Chronik.Ereignis1032 Die Herren von Pildek 14

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Baronie Pildek, Mitte Rahja 1032 BF[Quelltext bearbeiten]

Auf Maldianas Hof nahe Carhag-Lo[Quelltext bearbeiten]

Autor: Von Scheffelstein

Der Bruder[Quelltext bearbeiten]

Ein Geräusch riss Nado aus dem Schlaf. Benommen setzte er sich auf. Ob Batistar zurück war? Sein Bruder war mit dem Karren zum Markt nach Pildek gefahren, aber am Abend war er nicht zurückgekehrt. Es hatte in Strömen geregnet, vielleicht hatte er es vorgezogen das Ende des Unwetters abzuwarten. Batistars Bett war leer. Seine Mutter schlief. Nado schob das Leinentuch vor dem Fenster beiseite und schaute durch den halb geöffneten Laden hinaus. Es nieselte. Am Horizont aber zeigte sich bereits ein heller Streifen.
„Maldiana!“ Der Schrei kam vom Hof. „Maldiana!“ Das Grauen in der Stimme ließ es Nado kalt den Rücken hinunterlaufen. Er sprang aus dem Bett, schlüpfte in die Hose und rüttelte an der Schulter der alten Bäuerin, während er sich das Hemd über den Kopf zog. „Mutter, Mutter, wach auf!“ Nado hörte, wie die Küchentür aufflog. Seine Mutter setzte sich im Bett auf. Nado griff nach dem Besen an der Wand und öffnete die Tür zur Küche. Ein Mann stand in der Türöffnung zum Hof, seine Umrisse zeichneten sich dunkel gegen das Dämmerlicht ab.
„Maldiana?“
„Wer bist du?“, fragte Nado und fasste den Besenstiel fester.
„Escalio“, sagte der Mann. Nado erkannte die Stimme. Ein Bauer, der nicht weit von hier wohnte, am Rand des Pildeker Waldes.
„Bei Travia, was führt dich zu uns, mitten in der Nacht?“ Seine Mutter war hinter Nado getreten und schob ihn nun sacht beiseite.
„Maldiana, kommt schnell ... ich ... Es ist so dunkel hier. Ihr müsst ...“ Der Bauer verstummte. Maldiana hieß Nado eine Kerze an der Restglut im Herd zu entzünden. Im flackernden Licht erschien Escalios gerötetes Gesicht. Das Haar hing ihm nass in die Stirn, seine Augen spiegelten Furcht und Unbehagen.
„Was ist mit dir, Escalio?“ Die alte Bäuerin griff nach der Hand des Mannes, doch der zuckte leicht zurück.
Escalio schluckte. „Maldiana. Es ist ... dein Sohn. Er ist ... er ist tot.“
Ein langer Moment der Stille verstrich.
„Batistar?“, stammelte die Bäuerin. „Batistar? Nein, nein. Nein!“, rief sie dann. „Nein, nein, nein!“
Nado legte seiner schluchzenden Mutter den Arm um die Schultern. Eine unsichtbare Hand drückte ihm die Kehle zu. „Wo ist er?“, fragte er heiser.
Escalio machte eine unbestimmte Geste nach draußen. „An der Straße. Nah’ unserem Hof.“
Keinen Wasserlauf später führte Escalio sie durch die Dämmerung die Straße nach Pildek hinauf. Alle waren sie mitgekommen: die Mutter, Jago, der alte Knecht Armado, Armados Sohn Balbiano und Jagos älteste Tochter Rondara, die nur ein wenig jünger war als Nado selbst. Escalio hatte Rondara einen schrägen Blick zugeworfen und Jago gefragt, ob er nicht wenigstens das Mädchen daheim lassen wolle. Aber Jago hatte nur mit den Schultern gezuckt. Wenn Rondara mitwollte, würde sie mitkommen, seine Tochter ließ sich schon seit einigen Jahren nichts mehr von ihm sagen.
Als sie sich Escalios Hof näherten und die Bauern, die sich bereits eingefunden hatten, ihnen Platz machten, da aber musste selbst Rondara schlucken, und ihr stolzes und unerschrockenes Gesicht wurde bleich und sie fasste nach Nados Arm.
Neben der Straße stand der Karren, mit dem Batistar zum Markt gefahren war. Das Pferd, noch eingespannt, war tot. An einem Baum, keine hundert Schritt vom Tor von Escalios Hof entfernt, hing Batistar. Seine Füße waren mit einem Strick an einen Ast gebunden, sein Kopf wies nach unten, die Arme hingen leblos an seiner Seite herab. Spuren getrockneten Blutes verliefen über Hals, Gesicht und Hände. Das Hemd war aufgerissen und gab den Blick frei auf Batistars Brust und Bauch – ein leerer Rippenkäfig, über den die Eingeweide hingen.
Maldiana schrie! Sie schrie, als müsste sie selbst die Schmerzen erleiden, die man ihrem Sohn zugefügt hatte. Nado hatte keine Kraft, sich um sie zu kümmern. Wie betäubt starrte er auf den Leichnam seines Bruders, dann wandte er das Gesicht ab. Undeutlich vernahm er die Stimmen der Bauern, das Schluchzen der Männer und Frauen, Jagos zornige Schreie. Tränen liefen über seine Wangen, aber Nado fühlte sie kaum. Er fühlte nichts. Leere. Da war eine große Leere in seinem Innern. Er merkte, dass Rondara ihn in ihre Arme zog, aber er erwiderte die Umarmung nicht. Sie sagte etwas, aber er sah nur aus den Augenwinkeln, dass ihre Lippen sich bewegten, ihre Worte drangen nicht in seinen Geist. Rondaras Hände strichen über Nados Gesicht, wischten die Tränen fort. Batistar! Esperanzada. Talfan. Batistar. Tot. Hatte er einen Fehler gemacht? War sein Bruder gestorben, weil er versagt hatte? Nado ließ seinen Kopf an Rondaras Schulter sinken. Ein Traum. Nur ein Traum! Er würde aufwachen und Batistar im Bett neben ihm sehen. Aber der Schmerz in seiner Brust sagte ihm, dass es kein Traum war. Seine Tränen, die Rondaras Hals bedeckten, waren ebenso echt wie das Blut seines Bruders, das der kalte Regen in die Erde wusch.



Chronik:1032
Die Herren von Pildek
Teil 14