Chronik.Ereignis1033 Feldzug Ragath 02

Ragath, 24. Praios1033 BFBearbeiten

Auf Castillo Ragath (morgens)Bearbeiten

Autor: von Scheffelstein, Der Sinnreiche Junker

"Was soll das heißen, Ihr habt die Botschaft nicht überbringen können?" Mit gefurchter Stirn wandte sich Brandil von Ehrenstein seinem Castellan zu. "Muss ich Euch erinnern, in welchem Ansinnen ich Euch nach Selaque schickte?"

"Nein, Euer Hochwohlgeboren, ich -"

"Nein? Ich werde es dennoch tun." Der sonst so gefasste Graf machte einen bedrohlichen Schritt auf seinen Untergebenen zu. Eine Hand hinter dem Rücken, hob er die andere dicht vor das Gesicht des alten Castellans. "Es geht um das Leben meiner Tochter! Um nichts Geringeres, Dom Rondrigo! Ihr hattet den nicht unbedeutenden Auftrag, dieser Junkerin – wie heißt sie noch? – und ihren Begleitern unmissverständlich meinen Willen mitzuteilen: Dass es ihre erste Pflicht sei, Comtessa Romina von Ehrenstein-Streitzig aus den Händen der Bergwilden zu befreien. Dass sie sich meines Dankes und meiner Anerkennung gewiss sein dürften, wenn sie dieser, ihrer Pflicht, so eilends als möglich nachkämen."

"Euer Hochwohlgeboren, wenn es mir irgend möglich gewesen wäre, hätte ich Eure Botschaft an Domna Rifada da Vanya ..."

"Irgend möglich?", fuhr der Graf auf. "Bei allen gütigen Göttern! Ich habe Euch zwanzig Frauen und Männer als Bedeckung mitgegeben. Zwanzig, Dom Rondrigo! Das sollte doch wohl ausreichen, um eine Nachricht in den entlegensten Winkel meiner Grafschaft zu tragen! Wie also erklärt Ihr Euer Versagen?"

Rondrigo vom Eisenwalde wurde blass. "Euer Hochwohlgeboren", begann er, während er unruhig die Krempe des Caldabresers knetete, den er beim Eintreten abgenommen hatte. "Ihr könnt Euch nicht vorstellen, wie es in den Lehen am Raschtulswall aussieht. Wir sind nicht einmal bis nach Selaque – der Ortschaft – vorgestoßen. Überall Ferkinas. Gleich beim ersten Gefecht haben wir fünf Leute verloren. Das Castillo Albacim scheint belagert zu sein ..."

"Belagert? Von Ferkinas? Nie hat ein Mensch je gehört, dass diese Wilden über Kriegsgerät verfügten. Wie - in Rondras Namen! – sollen sie in der Lage sein, eine Festung einzunehmen?" Der Graf schüttelte unwillig den Kopf.

"Ich weiß es nicht, Euer Hochwohlgeboren", sagte Dom Rondrigo verzagt. "Es ist mir unerklärlich, was diese Barbaren in so großer Zahl nach Almada treibt. Das hat es seit Menschengedenken nicht gegeben. Ich kann Euch nur versichern, dass es unmöglich ist, lebend bis ins entlegene Vanyadâl vorzudringen."

"Nichts ist unmöglich, Dom Rondrigo", unterbrach ihn der Graf. "Aber ich verstehe nun: Ihr habt Euch zurückgezogen, weil Ihr die Übermacht des Feindes fürchtetet ..." Rondrigo vom Eisenwalde senkte den Kopf. "Das heißt also: Keine Nachricht an diese Junkerin bisher. Und keine Nachricht von meiner Tochter. Schreiber ..."

Ein hagerer Mann mittleren Alters eilte herbei und nahm Aufstellung an einem Schreibpult nahe des Fensters.

"Setze eine Nachricht an Domna Rifada da Vanya auf, um ihr erneut mitzuteilen, dass es mein Wunsch und Wille sei, dass man den Verbleib meiner Tochter ausfindig mache und sich um ihr Wohlergehen sorge. Diesmal soll die Botschaft per Brieftaube versandt werden. Es wird doch gewiss irgendjemanden in Ragath oder den umliegenden Ländereien geben, der Tauben aus Vanyadâl hält? Setzt alsdann eine zweite Nachricht an Domna Praiosmin von Elenta auf, in der auch dieser mein Ansinnen übermittelt wird."

Dom Brandil wandte sich wieder seinem Castellan zu, wurde aber von seiner Gemahlin unterbrochen, die bislang schweigend am Fenster gestanden hatte.

"Verzeiht, mein Gemahl, aber wenn Dom Rondrigo Recht hat" – ein scharfer Seitenblick traf den alten Mann – "und ganz Selaque von Ferkinas überrannt ist, so bezweifle ich, dass die Domnas ihre Castillos verlassen können, um sich auf die Suche nach Romina Alba zu begeben." Betrübt schüttelte Rohalija von Streitzig ä. H. den Kopf.

"Gleichwohl dürfen wir nichts unversucht lassen, meine Teuerste", wandte Graf Brandil ein. "Die Situation mag sich von heute auf morgen ändern, und wir können die Domnas nicht nachdrücklich genug darauf hinweisen, dass die Tochter ihres Lehnsherrn in Gefahr ist. Aber Ihr habt recht, Rohalija, wir werden uns auch an den König wenden. Kam nicht vor Kurzem erst Nachricht aus Kornhammer, dass auch dort besorgniserregende Zustände herrschten? Zusammen mit der Nachricht von Rominas Verschwinden sollte das der Affäre weiteren Nachdruck verleihen. Der König schätzt Romina."

"Der Kaiser wird eine andere heiraten. Nicht zuletzt, weil Ihr Euch mit Händen und Füßen gegen diese Ehe wehrtet, Gemahl. Und er heiratet in wenigen Tagen. Er hat mehr als einmal deutlich gemacht, dass das Heer wider die Wilden Punin nicht vor seinem Traviabund mit der Novadibraut verlassen wird. Die Hochzeit ist von politischer Bedeutung. Ragath ist eine wichtige Grafschaft. Aber noch sind nur unbedeutende Lehen betroffen, nicht die Kernlande. Im Yaquirtal aber stehen die Heiden vor der Tür. Der Kaiser kann sich nicht erlauben, das Heer abzuziehen, ehe die Südgrenze gesichert ist. Romina hin oder her." Abermals schüttelte Rohalija von Streitzig den Kopf. So sehr sie der Verlust ihrer Tochter schmerzte, war sie doch beherrscht genug, um politische Notwendigkeiten nicht aus den Augen zu verlieren. Bei Hesinde, so klug ihr Gemahl auch war, für seine Töchter machte er sich mehr als einmal zum Narren!

"Ihr sprecht, als wäre sie nicht Eure Tochter", sagte der Graf vorwurfsvoll.

"Sie ist meine Tochter, gleichwohl wie Eure", erwiderte Rohalija von Streitzig scharf. "Ich habe sie unter Schmerzen geboren - bei Travia! -; werft mir nicht vor, sie nicht genug zu lieben! Aber wir sind von Stand, wir tragen Verantwortung, die Sorge um unsere eigenen Nachkommen hat hinter der um das uns anvertraute Land zurückzustehen, und nicht anders geht es dem Kaiser: Er muss ganz Almada im Blick behalten, nicht nur die Ostgrenze oder gar die Tochter eines seiner Grafen."

Ehe der Graf zu einer empörten Antwort ansetzen konnte, räusperte sich Rondrigo vom Eisenwalde vernehmlich, dem der Streit des gräflichen Paares äußerst unangenehm war. "Verzeiht, Eure Hochwohlgeboren", verneigte er sich erst vor Domna Rohalija und dann vor Dom Brandil. "Vielleicht könnt Ihr aus anderem Munde mehr über den Verbleib der verehrten Comtessa erfahren. Auf unserem ... äh ... Rückweg von Selaque ist uns zu Ohren gekommen, dass Dom Hernán von Aranjuez just aus Selaque zurückgekehrt ist."

"Der Söldner?"

"Äh ... mit Verlaub, Euer Hochwohlgeboren, er ist inzwischen Baron von Dubios."

"Ach ..."

"Ja, nun, er sei zurück aus Selaque, heißt es, und man munkelt, er sei dort in Kämpfe mit den Ferkinas verwickelt gewesen. Wenn Ihr Euch erinnert, Hochwohlgeboren, war er zuletzt mit den Domnas Rifada und Richeza unterwegs auf der Suche nach dem Erben des Alcorta und ... nun, laut Domna Rifada auch nach dem Rossbanner der Heiligen Hadjinsunni, das wohl bei der unglücklichen ... nun ... Schlacht ... verloren ging."

"Richtig", erinnerte sich der Graf. "Also gut. Schreiber!", hieß er den Mann, der soeben das Schreiben an die Vanyadâlerin in ein Rohrstück schob und dieses siegelte. "Schreib also Folgendes: An Hernán Eslam von Aranjuez, Baron von Dubios" – er vergewisserte sich mit einem Seitenblick auf Dom Rondrigo der Richtigkeit dieser Angabe, konnte er sich doch nicht entsinnen, den Aranjuezer bereits in seinem Amt vereidigt zu haben. "Junker von Aranjuez. Geschätzter Dom Hernán, ich bin erfreut zu hören, dass Ihr lebendig, und, wie mir zugetragen wurde, wohlbehalten aus Kaiserlich Selaque zurückgekehrt seid. Als Euer Lehnsherr bitte ich Euch, Euch umgehend auf meiner Feste zu Ragath einzufinden, um mir aus erster Hand von den Zuständen in den Königlichen und Kaiserlichen Lehen am Raschtulswall zu berichten. Zudem erhoffe ich von Euch Nachricht über den Ver ... Nein, streich das", sagte er, als seine Gemahlin die Stirn furchte. "Das reicht. Zeichen und Siegel. Gib mir die Feder." Er unterzeichnete. "Und schick den Brief so rasch es geht nach Heldor."

"Verzeiht, Hochwohlgeboren: Nach Aranjuez. Es heißt, der Junker habe sich in Richtung seines Landguts gewandt", wandte Dom Rondrigo ein.

"Also gut. Nach Aranjuez. Geben die Götter, dass er weiß, wo wir Romina finden. Und dass Romina lebt."

(Nachmittags)Bearbeiten

„Ein Aranjuez tritt nicht ohne eine Klinge vor einen Garethknecht“, dröhnte Tegos Stimme in seinem Kopf. Zweifellos wären das die Worte seines Bastardbruders gewesen, wäre er heute hier gewesen, und nicht schwertwund in einem Puniner Verließ. Denn ohne Zweifel hätte der Dolch in seinen Augen nicht als Klinge gegolten, den Hernán von Aranjuez noch an der Seite führte. Den Degen hingegen hatte er abgegeben, auch wenn dies nicht explizit von ihm verlangt worden war. Indes lag ihm wenig daran, den Grafen zu provozieren, eingedenk der wenig pläsierlichen Vorgeschichte ihrer bisherigen Bekanntschaft.

„Den Dubianer Drachen solltest Du tragen, um dem Tobrier zu bedeuten, dass auch er am Ende nur ein Diener des Kaisers ist“, schallte es wieder durch seine Gedanken. Tego Colonna war ein guter Soldat, doch lag ihm weder etwas an Höflichkeit, noch an Politik, und gewiss hätte er die Gelegenheit genutzt, dem ungeliebten Grafen zumindest in übertragenem Sinne vor die Füße zu spucken. Sein Bruder indes hatte lediglich silberdurchwirktes Schwarz angelegt, weniger um durch die schlichte Eleganz unterwürfige Bescheidenheit zu heucheln oder weil es gerade in Mode bei Hofe war, oder gar weil es eben die Farben der Baronie Dubios waren – welche gewissermaßen über den Kopf des Grafen hinweg an das Haus Aranjuez gegangen war – sondern weil es seit jeher die Farben seiner Familia waren. Den Verzicht auf den Drachen, in welcher Form auch immer, hingegen würde ein kluger Mann wie Graf Brandil von Ehrenstein zweifellos bemerken.

„Seine Hochwohlgeboren ist nun bereit, Euch zu empfangen“, riss ihn der Diener aus seinen Gedanken. Mit leichter Neigung des Hauptes deutete dieser in Richtung der Doppelflügel der Türe, wo die beiden Hellebardiere jeweils einen Schritt vortraten, und beide Flügel öffneten. Der Saal hatte sich verändert. Noch zu Beginn des Mondes hatte unter seinem eindrucksvollen Gebälk die Landständeversammlung Bänken im traditionellen Sechseck getagt. Die fünfeinhalb Bänke waren nun entfernt worden, sodass Hernán von Aranjuez quer durch den Saal direkt zum Grafenthron sehen konnte, wo Dom Brandil von Ehrenstein ä. H. Platz genommen hatte. Zu seiner Rechten, leicht nach hinten versetzt, stand seine Hohe Gemahlin, Domna Rohalija von Streitzig ä. H. und gleichfalls, nur zu seiner Linken, sein Castellan, Dom Rondrigo vom Eisenwalde. Bis auf zwei weitere Wachen, die scheinbar unbeweglich jeweils seitlich an den Wänden standen, war der Saal leer. Entsprechend laut hallte das Klirren der Silbersporen, als sich der Baron und Junker schließlich gemessenen Schrittes in Bewegung setzte, und trotz des vielen Raumes im Saal war die Spannung beinahe greifbar, als er schließlich ein halbes Dutzend Schritte vor dem erhöht stehenden Marmorstuhl innehielt, und sich leicht verneigte. Kein Deut zu weit, sondern gerade genug um Etikette und Höflichkeit Genüge zu tun.

Einige Augenblicke lang herrschte drückendes Schweigen, verdichtete sich die Spannung noch weiter, ehe schließlich der Graf anhob zu sprechen: „Seid gegrüßt, Dom Hernán. Ich habe gehört, dass Ihr soeben erst aus dem Osten der Grafschaft zurück gekehrt seid, und danke Euch für Euer unverzügliches Erscheinen. Den Göttern sei Dank hat Euch die Brieftaube erreicht. Wie Ihr Euch gewiss denken könnt, sind wir alle hier höchst besorgt über die beunruhigenden Nachrichten, die uns hier in Ragath erreichen. Doch sind selbige häufig unvollständig, veraltet und verwirrend, sodass es nicht leicht ist sich ein konkretes Bild der Lage zu machen.“

Offenbar kam der Graf gleich zur Sache, kein unnötiges Geplänkel, und auch nichts zur Dubianer Baronsfrage. Die unrasierten Züge des Angesprochenen indes zeigten keine Regung der Gefühle. Der hohe Kragen des Brokatwamses, über dem ein Rand als Drôler Spitze sichtbar war, ließ seine Körperhaltung noch aufrechter wirken, die Arme hingen locker an den Seiten herab, die Hände unterhalb des Bauchnabels verschränkt. Sein Gewicht indes ruhte auf dem rechten Bein, denn das Linke hatte er eine Nuance nach vorne geschoben, was seinem Auftreten in den Augen mancher einen Hauch nachlässiger Respektlosigkeit verleihen mochte.

„Mit Verlaub, Euer Hochwohlgeboren, mich hat keine Brieftaube erreicht“, entgegnete der Condottiere ruhig.

„Aber wir haben heute Morgen eine Taube nach Aranjuez geschickt“, wandte Rondrigo vom Eisenwalde ein.

„Ich bedaure, mich hat keine solche erreicht. Wir sind in aller Frühe von Aranjuez aufgebrochen. Ich bin nur hier, um Euer Wohlgeboren von dem jüngst Geschehenen in Kenntnis zu setzen, und Verstärkungen zu werben. Spätestens morgen mache ich mich wieder auf den Weg nach Selaque“, zuckte Hernán von Aranjuez mit den Schultern.

„Einerlei“, winkte Graf Brandil unwirsch ab. „Nun seid Ihr hier, also bitte, berichtet.“

„Mit Verlaub, Euer Hochwohlgeboren, die Lage ist ernst“, sprach er nach einer kurzen Pause. „Jeder Wilde, der alt genug ist, um eine Steinaxt zu schwingen, scheint aus den Bergen herabgestiegen zu sein. Kornhammer und Selaque sind überrannt, und die Wilden ziehen sich nicht wie sonst zurück, sobald sie genug geraubt und geschändet haben. Das Land brennt, und einzig gut befestigte Plätze vermögen ihnen zu widerstehen. Und selbst diese versuchen die Ferkinas anzugehen. Sollten sie nicht doch von selbst verschwinden, wird es vieler Soldaten bedürfen, um der Lage Herr zu werden. Das Gelände ist schwierig, und zahlreiche Banden durchstreifen das Land. Wenn man eine aufreibt, entschlüpfen einem im Rücken zwei andere.“

Graf Brandil, spätestens durch den Fehlschlag seines Castellans auf das Schlimmste vorbereitet, ließ es sich zumindest nicht anmerken, sollte ihn die Lageeinschätzung des ungeliebten Vasallen beunruhigen. Er reichte Dom Rondrigo einen kleinen Zettel, den dieser, nicht ohne Mühe vom Podest herabsteigend, an Dom Hernán weiter reichte. „Wie Domna Rifada da Vanya uns mitzuteilen geruhte...“, fuhr der Tobrier etwas spitz fort, derweil der Ragatier einen kurzen Blick auf deren recht kühl formulierte Depesche warf „...haben die Wilden den von mir ausgesandten Rossbanner-Orden angegriffen. Was könnt Ihr, der Ihr ja mit dieser Junkerin unterwegs wart, uns hierzu berichten?“

„Ich fürchte, das Ordensaufgebot wurde mehr oder weniger komplett aufgerieben. Sie haben die Ritter in einer engen Schlucht erwischt, warfen und rollten ganze Felsbrocken von oben auf sie herab. Es war ein Massaker“, gab der Baron und Junker sich nicht einmal die Mühe, seine Worte abzumildern. Ein kurzer Blick wanderte zu Domna Rohalija, ehe er weiter sprach: „Es wird Euch gewiss freuen zu erfahren, dass Dom Gendahar überlebt hat. Verwundet zwar, doch wohlauf. Was hingegen die Tochter Eurer Hochwohlgeboren betrifft...“

„Ist sie tot?“, schaltete sich die Gräfin mit erstickter Stimme ein, und legte, vielleicht auch um sich abzustützen, eine Hand auf den Unterarm ihres Gatten.

„Ich weiß es nicht“, gab Hernán von Aranjuez unumwunden zu. „Sie war nicht unter den Toten, doch hatten wir wenig Zeit, und haben womöglich nicht alle -“

„Ihr habt nicht einmal die Toten begraben!?“, fuhr Rondrigo vom Eisenwalde empört auf.

„Wir waren lediglich ein Dutzend Leute, und in derselben Schlucht, die schon der gesamten Ordensstreitmacht zum Verhängnis wurde. Über uns kreisten aufgeschreckte Geier“, entgegnete der Condottiere gereizt, während bei der Vorstellung an die Aasfresser Domna Rohalija eine Hand vors Gesicht schlug, „und wir mussten damit rechnen, dass weitere Ferkinas angelockt würden. Hätten wir Gräber geschaufelt, wären es unsere eigenen gewesen. Doch beschreibe ich Euch gerne den Weg, Dom Rondrigo, sofern Ihr einen Spaten findet.“

„Genug!“, rief Graf Brandil, und blickte sowohl seinen Castellan wie auch den Baron und Junker vor ihm finster an. „Dom Hernán, was wusste unser Schwager zu berichten? Über den Verbleib unserer Tochter.“

„Wenig, fürchte ich“, neigte der Angesprochene entschuldigend das Haupt um einige Nuancen. „Er verlor das Bewusstsein, nachdem er von einem Speer verwundet wurde. Irgendeine Knappin hat ihn scheinbar mit viel Glück aus der Schlacht gezogen, und zu einer Kräuterfrau gebracht. Dom Gendahar kam erst dort wieder zu sich. Es steht wohl zu befürchten, dass die Tochter Eurer Hochwohlgeboren den Wilden in die Hände gefallen ist. Jedoch konnten wir keine Spur von ihr entdecken.“

„Die Nachricht in Euren Händen legt den Schluss nahe, dass ihr nicht sonderlich viele Anstrengungen in diese Richtung unternommen habt…“, ließ der Graf mit gefährlichem Unterton vernehmen.

Augenblicke lang senkte sich Schweigen über den Saal, als das letzte Blut aus den ohnehin blassen Lippen des Barons und Junkers wich. Unter der Haut seines Gesichts war das Arbeiten der Kiefer sichtbar, als zwei Zahnreihen hart aufeinander gepresst wurden. „Ich kann Euer Hochwohlgeboren versichern, dass die Domnas Rifada und Richeza, sowie meine Wenigkeit jede Anstrengung unternommen haben“, presste er schließlich tonlos hervor. „Jedoch muss ich Euer Hochwohlgeboren darauf hinweisen, dass uns jede einzelne der zahlreichen Banden zahlenmäßig überlegen war. Wir hatten Verluste; kein Mensch kann wissen, wohin in die Berge welche Gefangenen verschleppt wurden. Dazu scheint es, dass eine Fehde zwischen -“

„WAS INTERESSIEREN MICH EURE VERMALLEDEITEN ALMADANISCHEN FEHDEN!?“, fuhr ihn der Tobrier an, und hieb die rechte Faust auf die marmorne Lehne des Grafenthrons. „ES GEHT HIER UM DAS WOHL UND WEHE DER HALBEN GRAFSCHAFT, UND UM DAS MEINER TOCHTER, DOM! UND IHR KOMMT HIER MIT EUREN AUSFLÜCHTEN WEGEN IRGENDEINES WEITEREN BELANGLOSEN STREITS!?“

Hernán von Aranjuez schnappte hörbar nach Luft. „Euer Hochwohlgeboren müssen wirklich wissen -“

„ICH MUSS ÜBERHAUPT NICHTS!“, unterbrach Graf Brandil ihn, um nach einigen weiteren Momenten des Schweigens ein wenig ruhiger fortzufahren: „Ihr werdet in der Tat nach Ksl. Selaque zurückkehren, Dom Hernán. Und ich werde Euch zusätzlich Dom Rondrigo mit einer entsprechenden Bedeckung mitgeben. Und wenn ich erfahre, dass Ihr nicht alles unternommen habt, um den Verbleib meiner Tochter aufzuklären, dann solltet besser Ihr einen Spaten finden, wenn Ihr mir das nächste Mal unter die Augen tretet.“

„Eure Hochwohlgeboren“, war ein Zähneknirschen durch den ganzen Saal zu hören, ehe Hernán von Aranjuez auf den Absätzen kehrt machte, und selbigen mit wütend-schnellen Schritten und unter protestierendem Klirren seiner Sporen auf dem Weg zum Ausgang durchmaß.

„Dom Hernán“, erklang weit hinter ihm noch einmal die Stimme der Gräfin Rohalija.

Tief atmete der Angesprochene ein, schloss kurz die Augen, und bemühte sich um ein ausdrucksloses Gesicht, ehe er sich umwandte. „Euer Hochwohlgeboren?“

„Bringt mir meine Tochter zurück“, sprach Domna Rohalija ruhig…

Chronik:1033
Der Ferkina-Feldzug
Teil 02