Chronik.Ereignis1035 Von Brücken und Elstern
Kaiserlich Selaque, im Phex 1035 BF[Quelltext bearbeiten]
Unweit von Castillo Albacim[Quelltext bearbeiten]
Autor: Der Sinnreiche Junker
Es war schwer zu sagen, wer mehr schnaufte, Praiosmin von Elenta, oder der gewaltige Gaul, den sie bestiegen hatte. Es kam nicht oft vor, dass die Reichsvogtin von Selaque ihr Castillo verließ; und noch seltener, dass sie dies hoch zu Ross tat. Heute aber hatte sie nicht warten wollen, bis ihre Kutsche angeschirrt worden war, sondern war sogleich an der Spitze ihrer Getreuen herab geritten.
„Das haben wir gefunden, Herrin“, erklärte einer der Arbeiter, und reichte der Domna einen Holzkeil. Die Elenterin drehte das Holzstück mit sich verfinsternder Miene in den Händen, ehe sie es an Azzato von San Owilmar weiter reichte. Der Günstling indes blickte sie verständnislos an, sodass sie sich scheinbar zu einer Erklärung bemüßigt fühlte: „Damit bricht man Stein. Man schlägt ein Loch und bringt den Keil ein. Dann gießt man solange Wasser auf, bis das Holz aufquillt. Genügend Keile an den richtigen Stellen und…“
„…und der Stein bricht“, vervollständigte ihr junger Günstling den Satz. Immerhin das hatte er verstanden, wobei sie ihn freilich nicht in ihre Nähe geholt hatte, weil er sich so gut mit ihren Aufgaben hier in Kaiserlich Selaque auskannte.
„Da hat jemand viel Zeit und Mühe verwendet um mir zu schaden“, sinnierte sie nachdenklich, und blickte dann eine Vorarbeiterin fragend an.
„Drei Nächte, Herrin. Mindestens“, drehte die Frau offensichtlich ein wenig nervös ihren Hut in den Händen. „Kommt drauf an, wie viele sie waren. Aber wenn sich jeder eine Stelle vorgenommen hat, dann…drei Nächte, vielleicht auch vier.“ Niemandem musste erklärt werden, dass die Arbeiten in der Nacht vonstattengegangen sein mussten. Bei Tage wäre es unweit vom Castillo doch recht auffällig gewesen.
„Ich verstehe nicht, warum wir nichts gehört haben. Ansonsten hört man tagein, tagaus den Schlag der Meißel“, grübelte der junge Caballero.
„Mit Gunst…“, meldete sich wieder die Vorarbeiterin zu Wort „…sie haben die Löcher knapp unterhalb der Wasserlinie geschlagen. Dämpft die Geräusche, und man spart sich später die Mühe das Holz zu wässern.“
„Und keine verräterischen Spuren bei Tage, selbst wenn man genau hinschaute“, knirschte Praismin von Elenta mit den Zähnen.
Die Vorarbeiterin nickte, hatte offensichtlich noch etwas zu sagen, wartete aber wie es sich gehörte auf den Wink ihrer Herrin: „Fachleute waren’s aber nicht. Sonst wär der Pfeiler sofort zusammen gebrochen.“
„Vielleicht wollten sie ja auch noch den Karren mitnehmen?“, wandte Dom Azzato ein. Sein Blick glitt ins Bachbett der Selaqua, wo die kleine Steinbrücke heute Morgen unter dem Gewicht des ersten Ochsenkarrens zusammen gebrochen war. Nicht zufällig freilich, wie man rasch an den Bruchstellen am verbliebenen Sockel des Pfeilers festgestellt hatte.
Seine Lehnsherrin aber schüttelte das feiste Haupt: „Nein, warum riskieren, dass er vielleicht doch hält? Wer immer das war, er wollte dass die Brücke zusammen stürzt. Aber er hatte nicht genug Ahnung von dem was er tut, sodass es des ersten Karrens bedurfte.“ Das Ergebnis war freilich dasselbe. Der Weg zwischen Selaque und Schrotenstein war unterbrochen. Nicht für den gemeinen Reisenden, für den der kleine Bach kein Hindernis darstellte. Für die schweren Sechsspänner aber, mit denen man Marmorquader nach Ragath und darüber hinaus schaffte…
„Wie lange wird es dauern eine behelfsmäßige Brücke aus Holz zu errichten?“, fragte ihr Favorit, halb an Domna Praiosmin, halb an die Vorarbeiterin gerichtet. Diese Frage war zu viel für die Elenterin. „Narr!“, schnaubte sie. „Was glaubt Ihr, warum hier eine Steinbrücke errichtet wurde!? Eine Holzkonstruktion trägt das Gewicht der Ochsenkarren nicht! Zumindest nicht das derjenigen mit den großen Quadern! Und was glaubt Ihr, womit ich hier das Gold verdiene? Mit den kleinen Brocken an denen die Bildhauer mondelang herum feilen, oder mit den Blöcken, die ich den Bauherren in Wagenladungen in Rechnung stelle?“ Das Ganze war eine Katastrophe. Dass die Schurken in Sichtweite ihres Castillos zugeschlagen hatten, war das eine. Die finanziellen Verluste das andere. Und das, wo ihre Stellung bei Hofe ohnehin schon einmal besser gelitten war. Dafür würde jemand bezahlen müssen!
Immerhin, diese Stimmung griff der junge Caballero richtig auf: „Dieses Mal lassen wir diese verdammten da Vanyas nicht davon kommen!“ Drohend hieb er die rechte Faust in die offene Hand.
Nein, dieses Mal würde sie dieses Pack ausräuchern. Ein für alle Mal. Ihr Blick glitt in Richtung Osten, wo sich das Tal der da Vanyas befand. Dabei blieben ihre Augen an einem der Arbeiter hängen. „Heda! Was trägt er da herum?“
Erschrocken blieb der Mann stehen, blickte von der Vogtin zu dem Ding in seinen Händen. „Nichts, Herrin. Nur ein totes Vogelvieh. Lag an der Brückenauffahrt.“ Zur Bestätigung hob er die tote Elster in die Höhe.
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