Chronik.Ereignis1045 Die einsame Rose von Culming 22

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westliches Almada, irgendwo zwischen Mestera und Blumenau, Travia 1045 BF

Autor: Eliane

Fabiola nickte ihrer Amme zu. „Gib gut auf die zwei acht. Mit deinem Leben. Ob sie hier wirklich ungefährdet sind?“ „Mach dir keine Sorgen. Wir achten auf sie, wie wir auf unsere eigenen Kinder achten. Wie wir auf dich geachtet haben. Und du auf uns. Niemand wird deine Nachkommen bei uns suchen. Sie sind hier so sicher, als seien sie die unseren.“ Die Mhanah war aus der Dunkelheit getreten. „Die Frage ist vielmehr, welche Gerüchte werden deine Leute verbreiten?“ „Keine. Deswegen habe ich genau sie mitgenommen.“ Mit einem leisen Seufzen beugte sich die Junkerin von Mestera über ihre schlafenden Kinder. „Möge der Mungo über euch wachen.“ Sie küsste beide auf die Stirn, strich liebevoll über die Wangen der beiden. Stellte sicher, dass beide ihre Schutzamulette trugen. Nach einem weiteren Moment, der sich ewig zu ziehen schien, raffte sie sich auf. Ohne den Blick abzuwenden nickte sie entschieden, eher zu sich selbst als zu den Anwesenden. „Nun denn, bis in ein paar Tagen. Hinterlasst Nachricht, wo ich euch finde, solltet ihr weiterziehen müssen.“ „Wie immer. Und jetzt hau ab, bevor dich jemand sieht.“ Fabiola nickte. Mit einem letzten, sehnsüchtigen Blick verschwand sie in der Dunkelheit.

Culminger Land, Junkergut Blumenau, Travia 1045 BF

Autoren: BBB, Eliane

“Es ist alles bereit, Domna.” Der Majordomus deutete dienstbeflissen eine Verneigung an.

“Gut. Wissen wir, wann sie da sein werden?” Madalena war tatsächlich nervös. In wenigen Stunden würde sie die Junkerin von Mestera treffen, zum ersten mal, war sie ihrer Einladung zu einem Sommerfest in der fernen Waldwacht doch nicht nachgekommen. Die Frau, von der Usanza in den höchsten Tönen zu sprechen pflegte. Der Frau, die laut Yaquirblick eine Affäre mit ihrem Bruder hatte. Gehabt hatte. Wie auch immer. Die Frau, die Klein-Sanza mit ihrem Bruder verheiraten wollte.

Wie sie es in ihrer Ausbildung gelernt hatte, atmete Madalena einmal tief durch und konzentrierte sich auf das, was sie kontrollieren konnte. Sie hatten einen Plan. Sie würde sich daran halten.

“Ich habe zwei Bedienstete auf den Turm geschickt. Die Al'Morsquetas werden mit Gefolge anreisen und sollten weithin sichtbar sein. Wir werden rechtzeitig Bescheid wissen”, beruhigte Tobor seine Mutter. Seine tiefe, sonore Stimme stärkte ihre Zuversicht. Es war gut, ihn an ihrer Seite zu haben. Und gut, dass es um Usanza ging, und nicht eines ihrer eigenen Kinder. Das machte es irgendwie… leichter.

“Dann lasst uns in den Salon gehen und ihre Ankunft erwarten”, entschied Madalena und ging voran. Sie hatten an alles gedacht. Jetzt hieß es, auf den Kontakt zu warten.




An der Spitze ihres Gefolges bog Fabiola auf Nuianna in die Zufahrt zum Junkergut Blumenau ein. Sie selber trug die Farben ihrer Familia, das Wappen der Al'Morsqueta prangte sowohl auf den Uniformen ihrer Begleitung als auch auf den Satteldecken der Pferde. Unter dem missbilligenden Blick Tsacceos schloss Keshlan zu ihr auf.

„Bereit für deine erste große Verhandlung als Junkerin, Azîla?“ Fabiola nickte halbherzig. „Ich hoffe doch. Hast du noch irgendwas über die Junkerin für mich?“

Keshlan wiegte den Kopf hin und her. „Vielleicht nicht unbedingt den zwielichtigen Bruder erwähnen. Ihren, nicht deinen.“ Fabiolas einzige Reaktion war eine ausgesprochen anzügliche Geste. Der Aranier fuhr ungerührt fort: „Das Verhältnis der beiden scheint nicht sehr warm. Die Junkerin scheint nicht unbedingt die Geübteste bezüglich gesellschaftlicher Feinheiten. Zum Ehemann konnte ich fast gar nichts in Erfahrung bringen. Achte auf den Sohn.“ Einen Moment durchfuhren Fabiola tiefe Sehnsucht nach ihren Kindern und Sorge um die beiden, doch sie zwang sich, beiden Empfindungen nicht nachzugeben. Sie trug auch für ihre Geschwister Verantwortung.

Keshlans Stimme holte sie endgültig zurück. „Ich habe nicht viel über Tobor herausgefunden, aber die Einschätzung seiner Mutter scheint zumindest nicht völlig übertrieben. Das Mädchen… sie ist sechzehn einhalb. Vermutlich weißt du darüber mehr als ich.“ „Ich bin gespannt. Sarkyoza hat viel von Usanzas Sicht der Dinge erzählt. Allerdings könnte meine zukünftige Schwägerin ihr vermutlich auch erzählen, eine Domna von Welt bade neuerdings in Dung und meine liebe Schwester würde es umgehend ausprobieren.“ „Wie gut, dass deine zukünftige Schwägerin so ein freundliches Wesen hat.“ „Ja, das hat sie. Und einnehmend. Tarillo ist völlig in ihren Bann geschlagen. So verliebt habe ich ihn noch nie erlebt.“, schmunzelte Fabiola. Zumindest früher, denn sie hatte sehr lange zu wenig Kontakt zu ihm gehabt.

Sie erreichten den Platz vor dem Anwesen der Junkerin zu Blumenau. Keshlan beschleunigte sein Pferd, um einen ihnen entgegen sehenden Bediensteten von der Ankunft der Junkerin zu Mestera in Kenntnis zu setzen.




“Sie sind da!”, erklang der Ruf durch den Flur. Es war soweit. Madalena erhob sich und ging, ohne ein Wort zu verlieren und entschlossenen Schrittes zur Eingangshalle. Tobor zu ihrer Rechten. Linje und Pagol zu ihrer Linken. Die zwei jüngeren schwatzten aufgeregt, aber sie machte sich nicht die Mühe, ihnen zuzuhören. Mit einem Zischen ließ sie sie verstummen.

“Vergesst nicht, Mutter”, flüsterte Tobor ihr ins Ohr, als sie ihre Position an der Spitze der Empfangshalle erreicht hatten. “Usanza möchte diese Verbindung. Die Al'Morsquetas möchten diese Verbindung. Dom Stordan hat ihr bereits seinen Segen gegeben, aber das wissen die Waldwachter nicht. Es hängt einzig von Euren Wünschen ab, was hier heute passiert. Sie muss Euch überzeugen!” Madalena nickte stumm. Dann öffneten sich die Tore. Ihr Herold betrat den Saal, trat zur Seite. Gab den Blick frei auf die junge Frau und ihr Gefolge.


“Es stellen sich vor…”, erklang seine durchdringende Stimme, “Ihre Wohlgeboren Domna Selea Al'Morsqueta, Junkerin von Mestera und Soberana des altehrwürdigen Geschlechts der Al'Morsqueta.”

Ein Lächeln huschte über Madalenas Lippen, dann breitete sie die Arme aus in einer Geste des Willkommens und machte ein paar Schritte auf ihre Gäste zu. “Domna Selea! Herzlich willkommen auf Gut Blumenau, es ist mir eine Freude Euch endlich persönlich kennen zu lernen!”


Fabiola trat einen Schritt vor, deutete eine höfliche Verbeugung an, bevor sie Keshlan ihren Caldabreser mit der Pfauenfeder in die Hand drückte und mit ausgebreiteten Armen auf ihre Gastgeberin zuging. Innerlich suchte sie nach Gemeinsamkeiten zwischen der Domna und ihren Geschwistern, bevor sie unauffällig den jungen Mann neben ihr musterte. Das musste Tobor sein.

„Domna Madalena, es ist mir eine Ehre, Eurer Einladung folgen zu dürfen. Und ein großes, viel zu lang entbehrtes Vergnügen, Euch endlich persönlich kennenlernen zu können.“ Sie hauchte der anderen, der Cortezza folgend, rechts und links einen Kuss auf die Wange. Diese tat es ihr gleich.


„Dieser stattliche junge Mann muss Euer Mundillo sein, von dem ich soviel gehört habe. Dom Tobor.“ Fabiola nickte ihm zu, bereits ihren Fächer in der Hand. Tobor deutete elegant, aber dezent eine Verbeugung an, schwieg jedoch. „Ich sehe, die Gerüchte sind untertrieben, werden ihm nicht nicht gerecht, Domna Madalena. Gratulation.“ Dann sah sie zu den beiden jüngeren Kindern. „Domnatella Linje.“ Die junge Frau knickste schüchtern, aber elegant, den Blick leicht gesenkt. Es kostete Fabiola Mühe, den Namen statt mit blauen Flecken mit dieser hübschen jungen Dame überein zu bringen. „Domnito Pagol.” Auch der Jüngste verneigte sich, weit ausschweifender als sein älterer Bruder. Auch wenn sie alle drei sich oberflächlich in Augen- und Haarfarben unterschieden, war in ihren Gesichtszügen doch eindeutig ihre Mutter und, wie Fabiola feststellte, ihre Tante wiederzuerkennen. “Wirklich eine reizende Familie, der Segen der Götter muss auf Eurem Hause liegen, Domna Madalena. Möge sich dies auch in Zukunft nicht ändern.“ Nur der geheimnisvolle Gatte fehlte.


“Ich sehe Ihr seid gut informiert!”, staunte Madalena, “Habt vielen Dank für die warmen Worte. Ich hoffe die Reise war angenehm und unbeschwert? Es ist ja doch ein weiter Weg, von der Waldwacht bis hierher. Ich habe für Euch und Euer Gefolge Zimmer herrichten lassen, falls Ihr Euch zunächst ausruhen und stärken wollt. Oder, wenn Euch das lieber ist, können wir auch gleich in den Salon gehen, eine kleine Erfrischung zu uns nehmen und meine Bediensteten zeigen Eurem Gefolge die Räumlichkeiten.” Während sie die Worte sprach, musterte sie unauffällig ihr Gegenüber. Ein hübsches Ding. Jung war sie, weit jünger als Madalena selbst, und der Statur und Haltung nach zu urteilen durchaus nicht ohne kriegerische oder militärische Ausbildung. Vielleicht hatten sie tatsächlich einige Gemeinsamkeiten? War es das, was Algerio in ihr gesehen hatte? Aber er hatte sich doch sonst auch nicht viel aus weiblicher Gesellschaft gemacht, sich mit jungen Knaben und anderen Raufbolden umgeben… Sie tat den Gedanken beiseite. Heute sollte es um Usanza gehen. Eine gute Partie, das war das Ziel.


„Vielen Dank für die Nachfrage, die Reise ist dem frohen Anlass angemessen angenehm und ohne erwähnenswerte Vorkommnisse verlaufen.“ Der kurze Zwischenfall mit ein paar unfähigen Wegelagerern war eher unter willkommene Ablenkung und Erinnerung an alte Zeiten zu verbuchen gewesen. Und eine Möglichkeit, ihre Leute im Ernstfall zu erleben. „Wenn es Euch recht ist, würde ich mich gerne kurz des Staubes der Reise entledigen und in etwas Angemesseneres wechseln, bevor ich Euch liebend gerne im Salon bei einer kleinen Erfrischung Gesellschaft leiste. Ich habe mir erlaubt, eine Kleinigkeit mitzubringen, als bescheidenes Gastgeschenk.“ Sie winkte ihren Leuten unauffällig, die mit zwei Kisten vortraten und die Deckel lösten. „Eine Kleinigkeit aus Mestera: Trüffel und Rosa de Fúridão, sowie eine Spezialauswahl an Konfekt von diesem famosen jungen Künstler, von dem ganz Punin schwärmt. Domna Usanza ist recht angetan davon.“

“Das ist sehr aufmerksam von Euch, was für eine freudige Überraschung! Habt vielen lieben Dank”, hörte Domna Selea Domna Madalena sagen - im Augenwinkel bemerkte sie den jungen Pagol, dessen Blick in starkem Kontrast zu den freundlichen, aber doch eher nüchtern vorgetragenen Worten seiner Mutter stand. Mit weit aufgerissenen Augen und leicht geöffnetem Mund starrte er auf die Pralinen in der Kiste, konnte kaum an sich halten - was auch seiner Mutter nicht entging. Ein sanftes Lächeln umspielte deren Lippen. “Ich sehe schon, Euer Gastgeschenk trifft auf einige Begeisterung bei meinen Lieben - Ihr erlaubt doch, dass wir einige der von Euch gebrachten Köstlichkeiten zur Erfrischung reichen?” „Das erleichtert mich ungemein. Natürlich ist es mir eine Ehre und ein Vergnügen, wenn Ihr den Konfekt zu den Erfrischungen reicht.“

Mit einer beiläufigen Geste ihrer Hand wies Domna Madalena zwei der an der Seite stehenden Bediensteten an, die Kisten entgegenzunehmen.


“Lasst mich Euch Eure Räumlichkeiten zeigen", bot sie schließlich an und deutete mit der Linken den Weg. „Vielen Dank, Domna Madalena, zu freundlich.“, folgte Fabiola ihrer Gastgeberin, die sehr bemüht war, den Weg zu den Zimmern kurzweilig zu gestalten und auf die Besonderheiten des Hauses oder Dekoration zu verweisen. Aus purer Gewohnheit prägte sich Fabiola den Weg und die Räumlichkeiten ein, behielt die Anwesenden im Auge, nicht ohne gelegentlich einen passenden Kommentar zum Anwesen oder der Einrichtung fallen zu lassen. Keshlan folgte schweigend in einigem Abstand mit etwas Gepäck, ganz wie es von einem Leibdiener erwartet werden würde. Die Gruppe um die beiden Junkerinnen wurde unvermittelt aus der Situation gerissen, als Stimmen hinter ihnen laut wurden - Stimmen, die aufgewühlt schienen.

Fabiola war eine der ersten, die die Neuankömmlinge bemerkte, und Keshlan unauffällig bedeutete, wachsam zu sein. Obwohl der Aranier keine Miene verzog, ändere sich seine Haltung ein wenig, wie um ihr spöttisch zu bedeuten, dass er nicht dumm sei. Aber auch Tobor, der seitlich hinter ihr gegangen war, drehte sich kurz darauf um, um zu schauen, was es damit auf sich hatte. Ob er es selbst gehört hatte oder nur Fabiolas Blick folgte, konnte diese nicht mit Sicherheit sagen.

Hinter ihnen, offensichtlich der kleinen Gruppe folgend, kamen zwei Männer den Flur entlang, auf sie zu. Der eine, ein Mann in seinen späten Dreißigern, vielleicht frühen Vierzigern, trug langes, dunkles Haar im Stil der almadaner Nobleza und redete gedämpft, aber aufgeregt auf den anderen, deutlich älteren Mann ein. Dieser kam gemäßigten aber bestimmten Schrittes auf die Gruppe zu - und er war Dom Algerio wie aus dem Gesicht geschnitten. Sein Haar war stellenweise bereits ergraut, sein Bart voller und länger als der des Edlen, aber sonst war es unverkennbar: dieser Mann musste der Vater Madalenas, Usanzas und Algerios sein.

“Dom Ramon”, begrüßte Tobor die Neuankömmlinge mit lauter, tiefer Stimme, offensichtlich im Versuch, die Aufmerksamkeit der restlichen Familie auf die neue Situation zu lenken. “Man hatte uns ausgerichtet, Ihr wäret auf der Jagd. Wie schön, dass Ihr es doch einrichten konntet.” “Und die Möglichkeit verpassen das Oberhaupt der Familia kennenzulernen, in das meine kleine Sanza einzuheiraten gedenkt?”, erwiderte der ältere Mann, ohne jeden Ton des Vorwurfs in der Stimme. Seine Augen waren ganz auf Fabiola gerichtet, der er sich zielstrebig näherte.

Die Junkerin von Mestera nutzte die Erwähnung ihrer Person, um, den Fächer bereit, Dom Ramon offen entgegen zu sehen, ein freundliches Lächeln auf den Lippen. Sie war neugierig diesen Mann, der aussah wie eine ältere Ausgabe Dom Algerios, der Vater zweier von ihr sehr geschätzter Mitglieder der Familie von Culming war. Auch dem zweiten Ankömmling, wie Keshlan verborgen bestätigte der Gatte Domna Madalenas, widmete sie kurz ihre Aufmerksamkeit, konzentrierte sich dann aber auf den Senior.


“Verzeiht meine Verspätung und die Unhöflichkeit, Euch hier auf dem Flur zu überfallen, Domna Selea”, fuhr dieser an die Junkerin gerichtet fort, “mir muss entfallen sein, dass Ihr gerade heute eintrifft, sonst hätte ich meine Pläne selbstverständlich rechtzeitig Eurem Erscheinen angepasst. Ich hoffe, Ihr könnt einem alten Narren, dessen oberstes Interesse dem Wohle seiner Kinder gilt, vergeben.” Er verneigte sich tief und senkte dabei den Kopf in einer Geste der tiefen Unterwürfigkeit. Zugleich bemerkte Fabiola aus dem Augenwinkel, wie der zweite Mann mit den dunklen Haaren - offensichtlich in dem Glauben nicht beachtet zu werden - entschuldigend in Richtung Madalena Arme und Schultern hochzog.

Graziös machte Fabiola einen Schritt auf den älteren Mann zu, verbeugte sich leicht und streckte ihm ihre Hand so entgegen, dass er sie sehen musste. „Das passiert den Besten unter uns, Dom Ramon, da gibt es nichts zu verzeihen. Erst recht nicht, wenn es sich um einen solchen Anlass handelt. Seid versichert, meinem verehrten Vater ginge es kaum anders. Dabei handelt es sich in seinem Fall nur um die Ehe eines seiner Söhne, nicht um die seiner entzückend liebreizenden Jüngsten. Es ist mir jedenfalls eine Freude, Euch kennen zu lernen und ich bin geschmeichelt, dass ihr wegen mir und meiner Familia Eure Jagd verlegt.“

“Ach”, tat er es ab, während er sich wieder erhob, “es war mir ein Bedürfnis”, versicherte er lächelnd.

Nachdem Dom Ramon sie begrüßt hatte, wandte sich Fabiola zu ihrer Gastgeberin und ihrem Gemahl. „Meine liebe Domna Madalena, ich bin beschämt und geehrt, dass Ihr für meinen bescheidenen Besuch den Aufwand auf Euch genommen und die ganze verfügbare Familie versammelt habt. Ich werde mich gerne bei Gelegenheit revanchieren. Dies ist Euer werter Gatte, nehme ich an?“

“So ist es”, bestätigte diese, “darf ich vorstellen: Dom Kazanyo.” Ihr freundliches Lächeln war ein klein wenig gezwungener geworden.

Fabiola grüßte auch Dom Kazanyo freundlich, sorgsam darauf bedacht, nicht versehentlich durch eine unbedachte Geste oder ein zu herzliches Lächeln Missverständnisse zu erzeugen.

“Es ist mir eine Freude!”, grüßte Dom Kazanyo, freundlich, aber etwas distanziert.

“Hervorragend. Sollen wir unseren Weg dann fortsetzen? Die Gemächer sind gleich hier um die Ecke”, fuhr Madalena fort, und ging voraus. Ihr Sohn, Tobor, ließ sich hingegen etwas zurückfallen und ging nun hinter den Gästen - unmittelbar vor seinem Großvater. Ein Verhalten, das Fabiola genauso interessiert zur Kenntnis nahm wie die plötzliche Reserviertheit ihrer Gastgeberin und die Distanz ihres Gatten.


“Hier sind die Zimmer”, erklärte Madalena schließlich, als sie in einem schlicht aber elegant eingerichteten Nebenflügel des Hauses angekommen waren. “Das Zimmer am Ende des Flurs ist das Eure, Ihr werdet dort hoffentlich alles finden, was Ihr benötigt. Wenn nicht, zögert nicht einen Bediensteten zu schicken oder einen unserer Hausangestellten zu bitten. Die Zimmer Eures Gefolges sind auf der gegenüberliegenden Seite. Der Flur gehört ganz Euch.” Sie lächelte zufrieden. “Wir möchten, dass Ihr Euch bei uns wohlfühlt, Domna Selea. Bitte zögert nicht, jedweden Wunsch zu äußern und wir werden unser möglichstes tun, ihn zu erfüllen”, ergänzte Dom Ramon aus dem Hintergrund.

“Ein Diener wird am Eingang des Flures auf Euch warten und Euch zum Salon führen, wenn Ihr soweit seid”, erklärte Tobor. Und wieder war es Ramon, der ergänzte: “Aber nehmt Euch alle Zeit, die Ihr benötigt.”

„Zu großzügig, vielen Dank. Ich werde Euch nicht lange warten lassen.“ Sie nickte der Familie zu, deutete ihren eigenen Leuten, das Gepäck zu bringen und betrat ihr Zimmer.


Kaum hatte sich die Tür geschlossen, wandte sie sich an Keshlan. „Amüsante Familie, nicht wahr?“ Er nickte, bereits im Begriff, den Raum zu inspizieren. „Bitte, wirk deine Magie, krieg raus, welche Fallstricke mich hier erwarten.“, bat sie. „Als könnte ich Familiendrama widerstehen, Azîla.“, schmunzelte der Aranier. Vielleicht erfuhr er nebenbei etwas hilfreiches über diesen Streuner Al‘Sariq.

Fabiola wandte sich an den Hauptmann ihrer Wache: „Sieh zu, dass alle gut unterkommen, und dann erholt euch von der Reise. Ich glaube nicht, dass ich hier Bedeckung brauche.“ „Sehr wohl, Domna. Danke, Domna.“ Sein Blick zu Keshlan verriet Fabiola, dass beide es sich nicht nehmen lassen würden, sich trotzdem zuerst um ihre Sicherheit zu kümmern. Sie erfrischte sich rasch, kontrollierte ihre Frisur und wechselte in ihr gutes Kleid, bevor sie sich von einem wartenden Bediensteten in den Salon führen ließ. Ohne Keshlan in ihrem Rücken stieg eine gewisse Unruhe in ihr auf, die sie energisch zurückdrängte.




Der Salon war ein heller, auf der Rückseite des Anwesens gelegener Raum mit großen Fenstern und einer verglasten Tür zum Garten, durch die man den Blick über ein weitläufiges und mit vielen Blumen gestaltetes Gelände schweifen lassen konnte. Wie überall in Blumenau war das Gelände weitläufig und lud ein zum Lustwandeln und Verweilen.

Der Salon selbst griff diesen Blick wieder auf. In der Mitte des Raums stand ein großer, ovaler Tisch mit verspiegelter Oberfläche, in einer Ecke mehrere Sitzgelegenheiten und ein kleines Regal mit Spirituosen. Überall waren verschiedene Topfpflanzen arrangiert, die dem Raum eine weitläufige und natürliche Atmosphäre verliehen. Dezent hinter den höheren Pflanzen versteckt standen eine Hand voll Bediensteter, die das Geschehen am Tisch im Blick behielten, sofort bereit, sobald einer der Anwesenden einen Becher geleert hatte oder die verschiedenen Leckereien der gut gefüllten Etageren zur Neige gingen. Was zumindest in der hinteren Ecke des Tisches recht häufig vorkam, wo Pagol ungeniert die fehlende Aufmerksamkeit durch seine Eltern und Geschwister nutzte, um sich an den Pralinen gütlich zu tun.


“Ich hoffe, es ist alles zu Eurer Zufriedenheit, Domna Selea”, begann Madalena das Gespräch. “Da Ihr meine liebe kleine Schwester ja nun auch schon seit einer Weile kennt, wird Euch sicher aufgefallen sein, dass der Salon überwiegend ihre Handschrift trägt.” Dom Tobor, der neben ihr saß, beugte sich kurz zu seiner Mutter, flüsterte ihr etwas ins Ohr, und wandte sich dann wieder seinem Becher Wein zu.

„Vielen Dank, Domna Madalena, es ist kein Wunsch offen geblieben. Ein wunderschönes Anwesen habt Ihr. So geschmackvoll und modern.“ Fabiola lächelte freundlich, ihre Aufmerksamkeit ein wenig mehr auf den Mundillo lenkend. „In der Tat ist Domna Usanzas Handschrift nicht zu übersehen, diese für sie so typische vollendet geschmackvolle Heiterkeit und Leichtigkeit. Ich beneide Euch ein wenig, es muss wunderbar sein, nach einem anstrengenden Tag diese Umgebung zu genießen. Ihr kennt es sicherlich aus eigener Erfahrung, meine Aufgaben lassen mir leider wenig Zeit für die Planung und Umsetzung solcher Anlagen. Zumal ich zugeben muss, mit der Stilsicherheit und dem Geschmack Eurer lieben Schwester nicht mithalten zu können.“ Usanza, auf Sarkyozas Intervention hin, hatte entscheidenden Einfluss darauf gehabt, dass Fabiolas Garderobe nach ihrer Rückkehr selbst in Punin schon Gegenstand anerkennender Kommentare gewesen war. Der Kampf um für alle Beteiligten akzeptable Kompromisse war hart gewesen.


“Tatsächlich nutze ich den Salon meist nur für Empfänge und wichtige Gespräche”, gab Madalena unumwunden zu. “Aber ich kann nicht absprechen, dass er eine gewisse Magie wirkt. Auch auf mich. Und wer weiß, vielleicht wird die liebe Usanza sich ja in Zukunft auch vermehrt in Mestera einbringen? Je nachdem, wie Eure Pläne aussehen…?”, versuchte sie mehr über die ihr noch immer unklaren Absichten und Pläne ihres Gasts zu erfahren.

„Ich fühle mich geehrt. Und gebe zu, Ihr habt zielsicher den Schwachpunkt meiner Vorbereitungen für den heutigen Tag gefunden, Domna Madalena.“, schmunzelte Fabiola. Zwar hatte sie ziemlich konkrete Vorstellungen in Bezug auf die Verbindung. Mangels Kenntnis der Junkerin hatte sie ihr Vorgehen jedoch offen gehalten. Und angesichts des Einflusses, den der junge Tobor so offensichtlich auf seine Mutter hatte, war es wohl keine schlechte Idee gewesen.

„Da Domna Usanza und Seine Gnaden ihre Reise verlängert haben, hatte ich noch keine Gelegenheit, ausführlich mit ihnen zu sprechen. Ich hatte jedoch angedacht, den beiden auf Mestera oder im Anwesen der Familia Al'Morsqueta zu Punin ein Heim zu bieten. Oder habt Ihr andere Arrangements im Sinn, Domna Madalena?“, erkundigte sich Fabiola, auch die Reaktionen Tobors und Dom Ramons im Auge behaltend.

Madalena überlegte einen Augenblick, während Tobor nur still dasaß. “Nein”, sagte sie schließlich, “ich denke, das ist eine sinnvolle Lösung. Ich persönlich würde Punin wohl vorziehen, läge es doch auf nahezu halber Strecke zwischen Mestera und Blumenau und damit für beide Familien gut erreichbar, aber diese Entscheidung überlasse ich gern den Brautleuten und bedanke mich schonmal für Eure Großzügigkeit in diesem Belang.”

Auch Dom Ramon schien nicht unzufrieden, verfolgte im Gegenteil weiterhin aufmerksam und freundlich lächelnd das Gespräch der beiden Junkerinnen. Ein besonderes, freudiges Funkeln zeigte sich hingegen in Linjes Augen, der die Aussicht auf regelmäßige Besuche in der Capitale sehr zu gefallen schien. Überhaupt haftete ihr Blick die meiste Zeit auf Domna Selea, die offenbar eine gewisse Faszination ausübte.


“Wie sieht es aus in Bezug auf die Feierlichkeiten? Wo sollen diese stattfinden? Und wann? Zudem nehme ich an, dass Ihro Gnaden als Geweihter einer zwar sehr wichtigen, aber finanziell nicht sehr einträglichen Beschäftigung nachgeht. Punin ist sehr teuer, wovon sollen sie leben?”, fragte Madalena.

Fabiola verzog ob des absichtlichen Fehlers oder der erschreckend großen Lücken in Domna Madalenas Kenntnissen zur Lage der almadanischen Dominien keine Miene. Mit einem freundlichen Lächeln bestätigte sie: „Überlassen wir die Wahl den Brautleuten, es wird sich eine angemessene Unterkunft finden. Euren Worten entnehme ich, Domna Madalena, dass Ihr der Verbindung Euren Segen gegeben und Euch entsprechend erfolgreich bei Dom Strodan dafür verwendet habt.“

Sie nippte an ihrem Wein, verzichtete aber darauf, dem jungen Pagol um ein Stück Konfekt zu bringen, warf der jungen Linje einen warmen Blick zu. Sie erinnerte so stark an ihre Tante, schien sich für die Capitale zu begeistern. Sie würde Sarkoyza nahelegen, die Domnatella zu einem Besuch dort einzuladen. Vielleicht anlässlich eines Balls zur Einführung in die Gesellschaft, wenn es noch nicht zu spät war. Kannten die beiden sich eigentlich? Sie waren in einem ähnlichen Alter. Sie würde Algerio fragen, ob er über diese Farfanya von Taladur die notwendigen Kontakte herstellen konnte, um einen geeigneten Ball zu finden.


Für einen kurzen Moment versteiften sich die Züge der Junkerin von Blumenau. Dann kehrte ihr Lächeln zurück. Im Gegensatz dazu verzog Tobor keine Miene, Ramon aber schaute offen und neugierig zu seiner Tochter, gespannt auf ihre Antwort, denn ganz gleich wie sie auffallen mochte, es waren Neuigkeiten für ihn.

“Selbstverständlich stehe ich regelmäßig und eng im Austausch mit unserem Soberan”, erklärte Madalena, ihre Irritation offener zur Schau stellend, als ihr lieb sein konnte, “und selbstverständlich ist er über unsere Gespräche und die Themen, die hier diskutiert werden, bestens im Bilde. Sein Segen wird von deren Ausgang abhängen, aber da ich genau wie Ihr ein großes Interesse daran habe, meine liebe Schwester glücklich zu sehen, habe ich mich selbstverständlich für ein Zustandekommen dieser Verbindung eingesetzt. Sonst säßen wir nicht hier.”

“Und Ihr werdet Euch auch weiterhin vor unserem geliebten Dom Stordan für diese Verbindung einsetzen, nicht wahr, Mutter, nur dass der Ausgang dieser Gespräche die weiteren Verhandlungen mit unserem Soberan deutlich erschweren oder vereinfachen könnte”, ergänzte Tobor ruhig und an seine Mutter gewandt. “Selbstverständlich”, bestätigte Madalena, wieder etwas gefasster.

„Ah, dann scheint ein Missverständnis meinerseits vorzuliegen. Bitte entschuldigt, mir fehlt in solch delikaten Angelegenheiten die Erfahrung. Es ist das erste Mal, dass mir die Verantwortung für ein solches Gespräch zufällt.“, lenkte Fabiola charmant ein. Zumindest, wenn es um einen ihrer Brüder ging. Mit Verhandlungen hatte sie nicht nur Erfahrung, sondern fand auch viel Vergnügen daran. Zu schade, dass Kesh nicht hier war, er hätte bei den Anwesenden Nuancen gelesen, die ihr entgingen. Nicht, dass ihre Gegenüber besonders gewieft schienen. Sie musste die Gespräche und ihre Beobachtungen nachher unbedingt mit ihm durchsprechen. Immerhin war sie sich inzwischen sicher, dass Dom Strodans Einverständnis vorlag.


„Bezüglich der Feier - ich muss gestehen, dass Blumenau einen deutlich festlicheren, repräsentativeren Rahmen bietet. Wenn die Braut schon das Schicksal ereilt, ihren Lebensmittelpunkt von diesem schönen Ort weg zu verlagern, so sollte ihr der Abschied als rauschendes Fest im Kreise ihrer Lieben in Erinnerung bleiben, findet Ihr nicht auch? Als Termin bietet sich der Rahja diesen Jahres an, wenn ich nicht recht entsinne, liegt der Tsatag beider Brautleute in diesem Mond. Und was kann man einem Paar mehr wünschen, als im Monat der Schönen Göttin, mit Ihrem Segen den Bund der Ehe zu schließen? Zumal beide von Ihr geküsst sind. Vielleicht am 12. des Monats? Oder haltet Ihr das für zu überstürzt? Und vor welchen Göttern schlagt Ihr vor, das Bündnis zu schließen?“

“Oh ja, eine große Feier!”, entfuhr es Linje leise, aber doch gut hörbar. Dom Ramon schien ebenfalls hoch erfreut bei der Aussicht und grinste breit als Reaktion auf den Ausruf seiner Enkelin, sagte jedoch nichts.

Fabiola merkte, wie ihre Anspannung schwand, ließ es sich aber nicht anmerken. Am Ende war das Ganze hier ja auch nichts weiter als ein Geschäft, und sie spürte längst die Freude am Handel in sich aufsteigen.

Madalena hingegen ignorierte ihre Familie weitgehend, fuhr freundlich aber nüchtern fort: “Eine schöne Idee, in der Tat. Der Rahja lässt zwar nicht mehr lang auf sich warten, aber ich schätze es ist ausreichend Zeit, um alles zu organisieren. Möchtet Ihr Euch an den Planungen beteiligen? Wir sind gern bereit, für Euch oder einen Eurer Vertrauten Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen, wenn Ihr unterstützen wollt. Und ich nehme an, Ihr seid bereit, Euch an den Kosten der Feierlichkeiten zu beteiligen?”

Eine Bewegung fing Fabiolas Aufmerksamkeit - ein kleines, verdecktes Zeichen mit der Hand von Tobor, der seine Mutter für einen kurzen Moment am Oberschenkel berührte, ohne dass er sich sonst bewegte oder eine Miene verzog. Der Einfluss des jungen Mannes auf seine Mutter war genauso interessant wie die Tatsache, dass er recht genaue Vorstellungen zu haben schien, welche Ergebnisse sie erzielen sollte. Und er war subtil.


„Das großzügige Angebot, mich an den Planungen beteiligen zu können, nehme ich mit Vergnügen an, Domna Madalena. Habt vielen Dank dafür. Auch wenn ich fürchte, dass meine anderweitigen Verpflichtungen die Entsendung eines Vertrauten erfordern werden.“

Fabiola machte eine kleine Kunstpause, nippte an ihrem Wein. „Bezüglich einer Beteiligung an den Kosten… Ich kenne es üblicherweise so, dass die Familie der Partners diese übernimmt, der oder die in eine neue Familie einheiratet.“ Scheinbar nachdenklich schwieg sie einen Moment. „Was haltet Ihr von folgendem Vorschlag: die Al'Morsqueta stellen das zusätzlich notwendige Personal für die Feier, übernehmen die Kosten für die Unterkunft unseres Teils der geladenen Gäste?“

“Ich glaube, hier gibt es schlicht unterschiedliche Vorgehensweisen, das mag sein. Lasst uns auf die Kostenteilungen später noch einmal zurückkommen”, ruderte Madalena ein wenig zurück, wohl auch in der Sorge, letztendlich jede Ausgabe einzeln diskutieren zu müssen.

“Widmen wir uns stattdessen Eurer Frage nach den Göttern: Eine Ehe vor Rahja würde sicherlich gut passen, jedoch bietet sie nicht die Sicherheit und Stabilität, die Geschlechtern mit unserer Historie angemessen erscheint. Ich würde einen Bund vor Travia vorschlagen.” Linje verdrehte, zwar um Diskretion bemüht, aber letztlich doch scheiternd, ein wenig die Augen.

„Ein sehr guter Punkt, Domna Madalena. Wie wäre also ein Bund vor Travia, mit einer Feier unter der Schirmherrschaft Rahjas? Waren es doch die Schönen Künste, die das Paar zusammengeführt haben.“ Fabiola war sich nicht ganz sicher, ob Theater und Oper nicht eher in Hesindes Bereich fielen, aber das war nebensächlich. Sie wollte für Usanza und Tariano ganz sicher kein Fest nach den drögen Regeln Travias, das passte zu keinem der beiden.

“Eine schöne Idee”, pflichtete Madalena bei, und während es nun Pagol war, der kurz die Augen verdrehte, sich dann aber wieder den Leckereien zuwandte, entfuhr Linje ein kurzer Laut verzückter Freude. Die Aussicht auf ein großes Fest schien sie sichtlich zu erfreuen.


„Was die finanzielle Situation angeht: selbstverständlich wird die Familia Al'Morsqueta sicherstellen, dass Seine Gnaden Zugriff auf Einkünfte im angemessenen Rahmen hat. Ganz wie die Familia von Culming für Domna Usanzas finanzielle Unabhängigkeit Sorge tragen wird, nehme ich an? Natürlich wird unser Anteil am Einkommen des Paares etwas höher liegen, heiratet Domna Usanza doch bei uns ein. Dabei gedenke ich jedoch durchaus, die Unterbringung zu berücksichtigen.“

Fabiola lehnte sich scheinbar entspannt ein wenig zurück, die drei Generationen der da Selaque von Culmings vor sich weiterhin aufmerksam beobachtend. „Entsprechen diese Vorschläge Euren Vorstellungen, Domna Madalena?“

“Wie genau stellt Ihr Euch den Übergang in Eure Familia vor, Domna Selea? Sicher werdet Ihr nicht erwarten, dass meine Schwester ihren Namen ablegt?” Ihr missfiel sichtbar die Aussicht darauf, ein Familienmitglied zu verlieren, zugleich aber weiterhin finanziell gebunden zu sein.

„Aber nicht doch, Domna Madalena, wie könnte ich? Ich erwarte lediglich, dass sie den Namen ihrer neuen Familia üblicherweise, bei offiziellen Anlässen immer, an erster Stelle führt. Den Namen ihrer Herkunftsfamilia kann sie gerne jederzeit weiter führen. Da Selaque oder von Culming, wie Ihr es wünscht. Selbstverständlich auch in Kombination, wobei ich fürchte, dass dies eventuell in gewissen Kreisen eher provinzielle Assoziationen wecken dürfte. Welche Domna Usanza nun wirklich nicht gerecht werden.“


“Wie sieht es aus mit der hoffentlich bald folgenden Nachkommenschaft?”, fragte Madalena weiter. Fabiola bemerkte eine weitere subtile Berührung Dom Tobors, woraufhin dessen Mutter nachschob: “Wie Ihr seht, ist es bei uns Tradition, dass die Kinder die Namen beider Elternteile führen. Da Selaque von Culming. Ich würde hier das gleiche Vorgehen vorschlagen: Al'Morsqueta von Culming.” Kaum merklich atmete Tobor etwas gepresst aus.

„Eine schöne Tradition. Allerdings eine in unserer Familia unübliche.“, zögerte Fabiola einen Moment. Sie überlegte kurz an einem Stück Konfekt, entschied sich dann aber für eine der Blumenauer Leckereien. Nippte scheinbar nachdenklich an ihrem Wein. „Doch ich denke, es wäre akzeptabel. Unter der Bedingung, dass, sollte ein Nachkomme des Paares das Junkergut erben, er oder sie und alle Nachkommen ausschließlich den Namen Al'Morsqueta tragen und führen. Auch meine Familia hat Traditionen, und es ist nicht verhandelbar, dass das Land in der Familia bleibt, nach außen für alle klar erkennbar.“ Sie legte unmissverständlichen Nachdruck in ihre Worte.

Nun war es Madalena, die kurz inne hielt. Sie war sich noch immer nicht gänzlich sicher, worauf es die Soberana der Al'Morsqueta tatsächlich abgesehen hatte, und die Berichte im Yaquirbick über ein Stelldichein zwischen ihr und Madalenas Bruder Algerio gingen ihr noch immer im Kopf herum. Auch wenn Algerio deren Wahrheitsgehalt abgestritten hatte. In jedem Fall war es ganz offensichtlich nicht der gute Name der von Culmings, hinter dem sie her war. Oder war sie einfach nur sehr gut darin, ihre wahren Absichten zu verbergen? War dies eine Finte? Eine, der sie drohte auf dem Leim zu gehen?


So sehr sie sich auch bemühte, es wollte Madalena keine klare Idee kommen, worin das primäre Eigeninteresse ihres Gegenübers lag. Und das wertvollste, das Usanza zu bieten hatte, war nun einmal ihr Name.

“Ich hoffe doch sehr und gehe stark davon aus, dass Ihr eigene Nachkommen in die Welt setzen werdet - insofern ist dies eine Einschränkung, mit der wir sicherlich leben können”, sagte sie schließlich. “Was mich zurückbringt zur Frage der Finanzen. Wenn Usanza faktisch in Eure Familia einheiratet, dies für alle Nachkommen gilt und nach außen hin auch deutlich wird, wenn auch mit großzügigen Einschränkungen, dann sehe ich die Familia Al'Morsqueta auch in vorrangig in der Pflicht, für den Unterhalt zu sorgen. Die Unterkunft in Punin rechne ich Euch hoch an, und bezüglich der Feierlichkeiten werden wir uns sicher einig werden, daran soll es nicht scheitern. Mein Vorschlag wäre also, dass wir Usanza weiterhin mit einer Art… Taschengeld versehen, über welches sie verfügen kann, ansonsten aber ihr zukünftiger Gemahl für das Einkommen verantwortlich ist. Wäre das ein Vorschlag, der Eure Akzeptanz findet?”


„Sicherlich gedenke ich, den Titel in der Zukunft an meine eigenen Kinder zu vererben.“, bestätigte Fabiola ernst. „Zudem stünden in der Erbfolge meine drei jüngeren Geschwister und deren Nachkommen vor jenen Domna Usanzas und Seiner Gnaden. Daher ist nicht davon auszugehen, dass die Einschränkung bezüglich des Namens jemals zum Tragen kommt. Zumal sie nur das Kind und dessen Linie treffen würde, das den Junkertitel erbt. Daher werden Domna Usanza und ihre Nachkommen wie vereinbart nach außen hin die Namen beider Familias tragen.“ Sie lächelte freundlich. Insgeheim fand sie Domna Madalenas Geschachere etwas unwürdig. Oder stand es etwa so schlecht um ihre Finanzen?

„Selbstverständlich wird seine Gnaden für den Unterhalt seiner Familie, die alltäglichen Bedürfnisse sorgen. Allerdings ist Domna Usanza eine erwachsene Frau, kein Kind, das außer ein wenig Spielzeug und der ein oder anderen Süßigkeit keine Wünsche und Bedürfnisse hat. Daher gehe ich davon aus, dass Ihr mit ‚Taschengeld’ eine standesgemäße Apanage oder den Ertrag einer Liegenschaft für sie meint, und stimme Euch zu. Das wäre akzeptabel.“ Sie schwenkte ihren Wein, trank aber nicht.

„Was die Feierlichkeiten angeht, bin ich ganz bei Euch, dafür wird sich eine Lösung finden. Würdet Ihr die Diskussion dazu während meines Aufenthaltes hier zu Ende bringen wollen, oder warten, bis Umfang und Rahmen klarer sind?“

Für einen kurzen Augenblick zeigte sich gestiegene Aufmerksamkeit im Gesicht Dom Tobors, doch Madalena erhob sich unvermittelt, griff nach ihrem Wein und hielt ihn feierlich vor sich, was ihren Sohn aus seinen Gedanken riss. Ein zufriedenes Lächeln umspielte ihre Lippen.

“Das wird nicht nötig sein, werte Domna Selea. Ich habe alles, was ich benötige, um meinen Soberan zu überzeugen und möchte Euch noch einmal für Euren Besuch hier danken. Ich bin frohen Mutes, dass wir im kommenden Rahja ein rauschendes Fest feiern werden! Darauf möchte ich mit Euch anstoßen!”

Auch der Rest ihrer Familia erhob sich, Linje freudig strahlend und für einen Moment beinahe auf und ab hüpfend, Dom Ramon mit deutlich erkennbarer Erleichterung auf den Zügen. Einzig Pagol schaute einen Moment verwirrt, was gerade geschehen war, griff dann aber auch mit von Zucker verklebten Fingern nach seinem Becher. “Auf die Verbindung der altehrwürdigen Familia Al'Morsqueta mit derer von Culming!”

„Möge der Segen der Zwölfe auf dieser Verbindung und der Ehe unserer geliebten Geschwister liegen.“, erwiderte Fabiola den Toast.


Die Stimmung entspannte sich merklich. Nach einiger Zeit zwangloser Konversation, in der Fabiola unter anderem mit der jungen Linje und Dom Ramon Worte gewechselt hatte, wandte sie sich an die Junkerin: „Ich bin sehr erleichtert, Eure Zustimmung errungen zu haben, Domna Madalena. Ihr seid eine herausfordernde Gegnerin. Ich hoffe, Ihr verzeiht mir meine Forschheit. Eure Verbindungen zu Dom Strodan sind wie erwartet offensichtlich hervorragend. Denkt Ihr, ihn rasch überzeugen zu können? So entzückend Blumenau ist, ich will Eure Gastfreundschaft keinesfalls über die Maßen der Höflichkeit strapazieren.“

“Ihr werdet uns doch nicht schon verlassen wollen?”, fragte Dom Ramon überrascht, noch ehe seine Tochter etwas erwidern konnte. Auch Linje wirkte etwas unglücklich bei dem Gedanken.

Mit einer beschwichtigenden Geste der Hand ließ Madalena beide verstummen. “Ich werde Dom Stordan gleich morgen schreiben, Domna Selea”, erklärte die Junkerin von Blumenau, in dem Wissen, dass dieser der Verbindung bereits zugestimmt hatte. Aber sie wollte ihn vom Ausgang der Gespräche unterrichten. “Ich werde einen Boten schicken und ich gehe davon aus, dass wir noch vor Ablauf der Woche Rückmeldung haben werden - vielleicht schon in ein, zwei Tagen.”

Ihr Blick fiel auf ihren Vater, dann auf Linje. Schließlich schaute sie kurz zu Tobor, der keine Miene verzog, und dann wieder zu ihrem Gast. “Ich habe Euch zu danken, Domna Selea. Ich habe unser Gespräch sehr genossen und es wäre mir eine Freude und eine Ehre, würdet Ihr in dieser Zeit mein Gast sein. Ihr seid herzlich eingeladen.”