Chronik.Ereignis1033 Streit ums Taubental 27
Wie die Comtessa ihrer Knappin kam und diese ihrem ersten Knappendienst entkam. Wie eine Rahjanovizin selbigen Knappendienst auf vortreffliche Weise wahrnahm und Rondranisches in Rahjanisches verwandelte. Wie Ardan von Kündoch sich als Ehrenmann erwies und die Comtessa zum Rosentempel geleitete.
Baronie Taubental, 3. Travia 1033 BFBearbeiten
Im Rahjakloster (vor der Abenddämmerung)Bearbeiten
Autorinnen: ehrenstein, lasdardas
Gut gelaunt las die Comtessa den Brief noch einmal. Der schöne Baron war wahrlich der Meister aller Übertreibungen. Während sie sich ein Stück Rinde von diesem köstlichen Nussbrot in den Mund schob, zählte sie mit den Augen die Anzahl der Hochwohlgeborenen. Ein paar Mal kam sie durcheinander, als die geschnörkelte Wortwahl sie ablenkte. Sie wischte die Rechte an einem Tuch ab und nahm den Finger zur Hilfe. Ganze sechzehn Mal hatte er sie damit angeredet. Wieder musste sie lachen. Hatte er Nachholbedarf oder wollte er sie verspotten? Sie seufzte, legte den Brief weg und wischte sich den Mund. Das Rahjafest nahte und sie musste sich richten. Bald würden Domna Fiona samt Zaida vorbeikommen. Sie nahm noch einen Schluck Wein und ging ins Bad, wo Rahjanetta schon auf sie wartete.
Getrappel vor der Türe, dann das Geräusch, mit dem jemand bei zu spätigem Abbremsen unfreiwilligen, dafür direkten Kontakt mit eben jenem Abgrenzungsgegenstand aufnahm, kündigten die Ankunft einer der erwarteten Personen deutlich hörbar an.
Ein mahnendes Stirnrunzeln suchte Zaida wieder zur Räson zu rufen, die auch angemessen zerknirscht dreinsah und sich die Stirn rieb. Verdammter Teppich auch, was musste der auch heimtückisch hier im Weg herumliegen und sich mit solch lüsternen Motiven zur Zier stellen? "Verzeihung, Frau Mama", nuschelte die junge Waldwachterin und war darum bemüht, wieder Haltung anzunehmen. "Soll ich klopfen?"
Domna Fiona schnaubte verhalten. "Das dürfte sich wohl erledigt haben. So Ihro Hochwohlgeboren deine Ankunft bislang nicht vernommen hat, ist sie entweder in rahjanischen Dingen beschäftigt, anderweitig ertaubt oder nicht in ihrem Zimmer..."
Nun war es an Zaida, ein langes Gesicht zu machen. Ihrer Mutter Humor war zuweilen trockener, als dieser essigsaure Liebfelder Weißwein, der jetzt in den Salons des Horasreichs angeblich immer beliebter wurde - jedenfalls hatte sie das irgendwo aufgeschnappt und würde ein solches Verhalten den Vinsalter Puderquasten auch sofort zutrauen.
Das Öffnen der Tür riss Zaida aus ihren Gedanken und sie setzte schon zu einem enthusiastischen Knicks an, ehe sie die Frau durch den Türspalt erspähte. Haltung... "Wir werden von Ihro Hochwohlgeboren Romina erwartet", verständigte sie die Novizin und kramte nach der von Moritatio so trefflich vorgelebten Arroganz der Nobleza - leider war sie zu hibbelig, als dass sie diese wirkungsvoll an den Mann - oder in diesem Fall an die Frau - hätte bringen können.
"Natürlich, einen Moment...", kam es verdattert von Rahjanetta, die zumindest die Herrin von Las Dardas vom Sehen her kannte. "Ich werde sie über Eure Ankunft in Kenntnis setzen..." Mit diesen Worten trat sie beiseite und ließ die beiden Waldwachterinnen in das Zimmer eintreten. Der lüstern posierende Teppich musste alleine im Gang verharren.
Vorsichtig legte Domna Fiona das aufgerollte Bündel unter ihrem Arm auf dem Bett ab und entrollte es nun wieder, wodurch sie ein durchaus ansehnliches Kleid von dunkelgrünem Gewirke und verziert mit silbernen Stickereien enthüllte. Dank der Schnürung sollte es kein großes Problem sein, das Prachtstück an Domna Rominas jugendlichen Leib anzupassen. Zufrieden wandte sie sich der Badetüre zu, durch welche die Novizin auf der Suche nach der Comtessa so eben verschwunden war.
"Zaida, lunger' da nicht rum!", rief sie ihre Tochter zu sich, welche mit neugierigem Blick einen Gobelin an der Wand betrachtete - wohl ein entfernter Verwandter des Teppichs draußen vor der Türe.
"Natürlich, Frau Mama und ich lungere nicht, ich bilde mich", brachte der Frechling doch tatsächlich hervor und - Domna Fiona vermeinte sie müsse der Schlag treffen, als sie sah, was sich blitzend aus dem Dekolleté ihrer Tochter bemerkbar machte. "Raus damit!", zischte sie leise und winkte energisch in Richtung der Zauneidechse, die ihr Töchterchen doch tatsächlich - und wohl in Ermangelung einer Tasche an ihrer Kleidung - zwischen ihren noch eher mädchenhaften Brüsten versteckt hatte. Bei Tsa und Rahja, konnte das Mädchen nicht einmal die Finger von dem Getier lassen?!
Schmollend griff Zaida nach der Eidechse und ging zum Fenster, um das Tierchen auf dem Fensterbrett abzusetzen. "Ja, Frau Mama...", brummelte sie.
Just in diesem Augenblick trat Domna Romina, in einen leichten Hausmantel und eine feine Duftwolke gehüllt, aus dem Baderaum. Sie lächelte verlegen. „Rondra und Rahja mit euch, Domna Fiona“
Sie sah kurz freundlich lächelnd zu deren Töchterchen, schenkte ihm ein: “Schön, dass du auch da bist, Zaida“ und wandte sich wieder der Caballera zu. “Wenn es Euch recht ist, Domna, begleite ich Euch nach der Festwoche zurück nach Las Dardas, dann kann Zaida sich von allen verabschieden. Ich werde sie aber schon ab heute in meine Dienste nehmen. Nicht dass der Schöne Baron es sich noch einmal anders überlegt.“ Sie dachte an den Brief und musste schmunzeln.
Zaida, die aufgeregt von einem auf den anderen Fuß tippelte, wollte etwas sagen, wurde aber von dem strengen Blick der Frau Mutter schweigend gehalten. Diese nickte lächelnd zu den Worten. „Wie Ihr wünscht, Euer Hochwohlgeboren. Es ist meiner Familia eine Ehre und für Zaida ein großes Entgegenkommen, dass Ihr meine bescheidene Hacienda erneut mit Eurer Anwesenheit beehren wollt.“ Sie warf Zaida einen auffordernden Blick zu.
Das Mädchen wandte sich aufgeregt ihrer neuen Herrin zu und strahlte sie an. „Ich danke Euch, Euer Hochwohlgeboren, ich danke Euch von Herzen! Wenn Ihr erlaubt, gehe ich zu meiner Schwester, sie hat anfragen lassen, ob ich Ihr bei den Vorbereitungen helfen kann.“ Außerdem hatte sie ja so viel zu erzählen. Schade, dass Mutter die Eidechse gefunden hatte, sie war als Geschenk gedacht gewesen.
Romina nickte und ließ das Mädchen gehen.
Nachdem man sich über den Vertrag - eine mündliche Absprache unter Ehrendamen, betreffend die Ausbildung und Dienstpflichten der Domnatella Zaida - geeinigt hatte, zeigte Domna Fiona der Comtessa das mitgebrachte Kleid. Die Novizin wurde gerufen und half beim Ankleiden. Romina besah sich im Spiegel. Ihr kam der Hauch von Nichts in Grün schamlos vor, auch wenn das Kleid mehr bedeckte, als man ihm zutraute. Sie sah so anders aus. Die Farbe ließ Haut und Augen strahlen, das Mieder betonte ihre schmale Taille, ließ sie weich und weiblich erscheinen. Etwas verwundert betrachtete sie sich, während Rahjanetta und Domna Fiona über Frisur, Schminke und Schmuck philosophierten.
Romina dachte unwillkürlich an Dom Vivar und überlegte, ob sie ihm gefallen würde. Sofort stritten sich zwei Gedanken darum, weitergesponnen zu werden. Der Eine machte sie zu einer kleinen, plumpen, säulenbeinigen Maid, die es niemals mit der schönen Schwester oder gar Madalena Galandi aufnehmen würde können. Der Andere schalt sie dumm und meinte, es wäre egal, was ein provinzieller Baron von ihr, einer für seinesgleichen unerreichbaren Grafentochter, halten mochte. Schnell griff sie nach dem Glas Wein, das die Novizin ihr hingestellt hatte und nahm einen großen Schluck. Rahjanetta lächelte in sich hinein, bugsierte sie sanft hinter die maraskanische Wand, schälte sie gekonnt aus dem Kleid und machte sich daran, mit zweierlei Puder und etwas Schminke die Vorzüge des jugendlichen Leibs der Comtessa hervorzuheben. Als diese protestieren wollte, drückte ihr die Rahjani sinnlich lächelnd das wieder wie von Zauberhand gefüllte Weinglas in die Hand, flüsterte ihr einige Worte zu und machte weiter. Die Comtessa wurde flammendrot, trank von dem Wein und hielt still.
Danach wurde - sie durfte sich endlich wieder in den Hausmantel hüllen -, ihr Haar mit verschiedenen Bürsten und einigen Tropfen Öl unendlich lang gebürstet. Man bog und färbte ihre blonden Wimpern, zupfte an den unterschiedlichsten Stellen so einige Härchen aus und polierte Zeh- und Fingernägel.
Irgendwann, ein Glas Wein weiter, entschuldigte sich Domna Fiona mit dem Hinweis, sich selbst richten zu müssen. Dann endlich, noch ein Glas Wein später, waren die Haare mit weißen Blüten verflochten, teilweise hochgesteckt, trug sie das Kleid und leichte Sandalen an den Füßen. Sie hatte jeglichen Schmuck außer den Blüten abgelehnt und sich damit auch durchgesetzt. Rahjanetta steckte noch einige Blüten an das Kleid und erlaubte Romina einen Blick in den Spiegel. Ein ungläubiges Keuchen, ein Tasten an die rosenrot gefärbten Lippen, schon wurde sie von Rahjanetta gedrängt aufzubrechen.
„Wo, bei Satinav, ist nur die Zeit hin! Comtessa, verzeiht, dass ich so lange gebraucht habe. Wir sollten uns aufmachen, sonst kommen wir noch zu spät.“ Mit einem verschmitzten Lächeln legte die Novizin Romina ein hauchdünnen Schal um die nackten Schultern und schob sie zur Tür hinaus, direkt in die Arme eines verdutzten Leutnants, der gerade klopfen wollte. „Oh, danke, Herr von Kündoch“ säuselte das Mädchen. „Bringt Ihr die Comtessa in den Tempel, ich muss mich auch noch vorbereiten.“ Flugs schloss sie die Tür und ließ die beiden allein.
Leutnant von Kündoch trug seine Paradeuniform in den Farben des Hauses Ehrenstein. Sein Blick flog über ihre Erscheinung. Er schluckte schwer, straffte sich und bot der Comtessa den Arm. „Ich werde nicht von Eurer Seite weichen, Euer Hochwohlgeboren.“ Er legte seine Hand auf die Ihre und führte sie hinaus aus dem Gästetrakt. Als sie die Freitreppe hinauf stiegen, die zum Säulenrundgang um den Tempel führte, konnte Domna Romina erkennen, dass die Praiosscheibe bereits dicht über dem Horizont stand. Unter den Arkaden wandelten bereits andere Gäste und Geweihte zwischen den fein gepflegten Gärten, in denen die Catalinenser jede nur erdenkliche Rosenart züchteten. Einige waren in traute Gespräche versunken, die meisten aber strömten durch sechs Säulengänge dem Zentralbau, einem 24 Schritt durchmessenden Rundtempel zu.
Bereits äußerlich kündete dieser in seiner Pracht von der Herrlichkeit Rahjas auf Deren: Über dem sechs Schritt hohen Grundgebäude, mit blau-weißen Ornamentkacheln geschmückt, erhob sich ein Aufbau weitere neun Schritt. Durch seine großen, spitzbögigen und lichtdurchlässigen Glasfenster wirkte er beinahe zu filigran, um die zwölf Schritt hohe, freitragende Hauptkuppel zu tragen. Diese war ebenfalls komplett mit Kupferplatten beschlagen und wurde wiederum von einer Laterne samt Zwiebelhaube gekrönt. Insgesamt strebte der Tempel somit kraftvoll gen Alveran.
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