taverne, zu der der junge Mann sie führte erforderte etwas Aufstieg, lag aber mit begrünter und beschatteter Terrasse unter dem freien Himmel, wo der Blick sich öffnete auf den blau daliegenden Yaquir mit seinen roten und weißen Flussseglern und Lastenkähnen. Emilio nahm Platz an einem der freien Tische, mit einem glücklichem Seufzer, als sein Blick über die weite Stadt- und Flusslandschaft ging. Hoch über ihnen zogen Vögel am Himmel. "Trinkt ihr den Heidenwein? Er ist nicht so schlecht wie man drüben sagt. Oder würde euch ein Yaquirtaler oder Ragatischer mehr freuen?"
“Ein echt-almadanischer soll es sein. Der Wein von hier ist mittlerweile eine Beleidigung für Rahja und selbst für die freudige Trunksucht ihres Sohnes…”, lächelte der Caballero.
Sein Begleiter nickte und gab dem Schankburschen Bescheid. Kurz darauf wurde ein Krug guten Weißweins gebracht, außerdem Käse und Oliven mit frischem Fladenbrot. “Ein Jammer” meinte er in Erwiderung auf Cuernos Urteil. “Die Region wäre bestens geeignet für Weinbau. Weil Ihr zuvor das Schicksal unserer Familien angesprochen habt, woher stammt denn die Eurige, wenn ich es erfahren darf? ”
Der so Befragte hob den Becher an, ließ ein inbrünstiges “Auf die Heimat und unsere Leidenschaft dafür.” ertönen, wartete kaum auf eine Erwiderung, setzte an und leerte den Becher mit einem Zug, den er dann mit Schwung wieder auf dem Tisch abstellte. Daraufhin zog er ein Tuch, das erstaunlich ordentlich sauber und gefaltet war aus einer Tasche und mit dem er sich über Mund und Gesicht wischte. “Sie wäre nicht nur bestens dafür geeignet, sie war es auch. Das weiss ich, weil meine Familia in gutem Wein und Saft zu baden pflegte, damals, zu Hause nahe dem Ort der von den Malditos 5 heute schmutzig Ukuban genannt wird. Und eure Familia, die Rueda?”
“Westlich von hier, der Stammsitz der Familia di Rueda lag gegenüber von Brig-Lo.” sagte der junge Mann mit entsprechender Geste “Soll sich vom Fluß bis in die Hügel erstreckt haben. Meine direkte Familie wurde, könnte man sagen, zweimal vertrieben. Die Mutter meines Vaters war eine von den Auelfen am südlichen Yaquirufer, die bis zur Jahrtausendwende noch dort beheimatet waren. Das hat mit Al'Tergaui allerdings auch geendet.” Er nahm einen Schluck und betrachtete nachdenklich den gläsernen Kelch, in dem er das hellgoldene Getränk leicht schwenkte.
“Das liegt alles ja schon Jahre zurück. Die Vertreibung der Elfen war ein Vierteljahrhundert vor meiner Geburt, der Novadisturm überhaupt ein Jahrhundert. Aber es ist schwer, sich von den Nachwirkungen davon frei zu machen. Egal wie sehr ich mich in Punin oder Ragath etabliere, es ist immer das Gefühl, es würde eben doch etwas fehlen. Und so zieht es mich immer wieder in den Süden. Schätze es ist bei Euch ähnlich?” Er sah Cuerno mit aufmerksamen Blick an. “Oder seid Ihr geschäftlich hier?”
Das Thema der Elfen schien Cuerno nur Am Rande zu interessieren, mit nur halbem Ohr zuhörend, orderte er noch einen Wein und entgegnete dann beiläufig: “Eines Tages, di Rueda, eines Tages…” Dann erhielt er seinen Wein, nahm diesmal nur einen kurzen Schluck und war dann wieder im Gespräch: “Nunja, ich habe keine sentimentale Ader, ein Besuch hier macht mich jedesmal nur übellaunig, Wein und ein paar Zwanglosigkeiten machen es mir hier dann ertäglich. Ich war nur auf einen Besuch hier, ein Teil meiner Familia lebt noch hier. Und Ihr, was lässt Euch hier verweilen? Auf der Suche nach Gerüchten und falschen Reliquien?”
“Genau, ja. Wenn ich genug davon beisammen habe, mache ich ein Museum auf.” erwiderte Emilio leichthin. Dann, mit verändertem Tonfall “Aber im Ernst: Was ist Eure Meinung zu den Gerüchten? Wenn es wirklich ein altes Heiligtum gibt würde ich das gerne sehen…”
Der di Castari schmunzelte beinahe dreckig, als hätte ihm die Antwort Emilios gefallen. “Meine Meinung? Omlad ist eine Stadt voller Meinungen und Gerüchten, viele falsche und wenig gute und rechte. Euer Heiligtum kann genauso wahr wie absolutes Bombada 6 sein. Wenn ihr es genau wissen wollt, müsst ihr dem schon nachgehen. Die Rede ist von außerhalb der Stadt, Richtung Gebirge, vllt sogar auf dem Land der vermaledeiten Aramyas…”, grimmig fügte er hinzu: “...unserem verweigerten Land.” Er nahm noch einen großen Schluck und sein Gesicht hellte sich wieder etwas auf.
Sein Gegenüber faltete die Fingerspitzen übereinander und legte sie nachdenklich gegen die Lippen. “Da habt ihr Recht. Ich muß erst einmal die Audienz bei der Cronvögtin absolvieren, aber danach wäre solches vielleicht möglich.” Jetzt blickte er animiert hoch. “Was haltet Ihr davon, Dom Cuerno, Euch umzuhören und zu sehen, ob gute Meinungen irgendwo vernehmbar sind? In ein oder zwei Tagen könnten wir uns dann wieder hier treffen, und besprechen, ob eine solche Expedition sinnvoll erscheint.” Emilio schenkte sich nach. “Wir müssen natürlich dann noch über Eure Entlohnung sprechen.” Indem er Cuerno über den Kelchrand hinweg anblickte, setzte er nach “Ich bin ein Genie in Verhandlungen, wie Ihr ja schon aus erster Hand wisst.”
“Oh, ihr seid ein Audiat der Cronvögtin…”, Cuernos Blick spiegelte eine gewisse Wildheit wieder und er schnalzte seltsam mit der Zunge, “...dann werden wir ganz sicher einen passenden Preis für meine Dienste finden.”
Emilio spannte sich an und überlegte eine Gegenantwort, ließ es dann aber vorerst. Flammenfarben, Funkenaugen und offenbar ein Temperament wie Hylailer Feuer...hoffentlich brachte dieser Cuerno nicht mehr Ärger als Nutzen…
1 nov.: Verzeihung
2 nov.: Blütenfeen
3 vulg. Bosparano: Fremder
4 vulg. Bosparano: Vergesslicher
5 vulg. Bosparano: Vermaledeite
6 vulg. Bosparano: Humbug, Unsinn