Chronik.Ereignis1033 Der Zenit des Mondes 15

Baronie Artésa, 11. Praios 1033 BFBearbeiten

Auf Castillo FelsBearbeiten

Autor: Lindholz

Dom Nicetos hatte sich auf den Turm des Castillo Fels zurückgezogen. Das Licht der Abendsonne ließ das Gestein, aus dem der Turm bestand, im kräftigen Rot erstrahlen. Stolz flatterte die Flagge derer von Lindholz im heißfeuchten Wind, der ein nächtliches Sommergewitter ankündigte. Der Edelmann hing seinen Gedanken nach, während er, auf die Schwalbenschwanzzinne gestützt, den Blick über das Land schweifen ließ, welches in der Ferne schon von dunklen Wolken in Schatten gehüllt wurde. Er hatte seinem Vater, nachdem dieser den Grund seiner unerwartet frühen Rückkehr von der Landständeversammlung erläutert hatte, schwere Vorwürfe gemacht. Es war anders gewesen als früher, als er, knapp der Kindheit entwachsen, die Regeln nach denen sein Vater lebte, weder einsehen noch tolerieren wollte. Dieses Mal hatte er sich besser unter Kontrolle gehalten und ruhig argumentiert. Aber was sollte man schon dagegen sagen, wenn der alte Mann darauf beharrte, dass er niemals hinnehmen würde, dass die Ehre seiner Familie durch einen falschen Eid beschmutzt würde? Und vielleicht hatte er sogar Recht damit.

Sein schwerer Seufzer wurde von einer Böe fortgerissen. Der Junkerssohn strich sich gedankenverloren durch den Bart, als er Stiefelschritte die steinerne Treppe hinaufkommen hörte und als er sich umsah, erblickte er Ahumeda, die ihn ernst musterte. Wie zumeist trug sie Stiefel, Hose und ein einfaches Hemd. Das Schwert kampfbereit gegürtet. Sie schritt neben ihn an die Brüstung und begann das Gespräch: "Sieht so aus, als hätte unser politisches Genie einen kleinen Fehler begangen."

"Ich hatte nie behauptet, ein Genie zu sein." Nicetos war versucht, hinterherzusetzen, dass es einfach nicht sonderlich schwer war, sie auf diesem Gebiet zu übertreffen. Aber er hielt sich zurück. Die Zeiten waren zu ernst. Also führte er stattdessen aus: "Ich hätte nicht gedacht, dass es solche Vorschläge auf der Versammlung geben würde. Offensichtlich sind die Magnaten verunsicherter als ich dachte."

"Wenn Vater auf mich gehört hätte, müssten wir jetzt nicht befürchten, dass wir die Gunst des Königs verlieren. Es ist ein Glück, dass die Dalias gerade nicht in der Lage zu sein scheinen, etwas gegen uns zu unternehmen, solange ihr Soberan darniederliegt", setzte seine Schwester nach, bemerkte dann aber den Blick ihres jüngeren Bruders und führte beschwichtigend fort: "Nun ja, genau genommen hat unser Vater ja keine Kritik am König geübt." Offenbar war sie auch nicht auf Streit aus. Alte Gewohnheiten ließen sich wohl lediglich schwer ablegen.

"Sobald Rohaja ihren Bruder vom Thron entfernt hat, werden sie uns um so näher sein wollen."

"Bist du sicher, dass es so kommt?" In ihrer Stimme klang echte Besorgnis mit und ihre Hände schienen die Zinne geradezu zu umklammern. "Sie mag ja den Hauptteil des Reiches hinter sich haben, aber ihre Kräfte sind auch zu weiten Teilen gebunden. Und es hängt auch viel von Herz und Mut ab. Hast du die Leute reden gehört? Es ist fast wie eine Krankheit, ein Fieber, dass die Leute einfängt. Sie sind so begeistert von seiner königlichen Majestät! Man könnte fast glauben, dass sie ihm bald Tempel errichten, wie unsere yaquirischen Echsenfreunde ihrem Horas." Sie übertrieb natürlich, dachte Nicetos bei sich. Aber er musste sich eingestehen, dass seine Sicherheit nicht mehr so groß war, wie noch einige Wochen zuvor.

Die Luft schien ihm unangenehm schwül und er lockerte den Kragen seines Wamses, während er unruhig zum Treppenschacht hinüberging. Die dunkle Tiefe fing seinen Blick ein. War es möglich, dass sie verlieren würden? Es würde ja schon reichen, wenn sich Hal Secundus mit seiner Schwester einigen und Almada behalten könnte. Wenn sie weiter machten wie geplant und die Kaiserin sie im Stich ließ... Der Gedanke ließ ihn schlucken, bevor er weitersprechen konnte: "Wir müssen uns rückversichern. Jetzt heißt es, vorsichtig sein."

"Was hast Du vor?" fragte seine Schwester neugierig.

"Ich weiß es noch nicht. Wir sollten aber auf jeden Fall versuchen, unser Vermögen schnell einsetzbar zu machen. Ich werde Vater bitten, einen Teil der Vorräte an Öl, Wein und Getreide zu verkaufen." Kurz entschlossen betrat der Edle von Ribera die ersten Stufen, um das Einverständnis des alten Mannes noch einzuholen, bevor sich dieser zur Ruhe begab. Seine Schwester folgte ihm. Nicetos von Lindholz war schon ein Stockwerk hinab geeilt, als er stockte. Auch die Schritte seiner Schwester hinter ihm verharrten.

"Wieso ist der Posten auf dem Turm eigentlich nicht besetzt?"

"Ich kümmere mich darum." versicherte Ahumeda.


Chronik:1033
Der Zenit des Mondes
Teil 15