Chronik.Ereignis1033 Feldzug Alina 01

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Baronie Schrotenstein, 26. Praios 1033 BF[Quelltext bearbeiten]

Einige Meilen nördlich von Schrotenstein[Quelltext bearbeiten]

Früher Abend

Autor: Der Sinnreiche Junker

„Reiter!“, entfuhr es dem Caballero Servando Cronbiegler, der im gleichen Alter wie Domna Lilithrud war, jedoch im Gegensatz zu ihr nicht die Knappschaft beim alten Castellan durchlaufen hatte. So hatte Dom Rondrigo, immerhin noch ein Ritter von echtem Schrot und Korn, eigentlich nicht vorgehabt, den aus der ragathischer Bürgerschaft Aufgestiegenen mit zu nehmen, doch hatte dieser darauf bestanden – wohl um die Schwester der vermissten Domna Romina, Domna Rahjada Mera von Ehrenstein-Streitzig ä. H. zu beeindrucken, zu deren zahlreichen Verehrern er zählte.

Der Trupp war bis hart vor den Ort und das gleichnamige Castillo Schrotenstein gelangt, als südlich von ihnen eine Staubwolke eine sich offensichtlich schnell bewegende Kavalkade verriet. Zweifelnd wurden einige Blicke getauscht, mochte die Richtung doch im Hinblick auf Dom Rondrigos erwartete Rückkehr nicht recht Sinn ergeben. „Sie führen ein schwarzes Banner. Mit etwas Silbernem.“, fuhr Dom Servando fort, nachdem er sich in den Steigbügeln aufgerichtet hatte, und die Augen mit der Hand beschattete. „Sieht wie ein Hammer aus. Oder eine Streitaxt.“

„Es ist ein Rabenschnabel“, erklärte Dom Thallian dem jungen Caballero, der wohl die besten Augen haben mochte, aber offensichtlich nicht den schnellsten Verstand. Die Blicke der Gräflichen wandten sich zu Hernán von Aranjuez, dessen schwarzer Umhang eben jenen silbernen Rabenschnabel zeigte. Dieser erwiderte die Blicke nur ausdruckslos, wiewohl er sich tief in seinem Inneren mutmaßlich eines gewissen Triumphgefühls wohl kaum erwehren konnte. Die alte numerische Überlegenheit seiner Leute war wieder hergestellt.

Wenig später ergriff er den Unterarm eines gutaussehenden, jungen Mannes, für den das Wort ‚Schnösel‘ wie gemacht schien. Das Schicksal schien den schlanken Jüngling mit zahlreichen Vorzügen gesegnet zu haben, sah man einmal von der Gnade einer standesgemäßen Geburt ab; zwei Umstände derer sich Gualterio Colonna zum Leidwesen seiner Mitmenschen nur allzu sehr bewusst war. So musterte er unverhohlen mit scheinbar gelangweiltem Blick die übrigen Reiter der Spitzengruppe – und schien nicht sonderlich beeindruckt zu sein. „Am Abend des 26. vor Schrotenstein. Ganz wie Ihr befohlen habt, Onkel.“, wandte er sich statt eines Grußes wieder an den Baron und Junker.

Hinter ihm warteten, jeweils zu Pferd, zehn Mercenarios, die jenen nicht unähnlich schienen, die sich bereits in ihren Reihen befanden. Wettergegerbte, narbige Gesichter, sofern sie Männer waren häufig mit Bart oder zumindest unrasiert. Von der Sonne gebleichte Caldabreser oder visierlose Helme und Sturmhauben auf den struppigen Häuptern, und die Leiber in Kette und Leder gehüllt. Manch einer trug eine Armbrust auf dem Rücken, alle aber ein wildes Sammelsurium aus allerlei längeren oder kürzeren Klingen, und ein jeder mit einer zumindest einstmals (gold)gelben Schärpe, die sie als Angehörige des Unterfelser Terzios Dom Hernáns auswiesen. Einzig Gualterio trug eine geschwärzte Rüstung, und darüber die purpurne Offiziersschärpe.

Kurz wurden die wesentlichen Protagonisten einander vorgestellt, wobei der Neuankömmling wiederum keinen Hehl daraus machte, dass er dabei allenfalls der Höflichkeit genüge tat. Nicht einmal Anzures Ballan, immerhin seit vielen Jahren Freund und Vertrauter seines Onkels, und gleich ihm selbst Offizier in dessen Terzio, widmete er besondere Freundlichkeit.

Etwas überraschend lenkte Hernán von Aranjuez dann aber sein Ross von der Straße. „Wir werden Dom Rondrigos Rückkehr in Alina erwarten, wo wir auch das Nachtlager aufschlagen werden. Dort steht der Gutshof eines alten Bekannten“, verkündete er, ohne irgendjemandes Einverständis zu erfragen. Eine Kreisbewegung der über das Haupt erhobenen rechten Hand, und wortlos folgten ihm seine Leute, Reiter wie Fußsoldaten samt den Karren. Die Übrigen blieben zunächst etwas ratlos zurück.

„Aber was ist, wenn Dom Rondrigo uns nicht findet? Was ist, wenn er annimmt, wir seien in Richtung Selaque gezogen?“, rief der junge Caballero hinterher.

„Keine Sorge“, antwortete Dom Hernán, ohne sich umzuwenden. „Dom Rondrigo wird uns finden. Es ist nicht weit.“

So blieb dem Caballero wenig anderes übrig, als seinen Leuten das Zeichen zu geben, den Mercenarios zu folgen, die scheinbar ohne Eile zwischen Trauerklippen und Briesacher Wald vorbei zogen. Als sie wenig später aus dessen Schatten heraus ritten, lag vor ihnen, am Rand der Elentinischen Ebene und die Aliner Kuppen im Hintergrund, das Dörfchen Alina, an das sich Rigoroso, das Gut Dom Ordonyo di Alinas anschloss.


Autor: SteveT

Auf dem Junkergut Rigoroso nahe Alina, etwa zur selben Zeit[Quelltext bearbeiten]

"He Pepote! Sieh zu, daß das Pack nicht bei der Arbeit einschläft! Nur weil mein Vater nicht da ist, heißt das noch lange nicht, daß hier deshalb der Müßiggang Einzug hält!"
Der dicke, wie immer stark schwitzende Administrador des säulengeschmückten Landgutes Rigoroso nickte untertänig und hob einen Stock vom Boden auf, mit dem er den keuchenden eigenhörigen Maiden und Knaben, die Mehlsäcke aus dem Inneren der sich langsam drehenden Windmühle zu einem Karren schleppten, ein paar kräftige Schläge auf den Rücken oder den Hosenboden verpasste, damit sie beim Aufladen einen Schritt zulegten.
Mißmutig nahm Dulcinea Rigorosa di Alina, die großgewachsene und gertenschlanke Tochter des Hausherrn Ordonyo di Alina noch einen Schluck aus dem Weinschlauch und ließ sich dann mit hochgelegten Stiefeln gemütlich auf der Veranda des Herrenhauses nieder. Sie rülpste herzhaft - schließlich war sie hier zu Hause und nicht am Hof von Punin - was ging es sie an, was die dummen Eigenleute über sie dachten.
"Domnatella! Domnatella Dulcinea!" kam aufgeregt der junge Albico oder Alrico oder wie auch immer, jedenfalls einer ihrer Pferde-Hirten, die Pinienallee heruntergerannt, die vom Dorfe Alina her schnurstracks auf auf ihren Gutshof zuführte.
"Für Dich immer noch »Euer Wohlgeboren«!" schnautzte ihn Dulcinea an. "Was krakeelst Du so herum, als wärst Du noch dümmer, als Du in Wirklichkeit schon bist?"
"Reiter, Herrin! Sehr viele Reiter und Soldaten, Herrin! Ich...ich glaube das sind Söldner! Die führen gewiss nichts Gutes im Schilde! Sie kommen vom Dorf her - ich glaube, sie ziehen direkt hierher!"
Dulcinea ließ überrascht den Weinschlauch sinken. Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet! Sie hatte zwar die Klingen aus der Waffenkammer an ihren Adminstrador und die Pferde-Hirten ausgegeben - aber eher, weil sie einen möglichen Angriff aus dem Osten, einen Überfall durch die Ferkinas erwartet hatte. Wieso hatte niemand in Schrotenstein oder in der burgenreichen Mark Ragathsquell ein Söldnerheer aufgehalten? Ihr Vater war nicht da, noch immer auf dem Castillo der hundsföttischen da Vanyas, die er wie Ratten aus dem eigenen Nest gejagt hatte. Jetzt in seiner Absentia war sie hier die Herrin - also was tun?
"Pepote! Du reitest ihnen entgegen - ich bin nicht da! Ich werde mich in dem Wäldchen östlich der Aliner Kuppen verbergen! Du, Alrico, rennst zu den anderen Hirten und ihr treibt die Pferde von der Weide! Ausnahmsweise dürft ihr sie heute auch einmal reiten. Versteckt sie in dem kleinen Tal in den Aliner Kuppen!"
"Ja Herrin!" nickte der Junge. "Aber ich heiße Cahusac - nicht Alrico!"
"Dann war das halt ein anderer, Du Schmutzfink - ist mir doch egal! Los, nimm die Beine in die Hand!" kreischte die Domnatella cholerisch und suchte hektisch nach ihrem Caldabreser, ohne ihn zu finden. Sie war schon halb auf dem Sprung zum Pferdestall und ihrem eigenen Reitpferd, als sie sah, daß Pepote immer noch unschlüssig herumstand. "Na was ist denn? Nimm Dein Maultier und reite ihnen entgegen, wie ich es Dir befohlen habe!"
"Sehr wohl, Herrin!" verbeugte sich der dicke, schnauzbärtige Administrador, dem anzusehen war, daß er sich absolut nicht wohl in seiner Haut fühlte. "Aber was soll ich ihnen denn sagen, wenn sie den Junker oder Euch zu sprechen wünschen oder gar Gastung und Quartier verlangen?"
"Lehne höflich bedauernd ab - Du sagst, das Gut sei zu klein und die Ernte zu schlecht gewesen, um derart viele Leute zu versorgen. Drohe ihnen notfalls mit Bestrafung durch die Reichsvogtin - was weiß ich... jedenfalls seien die Herrschaften im Krieg gegen die Wilden und Du weißt nicht, wann sie zurückkommen!" Ohne ein weiteres Wort der Erklärung holte die Junkerstochter ihre schwarz-weiß gescheckte Stute aus dem Stall und sprengte auf ihrem Rücken gen Norden davon.
"Wenn das mal gut geht!" zuckte Pepote resignierend die Achseln und warf mit reichlich mulmigem Gefühl die Satteldecke über sein Maultier.


„Da kommt wer!“ Wieder war es der Caballero Servando Cronbiegler, der als Erster den rasch näherkommenden Reiter auf der piniengesäumten Allee ausmachte. Dieser entpuppte sich alsbald als der korpulente Administrator des Gutes..

„Ich bedaure den edlen Doms mitteilen zu müssen…“, begann Pepote nach den üblichen Begrüßungsfloskeln eilfertig – und hielt inne, da einige der Neuankömmlinge ihre Rösser mitnichten gezügelt hatten, sondern unbeirrt weiter in gemächlichem Tempo die Straße hinab ritten.

„Aber Dom Hernán…“, rief der Caballero, der innegehalten hatte, dem Condottiere, der dies, gefolgt von Gualterio Colonna und Anzures Ballan nicht getan hatte, hinterher. So blieb ihm und Pepote nichts anderes übrig, als sich gleichfalls wieder in Bewegung zu setzen.

„Edle Doms, leider sind sowohl mein Herr, Dom Ordonyo di Alina, als auch seine Tochter, Domnatella Dulcinea, nicht zugegen, sondern streiten tapfer wider den Wilden“, verkündete er, nachdem er wieder halbwegs aufgeschlossen hatte. „Oh, und…“, fügte er hastig hinzu, nachdem er sich den Schweiß von Stirn und Schläfen gewischt hatte „…bedauerlicherweise können wir Euch kein Quartier anbieten. Wie die guten Doms erkennen können, ist Rigoroso nicht groß.“

„Wir sind nicht hier um Quartier zu nehmen“, erklärte ihm Hernán von Aranjuez ohne auch nur einen Seitenblick. „Wiewohl wir tatsächlich gehofft hatten, Dom Ordonyo hier womöglich anzutreffen. Sag, ist er allzu fern? Wann wird er zurück erwartet?“

„Ich bedaure, ich bedaure…“, neigte Pepote mehrfach das bloße Haupt „…doch haben die Herrschaften mir keinen Termin für ihre Rückkehr genannt, und ich weiß auch nicht, wohin sie geritten sind. Nun, gen Osten, aber weit, ja, gewiss, weit weg.“

„Wie…bedauerlich“, nickte der Condottiere, und ließ den Blick über das einige Hundert Schritt entfernte Junkergut schweifen, um dann scheinbar laut zu überlegen: „Vielleicht sollten wir doch die Gastfreundschaft Dom Ordonyos in Anspruch nehmen, und hier seiner Rückkehr harren...“

Die Augen des Verwalters weiteten sich voller Schrecken. „Aber…die Ernte, die Ernte war wirklich schlecht, Euer Wohl…hoch…geboren! Wir könnten eine solch große Zahl an Gästen keinesfalls adäquat versorgen!“

„Haben wir denn überhaupt die Zeit dafür, Dom Hernán?“, gab schließlich auch der junge Caballero vorsichtig zu bedenken.

„Ach ja, die Zeit“, lächelte der Baron und Junker schmal. „Dom Servando hat Recht, daran mangelt es uns. Würdest Du Deinem Herrn eine Nachricht übermitteln, sobald er zurück kehrt?“

„Aber gewiss, gewiss, Dom…Hernán.“

„Sag Deinem Herrn, dass Hernán von Aranjuez ihn sucht.“

Der Verwalter furchte die Stirn, und wischte sich einige weitere Schweißtropfen fort. „Mehr nicht, Herr?“

„Mehr nicht“, nickte der Condottiere. „Alles weitere werden wir selbst besorgen.“ Damit wendete er sein Ross halb, sodass er den nachfolgenden Zug überblicken konnte, und richtete sich in den Steigbügeln auf. „Plündert das Gutshaus, hernach brennt es zusammen mit der Mühle nieder! Legt Feuer in den Feldern und stecht das Vieh ab! Haut nieder, wer sich euch in den Weg stellt, aber schont die Fellachen! Ihre Behausungen und die Stallungen lasst unberührt, ebenso wie die Rösser. Man soll von einem Aranjuez nicht sprechen wie von einem gemeinen Pferdedieb“, kommandierte er ruhig. „Gualterio, Du nimmst Dir sechs unserer Leute, schwärmt gen Osten aus. Ich wünsche keine unliebsamen Überraschungen. Anzures, Du deckst uns mit dem Rest.“

Zwei Kreisbewegungen des erhobenen rechten Arms, und Augenblicke später zerstob die Kolonne, und zurück blieben vorerst nur der japsende Verwalter Pepote, der kreidebleiche Caballero Cronbiegler mit den Gräflichen, sowie Dom Thallian Damotil mit seinen Leuten.


Autor: Dom Thallian

Der Magus Rondago Aranjuez hatte den Wortwechsel seines Verwandten mit diesem erbärmlichen Jammerlappen von Verwalter mit locker übereinandergelegten Händen auf dem Sattel ohne Worte verfolgt, doch sprach aus seinen Augen offenkundige Verachtung für diesen heuchlerischen, verlogenen Wurm von einem Mann. Den Befehl des Baron das Gut zu plündern hatte er nur mit einer hochgezogenen Augenbraue quittiert und erst als es um sie etwas ruhiger geworden war, richtete er das Wort an Hernan. „Die hat es sich wohl mit Dir reichlich verscherzt, hmm?“ fragte er ,mehr rhetorisch als ernsthaft eine Antwort benötigend in dessen Richtung.

Sein Blick ruhte dabei kurz dem Condottiere bei dem ein feines Lächeln seine Lippen umspielte, aber viel interessanter schienen die Gräflichen für ihn zu sein, denn deren Reaktion auf das Geschehen beobachtete er aufmerksam. Dem Simancaner, seinem Schlagetot und seinem Bauerngesindel schenkte er indes keine nennenswerte Aufmerksamkeit, ihr Einfluss auf den weiteren Verlauf der Reise, so schätzte er, würde ohnehin eher bescheiden sein.

Dom Thallian hatte einen Augenblick gebraucht um zu realisieren, was hier so eben sich zugetragen hatte. Für einen Augenblick war aus seinem Gesicht, wie auch bei einigen anderen umstehenden, jede Farbe gewichen. Unter seinen Leute begann alsbald aufgeregtes Getuschel, während der Caballero seinen Protest am liebsten herausgebrüllt hätte nachdem das Blut zornig rot in seinen Kopf zurückgeschossen war. Der ruhende Pol in der kleinen Gruppe war indes Ferox, dessen kantiges, hartes und vernarbtes Gesicht keine Gefühlsregung jedweder Art zeigte. Als sein Caballero nach den Zügel griff um wohl im nächsten Augenblick voranzustürmen, streckte er seine Rechte aus und hielt diesen zurück. “Nicht…” begleitete er wortkarg seine Reaktion. Seine Hand fasste den Zügel des anderen Pferdes. “Lass…” presste der Thallian zornig aus den verbissenen aufeinander gepressten Kiefern hervor. “Nein.” Wiederholte der Söldner an seiner Seite erneut mit ruhigem aber bestimmten Ton. “Nicht jetzt und hier.” Er wandete seinen Blick vom Dom ab und visierte die Gruppe um Dom Hernan an um zu beobachten was dort vor sich ging.

Es kostete Thallian einiges an Selbstbeherrschung um seinen Zorn wieder zu bändigen und nicht wie vor wenigen Augenblicken noch beabsichtigt loszustürmen. Wieder einmal hatten ihn brodelnde Gefühle übermannt – eine Sache die ihn etwas was mit Sorge erfüllte, denn früher hatte er hiermit nicht zu kämpfen gehabt. Almada, seine neue Heimat, war das Land der Heißsporne und wie es ihm schien, schlug das Land in mehr und mehr in seinen Bann. Er holte tief Luft und atmete beherrscht aus. “Ist gut Ferox.” Wandete er sich an seine Begleiter, doch der hatte sich bereits von ihm abgewandt und verfolgte das Geschehen einige Schritt weiter bei den Aranjuezern. So schaute auch er herüber während er sich zugleich im Geiste zusammentrug was er alles über dieses Gut wusste. Sein Gedächtnis hatte ihn noch nie im Stich gelassen und so hatte er sich bald im Geiste zusammengetragen was ihm zu der Dominie zu Ohren gekommen war.

Seine Leute indes wurden aber unruhiger mit jedem Moment der verstrich. “Dom?!” wandete sich einer von ihnen an den Caballero. “Was sollen wir tun?” Thallian wandete sich ihm zu. “Nichts.” Erwiderte er und holte nochmal Luft. “Die Ferkinas sind unsere Feinde, nicht das eigene Land.” Er suchte den Blick zu seinem Dutzend Leute. “Wir sind keine Plünderer und Mordbrenner. Wir warten die Rückkehr des Castellans ab, dann sehen wir weiter.”


Autor: Der Sinnreiche Junker

„Alles zu seiner Zeit, Vetter. Die Bosquirische Jungfer kommt schon noch an die Reihe, einstweilen aber halten wir uns an ihren Handlanger, Dom Ordonyo. Pech, dass seine Güter auf unserem Weg liegen. Nun ja, streng genommen nur beinahe auf unserem Weg…“, endete Hernán von Aranjuez mit einem leisen Seufzen, hatte er doch aus dem Augenwinkel gesehen, dass der gräfliche Caballero die Streiter Dom Brandils umformiert hatte, und aus den Zweierreihen nun zwei Viererreihen geworden waren. Es bedurfte nicht erst des gezogenen Schwertes, dass der Jüngling gedachte, Ärger zu machen. Er bedeutete seinen Reiten, zunächst abzuwarten, und trabte heran. „Wie’s aussieht…“, kommentierte der Condottiere nicht ohne Spott „…hat unser ragathisches Pfeffersäckchen doch tatsächlich irgendwo im hintersten Winkel seiner Seele so etwas wie Mut gefunden.“

„Im Namen Seiner Hochwohlgeboren befehle ich Euch, Eure Leute zurück zu pfeifen!“, rief Servando Cronbiegler mit sich überschlagender Stimme.

„Dom Servando, ich rate Euch dringend, Euch nicht einzumischen“, entgegnete der Condottiere mit ruhiger Stimme, und ohne den gemächlichen Tritt seines Rosses in Richtung des Gutshofes zu zügeln.

Daher sah sich der Caballero wohl genötigt, seinem Pferd die Sporen zu geben, überholte die Aranjuezer, und hielt das Tier einige Schritte vor ihnen quer zum Weg an. „Was Ihr tut, ist nicht rechtens, Euer Hochgeboren, und dazu verlieren wir noch kostbare Zeit!“

„Ihr irrt Euch in beidem, Caballero. Ersteres Euch auseinander zu setzen würde in der Tat kostbare Zeit verschwenden, bei zweiterem verhält es sich so, dass wir heute ohnehin nicht mehr weiter ziehen werden, zumal wir auch Dom Rondrigos Rückkehr abwarten müssen.“ Verunsichert blinzelte der junge Ritter, machte aber keine Anstalten den Weg frei zu geben, sodass der Baron und Junker fortfuhr: „Wenn es Euer Gewissen beruhigt, so habt Ihr mein Wort, dass ich mich nach unserer Rückkehr persönlich bei Seiner Hochgeboren verantworten werde.“

„Selbst wenn ich mich darauf einlassen würde, wer garantiert mir, dass Ihr unsere Unternehmung überhaupt überlebt?“

„Deswegen…“, lächelte Hernán von Aranjuez dünn „…begleiche ich die Rechnung schon auf dem Anmarsch. Sollte ich fallen, so haben die Götter zweifellos beschlossen, mich für diese Sünde zu strafen, und so mag auch Seiner Hochwohlgeboren die Arbeit erspart sein. Ich für meinen Teil bin bereit, es darauf ankommen zu lassen. Und nun gebt den Weg frei.“

„Niemals!“, schüttelte der Caballero das Haupt, und richtete die Schwertspitze auf die Brust seines Gegenübers. „Im Namen Seiner Hochwohlgeboren BEFEHLE ich Euch, Euren Leuten sofort Einhalt zu gebieten!“

Einen Moment lang legte der Condottiere den Kopf schräg und schien in den jugendlichen Zügen des Anderen lesen zu wollen, wie ernst es ihm wirklich war. Dann hatte er sich scheinbar entschieden und sprach beinahe leise: „Nehmt das Schwert weg. Und wagt es niemals wieder eine Waffe auf mich zu richten.“ Dom Servando aber machte keinerlei Anstalten dem Folge zu leisten. Als aber Hernán von Aranjuez kurz an ihm vorbei sah, als sei etwas im Rücken des Caballeros, machte dieser den Fehler sich ebenfalls um zu wenden. Als er dort niemanden sah und jenen Fehler erkannte, war es bereits zu spät. Mit der gepanzerten Hand hatte der Condottiere die Schwertspitze beiseite gestoßen, und sein Ross direkt neben den Caballero gebracht. Dieser fuchtelte nun hilflos mit der viel zu langen Klinge, ehe sein Gegenüber ihn jeweils an Arm und Halsberge zu fassen bekam, und aus dem Sattel riss.

Der Söldner an der Seite des Simancaner Caballeros hatte ein wenig die Augenbraue gehoben als der junge Adelige sich mit lauter Stimme daran versuchte dem altgedienten Condottiere Einhalt zu gebieten. Als dann dieser auch noch das Schwert zog, entwich seinen Lippen leise „Was für ein Narr!“ und rollte mit den Augen. Der Caballero indes verfolgte die Szene mit zusammengepressten Lippen und einem kritischen Stirnrunzeln auf seinen Zügen.

„Du dreckiger, kleiner Fliegenschiss von einem Neuadligen“, zischte er hinab zu dem mit lautem Scheppern zu Boden Gegangenen. „Hast Du den Verstand verloren? Hast Du vergessen, wo wir hier sind? Wir sind hier nicht bei Hofe, wo hochgekommene Wichte wie Du ein bisschen mit der Klinge fuchteln und den Dämchen nachstellen. Meine Altvorderen haben in diesem Land schon Fehde geführt, da sind Deine noch den Misthaufen rauf und runter geklettert, unter dem sie irgendwann einmal hervor gekrochen sind. Misch Dich noch einmal in meine Angelegenheiten, und ich schicke Dich in Streifen nach Hause. Hast Du das jetzt endlich verstanden?“ Wie zuvor die Schwertklinge auf den Condottiere gerichtet war, war nun kaum weniger drohend dessen eiserner Zeigefinger auf das Antlitz des wieder halb aufgerichteten Caballeros gerichtet.

Die Bewegung, die indes bei dem Geschehen in die Gräflichen gekommen war, hatte Rondago von Aranjuez mit einem Kopfschütteln beantwortet. Auch wenn sie ihn in ihrer Überzahl problemlos hätten überwältigen können, schien niemand erpicht darauf zu sein, sich als Erster dem Magier bzw. seinen Zauberkünsten zu stellen, und ehe sie dahingehend eine Entscheidung treffen konnten, war das Ganze auch schon wieder vorbei. Servando Cronbiegler stieg soeben mit hochrotem Kopf wieder auf, da waren die Aranjuezer – schneller dieses Mal – schon wieder losgeritten in Richtung des Gutes.

„Was sollen wir tun?“, fragte der Weibel vorsichtig, als die Reiter ihren augenblicklichen Anführer erreicht hatten.

„Nichts, verdammt!“, giftete dieser, noch immer beschämt, zurück, und gab seinem Ross die Sporen, um die letzten Hundert Schritt bis zum Gut allein sein zu können.

Dort war die Plünderung des Herrenhaus derweil bereits in vollem Gange, und die Mercenarios hatten schon einen veritablen Stapel an Möbeln, Gemälden, feinen Stoffen, Geschirr und dergleichen mehr aufgetürmt, wobei augenfällig war, dass sich der gemeine Söldling durchaus gerne von schön anzusehendem aber letztlich beinahe oder gar gänzlich wertlosem Tand täuschen ließ. Selbstverständlich blieben auch Speisekammer und Weinkeller nicht unberührt, und manch einem der in sicherem Abstand, und mit einigen wachsamen Landsknechten zwischen ihnen und dem Geschehen, wartenden zahlreiche Feldarbeiter – und noch immer kamen von weiter entfernten Äckern neue hinzu – lief bei dem Anblick wohl das Wasser im Munde zusammen. Doch weder wagten sie sich an die Besitztümer ihres Herrn, noch schienen sie sonderlich erpicht darauf, für die wenig geliebte Herrschaft zu den ohnehin nicht vorhandenen Waffen zu greifen.

Dom Thallian und seine Leute bildeten die Nachhut vom Aranjuezer Baron und dem Trupp Gräflicher auf dem Weg zum Gut. Auf dem Weg wandte er sich an Ferox. „Das hier ist zweifelsohne nicht dass was ich erwartet hatte, als wir loszogen um die Heimat vor Ferkinas zu schützen, aber das gehört wohl hier zum guten Ton unter den altehrwürdigen Familias sich gegenseitig in Fehden zuzusetzen.“ Er seufzte leise. „In Garetien würde damit wohl kaum einer durchkommen... aber hier...“ er schnaubte verächtlich. „Als gäbe es nichts drängenderes als irgendwelche Rivalen auf dem Weg zu plündern.“ Ferox zuckt mit den Schultern schwieg aber. Seine Augen indes beobachteten aber aufmerksam die Vorgänge am Gutshof, der nun nur noch wenige Schritte entfernt war. „Aber eins ist wohl klar...“ knurrte Thallian während auch er den nachbarlichen Baron bei seinem Treiben zusah. „Streit mit ihm zu suchen wäre wohl mehr als unklug – es sei denn ich würde Simancas auch brennen sehen wollen. Wir werden also gute Miene zu diesem bösen Spiel machen. Dennoch...“ nachdenklich blickte er zum Anwesen herüber. „Das ist ein ziemlicher Affront und obendrein ist dies Land dass zu Praiosmin von Elenta gehört.“ Ferox sah ihn fragend an. „Oh... Reichsvogtin von Selaque und ehemaliges Mitglied der Suprema. Eine wie ich gehört habe unglaublich dicke Domna und äusserst ungemütlich.“ Thallian rieb sich nachdenklich dass Kinn. „Fehde hin oder her. Hernan muss einen schwerwiegenden Grund haben sich an ihrem Junker zu vergehen. „Vielleicht unglückliche Liebe?“ schlug Ferox vor und grinste. Einen Moment sah in Thallian perplex an, dann lachten beide kurz schallend auf, während sie, von fragenden ratlosen Blicken ihrer Bewaffneten bedacht, der Plünderung weiter zusahen.

Mit grimmiger Zufriedenheit betrachtete Hernán von Aranjuez sein Werk, und beachtete weder die gerade einrückenden Gräflichen, noch die dahinter folgenden Leute Dom Thallians. Einzig als der Gutsverwalter Pepote lautstark zu Klagen begann – und dabei dem abgestochenen Vieh nicht unähnlich klang – wandte er kurz das Haupt, sah aber dann gen Himmel, wo nur einige wenige Wolken dahin zogen. Mit Regen war wohl nicht zu rechnen. „Herr“, unterbrach ihn einer seiner Reiter, derweil im Hintergrund ein Raunen durch die Anwesenden ging, als in einiger Entfernung eine hohe Stichflamme aus der Mühle schoss. Vorsichtshalber hatte man sich gar nicht erst mit Feuer in ihre Nähe gewagt, sondern sie mit Brandpfeilen beschossen, bis die mehlgeschwängerte Luft spektakulär Feuer fing. „Wir haben die Gegend abgeritten, und der Teniente lässt bestellen, dass es riskant wäre, die Felder anzustecken. Gen Osten wächst ohnehin nicht viel, gen Westen aber gehen sie bis hinüber nach Schrotenstein.“

Verstehend nickte der Condottiere. Die Felder Dom Lucranns oder seiner Vasallen zu verheeren sollte natürlich vermieden werden. Sollte sich doch Dom Ordonyo künftig ganz einer Existenz als Bauer hingeben dürfen. Im Hause begann indes vernehmbares Poltern und Krachen, untrügliches Zeichen dafür, dass die Mercenarios begonnen hatten die übrigen Möbel zu zerschlagen - und gewiss auch ansonsten alles, was ihnen wertlos erschien, kurz und klein zu hacken - um mit ihnen sowie groben Stoffen und Papieren ölgetränkte Haufen zu bilden, um das Gebäude alsbald in Brand zu stecken. Ein Schicksal, das die leeren Stallungen und vollen Heuschober bereits ereilt hatte. Abgesehen von den entfernter stehenden Behausungen der Fellachen, waren nur der Getreidespeicher und der Geräteschuppen verschont geblieben.

„Wenn Du Ordonyo di Alina wärst, und Du sähest Rauch am Horizont, oder Feuer in der Nacht, dort, wo Du Deinen Hof vermuten würdest. Von wo würdest Du Dich annähern?“, wandte er sich an Anzures, der sich mittlerweile an seine Seite gesellt hatte.

„Ich würde Ferkinas vermuten, und mein Leben wäre mir wichtiger als mein Hab und Gut. Abziehen würden sie wohl zwischen den Hügeln und dem Wald“, deutete er zunächst zu den Aliner Kuppen, und dann gen Süden zum Briesacher Wald. „Oder aber sie haben sich auch noch das Dorf vorgenommen. So oder so, ich würde zuerst einmal im Norden auf die Hügel steigen“, antwortete dieser nach kurzem Nachdenken.

Wiederum nickte der Condottiere: „Erst einmal einen Überblick verschaffen; ja, würde ich auch. Also zweimal zwei unserer Leute auf den Hügeln, mit gutem Blick nach Süden und Osten, ein Hornsignal, wenn Gefahr im Verzug ist. Unser Lager schlagen wir zwischen hier und Alina auf, Fleisch und Met spendiert heute Abend Dom Ordonyo. Den Rest sollen seine Fellachen haben, wenn sie es denn wagen. Ah, und wir werden noch einige seiner schönen Pinien schlagen“, schloss er schließlich mit einem Blick auf die Allee.

„Heda!“, rief er dann einige der verdutzt innehaltenden Mercenarios an. „Der Platz auf den Wagen ist begrenzt, also nehmt gefälligst nur wertvolles Gut mit, oder zumindest solches, das leicht zu verstauen ist.“ Einige besonders schöne Stücke ließ er sich dann freilich doch auf die Wagen packen, auch wenn er sie später teuer bei seinen Leuten würde auslösen müssen, da ihnen somit weniger Raum für ihr eigenes Plündergut blieb. Dann ließ er sich eine Fackel reichen, ritt hart an das Herrenhaus heran, und warf sie durch ein geöffnetes Fenster. Ein Dutzend andere folgten, durch weitere Fenster und hinauf aufs Dach, derweil die Karren begleitet von den meisten Bewaffneten bereits abrückten.

Rondago ritt an der Seite von Hernán ebenfalls an das Haus heran. Allerdings bemühte er keine Fackel um sich an dem Werk zu beteiligen, sondern streckte vielmehr die Hand aus, visierte über die ausgestreckten Finger durch ein offenes Fenster ein ölgetränkten Möbelhaufen an. Wärmste Grüsse an das Haus di Alina...“ kommentierte er trocken, jedoch drückte ihm der Vetter den Arm nach unten. „Heb Dir das gefälligst für die Ferkinas auf. Hier genügen Feuerstein, Stahl und Zunderwerk.“

Eine Weile sahen sie dabei zu, wie die Feuer im Inneren des Hauses größer und größer wurden, nach mehr und mehr Fläche leckten, bis schließlich Gardinen Feuer fingen, und die Flammen aus den weiten Fensteröffnungen schlugen. Löschversuche waren nun aussichtslos, und doch wandte sich der Condottiere noch einmal an das Aliner Landvolk: „Verfahrt nach eigenem Gutdünken mit den Überbleibseln. Aber wenn ich einen von Euch beim Löschen erwische, dann such‘ ich mir etwas anderes zum anzünden.“

Dann lenkte er sein Ross herum, und die letzten ‚Gäste‘ verließen das Gut gen Alina. Als nach einigen Wassermaßen – längst war die Dunkelheit herein gebrochen – als letztes das Gebälk des Herrenhauses nach gab, und der Bau in einem Stoben von Funken und aufschlagender Flammen in sich zusammen krachte, war zwischen den ansonsten rauchenden Ruinen des Junkergutes Rigoroso und dem Dorf das kleine Lager entstanden. Die Wagen hatte man an der Nordseite zu einer Art Brustwehr zusammen geschoben, und gen Osten ließ Hernán von Aranjuez über ein Dutzend der mittlerweile gefällten Pinien so nebeneinander ausrichten, dass ihre Baumkronen eine grüne Wand gegen jeden Angreifer bildeten. Lediglich eine keine zehn Schritt breite Schneise blieb zwischen den Bäumen offen. „Rösser werden vor dem Hindernis scheuen, und Fußsoldaten können sich kaum geräuschlos hindurch schlagen“, erklärte ein erfahrener Kriegsmann einem Jüngeren. „Und die Lücke lässt der Herr, um die Angreifer dort hinein zu locken. Wenn sie dann dicht gedrängt herein stolpern, können wir von drei Seiten auf sie schießen, einstechen, drein schlagen…“

Vorausgesetzt natürlich, die Späher in den Aliner Kuppen oder zumindest die lockere Postenkette um die Lagerstatt schlugen rechtzeitig Alarm. Von letzterer abgesehen blieb das Lager in Richtung Süden und Westen freilich ungeschützt.


Autor: von Scheffelstein

Dulcinea di Alinas Hände zitterten, ebenso wie ihre Lippen. Sie konnte nicht glauben, was ihre Augen sahen, wollte nicht wahrhaben, was langsam in ihr Bewusstsein drang: Rigoroso brannte. Ihr Heim, ihr Erbe, der Besitz ihres Vaters, der Stolz ihres Großvaters, nach dem das Gut benannt worden war – brannte lichterloh!

Sie hörte die Stimme des alten Dom Rigoroso in ihren Ohren: "Das Kind ist ein Mädchen! Aus dem wird nie etwas werden! Du brauchst einen Erben, Junge, nimm dir ein Weib und zeuge einen neuen Sohn, oder du wirst es eines Tages bereuen!"

Tränen hilfloser Wut rannen über die Wangen der hageren jungen Frau, als sich die Worte ihres Großvaters nun zu bewahrheiten schienen.

Ihr erster Impuls war, zu fliehen. Fortzureiten, weit, weit fort, wo niemand sie kannte, niemand je erfahren würde, dass sie das Land der Alinas nicht hatte beschützen können. Aber das konnte sie nicht. Wo sollte sie auch hin? Nach Ragath, Punin, ins Horasreich? Sie trug kaum einen Taler bei sich, wovon sollte sie leben? Sie würde arbeiten müssen, denn niemand fütterte eine verarmte Adlige durch, die noch dazu aus einem Geschlecht stammte, das sich seit Jahrzehnten alle Mühe gab, sich Feinde zu machen. Und arbeiten kam nicht infrage!

Dulcinea heulte auf! Das Schicksal war so ungerecht! Wie konnten die Götter ihr so etwas antun? Wer auch immer das gewesen war, er hatte gründliche Arbeit geleistet: Der Hof brannte, die Ställe brannten, selbst die Pinien an der Allee waren gefällt: Nie wieder würde es werden wie zuvor!

Dulcinea hatte sich im Rücken der Söldner in die Hügel geschlagen. Das Wappen, das diese führten – ein silbernen Rabenschnabel auf schwarzem Grund – kannte sie nicht. Sie wusste nicht einmal, ob es ein almadanisches Wappen war. Vielleicht standen die Garetier schon vor der Tür. Hatte nicht die Reichsvogtin davon gesprochen, der Kaiser liege im Streit mit seiner Schwester? Dulcinea hatte nicht zugehört. Politik interessierte sie nicht. Im Grunde genommen interessierte sie gar nichts. Nur, wenn ihr Vater fort war, sie die Füße hochlegen, Wein trinken und sich von den Dienern ein Bad bereiten lassen konnte, fühlte sie kurz ein flüchtiges Gefühl der Befriedigung. Doch damit war es jetzt vorbei! Für immer!

"Herrin, Herrin!"

Dulcinea zuckte so sehr zusammen, dass sie das Ross am Zügel riss und die Stute wiehernd auf der Stelle tänzelte. "Still!", schrie sie das Pferd an, von dem sie herabgestiegen war, um sich besser zwischen den Büschen verbergen zu können.

Der Junge war wieder da, Alrico – nein: Caruso? – ach, es war egal, wie er hieß!

"Herrin!", schnaufte er, außer Atem. "Ihr müsst verschwinden, Ihr seid in Gefahr!"

"Das weiß ich!" kreischte Dulcinea und hasste sich dafür, dass ihre Stimme so schrill und mädchenhaft klang.

"Die Söldner, sie haben alles angesteckt!", sagte der Junge.

"Das sehe ich selbst, du Idiot!", giftete die Junkerstochter. "Warum hat sie Pepote nicht aufgehalten? Hä, wieso nicht? Der Taugenichts! Wozu bezahle ich ihn überhaupt?", rief sie, obwohl sie genau wusste, dass der Verwalter nichts gegen ein Söldnerheer ausrichten konnte – und im Grunde genommen bezahlte sie ihn noch weniger als ihr Vater, der nicht müde wurde, Pepote darauf hinzuweisen, dass dessen Familie unter Dom Rigoroso in die Eigenhörigkeit geraten war, da sie den Zehnt nicht hatte zahlen können.

"Ich ... weiß nicht, Herrin!", stammelte Caldaio – na, der Bengel halt! "Aber, bitte, Herrin, meine Großmutter hat gesagt, Ihr sollt verschwinden, nicht, dass Ihr den Söldnern in die Hände fallt und die Euch ... äh ... also ... ich meine ..."

"Ja?", fuhr Dulciena auf. "Sprich dich nur aus!"

"Also, äh, meine Großmutter hat gesagt", sagte der Kleine und drehte seine Kappe unruhig in den Händen, "na, dasseshaltsöldnersindundmanweißjawasdiemitjungenfrauen ... Au, AUUU, AUUUUA!"

"Halt dein Maul!", kreischte Dulcinea und versetzte dem Jungen drei schallende Ohrfeigen. "Niemand vergreift sich an mir oder irgendwem! Niemand wagt das!", schrie sie, und ihre Angst war beinahe größer als ihre Wut, als in ihrem Geist das Bild ihres Großvaters auftauchte, den sie als Kind beim Streit mit ihrem Vater belauscht hatte.

- "Sie hätte sterben sollen, nicht der Junge! Die Götter haben dich verflucht, Sohn. Hör auf mit der Hurerei und suche dir eine Frau, die dir einen Erben gebiert! Einen Erben, der unseres Namens und des Schwarzen Stiers würdig ist!"

- "Was kann ich dafür, dass Ila gestorben ist und der Junge auch, Vater? Sie lebt halt, also ist sie meine Erbin, so will es das Recht."

"Herrin?"

"Der Rauch, der verfluchte Rauch brennt mir in den Augen!", knurrte Dulcinea und wischte sich übers Gesicht.

Stets hatte Dom Rigoroso ihr die Schuld dafür gegeben, dass ihre Mutter und ihr Zwillingsbruder bei ihrer Geburt gestorben waren. Und jetzt brannte das Gut, und sie konnte nichts dagegen tun. Und sie hatte solche Angst davor, es ihrem Vater beichten zu müssen. Was, wenn er nun doch ihrem Großvater recht gab, dass sie eine Versagerin war – und das nur, weil sie nicht der Knabe war, der hätte leben sollen, der sie hätte sein sollen ...? Dulcinea ballte die Faust. Auch ihr Bruder hätte das hier nicht verhindern können!

"Ich werde nicht verschwinden!", sagte sie. "Ich hole Verstärkung! Wir werden diese Bastarde von unserem Land vertreiben. Sie werden sterben, alle werden sie sterben!"

"Ja, Herrin!"

"Lauf zurück und sorge dafür, dass sie nichts plündern! Jedenfalls ... nicht den Weinkeller! Und ... unter meinem Bett ist ein Kästchen mit dem Schmuck meiner Mutter. Ich will, dass du es in Sicherheit bringst. Wenn nicht, mache ich dich persönlich dafür verantwortlich, Caralus, verstanden?"

"Ja, Herrin, aber, Herrin: das Haus brennt. Und ... äh ... Herrin? Ich heiße Cahusac."

"FORT MIT DIR, BUBE!", brüllte sie mit sich überschlagender Stimme, und der Junge nahm die Beine in die Hand.

Dulcinea saß auf und wandte ihr Pferd in Richtung Elenta. Während des ganzen Rittes überlegte sie fieberhaft, wie sie ihrem Vater den Verlust des Gutes beibringen konnte. Die Söldner: Ein ganzes Heer! Ja, das stimmte. Und sie hatte alles versucht! Wirklich alles! – Im Reiten öffnete sie den Weinschlauch, nahm einen tiefen Schluck und merkte, wie sie anfing, die eigene Geschichte zu glauben. – Doch, wirklich, Vater! Zwei von ihnen habe ich zu Boron geschickt! Aber ich war allein, ganz allein! Man weiß doch, dass auf die Fellachen kein Verlass ist! Ihr glaubt mir nicht?

Sie zügelte das Pferd und hob anklagend die Hände in den allmählich dunkler werdenden Himmel.

"Schaut nur, Vater, was sie getan haben!" Sie zückte den Dolch und zog ihn mit zitternden Fingern über ihren linken Arm, bis das Blut zögerlich aus dem Kratzer sickerte. "Ich habe alles getan, was ein Mensch tun konnte!" Sie schnitt noch einmal zu, tiefer, und ein drittes Mal in ihre Hand, so als hätte sie einen Streich abgewehrt. "Ich wäre dort gestorben, Vater", murmelte sie, "aber ich bin doch Eure Erbin! Und ... ich musste Euch warnen, denn sie wollen auch Euch, und wie hätte ich das zulassen können?"

Sie wischte den Dolch an ihrem Mieder sauber und steckte ihn weg, dann ritt sie weiter, trieb dem Pferd die Hacken in die Flanke und sprengte in die heraufziehende Dämmerung. Als der Weinschlauch leer war, wich die Furcht, und es machte sich erstmals seit ihrer Flucht das altvertraute Gefühl der Gleichgültigkeit breit. Betäubt blickte sie auf ihre blutigen Hände und trieb das unruhige Ross zu noch größerer Eile an. Sie war tapfer, doch, doch, das war sie, tapfer wie ein Junge, wie ein Mann, das hätte selbst der alte Rigoroso sich eingestehen müssen, wenn er noch lebte ...



Chronik:1033
Der Ferkina-Feldzug
Teil 01