Chronik.Ereignis1033 Feldzug Selaque 15
In der Baronie Selaque, 2. Rondra 1033 BFBearbeiten
Auf Burg AlbacimBearbeiten
2. Rondra, mittagsBearbeiten
Autor: von Scheffelstein
"Jawohl, wir haben ihn, Hochgeboren!" Der Gardist grinste breit. "Es war nicht schwer, ihn zu fangen."
"Wo habt Ihr ihn gefunden?" fragte Praiosmin von Elenta.
"Nicht weit von Elenta. Auf einer Bergweide. Das ganze Gesinde der da Vanyas scheint sich dort versteckt zu haben." Wieder zeigte der Mann zwei Reihen weißer Zähne. "Sie haben einen Verletzten, und irgendsoein Mädchen hat in Elenta nach Kräutern und so Zeug gefragt. Nandoro hat sie erkannt als eine von den Küchenmägden der da Vanya. Er hatte mal was mit ihrer Schwester und ..."
"Ja, ja", unterbrach die Reichsvogtin den Mann, die sich ganz offenbar keine Details irgendeiner fleischlichen Affäre anhören wollte. "Ihr habt vermutlich das Mädchen ausgefragt und euch zu der Weide bringen lassen."
"So könnte man das auch nennen", erklärte der Soldknecht mit verschlagenem Grinsen.
"Hat es Tote gegeben?", mischte sich Aureolus in das Gespräch ein. Bislang hatte er sich im Hintergrund gehalten, aber er fürchtete, dass seine Mutter sich allzu schnell mit der Gefangennahme Dom Berengars zufrieden geben und die wichtigen Fragen nicht stellen würde.
Der Gardist runzelte die Stirn und warf Aureolus einen ungehaltenen Blick zu, hielt er ihn doch nur für einen Gemeinen, der das Glück hatte, von seiner mildherzigen Herrin als Mündel angenommen worden zu sein. Wenn der wüsste! "Eure Hochgeboren, einige von dem Gesindel haben Widerstand geleistet. Wir haben ihnen einen Denkzettel verpasst", wandte der Mann sich an Aureolus Mutter.
"Habt Ihr Blut vergossen?", fragte Aureolus erneut und erntete einen ungehaltenen Blick des Soldknechts, doch da auch seine Mutter den Mann fragend ansah, zuckte der mit den Schultern. "Irgendein altes, dickes Weib ... äh ... also, die hat sich vors Pferd geworfen, als wir den Schlehener mitnahmen. Sie wurde von einem der Hufe am Kopf getroffen. War sofort tot, fürchte ich. Zwei, drei Burschen und Frauen sind dann auf uns losgegangen, einen haben wir niederstrecken müssen."
"Das war sehr dumm", erklärte Aureolus mit finsterer Miene. Jedes unnötige Blutvergießen konnte in dieser heiklen Angelegenheit von übelmeinenden Rechtsverdrehern gegen seine Mutter ausgelegt werden. Immerhin hatten die Gardisten auf sein Anraten hin einfache Söldnerkleidung getragen und nicht die Farben Elentas. Und sie hatten dem Gefangenen einen Sack über den Kopf gezogen, als sie ihn hergebracht hatten. Dennoch: Sie hätten alle Gemeinen erschlagen sollen oder keinen. "Was ist mit dem Mädchen, das dieser ... Nandoro erkannt hat?", fragte er weiter. "Habt ihr sie laufen gelassen?"
"Wo denkt Ihr hin?", erwiderte der Soldknecht verärgert. "Haltet Ihr uns für dumm? Wir haben sie mitgebracht und in den Kerker gesteckt.
Aureolus rieb sich das Kinn, an dem noch immer kein Bart wachsen wollte, obwohl er vor wenigen Wochen seinen sechzehnten Tsatag erlebt hatte. Sie hatten also Berengar von Schlehen in ihrer Gewalt und damit möglicherweise ein Druckmittel gegen Rifada da Vanya. Allerdings gab es noch keine Spur von den Briefen. Die Frau, die sie ausgesandt hatten, um in Ragath die Soldlisten durchzugehen und sich bei Ludovigo Sforigan, dem bekanntesten Söldnerführer Almadas, nach einem Mercenario namens 'Anzunares' oder so ähnlich zu erkundigen, würde frühestens in zwei bis drei Tagen zurück sein, und selbst, wenn sie eine Taube sandte, war die Antwort nicht viel früher zu erwarten. Dabei wäre es so ein Leichtes, die verlorenen Briefe von einem dämonischen Diener aufspüren zu lassen oder eine von Mordaza Maranetas Kreaturen nach ihnen auszusenden.
"Wo ist die da Vanya jetzt?", wandte Aureolus sich an den Gardisten. "Rifada da Vanya? War sie nicht unter den Leuten auf der Weide?"
Der Soldknecht schüttelte den Kopf. Anscheinend hatte er akzeptiert, dass es der Junge war, der anstelle der Vogtin hier die Fragen stellte. "Wir haben die Leute gefragt. Ihr Gesinde wusste nicht, wo sie sich befindet. Sie kommt und geht, scheint es. Zuletzt haben sie sie vor einigen Tagen gesehen. Sie hat ein paar Burschen mitgenommen und ist in die Berge gezogen. Anscheinend treibt sich da noch mehr von ihrer Sippe rum, jedenfalls hat sie wohl was von ihrem Sohn gesagt und einer Nichte ..."
"Wann war das?", unterbrach ihn Aureolus.
"Keine Ahnung."
"Wohin in die Berge wollte sie?"
Der Mann zuckte mit den Schultern. Aureolus runzelte die Stirn. Es war entscheidend, zu wissen, ob die Leute die da Vanya vor oder nach seiner Begegnung mit ihr in der Höhle gesehen hatten. Denn wohin sollten sie den Brief schicken, indem sie der da Vanya die Gefangennahme ihres Mannes mitteilten? Verflucht, wenn nur nicht alles so verdammt eilig wäre! So vieles konnte sich binnen weniger Tage ereignen, und jede Stunde, die die Briefe verloren waren, wuchs das Risiko, dass sie in falsche Hände gelangten.
Aureolus trat an den Secretair seiner Mutter, nahm zwei Bögen Papier aus einer Schublade und schrieb in zweifacher Ausfertigung mit verstellter Schrift in möglichst einfachen Lettern:
'Wird nicht noch der letzte Brief zurückgesandt, fällt der Schlehdorn unter der Axt. An jedem Tag des Wartens dürstet er und verliert Ast um Ast und Blatt um Blatt.' Er faltete das Papier und verschloss es mit Siegelwachs, ohne ein Siegel hineinzudrücken. Sogleich adressierte er die Briefe mit dem Schriftzug Epistula citata ad Rifada da Vanya und steckte sie seiner Mutter zu. "Schickt diese nach Wildenfest und Schrotenstein. Irgendwo muss sich die Frau ja aufhalten." Blieb zu hoffen, dass sie nicht auf den Kopf gefallen war und verstand, was mit der Botschaft gemeint war. Und dass sie tatsächlich wusste, wo die Briefe seiner Mutter sich befanden. Immerhin war die Botschaft unverfänglich genug, dass man ihnen daraus kaum einen Strick drehen konnte, wenn sie in die falschen Hände fiel. Schlehen gab es genug in Selaque, und Bäume zu fällen war kein Verbrechen.
- Die Geschichte um Domna Praiosmin und Domnito Aureolus wird hier fortgesetzt: Schauplatz: Selaque, Teil 18.
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