Chronik.Ereignis1033 Feldzug Selaque 33

In Ksl. Selaque, 4. Rondra 1033 BFBearbeiten

Auf dem Castillo da VanyaBearbeiten

4. Rondra 1033 BF, am frühen AbendBearbeiten


Autor: von Scheffelstein

Richeza tastete nach dem Säbel, der ihr aus der Hand gesprungen war, als sie auf dem Boden aufgeschlagen war. Alles drehte sich, die Schmerzen bereiteten ihr Übelkeit. Es war eine verflucht dumme Idee gewesen, zu dritt und wehrlos in das Castillo einzudringen. Aber vielleicht wären sie draußen im Dorf längst von Ferkinas erschlagen worden?

Wenn nicht ein Wunder geschah, würden sie nun alle von dieser Frau erschlagen werden, diesem Elenta-Bastard! Der junge de Vargas hielt sich wacker, aber auch wenn er größer und der Commandanta an Kraft mindestens ebenbürtig war, brauchte es nur einen Blick, um zu sehen, dass sie die erfahrenere – und wohl auch skrupellosere – Kämpferin war.

Zitternd schloss Richeza die Finger um den Säbel, richtete sich auf die Knie auf. Sie musste ihm helfen, sie musste etwas tun! Wenn ihr nur nicht so schwindelig wäre!

Die Commandanta drängte den jungen de Vargas an die Wand des Ganges. Moritatio hinter ihm wich in Richtung des Waschkellers zurück und verschwand aus Richezas Gesichtsfeld. Noch einmal gelang es dem jungen Dom Raúl, sich zu befreien, die Kriegerin zurückzuschlagen, die mit wuchtigen Hieben auf ihn eindrosch. Stahl Schlug gegen Stahl, Stahl schlug gegen Stein, Funken stoben, Staub rieselte aus dem Loch in der Wand, knapp neben dem Kopf des jungen Mannes. Ein Scheppern, und das Schwert des de Vargas flog gegen die Wand und fiel zu Boden. Er sprang rückwärts, die Frau setzte ihm nach, hob beide Arme, um ihm mit dem Streitkolben den Schädel einzuschlagen.

Richeza kämpfte sich auf die Füße, schwankte.

"Die Waffe fallen lassen!" Die Spitze eines Schwertes drückte in die weiche Kuhle im Nacken der Commandanta, dort wo ihr Haar ansetzte. Eine braune Strähne segelte zu Boden. Den Träger des Schwertes konnte Richeza nicht sehen. "Und schön stillhalten, wäre doch schade um Euer hübsches Haupt!" Die Stimme kam Richeza vage bekannt vor, aber sie konnte sie nicht zuordnen.


Autor: Der Sinnreiche Junker

Während der Streitziger die Commandanta in Schach hielt, verteilten sich hinter ihm seine Begleiter. Eine Frau mit einer Armbrust im Anschlag postierte sich schräg hinter ihm – in einem Gang gewiss nicht ideal hinsichtlich des Schussfeldes, und es sagte wohl einiges aus über die Kampferfahrung der Schützin, doch immerhin besser als nichts. Auch die drei weiteren Bewaffneten mochten im ersten Augenblick nicht eingreifen können, doch dürften sie Yegua von Elenta vor Augen führen, dass die Situation aussichtslos war.

„Verzeiht unser spätes Erscheinen“, grinste der Mann mit dem Arm in der Schlinge breit, und bei näherem Hinsehen erkannten Domna Richeza und Dom Moritatio das bärtige und schmutzstarrende Gesicht von Anzures Ballan, dem unverwüstlichen Kumpanen eines gewissen Condottieres.


Autor:SteveT

Yegua gefror buchstäblich mitten in der Bewegung, als sie die Klingenspitze an ihrem Nacken spürte. Einen Wimpernschlag lang überlegte sie, ob sie ihrerseits den, den die anderen Raúl nannten, als Geisel nehmen sollte, um sich so Luft zu verschaffen. Aber dazu hätte sie selbst ein Schwert oder eine Klingenwaffe benötigt. Den Streitkolben konnte sie ihm schlecht an die Kehle setzen, und um noch ihren Dolch zu ziehen, war es schon zu spät. Bis sie den gegen diesen Hund erhoben hätte, wäre sie schon feige von hinten erstochen worden.

So blaffte sie stattdessen, vor allem an die Person hinter sich gewandt: "Wer zum Namenlosen seid Ihr schon wieder, und wie bei allen Gehenkten seid ihr alle hier herein gekommen?" Sie ließ widerwillig den Streitkolben sinken, nachdem sofort der hundsföttische junge Da Vanya griff. Yegua gab den Griff der Waffe jedoch nicht frei, sodass sie nun beide daran zerrten.

"Das Spiel ist aus, verfluchte Bastardin!", ätzte Moritatio und riss ihr mit aller Gewalt die Waffe aus der Hand. "Wir sind in der Überzahl und jetzt ergeht es euch hinterlistigen Burgbesetzern dreckig!"

"Pah! Ihr seid doch die Aufwiegler und Verräter, die den kaiserlichen Landfrieden gebrochen haben!", fauchte ihn Yegua an und warf auch Richeza und Raúl mordlüsterne Blicke zu. "Bald wird meine Base mit einer größeren Streitmacht und mit weiteren Soldaten des Kaisers hier sein! Dann könnt Ihr denen erklären, warum Ihr mitten während des schlimmsten Ferkinasturmes seit vielen hundert Götterläufen eine unselige Fehde vom Zaun brechen musstet und der kaiserlichen Reichsvogtin absichtlich alle Ressourcen vorenthalten habt, die sie dringend zur Landesverteidigung benötigt hätte."

"Haltet die Schnauze!", brüllte nun Moritatio und hob drohend den Streitkolben zum Schlag. "Ihr Elentas habt die Fehde ausgelöst! Das wisst Ihr nur zu gut!"

Yegua schüttelte den Kopf und wandte ihm eiskalt den Rücken zu, auch um zu sehen, wer sie da eigentlich von hinten bedrohte. "Seht Ihr, mit was für Leuten Ihr Euch da gemein macht? Wer seid Ihr überhaupt und wer war der miese Verräter, der Euch allen das Tor geöffnet hat?"


Autor:von Scheffelstein

Richeza tastete sich an der Wand entlang näher an die Türöffnung, um besser sehen zu können, was auf dem Gang vor sich ging, sie achtete jedoch genau darauf, außerhalb der Reichweite der Kriegerin zu bleiben. Auch wenn sie den Säbel fest umklammert hielt, war sie viel zu schwach, um sich zu wehren.

Überrascht hob sie die Augenbrauen, als sie erkannte, wer ihnen da so unvermutet zu Hilfe gekommen war.

"Ihr?", fragte sie an Gendahar von Streitzig gewandt. "Was macht Ihr hier? Ist meine Tante da? Seid Ihr mit ihren Soldaten zurückgekehrt?" Ihr Blick fiel auf Anzures Ballan und verdüsterte sich. "Oder mit dem Aranjuez?"

Sie wandte sich Moritatio zu. "Hol welche von den Tüchern oder Leinen aus der Waschküche, und dann fesselt sie." Sie nickte verächtlich in Richtung der Elenterin. Plötzlich fiel ihr etwas ein und ihr Gesicht verdüsterte sich noch weiter, als sie sich wieder zu dem Streitzig umdrehte. "Wo ist Praiodor? Habt Ihr ihn etwa hierher gebracht? Ihr habt versprochen, ihn in Sicherheit zu bringen! Wo ist der Junge?"


Autor: Ancuiras

"Ich freue mich auch, Euch wiederzusehen, werte Richeza", antwortete Gendahar und versuchte trotz der Umstände ein Lächeln. "Ich bin allein gekommen, weil ich solche Sehnsucht danach hatte, die liebliche Stimme einer Da Vanya zu hören. Dem Jungen geht es gut. Er ist mit den Gräflichen auf dem Weg nach Ragath, Romina wird sich in der Zwischenzeit um ihn kümmern. Aber mir scheint, es gibt jetzt Vordringlicheres."

Er wandte sich Yegua von Elenta zu. "Mit Verlaub, Caballera, ich bin Euch keinerlei Rechenschaft schuldig. Und Eure werte Base wollte uns beim letzten Besuch auf diesem Castillo gefangen setzen lassen oder Schlimmeres. Sie wird dem Kaiser Rede und Antwort stehen müssen, ebenso wie Ihr."

Er winkte noch einen Burschen hinzu. "Geh dem jungen Herrn da Vanya zur Hand, wenn er diese Dame hier einsperrt."


Autor: von Scheffelstein

Richeza klappte den Mund auf – und wieder zu. Dass der Streitzig nicht alleine war, sah sie. Den Burschen, den er hinter Moritatio her in den Waschkeller schickte, kannte sie aus dem Dorf. Und wieso sagte er, er sei allein, wenn der Söldner des Aranjuez neben ihm stand? Was wollte er hier?

Noch immer drang das Geräusch des Regens von oben herunter, leiser inzwischen. Menschen riefen auf dem Hof durcheinander. Richeza vermochte keinen klaren Gedanken zu fassen. Sie wusste nicht, ob sie nun sicher war oder nicht, ob das Kämpfen ein Ende hatte oder weiterginge. Sie war unfähig, eine Entscheidung zu treffen, und so lehnte sie wortlos an der kalten Mauer der Kammer, hielt sich an dem Säbel fest wie eine Ertrinkende an einem brüchigen Ast und starrte den Streitzig an, stumpf, aus blutunterlaufenen Augen.


Autor: Der Sinnreiche Junker

Der Mercenario hielt sich höflich im Hintergrund, stand es ihm doch nicht zu, sich in die Belange der hohen Herrschaften einzumischen. Er wusste auf wessen Seite sein Freund und Dienstherr stand, und mehr interessierte ihn nicht. Zumal ihm auch der vielsagende Blick nicht entgangen war, mit welchem die Scheffelsteinerin nach Hernán von Aranjuez gefragt hatte.

„Ich weiß nicht, wo sich Seine Hochgeboren aufhält. Ich hatte gehofft, Ihr wüsstet vielleicht etwas.“ Fragend sah er sich in der noblen Runde um.


Autor: von Scheffelstein

Richeza zuckte auf die Frage des Söldners hin mit den Schultern. Wusste der Namenlose, wo der Aranjuez sich herumtrieb. Sie konnte sich nicht einmal erinnern, wie er sie verlassen oder warum er sie zurückgelassen hatte. Sie hatte auf diesem verfluchten Ackergaul gesessen, gefesselt, er hatte mit der Harmamund geredet, irgendwo unten im Dorf, nachdem man ihnen den Einlass in die Burg verwehrt hatte. Und dann? Nichts. Irgendwann war sie in der Hütte erwacht, und Moritatio und der alte Krähenfreund waren dort gewesen. Was war zuvor geschehen?, fragte sie sich beunruhigt.

Sie sah zu Moritatio, der mit dem jungen de Vargas und dem Burschen aus dem Dorf aus der Waschküche zurückkehrte. Sie fesselten die Elenterin. Die Augen der Frau versprühten einen solchen Hass, als wolle sie sie alle am liebsten auf der Stelle töten. Doch offenbar war ihr ihr Leben teuer, und das Schwert des Streitzig, das nun an ihrer Kehle lag, und die auf sie gerichtete Armbrust, schienen überzeugend genug, dass sie sich nicht wehrte.

"Moritatio", wandte sich Richeza an ihren Vetter, "solange deine Mutter nicht hier ist, bist du der Herr dieser Burg. Du musst ..." Sie blinzelte. "Wir müssen die Gardisten loswerden. Jetzt! Bleibt zu hoffen, dass sie freiwillig gehen, wenn sie sehen, dass wir ihre Commandanta haben. Zumal diese ja mehr als deutlich gemacht hat, dass ihr das Leben ihrer Gefolgsleute umgekehrt keinen Fliegenschiss wert ist."

Ja, das blieb wahrlich zu hoffen! Denn welche Aussichten hätten sie sonst gegen ein Dutzend bewaffneter Soldaten, falls diese sich als unerwartet loyal erwiesen? Richeza musterte die Männer und die Frau im Gang. Moritatio war sicher nur ein mäßiger Kämpfer, sie selbst konnte sich kaum auf den Beinen halten, und auch der Söldner schien verletzt. Und die Dörfler waren Bauern, keine Soldaten. Blieben der junge de Vargas und der Streitzig.

Was auch immer der hier wollte. Rache an Praiosmin? So hätte sie ihn gar nicht eingeschätzt. Richeza betrachtete den Mann. Er trug einen Harnisch und Reitkleidung, Haar und Bart waren wieder sorgsam gestutzt. Falls seine Schulter ihm noch Beschwerden machte, war ihm dies nicht anzumerken. Er sah aus wie das blühenden Leben.

Ganz im Gegensatz zu ihr. In Lumpen. Mit kaputten Stiefeln. Blutbesudelt. Bleich und krank.

'Bei allen Höllen, hast du keine andere Sorgen, Richeza?', fragte sie sich und senkte verdrossen den Blick.


Autor: Ancuiras

Gendahar betrachtete die zerzauste kleine Gestalt vor ihm, die einmal Richeza von Scheffelstein gewesen sein musste. Irgendwie sah sie selbst in diesem Aufzug noch... anziehender aus. Schutzbedürftiger. Jedenfalls interessanter als die ganzen herausgeputzten Domnatellas bei Hofe.

Er riss sich aus seinen Gedanken. Er sollte sich diesen Unsinn aus dem Kopf schlagen. Sie bedurfte keines Schutzes, verlangte erst recht nicht danach. Und wenn sie sich gefreut hatte, ihn wiederzusehen, hatte sie es wohl verborgen. Das Einzige, was sie beide verband, war der kleine Praiodor, und den hatte er in ihren Augen allein gelassen.

Er blickte in die Runde. "Es wird Zeit, der Besatzung klarzumachen, dass diese Frau hier nichts mehr zu sagen hat. Moritatio, du bist jetzt in der Tat der Befehlshaber der Burg. Die Gardisten loszuwerden wird indes nicht so einfach sein", ergänzte er in Richezas Richtung. "Nicht, solange dort draußen noch die Oger wüten. Aber wollen wir doch mal sehen, ob wir die Männer und Frauen nicht unter unseren Befehl stellen können."

Er hieß ihre beiden Begleiter aus dem Dorf, die Kommandantin nicht nur zu fesseln, sondern auch zu knebeln. Dann marschierte er geradewegs auf den Burghof und bedeutete seine Leuten, die Kommandantin hinter ihm herzuführen. Im Hof angekommen erkannte er, dass die Löscharbeiten fast abgeschlossen waren. Er blickte an sich herab: In eine Rüstung gekleidet hatte er eigentlich immer eine hinreichend beeindruckende Erscheinung abgegeben. Er wartete noch einen Augenblick, bis ihm die Aufmerksamkeit der meisten Burgwachen sicher war, bevor er sich auf die Mitte des Burghofs stellte und mit lauter, über den ganzen Hof schallender Stimme auszurufen begann.

"Höret! Ich, Gendahar von Streitzig, Vogt von Gräflich Thangolforst und Ritter seiner Kaiserlichen Majestät, Hal Secundo von Gareth und Almada, gebe Folgendes kund: Im Namen Ihrer Kaiserlichen Majestät und Seiner Hochwohlgeboren, Graf Brandil von Ehrenstein und Streitzig zu Ragath erkläre ich, dass jene Person hier", er zeigte auf Yegua von Elenta, "nicht mehr befugt ist, das Kommando über dieses Castillo zu führen. Sie wird nach Punin verbracht und muss dort sich dort für ihr eigenmächtiges Handeln verantworten und mit ihr jede Person, die von nun an für ihre Sache streitet und ihren Befehlen Folge leistet. Wer aber bislang ihr aus Unwissenheit Gefolgschaft leistet, soll pardonniert werden, so er oder sie fortan wieder dem Kaiserhaus treu ist. Das Kommando über das Castillo liegt von nun an wieder in den Händen des Hauses da Vanya. In Abwesenheit der Junkerin hat ihr Sohn Moritatio die Befehlsgewalt." Er hoffte, dass Moritatio ihm gefolgt war, wandte sich aber nicht nach ihm um. Er streckte das Schwert in die Höhe. "Nur gemeinsam können wir der Gefahr durch Oger und Ferkinas wiederstehen. Vivat Almada, Vivat Hal Secundo! VIVAT!"


Autor:SteveT

Die zu Vogtsbütteln umfunktionierten Selaquer Bauern und Handwerker warfen sich untereinander ungläubige und unsichere Blicke zu. Die Da Vanyas waren doch Verräter an der praiosgefügten Ordnung dieses Landes - das hatten die hohe Frau Reichsvogtin und erst recht die fromme Commandanta tagtäglich gepredigt. Und nun sollten diese im Namen des Kaiserhauses gehandelt haben und sie selbst - immerhin in Diensten der kaiserlich bestallten Landesherrin - gegen dieses?

Aber solche Verwirrnisse zu verstehen, war Sache der hohen Herrschaften. Sie selbst waren schließlich nur hier, um zu gehorchen und um ein paar Taler für die eigene Sippe zu verdienen.

"Lang lebe der Kaiser!", rief nun auch Moriatio da Vanya, der Gendahar auf dem Fuße gefolgt war, mit laut schallender Stimme. Da er dies bei Hofe ohnehin bei allen Exerziten brüllen musste, ging es ihm überzeugend und souverän über die Lippen. In Ermangelung einer eigenen Waffe, hatte er den Streitkolben der Elenterin in die Höhe gereckt, der ihn frappierend an das Sonnenszepter seines Großonkels Amando erinnerte. War es dieses am Ende gar?

"Vivat! Lang lebe der Kaiser! Das Feuer ist gelöscht!", riefen nun auch die Leute im Hofe überzeugt. Einige warfen gar vor Freude ihre Kappen und Helme in die Luft. Der noch immer niederprasselnde Regen geriet für einen Moment in Vergessenheit.

Alle Augen richteten sich nun auf Moritatio, den der Gedandte des Kaisers ja als neuen wie alten Herren der Burg genannt hatte.

Dieser nickte erfreut und dankbar Gendahar zu und klatschte dann in die Hände. "Zurück auf die Türme und Wehrgänge, ihr getreuen Leute! Draußen streifen Oger und Wilde umher! Vier Mann folgen mir in den Weinkeller! Wir haben dort ein paar Fuderfässer zu verrücken ... nur für den Fall der Fälle!"


Autor: Ancuiras

Gendahar beobachete die Soldaten genau, das Schwert in der Hand und bereit, auf mögliche Angriffe zu reagieren. Er erwartete in jedem Moment, das irgendwo ein Armbrustschütze auftauchte oder jemand mit der Klinge in der Hand auf ihn losstürmte.

Als - zunächst - nichts von alledem geschah und die Menschen sogar in den Jubel einfielen, nickte der den Soldaten zu. "Ihr habt den Burgherren gehört: auf die Posten." Er wandte sich zu den beiden Gefangenenwärtern um und deutete auf Yegua. "Sperrt sie ein, dass es kein Entkommen gibt, und bewacht den Eingang."

Dann begab er sich, sich noch immer in alle Richtungen absichernd, selbst auf den Wehrgang, um sich ein Bild zu verschaffen, wie es um die Oger stand. Oben angekommen, blickte er in das Dorf hinab. Welches Ausmaß hatte die Zerstörung durch die Monster angenommen? Was war aus Tsacharias geworden?

Das Dorf war ein einziges Bild der Verwüstung. Die Türen zahlreicher Hütten waren eingeschlagen worden, die Dächter in sich zusammen gestürzt. Und keine Menschen- oder Ogerseele zu sehen. Vermutlich hatten die Monster sich verzogen, als sie kein Fressen mehr gefunde hatten und hielten sich jetzt am Vieh schadlos. Hoffentlich waren die Menschen nur geflohen und keinem schlimmeren Schicksal erlegen...


4. Rondra 1033 BF, am späten AbendBearbeiten

Autor: von Scheffelstein

Das warme Wasser machte Richeza müde, aber es vertrieb allmählich die Schmerzen aus ihren Gliedern. Eine der Dörflerinnen hatte ihr Weidenrindentee gebracht, unter dessen Wirkung auch das Hämmern in ihrem Kopf nachgelassen hatte. Richeza war so erschöpft, dass sie, entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit, die Dienerin nicht fortgeschickt hatte, nachdem diese ihr in einem der Türme ein Bad bereitet hatte.

So saß sie still im dampfenden Wasser und blickte hinauf zu dem schmalen Fenster, hoch unter der Decke, in dem ein Sperling saß, schwarz gegen das schwindende Tageslicht. Die Dienerin schrubbte den Schmutz von Richezas Körper – das sanfte Kratzen der Bürste tat gut – und kämmte ihr Haar, dann reichte sie ihr ein großes Leinentuch.

Mit zittrigen Knien stieg die Edle aus dem Zuber. Die Dienerin half ihr beim Abtrocknen und bat sie, sich auf eine Bank zu setzen. Richeza schloss die Augen, während die junge Frau ihren Rücken mit maraskanischem Kampferöl einrieb. Fast nickte sie ein unter der sanften Berührung. Nach aller Mühsal der letzten Wochen erschien ihr die Situation unwirklich. Wenn sie die Augen öffnete, würde sie aus dem Traum erwachen. So hielt sie sie weiter geschlossen, als sie die Dienerin aufforderte: "Bring mir etwas zum Anziehen!"

"Ja, Herrin!"

Richeza lauschte den Schritten, die auf der Stiege nach oben leiser wurden und dann durch eine Tür verschwanden. Waren sie sicher? War das Castillo wirklich wieder in ihrer Hand? Konnten sie den Selaquer Gardisten trauen, denen Moritatio nun Waffenröcke der Vanyadâler Soldaten gegeben hatte. Machte ein anderes Wappen auf der Brust sie plötzlich loyal? Die Elenterin hatten sie in den tiefsten Kerker der Burg geworfen. Auf den Türmen flatterten wieder die Farben da Vanyas. Die Dörfler waren sicher innerhalb der Mauern, sicher vor den Ferkinas und den Menschenfressern, von denen der Streitzig und der Söldner berichtet hatten.

Und doch fiel es Richeza schwer, den Augenblick anzunehmen, das Gefühl der Bedrohtheit abzuschütteln. Vertrauen. Wem konnte sie vertrauen? Sie musste sich nichts vormachen: Ohne die Hilfe anderer hätte sie die vergangenen Wochen nicht überlebt. Sie hatte ihre eigenen Kräfte überschätzt. Die Erkenntnis erfüllte sie mit großer Unruhe, machte sie wütend. Auf andere angewiesen zu sein, ließ sie sich hilflos, wehrlos erscheinen. Da war es wieder: vertrauen – sie konnte es einfach nicht.

Richeza öffnete die Augen. Wo blieb die Dienerin nur? Das dauerte lange! Der Sperling war fortgeflogen. Graue Dunstschwaden drehten sich über dem Bottich, winzige Wassertropfen perlten von Richezas Haut. Die Edle schlang sich das dünne Tuch fester um den Leib. Endlich kehrte die Dienerin zurück.

"Ein Kleid?", fragte Richeza stirnrunzelnd, als die Frau ihr eine fliederfarbene Cothardie hinhielt.

Die Dienerin knickste. "Verzeihung, Herrin, ich habe nicht viel in Eurer Größe gefunden. Gefällt Euch die Farbe nicht? Es gab noch ein Blaues und ..."

"Nein, schon gut", brummte die Edle und musterte das Kleid. Es hatte lange Ärmel und war körperbetont geschnitten. Die Seide roch nach Zedernholz und Lavendel. Offenbar hatte das Kleid lange niemand mehr getragen. Wahrscheinlich hatte es ihrer Mutter gehört, wer sonst hier hätte ein Kleid getragen? Gewiss nicht ihre Tante und auch ihre Base nicht und am wenigsten ihre Großmutter. "Hilf mir beim Anziehen!"

"Ist es recht so?", fragte die Dienerin, als sie Richeza kurz darauf einen bronzenen Handspiegel hinhielt.

Richeza betrachtete die Frau im Spiegel. Das nasse hochgesteckte Haar, das Kleid – es war fast erschreckend, wie gut es passte, fast, als sei es eigens für sie angefertigt worden –, die Spangenschuhe, die Goldkette mit dem geschliffenen Amethyst.

"Ich habe den Schmuck in einer alten Holzkiste gefunden, offenbar haben die ... die Soldaten sie übersehen, als sie die Burg plünderten", erklärte die Dienerin.

Richeza reichte ihr den Spiegel zurück. Sie fühlte sich fremd in diesem Gewand, aber wenn sie nicht länger in zu großer und unstandesgemäßer Kleidung herumlaufen wollte, hatte sie wohl keine andere Wahl.

Es hatte zu regnen aufgehört, aber über der ganzen Burg hing noch immer Brandgeruch. Das Gewitter war weiter nach Süden gezogen, in der Ferne zuckten Blitze, ab und an war Donnergrollen zu hören. Die Sonne war inzwischen untergegangen, es wurde rasch dunkler, und zwischen den Wolken schien schwach der Mond hervor.

Vor dem Rittersaal standen zwei Dörfler Wache und öffneten ihr die Tür. Der Saal war mit Kerzen und Fackeln erleuchtet. Der Duft nach frischem Brot und gebratenem Fleisch schlug ihr entgegen. Das Mahl auf dem Tisch war sicher nicht fürstlich zu nennen, aber nach den entbehrungsreichen Wochen erschien es Richeza einer Königin würdig.

Moritatio saß am Kopf des Tisches, dort, wo sonst seine Mutter zu sitzen pflegte. Er trug saubere Kleider nach Hofjunkerart und hatte sich die Wangen auch endlich wieder rasieren und das Haar schneiden lassen. Auch für den jungen de Vargas zu seiner Linken hatten sich frische Kleider gefunden, die wohl Moritatio gehörten, der etwas schmaler, dafür aber ein wenig größer war. Zu Moritatios Rechten saß der Thangolforster Vogt, der seinen Harnisch inzwischen abgelegt hatte. Selbst der Söldner, Anzures Ballan, saß mit am Tisch, links von Raúl de Vargas, und machte, bis auf den Arm in der Schlinge, keinen zu schlechten Eindruck.

Offenbar hatten die Männer nicht mehr mit ihr gerechnet, denn man hatte für sie nicht eingedeckt. Eine Dienerin eilte sofort zu einer Anrichte am anderen Ende des Saales, um Teller; Messer und Gabel zu holen.

Richeza verharrte kurz zögernd am Eingang des Saales, fragte sich, ob sie nun neben dem Streitzig oder dem Söldner Platz nehmen sollte.


Autor: Der Sinnreiche Junker

Es war offensichtlich dass Anzures Ballan es eilig hatte. Ein ob des Armes eher improvisiertes Bad, etwas Anständiges im Magen und Getränke jenseits von Regenwasserpfützen hatten durchaus etwas für sich gehabt, doch hatte der Mercenario keinen Hehl daraus gemacht, dass er sich alsbald wieder seinem Herrn anschließen wollte, der, wie er vom zumindest vorübergehend neuen Burgherr Moritatio da Vanya in knappen Worten erfahren hatte, wieder zurück nach Grezzano marschiert war. Selbst eine fachkundige Versorgung des Armes hatte er abgelehnt, aus Sorge dabei das Bewusstsein zu verlieren und für längere Zeit hierbleiben zu müssen. Entsprechend hastig hatte er gegessen, um nicht zu sagen: geschlungen, was mancher wohl dem Hunger, andere den schlechten Manieren eines Rustikals und Söldners zuschreiben mochten. Und war dann unruhig auf seinem Stuhl herum gerutscht, bis endlich auch der Letzte an der Tafel sein Mahl beendet hatte.

„Mit Gunst“, räusperte er sich. „Ob es wohl möglich wäre ein Ross zu leihen? Ich würde gerne unverzüglich nach Grezzano aufbrechen, um …“ Dann trat Richeza von Scheffelstein ein, und er brach seinen Satz ab und erhob sich, wenn auch hinsichtlich des Armes nicht ganz ohne Mühen. Soviel Höflichkeit brachte dann selbst ein Landsknecht zustande.


Autor: SteveT

"Ich habe selbst kein Ross hier!", zuckte Moritatio auf Anzures Frage hin bedauernd mit den Achseln. "Ich bin auf einem hierher geprescht, das ich der verfluchten Morena von Harmamund entrissen habe, es blieb draußen zurück. Hm, ah ... apropos - das Pferd des Harmamund-Botens müsste doch irgendwo untergestellt sein! Das könnt Ihr meinetwegen nehmen und auch für immer für Euch behalten!"

Ohne dass er zu Gendahar, Anzures Ballan oder sonstwem ein Wort darüber verloren hatte, war der vorhin von den Bütteln übel zusammengeschlagene Herold der Harmamunds nun ebenfalls neben Yegua von Elenta im Burgkerker gelandet. Moritatio hatte ihn selbst zusammen mit dem Vanyadaler Dorfschmied dort hinab geworfen. Da konnte er schön bis ans Ende seiner Tage verrotten - genau wie seine elende Herrschaft, wenn er sie erst in die Finger bekäme.

Er starrte Anzures Ballan überrascht an, als dieser plötzlich aufstand. Auch Dom Gendahar starrte mit weit aufgerissenen Augen an ihm vorbei - offenbar zur Türe in seinem Rücken.

Moritatio folgte deren entgeisterten Blicken und wandte sich ebenfalls um. Sofort blieb auch ihm der Mund vor Überraschung offenstehen und seine Augen begannen zu glänzen: "Richeza? Du siehst ja ... ganz wunderbar aus! Wie eine Frau! Äh, also ... ich meine ... wie eine richtige Frau ... ähm also wie eine der Frauen bei Hofe - du weißt schon, was ich meine! Einfach unglaublich!"


Autor: Ancuiras

Auch Gendahar von Streitzig traute kaum seinen Augen. Zuerst glaubte er an eine Erscheinung – zu lange, während der ganzen Zeit im Raschtulswall, hatte er einen solchen Anblick entbehren müssen. Nein, eigentlich hatte er noch niemals einen solchen Anblick genossen.

Doch im nächsten Augenblick übernahm wieder der Caballero in ihm die Kontrolle, ließ ihn aufstehen und den Stuhl neben ihm nach hinten rücken. "Domna Richeza, wenn Ihr die vertrauliche Anrede erlaubt, würdet Ihr mir die Ehre erweisen, den Platz neben dem meinen einzunehmen?"


Autor: Der Sinnreiche Junker

Der Mercenario neigte das Haupt in Richtung des jungen da Vanya. „Seid bedankt. Ich bin gewiss, dass Dom Hernán Euer freundliches Entgegenkommen zu schätzen weiß. Habt auch dank für Eure Gastfreundschaft und…“

Ganz offensichtlich waren aber alle Anwesenden plötzlich mit der eingetretenen Richeza von Scheffelstein beschäftigt, sodass der raubeinige Söldner, der sich gewiss in der Gesellschaft von Hafendirnen wohler fühlte denn in der von Puniner Hofdamen, vom Tisch zurück trat, und lediglich noch einmal pflichtschuldig das Haupt an der soeben vorbei schwebenden Landedlen neigte: „Euer Wohlgeboren.“

„Die Götter mit Euch“, wiederum war, wenn auch ob der kaum noch vorhandenen Aufmerksamkeit der noblen Runde eher pro forma an alle gerichtet, ehe er sich Richtung Türe wandte.


Autor: von Scheffelstein

Richeza ließ ihre Augen noch einen Moment länger über die Männer schweifen, während die Dienerin mit dem Gedeck im Hintergrund abwartete, wohin sie sich setzen werde. Auch der junge de Vargas hatte sich höflich erhoben und den Kopf geneigt. Da standen sie nun, vier Männer, und gafften sie an, als sei sie soeben aus einer anderen Sphäre getreten, als sei sie plötzlich ein anderer Mensch. Einen Teil von ihr machte es unglaublich wütend. Ein anderer Teil von ihr amüsierte sich köstlich. War es wirklich so leicht, Männer um den Finger zu wickeln? Reichten ein Kleid, eine andere Frisur, ein wenig dezenter Schmuck? Bei allen Niederhöllen, sie fühlte sich noch immer genauso müde und mitgenommen wie vor wenigen Stunden, sahen sie das etwa nicht?

Ein wenig aber, musste Richeza zugeben, schmeichelte es sie doch, noch immer diese Reaktion hervorzurufen, bei teilweise erheblich jüngeren Männern. Es war lange her, seit sie bewusst mit ihren Reizen gespielt, noch länger, dass sie dieses Spiel genossen hatte.

Ein Spiel, bei dem sie auch verlieren konnte. Abermals musste sie an die Worte ihrer Tante denken: Ich fürchte, du hast eine zu romantische Vorstellung von den Männern, mein Kind. Sie tun grundsätzlich niemals etwas ohne Hintergedanken.

Richeza straffte sich und trat an den Tisch heran. "Dom Gendahar." Sie neigte leicht den Kopf. Das Domna war ihr nicht entgangen, mit dem er sie angeredet und auf das er zuvor so gern verzichtet hatte. Sie ließ sich den Stuhl unterschieben und setzte sich.

"Eine richtige Frau, ja?", wandte sie sich dann an ihren Vetter und verzog spöttisch den Mund. "Ich sehe, du hast eine andere Vorstellung davon, wie eine richtige Frau zu sein hat, als deine Mutter oder deine Schwester." Sie hob eine Augenbraue und betrachtete ihn noch kurz mit gekräuseltem Mund und blickte dann in die Runde, während die Bedienstete ihr Teller und Besteck hinlegte und aus dem Weinkrug auf dem Tisch in einen Pokal eingoss. "Merkwürdig, nicht wahr, dass sich die Vorstellung eines Mannes über die wahre Natur einer Frau so sehr von der richtiger Frauen aus Fleisch und Blut unterscheiden kann. Sollte nicht eine richtige Frau eher darüber Auskunft geben können, wie es ist, Frau zu sein, als ein Mann?"

Beiläufig steckte sie sich eine Traube in den Mund, schnitt sich von dem Brot ab und winkte Moritatio, ihr die Platte mit dem gebratenen Huhn herüber zu schieben.


Autor: Ancuiras

"Erlaubt mir, an Stelle Eures Cousins zu antworten", warf Gendahar ein, da es Moritatio anscheinend die Sprache verschlagen hatte. "Ich sage nur, was er nicht auszusprechen wagt, um sich nicht in scheinbaren Widerspruch mit den weiblichen Familienmitgliedern zu setzen: Glaubt mir, manchmal weiß eher ein Mann zu beurteilen, ob er eine richtige Frau vor sich hat, als die Frau selbst. Und falls Ihr das in Abrede stellen wollt, werte Domna, dass Ihr heute Abend mehr Frau seid als in den letzten Wochen in der Wildnis, so darf ich Euch versichern, dass es in dieser Angelegenheit vier zu eins gegen Euch steht. Oh, nur noch drei zu eins ...", fügte er hinzu, als sich Anzures Ballan entfernt hatte. Als Richeza etwas erwidern wollte, ergriff er die Karaffe des kräftigen Schrotensteiner Rotweins und bot ihr an einzuschenken. "Aber wir wollen diesen Abend nicht disputieren, sondern die Befreiung des Castillos feiern: Drei richtige Doms mit einer richtigen Domna und richtigem Wein!"


Chronik:1033
Der Ferkina-Feldzug
Teil 33