Chronik.Ereignis1033 Streit ums Taubental 23
Wie der aranische Mercenario Shafirio unverhofft auf einen alten Bekannten traf. Wie er nach langen Jahren endlich Rache für den Tod seiner Gefährtin nehmen wollte. Wie er sein Werk beinahe vollendete, ihm dabei aber das Madamal an der Spitze einer Reiterschar in die Quere kam und ihn zu seinem Gefangenen machte.
Pfalzgrafschaft Geiersgau, 3. Travia 1033 BFBearbeiten
Auf der Straße nach Geiersgau (morgens)Bearbeiten
Autor: damotil
Mit einem empörten Schnauben kam der Rappe nach Shafirios ungewohnt hartem Griff in die Zügel auf der verlassenen gen Efferd führenden Straße zum Stehen. Etwa zwei oder drei Wassermaß mochten vergangen sein, seit er das Gasthaus an der Brücke von Geierschrei verlassen hatte, wo er genächtigt hatte. Der vormalige aranische Mercenario, der inzwischen in den Diensten der Familia Falcomar stand, war bereits in den frühen Morgenstunden aufgebrochen. Bisher hatte sich das Wetter an diesem Herbsttag noch von seiner freundlichen Seite gezeigt und es war trocken geblieben, obgleich sich dicke Wolken tief am Himmel über die herbstliche Landschaft schoben. Ein leichter Wind ging und ließ Shafirio erneut leicht frösteln.
Er schwang sich aus dem Sattel, packte das Ross bei den Zügeln und führte es an den kleinen Wasserlauf an der Seite der Straße, um das Tier dort zu tränken. Als es anfing zu saufen, klopfte er ihm noch einmal auf den Hals; dann trat er zur Seite. In Gedanken hob er einen dicken Ast vom Boden auf und schwang ihn verdrossen gegen einige Goldhaselbüsche. Auch der Miene des schwer bewaffneten Kriegers, ragten doch immerhin die Griffe gleich zweier gekreuzt auf dem Rücken getragener Khunchomer über seinen Schultern auf, war unschwer zu erkennen, dass er sich keiner besonders guten Laune erfreute. Nein, Shafirio blickte in der Tat reichlich finster in die Welt.
Angefangen hatte alles vor ein paar Monden in Taladur. Im Auftrag seiner Herrin, Domna Madalena, die im Lieblichen Feld lebte, war er in der Waldwachter Hauptstadt gewesen und dann hatte das Schicksal durch die beiläufige Erwähnung des Namens Hagen von Mawet eine tiefe, alte Wunde aufgerissen, deren Schmerz er seit ein paar Götterläufen zu verdrängen gesucht hatte. Aufgrund seiner Verpflichtungen hatte er sich aber diesem Schatten aus seiner Vergangenheit nicht stellen können und seine Spur auch erst einmal wieder verloren. Nun war er auf dem Weg zurück ins Horasreich aber erneut auf den Namen gestoßen. Ein almadanischer Junker aus der Grafschaft Südpforte war in Begleitung eines Waffenbruders gereist, den er stets mit „Hagen“ ansprach. Dem wenigen nach, das Shafirio damals in der Stadt der Türme erfahren hatte, war dieser Waffenbruder aller Wahrscheinlichkeit nach eben jener Hagen von Mawet: ein großer braungebrannter Albernier, schweigsam, schwer bewaffnet und stets in Leder gekleidet.
Den Hinweisen folgend, war er gemeinsam mit seinem alten Gefährten Darian, der zum Catalinenfest im Taubental auf dem Waldwachter Stieg gen Efferd gereist. Er hatte gehofft, sie noch vor der Brigella einzuholen, doch waren die beiden reisenden Kämpen bisher nicht aufgetaucht, und auch in Geierschrei wusste niemand der Dörfler etwas von ihnen. Den Herrn der oberhalb des Dorfes dräuenden Feste wagte er nicht zu fragen – Adlige waren selten erfreut, wenn jemand erschien und Fragen stellte. Verbittert darüber, die Spur erneut verloren zu haben, war er heute früh von dort aus aufgebrochen um weiter zu reisen, denn eigentlich hätte er ohnehin längst wieder am Yaquir sein sollen.
Erneut tauchten jene fast verdrängten Bilder an jenen Kampf vor seinem inneren Auge auf, die sein Herz erst schmerzhaft zerrissen und dann zu Stein hatten werden lassen. Ihr unerschütterlich fröhliches Antlitz mit dem so entwaffnenden Lächeln, umrahmt von einer dunkelblonden wilden Mähne. Ihre zärtlichen Worte der Unbekümmertheit. Als in dieses so liebliche Antlitz der blonden Mercenaria an seiner Seite wieder die stählerne Klinge ihres Gegners eindrang, wurde Shafirio von unerträglichem Schmerz, dem Gefühl von Schuld, kaltem Zorn und Durst nach Rache erfüllt. Von tobender Wut angetrieben, krachte der Ast auf den Stamm der vor ihm stehenden Buche. Splitter flogen wild umher und das Krachen des Holzes ließ sein Ross erschreckt aufschnauben.
„Isira...“, presste er mit zusammengepressten Lippen hervor, während weitere Bilder aus den Tiefen seines Gedächtnisses emporstiegen. Und er sah jenen rondragefälligen Albernier, der ihm den Weg verstellt hatte, denn in einen Zweikampf einzugreifen, sei der Herrin Rondra nicht gefällig. Angetrieben von rasendem Zorn, hatte Shafirio den Mann angegriffen und versucht zurück zu treiben, aber dann hatte er gesehen, wie sie fiel. Der Schrei, das blutige Schwert... ein Moment der Unaufmerksamkeit, und die Waffe seines Gegners hatte ihn niedergestreckt. Die Waffe war tief in seine Brust eingedrungen und eine dicke hässliche Narbe kündete noch heute davon. Das Gesicht des Anderen hatte sich tief in sein Gedächtnis gegraben und er hatte damals Rache geschworen. Vor den Göttern hatte er gelobt, dass er ihren Tod vergelten würde. Aber es hatte allein Mühe gekostet herauszufinden, wer jener rondratreue Streiter überhaupt gewesen war...
Etliche Götterläufe waren seitdem vergangen und noch immer hatte er seinen Schwur nicht erfüllt, aber nun hatte Satinav ihn erinnert und die Gelegenheit schien so nah! Mit einem wütenden Schrei warf er den Rest des Astes von sich und stapfte zum Pferd zurück. Er schwang sich in den Sattel, riss das Tier unsanft an den Zügeln herum und jagte wenig später im Galopp die Straße entlang.
Autor: pildek
Auf der gleichen Straße, wohl kaum eine Meile von Shafirio entfernt, ließ es ein Reiterpaar deutlich langsamer angehen. Es war ein almadanischer Junker in Begleitung seines albernischen Gefährten. Beide ritten auf Pildeker Rössern und beide trugen ihre Wehr und Waffen. Aus der Ferne mochte man meinen, die beiden seien auf einem gemütlichen Ausflug. Doch das täuschte über ihr eigentliches Ziel.
Der jüngere der beiden, der aber deutlich größer als sein Begleiter war und durch einen Bart und die durch den Wind zerzausten Haare recht wild aussah, blickte sich um und ließ seinen Blick über den Himmel wandern. Er bevorzugte Lederkleidung und auch eine lederne Rüstung, die für ihn der beste Kompromiss zwischen Beweglichkeit und Schutz war. „Ich glaub’, es wird bald ordentlich Regen geben und bis Geierschrei haben wir noch ein Stückchen Weg vor uns. Wir sollten etwas schneller machen, bevor Efferd uns mit seinen Gaben beglückt!“
„Du und deine Wetterkunde! Bisher hast du fast immer falsch gelegen mit deinen Ahnungen und auch diesmal wird es kaum anders sein. Schauer wird es geben, sicher, aber der große Regen wird erst in der Nacht kommen. Wenn überhaupt. Ich tippe eher auf eine Dürre in deiner Kehle, alter Freund“, entgegnete der ältere der beiden Reiter. Er war kleiner, aber dafür gedrungener und wohl nicht weniger kräftig. Er sah deutlich gepflegter aus. Offensichtlich hatte er erst kürzlich einen Barbier besucht. Als Wehr trug er eine leichte Platte, die zwar zierlos, doch von guter Qualität war. Seine Waffe war ein stattlicher Anderthalbhänder und auch einen Kriegsbogen führte er mit sich.
„Und wenn schon! Hier ist doch nichts zu kundschaften. Keine Seele weit und breit. Alles, was wir erkunden sollen, finden wir in dem Nest vor uns und wie kann man unauffälliger sein als ein durstiger Reisender?“
„An Dir ist ein echter Spion verloren gegangen!“
Etwas beleidigt über den Spott seines Herren und Freundes trieb der junge Krieger sein Pferd an und das Ross fiel in Trab. Schnell waren einige Schritt zwischen den Reitern.
„He Hagen, mach' mal langsam, ich habe noch etwas Wein in meinem Schlauch“, rief der Ältere lachend hinterher. „Und vielleicht käme es mir in den Sinn diesen mit einem folgsamen Begleiter zu teilen!“
Sofort griff der Jüngere in die Zügel und brachte sein Pferd umständlich zum Stehen. Das Tier war offensichtlich irritiert durch die widersprüchlichen Befehle seines Reiters und es dauerte eine Zeit, bis er gewendet hatte. „Das hättest du auch gleich sagen können!“, sprach er breit grinsend. „Da bin ich gern folgsam!“
Statt des erwarteten Lachens blickte Hagen aber nur in das aufmerksame Gesicht seines Gefährten, der inzwischen deutlich eleganter sein Pferd zum Stehen gebracht hatte und an ihm vorbei blickte. „Was … ?“, fragte er und blickte über seine Schulter, wo ein Reiter in vollem Galopp heran preschte.
Autor: damotil
Ja, Shafirio brauchte Luft. Er brauchte diesen wilden Ritt um seine Gedanken zu ordnen und zur Ruhe zu kommen. Zeit um sich einzugestehen, dass die Spur erneut kalt geworden war. Auch sein Pferd schien Gefallen an dem schnellen Ritt gefunden zu haben und mit gleichmäßig schnellem Schnaufen donnerten die Hufe im raschen Tempo auf den Boden.
Als er der zwei Reiter auf der Straße vor sich gewahr wurde, zügelte der Aranier sein Ross wieder. Nicht dass diese zwei noch Gefahr witterten und es ein Scharmützel geben würde für nichts und wieder nichts. So ließ er sein in einen lockeren Schritt zurückfallen und näherte sich nun deutlich langsamer den beiden anderen Reisenden. Zwar erwartete er keine Gefahr oder Bedrohung, jedenfalls nicht mehr als gewöhnlich in einer solchen Gegend, aber das beständige Mustern und Beobachten der Umgebung war dem Leibgardisten in Fleisch und Blut übergegangen.
Routiniert registrierte er die offensichtlichen Waffen, die Rüstungen und beobachtete das Verhalten der zwei Reiter aufmerksam. Räuber und Wegelagerer waren es wohl nicht, obgleich der jüngere der beiden recht ungepflegt aussah. Gute Pferde, Platte und Anderthalbhänder sprachen eher für Krieger oder gar Adel, wenngleich die beiden wohl auch keine Almadanis sein dürften. Eingedenk des Rahjafestes im Taubental konnte es sich auch einfach um bewaffnete Reisende handeln, die dorthin unterwegs waren, obgleich diese zwei nicht wirklich so aussahen als würden der schönen Göttin besonders huldigten. Mittlerweile war der Abstand auf wenige Schritt geschrumpft.
Plötzlich krampfte sich sein Herz zusammen. ‚Hagen!‘, schoss es brennend, lodernd und aufwallend durch seinen Geist. Sein Blick heftete sich auf den Jüngeren der zwei und mit pochendem Herzen, sowie unter Aufbietung aller Willenskraft und Selbstbeherrschung, wahrte er das Schritttempo. ‚Er ist es! Er ist es!‘, hämmerte es in seinem Hirn, während seine letzten Zweifel an diesem Wink des Schicksals bröckelten. Seine Gedanken überschlugen sich dabei die möglichen Handlungsoptionen abzuwägen. Der kochende Zorn in ihm verlangte nach einem sofortigen ungestümen Angriff, aber die besonneneren Stimmen in ihm mahnten ihn zur Vorsicht und gar zu einem listigen Vorgehen um Rache an jenem Hagen zu nehmen. „Die Götter zum Gruße“, rief er die beiden Reisenden daher an.
Autor: pildek
„Rondra zum Gruße! Bei Eurem Ritt möchte man meinen die Niederhöllischen hingen an Euren Fersen! Oder ist es doch nur ein gehörnter Ehegatte aus Geierschrei?“, rief der ältere der beiden Reiter und lenkte sein Pferd näher an das von Hagen, der immer noch damit beschäftigt war sein Pferd zu drehen – nun aber wieder nach vorn. „Ich bin Junker Yantur von Pildek und das ist mein Begleiter Hagen von Mawet. Wer seid Ihr und welche Gründe lassen Euch derart eilen?“
Wie auf ein Stichwort beendete Hagen seine Bemühungen im Sattel seines Pferdes und ließ sich elegant aus dem Sattel gleiten, das Pferd zwischen sich und dem Fremden. Dom Yantur selbst hatte inzwischen eine feste Position im Sattel gefunden und beobachtete sein gegenüber genau. Nicht nur, dass ein galoppierender Reiter allein schon verdächtig wäre. Nein, auch hatte er dieses kurze Zittern im Nacken gehabt und das bedeutete immer Ärger. Aber er kannte diesen Mann nicht. Auch ein Hinterhalt konnte es nicht sein. Selbst Verfolger konnte er sicher ausschließen, sonst hätte der Fremde längst einen Blick zurück geworfen. ‚Nein, seine Aufmerksamkeit gilt ganz und gar uns‘, dachte Dom Yantur. ‚Aber warum?‘
Nach einem flüchtigen Blick auf den Fremden, der ihm irgendwie bekannt vorkam – allerdings so flüchtig, dass er nicht im Ansatz wusste woher – hatte Hagen begonnen die Umgebung zu beobachten, ob nicht noch weitere Reiter kämen; mit einer Hand die Zügel des Pferdes haltend und die andere am Gürtel bei den Messern. ‚Verdammt, das ist doch nicht Tobrien!‘, dachte Hagen und entspannte sich wieder etwas, den Blick nun wieder auf den Fremden gerichtet. Dabei trafen sich ihre Blicke.
Autor: damotil
Shafirio indes hatte Mühe seine aufwallenden Gefühle im Zaum zu halten und nicht ihm nächsten Augenblicke direkt nach den Waffen zu greifen um einen blutigen Streit herauszufordern. Die Begrüßung durch Dom Yantur hatte alle Zweifel endgültig zerstört. Es stand nun über jeden Zweifel erhaben fest – dieser Mann vor ihm, der sich so gelassen vom Pferd geschwungen hatte und eine Miene zur Schau trug als könnte er kein Wässerchen trüben, war derjenige, dem er Rache zu üben geschworen hatte. Sein Rücken straffte sich, die Armmuskeln spannten sich und für einige Herzschläge schlossen sich seinen Hände fast schon ballend um die Zügel seines Rappens.
„Seid gegrüßt, Junker“, erwiderte er dann knapp und gerade noch so nicht unhöflich. „Um Eure Frage zu beantworten – weder noch. Ich habe es einfach nur eilig.“ Der Klang seiner Stimme vermochte nicht zu verhehlen, dass er nicht so ruhig war, wie er vorgab. Während er mit dem Junker sprach, hatte er seinen Blick auf diesen gerichtet, aber dennoch konnte er nicht umhin immer wieder auch seinem erklärten Feinde Hagen aufmerksame Blicke zuzuwerfen. „Nun, ich will Euch nicht aufhalten. Geierschrei ist ja noch ein gutes Stück weg. Die Götter mit Euch!“ Mit der Routine eines erfahrenen Reiters lenkte er sein Tier etwas beiseite um den Weg freizugeben. Allerdings donnerte er nicht gleich davon, sondern griff nach seinem Wasserschlauch an der linken Satteltasche um noch einen Schluck zu trinken.
Autor: pildek
Offensichtlich stimmte hier was nicht. Der Junker spürte die Aufregung des Reiters und auch die Blicke Richtung Hagens waren nicht zu übersehen. Aber Hagen machte keinen besorgten Eindruck. Nachdem er die Umgebung beobachtet hatte entspannte er sich sogar merklich.
‚Wie auch immer, er kommt aus Geierschrei und kann uns sicher etwas erzählen. Vielleicht plaudert der Fremde dann was etwas aus‘ dachte der Junker.
„Ganz so eilig scheint es Euch dann doch nicht zu sein! Wenn Ihr schon eine Rast macht, so verratet uns doch Euren Namen. Die unseren kennt Ihr ja bereits! Und wie sieht es in Geierschrei aus? Schon viele Menschen unterwegs? Gibt es noch Platz in den Tabernas oder sind alle Tische schon von Taubentalpilgern belegt?“
Hagen spürte, wie der Fremde ihn fixierte. ‚Der kennt mich! Oder meint mich zu kennen! Aber woher? Und er sieht nicht entspannt aus.‘ Also wartete Hagen ab, bis der Junker mit seinen Fragen fertig war. Dann fragte er: „Kennen wir uns?“
Autor: damotil
Shafirio spürte, wie das kühle Nass seine Kehle hinab rann und die Ablenkung durch die Beschäftigung mit dem Wasserschlauch half ihm seine wallenden Gefühle etwas besser unter Kontrolle zu bringen. Er ließ den Schlauch nach ein paar Schlucken sinken, holte noch einmal tief Luft und wandte dann den Blick wieder in Richtung der beiden anderen Reiter. „Eine Rast zur rechten Zeit mag eine Reise mehr beschleunigen denn verzögern, lehrte mich mal ein Karawanenführer. Ich bin Fashim“, log er dann, während er den Schlauch langsam weiter sinken ließ und am Gürtel erneut befestigte, wobei seine Hand anschließend auf dem Oberschenkel zum liegen kam, gar nicht weit entfernt von der Dolchscheide.
„Geierschrei... eine ganze Menge Pilger, würde ich sagen. Aber eine Mahlzeit werdet Ihr schon noch finden.“ Er vermied es nun direkt Hagen anzublicken, denn jedes Mal, wenn sein Blick diesen streifte spürte er, wie es erneut in ihm hoch kochte. Aber wenn er etwas in den letzten Jahren gelernt hatte, dann war es seinen Zorn zu beherrschen. Die Mühen dieser Zeit trugen nun ihre Früchte, denn mehr und mehr fand er seine Beherrschung. Im gleichen Atemzuge sann Shafirio darüber nach, wie er nun seinen Racheschwur würde erfüllen können. Ein Angriff hier an Ort und Stelle erschien ihm nun nicht mehr besonders ratsam. Einerseits müsste er sich wohl gegen zwei Kämpen antreten und obendrein mochte es noch Zeugen geben. Nein, hier und jetzt konnte er seine Rache nicht erfüllen. Aber er hatte nun seine Spur aufgenommen und Hagen würde nicht mehr entkommen.
Er setzte ein bedauerndes Gesicht auf. „Leider vermag ich nicht mehr über Geierschrei und die Pilger zu berichten und obendrein muss ich weiter. Eine wichtige Botschaft aus dem...“ kurz überlegte er. „Taubental. Euch weiterhin eine gute Reise.“ Auch wenn er am liebsten bei diesen Worten und der höflichen Neigung mit dem Kopfe in den Graben an der Seite der Straße gespien hätte, zwang er sich diese Scharade fortzusetzen. Er schnalzte mit der Zunge um seinem Pferd die Fortsetzung ihrer Reise zu signalisieren.
Autor: vivar
Dom Yantur zog die Brauen zusammen und schenkte dem Aranier einen scharfen Blick. „Aus dem Taubental, sagt Ihr? So, so. Vielleicht solltet Ihr doch nicht so schnell weiter reisen, Fremder. Hagen und ich sind äußerst interessiert an Botschaften aus dem Taubental. Nicht wahr?“
Statt einer Antwort legte Hagen von Mawet stumm die Hand an den Griff seines Anderthalbhänders, der noch am Sattelbaum hing.
„An wen ist Eure Botschaft denn gerichtet, Maestro Fashim?“, fragte Junker Yantur dann.
Autor: damotil
Der Angesprochene ließ erneut die Zügel sinken und ein verwundertes Lächeln legte sich über die Züge des Südländers. „Werte Herren, verzeiht bitte: Das klingt ja fast, als wolltet Ihr die Nachricht gar selbst erfahren. Wenn ich dem aber nachkäme, dann wäre ich ja mehr ein Herold als ein Bote.“ Seine Hände legten sich derweil locker auf die Schenkel. „Dom Yantur, Ihr versteht sicher, dass ich Euch darüber wohl kaum mehr Antwort geben werde. Was ich aber sagen kann, ist, dass im Taubental derzeit ein Pilgerfest im Gange ist und alle götterfürchtigen Pilger wohl dort herzlich willkommen sind. Solltet Ihr aber mir weiter drohen - denn so muss ich wohl Geste Eures Begleiters deuten -, dann wird das hier recht unerfreulich enden. Aber nur zu! Das Schicksal hat es vielleicht genau so gewollt, dass sich unsere Pfade nach mehr als zehn Götterläufen erneut kreuzen, Hagen.“ Damit verlagerte er den Blick zu dem Mitreisenden des Junkers.
Während er weiter sprach, veränderte sich die Miene des Boten drastisch. Das gespielte Lächeln wich einem harten Zug um die Lippen und einem kalten Blitzen in den Augen. „Dieses Mal aber wird mich nicht die Not meiner bedrängten Gefährtin ablenken, so dass Ihr erneut euren Stahl in meiner Brust versenken könntet. Nein, Hagen! Die Götter schenkten mir damals mein Leben, damit ich sehen konnte, wie sie starb. Götterläufe habe ich damit verbracht, dich aufzuspüren wie einen räudigen Hund, der du bist!“ Pure Verachtung sprach aus den Worten Shafirios, die er förmlich ausspie. „Nur zu verfluchter Rondraknecht... Wage es! Bei Kor! Ich brenne darauf, mit deinem Blut die Straße zu tränken. Gib mir nur einen Grund!“
Autor: vivar
Eine Ahnung von Erinnerung schlich sich auf Hagens sonnenverbranntes Antlitz. "Einen Grund habt Ihr Euch selbst gegeben, Shafirio von Aranien, indem Ihr die Herrin Rondra verfluchtet und mich einem Straßenköter gleichsetztet. Hattet Ihr damals nicht genug? So mögt Ihr erneut meinen Stahl schmecken!" Mit diesen Worten zog Hagen von Mawet seinen Kusliker Säbel und den Linkhand. Mit der Spitze der geraden Klinge deutete er herausfordernd auf den Aranier.
"Hagen...", hob Dom Yantur beschwichtigend den Arm, doch der albernische Krieger fauchte, ohne ihn anzublicken: "Halt dich heraus, mein Freund. Ich wurde gefordert, ich habe angenommen. Ein rondragefälliger Zweikampf."
Der Junker von Pildek seufzte nur.
Autor: damotil
Fast schon herablassend blickte der vermeintliche Bote vom Rücken seines Pferdes. „Oh... der Rondraknecht traut sich sogar.“ Behände schwang sich Shafirio dann von seinem Ross, dieses aber erst einmal zwischen sich und Hagen bringend. Über den Rücken des Tieres blickte er dann zu Hagen. „Den Kampf sollst Du bekommen.“ Seine Gegner weiterhin aufmerksam mit kalten, abschätzenden Blick taxierend, hoben sich seine Arme und griffen nach den beiden Khunchomer Säbeln, die kreuzweise auf seinem Rücken geschnallt geduldig auf ihren Einsatz harrten. Mit beiden Klingen in den Fäusten umrundete er langsam sein Pferd, um dann etwas weniger als eine Handvoll Schritte vor Hagen stehen zu bleiben.
Seine Miene war geprägt von kalter, beherrschter Ausdruckslosigkeit. Und in der Tat fühlte sich Shafirio sehr gelassen und beherrscht. Der aufkeimende Zorn und der Drang den Mann auf der Stelle mit einer Serie von Hieben nieder zu strecken, war verschwunden und einem breitem wohligen Gefühl von baldiger Vollstreckung seiner Rache gewichen. Er machte sich keine Illusionen darüber, dass dies kein einfacher Gegner sein würde, aber er würde nicht zurückweichen und wenn dies auch sein letzter Kampf sein mochte. Aber offensichtlich ließ sich sein Gegenüber reizen – das war gut. Denn ein Kampf – so hatte es ihn seine Lehrmeisterin stets gelehrt – war vor allem eine Sache des Kopfes. Und wallender Zorn, Wut und Jähzorn machten einen Gegner verwundbar, schwächten ihn. So fuhr er auch fort, Hagen zu reizen: „Bereit? Oder willst du noch Abschied nehmen oder bei deiner Göttin um Gnade, Kraft oder sonst was zu winseln?“
Autor: vivar
Hagen von Mawet schenkte seinem Gegner einen merkwürdigen Blick. "Ein Rondraknecht will ich gerne sein, so die Herrin Rondra mich für würdig hält ihr zu dienen. Es ist allemal besser als wie Ihr ein Knecht des Goldes zu sein." Er machte ein paar federnde Schritte, die Augen stets auf Shafirio und seine beiden Khunchomer Säbel gerichtet.
Junker Yantur beugte sich vor und griff nach den Zügeln von Hagens Ross um es aus der Kampfbahn zu ziehen.
Hagen und Shafirio umkreisten sich lauernd. Ein jeder wartete darauf, dass der andere versuchen würde, den ersten Hieb zu machen. Irgendwann war es soweit. Mit einem dumpfen Schrei stürmte der Albernier voran und schwang seinen Säbel in einem Halbkreis gegen Shafirio, der zurücksprang. Der nächste Hieb von links oben wurde mit dem rechten Khunchomer abgelenkt. Gerne hätte Shafirio Hagen mit der linken Hand angegriffen, doch er wusste, dass er an der langen Säbelklinge nicht so ohne weiteres vorbeikäme. Erneut sauste sie herab. Metall klirrte auf Metall. Mit schnellen, wirbelnden Rundschwüngen schlug Hagen ein aufs andere mal zu, und Shafirio blieb nur, alles zu blocken, was da mit Wucht auf ihn zukam. Halbschritt um Halbschritt wich er zurück. Eine Finte Hagens sah er voraus und parierte mit rechts. Wenn er Hagens Hiebe nur unterlaufen könnte! Dann wäre es wohl ein Kinderspiel, einen Treffer zu landen! Doch er musste auch den kleinen Dolch im Blick behalten.
Da! Einen Hieb von rechts oben lenkte er nach rechts unten ab und stieß schlangengleich vor um mit links nach Hagen zu hauen. Doch Hagen hatte seine eigene Blöße ebenso schnell bemerkt und hatte sich behände fortgedreht, so dass Shafirios Angriff ins Leere lief. Blitzschnell duckte der Aranier sich, wich so einem Schlag aus, drehte sich um die eigene Achse und stand wieder mit dem Gesicht zu Hagen.
Nun war es an ihm, die Initiative zu ergreifen. Mit links schlug er den Kusliker Säbel zur Seite, tanzte vor und hieb auf Hagen ein, der nur zurückweichen konnte. Shafirio versuchte es erneut, diesmal in umgekehrter Reihenfolge. Dieses Mal war der Albernier aber vorbereitet und parierte erst mit dem Parierdolch den rechten, dann mit dem Kusliker Säbel den linken Khunchomerhieb. Dabei musste er aber wieder einen Schritt zurücktreten, so dass Shafirio nachsetzen und erneut in atemberaubender Geschwindigkeit seine Doppelattacken ansetzen konnte.
Er hatte den Albernier bereits von der staubigen Straße fort getrieben, da hörte er mit einem Male Hufgetrappel und erspähte aus dem Augenwinkel Reiter, die aus Richtung Geierschrei kamen.
Autor: damotil
Alle Gedanken und Gefühle waren aus dem Geist des routinierten Söldners gewichen, denn hier und jetzt in diesem Kampf waren alle Sinne, alle Aufmerksamkeit als das rasend schnelle Spiel der Klingen ausgerichtet. Hagen schlug sich mehr als wacker und hatte ihn bereits mehrmals in gefährlicher Weise bedrängt. Blitzende Schleier hinterließen die in nahezu rasende Folge geführten geschwungenen Klingen seiner Khunchomer in der Luft, als er nun wiederum den Albernier zurückdrängte. Nur schwach sickerte das lauter werdende Getrappel der Huf in seinen Geist ein, während er konzentriert das Klingenspiel weiter trieb. Die schnellen Doppelhiebe mit den Krummsäbeln machten Hagen mit dem viel kürzeren Linkhanddolch zu schaffen, aber dennoch gelang es ihm stets die herabsausenden Hiebfolgen zu parieren, wenngleich es auch manchmal im allerletzten Moment geschah.
Das Herz Shafirios raste; die Muskeln seiner Arme brannten und glühten von der Anstrengung. Das Pochen in seinen Knochen drang dumpf in seinen Geist vor. Er musste diesen Kampf gewinnen! Er musste gegen Hagen obsiegen um seinen Schwur nach Rache einzulösen! Der Albernier musste mit seinem Tod den ihren sühnen und er dürstete nach seinem Leben, damit er Frieden mit seinem schließen konnte.
'Reiter!', gellte es auf einmal in seinem durch den Rausch des Kampfes leeren Geist. 'Reiter?', hallte es fragend wieder und eine weitere Doppelschlagfolge bedrängte erneut den Albernier vor sich. Das Gefühl von Gefahr breitete sich in ihm aus und genügte, dass das beständig lauter gewordene Donnern der Hufe nun auch in seine Gedanken vordrang. Kurz wanderte seine Aufmerksamkeit zu der Quelle des Geräusches. Er wandte leicht den Blick und erkannte eine Gruppe von rasch näher kommenden Berittenen. 'Gar nicht gut!', schoss es ihm gleich durch den Kopf und das war in der Tat in doppelter Weise richtig.
Hagen hatte unmittelbar den kurzen Moment der Ablenkung des Gegners erkannt und nutzte ihn. Sein Dolch ließ den zweiten Khunchomer Hieb abgleiten und schuf ihm freie Hand für einen weiteren Schlag. Viel zu spät erkannte Shafirio die Gefahr und so konnten die noch hochgerissenen Klingen den wuchtigen Hieb des Alberniers nur noch abmildern. Kreischend fuhr die Klinge Hagens über die gebogene Schärfe eines Khunchomers, während die Spitze des Kusliker Säbels noch über den rechten Oberarm glitt und rasch in die zum Bersten gespannten Muskeln des Araniers einschnitt.
Fast zeitgleich spürte der Verwundete die Wärme des herausschießenden Blutes, den schneidenden Schmerz und das Pochen des Armes. Sein recchter Arm ermattete augenblicklich und senkte sich unter dem verbleibenden Druck des Schwertes weiter ab. "Aaahhh...." presste hervor, aber seine Aufmerksamkeit nun vollends wieder auf seinen Feind richtet. Er ließ in den Knien nach, riss die linke mit schier unglaublicher Kraftanstrengung nach oben und tauchte so unter dem Hieb durch. Den gellenden Schmerz ignorierend, hob er erneut die rechte Klinge und ließ sie auf den Oberschenkel Hagens niedergehen. Obgleich dieser jenes Manöver noch allerletzten Moment erkannte, war es zu spät. Der Krummsäbel biss sich gierig in das Fleisch.
Purer Schmerz schoss nun durch jede Faser von Shafirios Leib, als er die Waffe wieder hochriss und erneut ansetzen wollte. Aber irgendetwas stimmte nicht. Sein Blick wurde eng und Hagen verlor an Kontur. Mit pumpenden Atem wich er vor dem Albernier zurück, der etwas schwankend nach hinten verkürzte. Lauernd und keuchend standen die beiden sich nun kaum zwei Schritt getrennt gegenüber und fixierten einander.
Autor: vivar
Beide wussten, dass die Sache schnell zu beenden war. Von Hagens Stirn troff der Schweiß. Shafirio spürte, wie das Blut weiterhin warm aus der Wunde lief. Mit zusammengebissenen Zähnen ging er erneut in den Ausfall mit der rechten Klinge über. Doch Hagen lenkte seine Angriffe stets mit klirrendem Kuslikerschwert zur Seite und wich keinen Fußbreit zurück.
"Halt", erscholl es da. "Haltet ein, im Namen der Gräfin!" Die Reiter, sechs an der Zahl, waren herangekommen und umringten die Zweikämpfer. Drei Leichtgerüstete trugen zu gesteppten Lederwämsern und Tellerhelmen blaue Wappenröcke, auf die eine weiße Mondscheibe und darin ein roter Ruben aufgestickt waren. Sie führten auch ein ebensolches Banner mit sich. Zwei waren in Reiterharnisch und Schaller gerüstet, trugen Lanzen in ihren gepanzerten Handschuhen und hatten je ihr eigenes Wappen auf den Schilden - zwei gekreuzte rote Spitzhacken auf Gold der eine, einen silbernen Kessel auf rot die andere. Der letzte Reiter war in reiches dunkelblaues Samt gekleidet und hatte einen Kürass aufgeschnallt. Statt eines Helmes trug er einen Caldabreser, der seine Gesichtszüge überschattete.
"Was geht hier vor?", wollte er in scharfem Ton von Shafirio wissen.
Autor: damotil
Hagen und der Aranier hatten noch die Waffen kampfbereit erhoben einander dabei lauernd beobachtend, als die Neuankömmlinge sie umringten und anriefen. Beinahe hätte Letzterer die Reiter missachtet, um alle verbliebene Kraft in einen letzten kompromisslosen Ausfall zu legen, wenngleich er diesen Schritt aller Wahrscheinlichkeit nach mit seinem Leben bezahlen würde. Entweder durch die Hand seines Feindes oder spätestens durch die Reiter, wenn sie denn tatsächlich im Namen einer Gräfin unterwegs wären. Es kostete ihn alle Selbstbeherrschung, die er aufzubringen vermochte, die Waffe sinken zu lassen und dabei einen Schritt zurück zu treten. Vorsichtig - Hagen könnte noch eine Dummheit begehen - wandte Shafirio den Kopf zu dem Mann, der die Frage an ihn gerichtet hatte.
'Dreizehnmal verfluchter Orkendreck!', fluchte er in Gedanken, als er die Rüstungen und Waffen sah. Er war so kurz vor dem Ziel seiner Rache gewesen, dann musste ihm das Schicksal erneut in die Parade fahren und das Leben dieses Unwürdigen retten! Kurz überschlug er seine Optionen im Geiste, aber es war nicht schwer zu erkennen, dass ihm keine Wahl blieb.
So neigte er respektvoll den Kopf, nicht zuletzt auch um seine Emotionen auf den Gesichtszügen nicht gar so offen zu präsentieren. "Die Götter zum Grusse, hohe Herrschaften und der Segen Angroschs und seiner Geschwister mit der Gräfin", erwiderte er in respektvollem Tonfall. "Nur ein rondragefälliger Disput zweier Männer, Dom." Langsam hob er seinen Kopf und blickte, die Waffen locker in den gesenkten Fäusten hängend, den almadanischen Dom an.
Autor: vivar
"Segen Angroschs? Rondragefälliger Disput?" Der Edelmann zog spöttisch die Mundwinkel unter dem Kaiser-Alrik-Schnauzer hoch, während sein Gesicht im Schatten des Caldabresers blieb. "Was bist du, Kerl - ein besonders groß gewachsener Zwerg in tulamidischer Gewandung, dem es beliebt sich auf der Grafenstraße zu duellieren?" Er wandte sich zu seinen Begleitern um, Bestätigung suchend für den Scherz, den er gemacht hatte, und wurde mit einem Grinsen belohnt.
Shafirio wollte etwas entgegnen, doch er wusste nur zu gut, dass Hohe Herrschaften es ungern sahen, wenn man ihnen widersprach. Stattdessen biss er sich auf die Zunge, packte seine Klingen fester und blickte weiter stumm zu dem dunkelblauen Reiter hinauf.
"Dann will jener dort also der Rondrapriester in diesem Schauspiel sein?", fuhr dieser, auf den Pildeker deutend, fort.
"Mit Verlaub, Dom Gujadal, das bin ich nicht, wie wohl ich stets versuche, den Geboten Rondras zu folgen", sprach Dom Yantur forsch.
Der Neuankömmling wandte sich ihm zu und kniff die Augen zusammen um ihn zu mustern. "Wer seid Ihr dann, dass Ihr mich kennt?"
"Ich bin Yantur von Pildek, Junker von Kleinblitzackern."
"Kleinblitzackern! So seid Ihr meiner Mutter Vasall, Dom Yantur!" Zum ersten Mal vermochte Shafirio einen Hauch von Freundlichkeit um den Mund des blau gewandeten Reiters zu erkennen. Sie kannten sich! 'Dreizehnfach verfluchter Orkendreck', fluchte er noch einmal im Stillen.
Dom Yantur richtete sich im Sattel auf. "Das ist wahr. Ich hatte die Ehre an Eurer Hochwohlgeborenen Mutter Shahanes Hof zu weilen, als die Mark Südpforte noch ein friedlicheres Land und Eure Hochwohlgeborene Mutter noch ihre kaiserlich bestallte Verweserin war."
"Das war auch das letzte Mal, als ich Euch auf Castillo Agum erblickt habe. Wir sind fast von gleichem Alter, Dom Yantur, und ich entsinne mich, dass wir einst gemeinsam tafelten. Wo habt Ihr Euch all die Jahre herumgetrieben? Ihr habt doch nicht etwa Eure Vasallenpflichten gegenüber Eurer Base, der schönen Pildekerin, verletzt?" Lächelnd drohte Dom Gujadal mit dem Zeigefinger.
Die Miene Dom Yanturs jedoch wurde schlagartig ernst. Seine Lippen wurden zu einem dünnen Strich. In seinem Antlitz stand Gram. "Ja, wir standen beide gut im Blute, Dom Gujadal. Aber dann kam der Krieg, und ich zog mit meinem Oheim Gonzago um das Pildeker Banner gegen die Feinde des Reiches zu führen. Zunächst kämpften wir gegen den Dämonenmeister, dann gegen seine Erben, dann gegen die Orken in Albernia..." Er blickte einen Moment in die Ferne, dann sammelte er sich wieder und sah den Mundillo seiner Lehnsherrin fest an. "Das Ross-und-Adler-Banner Pildeks ging bereits 1021 verloren, und mein Oheim und viele Kämpfer der Landwehr mit ihm. Der Rest von uns aber, oft besser im Reben schneiden als im Schwertkampf, kämpfte weiter in der Fremde - für den Fortbestand des Reiches, für die Familia in der fernen Heimat, für die an unserer Seite gefallenen Kameraden, Rondra zur Ehr'. Nach beinahe einem Dutzend Götterläufen nimmt es wohl kein Wunder, dass man in der Heimat vergessen und als pflichtvergessener Herumtreiber betrachtet wird." Bitterkeit klang aus seinen Worten.
Doch der blau Gewandete, den Yantur von Pildek als Dom Gujadal angesprochen hatte, hob beruhigend den Arm. "Verzeiht mir meine Worte, Dom Yantur. Sie waren im Scherz gesprochen und unbedacht - wusste ich doch nicht, dass ich es mit einem Kriegshelden zu tun habe, der obendrein noch seinen Oheim verloren hat. Baron Gonzago von Pildek war ein guter Mann. Und Männer wie Euch, die im Kriegerhandwerk langjährige Erfahrung haben, kann dieses zerrissene Land mehr als gebrauchen. Ich ziehe meinen Hut." Mit einer ungelenken Geste zog Dom Gujadal den Caldabreser vom Haupt. Shafirio konnte zum ersten Mal sein Antlitz in seiner vollen Pracht betrachten. Es war rund und flach wie das Madamal und von beinahe ebenso edler Blässe. Die Nase war klein und die Brauen über den trägen Augen dünn. Das zu einem Eslamszopf zusammen geflochtene Haar war glanzlos und schien sich bereits im taktischen Rückzug von der Stirn zu befinden. Einzig der Kaiser-Alrik-Schnauzer zitterte lebenslustig und gab dem Gesicht eine kräftige, fast komische Note.
Als das Madagesicht den Hut ebenso ungelenk wieder aufsetzte und sich dabei für einen Augenblick verzerrte, fragte es: "Doch was habt Ihr mit diesen beiden Streithähnen zu schaffen, Dom Yantur?"
"Wir waren unterwegs nach Geierschrei, da wurde mein Freund und Waffengefährte Hagen von Mawet hier von diesem Tulamidensohn, der sich Shafirio von Aranien nennt, zum Zweikampf herausgefordert. Er nahm den Kampf an Ort und Stelle an."
"Ha! Tapfer und um Rondra gefochten!", rief der Anführer der gräflichen Truppen da. "Aber was, wenn Euch der Tulamid' zunächst den Waffenbruder getötet und dann Euch selbst samt Harnisch vom Pferd gestoßen hätte, während Ihr noch der Sturmherrin gedachtet? Er sieht ja auch schwer gefährlich aus mit seinen beiden Säbeln und mag wohl ein arger Landplacker sein! Nur gut, dass ich mit Minares und von Caessler vorbeikam. Ich würde den Kerl auch gleich in meiner Mutter, der Gräfin Namen, aburteilen, dass er Euren Gefolgsmann angegangen ist, aber wir haben leider Wichtigeres zu tun.
Sagt, da Ihr von Efferd kommt, habt Ihr wohl einen Zug Edler getroffen, die im Zeichen des güldenen Dreschflegels unterwegs waren?"
"Aber gewiss, Euer Hochwohlgeboren. Das ist das Wappen des Remigius von Alstingen, und von eben diesem wurde ich ausgesandt gen Geierschrei!"
Dom Gujadal ruckte mit dem Kopf. "Tatsache, Pildek? Ihr seid in seinem Auftrag unterwegs? So seid Ihr auch mit von der Partie!" Er nickte verständnisvoll. "Wo bleibt der gute Alstingen denn bloß? Zwei Tage liege ich schon mit meinen Pikenieren jenseits der Geierschreier Brücke und warte auf sein Kommen! Wenn er sich nicht sputet, wird mir alsbald der Flogglonder auf den Pelz rücken und fragen, weshalb ich soviel Stahl in seinen Auen spazierentrage!"
"Dom Remigius ist im Anmarsch, Dom Gujadal. Und er ist nicht allein. Ihn begleiten Cesk von Schelak, Agnello di Barrizal und einige Nordmärker. Mich hat man vorgesandt, um die Lage in Geierschrei auszukundschaften, denn so Manchem in unserer Allianz scheint Pfalzgraf Ragnus von Bonladur abhold."
"Rondra sei gelobt! So hat die Warterei ein Ende!" Ehrliche Erleichterung klang aus Dom Gujadals Worten. "Wegen der Brücke sorgt Euch nicht, Dom Yantur. Der alte Bonladur ist die Brigella hinab nach Endivarol geeilt um seine Nichte davon abzuhalten zum Catalinenfest ins Taubental zu reisen - die zarte Concabella pflegt einen eigenen Schrein der Santa Catalina -, weil er fürchtet, dass sie dort dem Vivar oder einem anderen levthansgeilen Wüstling in die Hände fiele. Zurückgelassen hat er nur eine schwache Besatzung, die sich in den vergangenen Tagen nicht aus der Pfalz getraut hat. Der Weg über die Brigella ist also frei. Lasst uns Freund Alstingen dort erwarten!"
"Das ist erfreuliche Zeitung, Dom Gujadal", sprach der Junker von Kleinblitzackern. "Aber was geschieht nun mit dem Tulamiden?"
"Den nehmen wir mit", grinste der Grafensohn. Dann wedelte er mit der Hand. "Packt ihn und nehmt ihn fest!"
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