In der Baronie Selaque, 1. Rondra 1033 BF

In Grezzano


Autor: von Scheffelstein

Sie waren nur langsam vorangekommen, denn den jungen Gefolgsleuten Domna Rifadas war die Trage mit dem Jungen mit der Zeit schwer geworden. So war es bereits Nachmittag, als sie endlich den Marmorbruch von Grezzano erreichten und unter sich das Dorf erblickten. Es war nicht verlassen, so wie sie es vor einigen Tagen zurückgelassen hatten. Von Weitem schon waren die Banner Dom Hernáns und der gräflichen Soldaten zu sehen: Der weiße Rabenschnabel auf schwarzem Grund des Hauses Aranjuez, die drei güldenen Löwenköpfe auf grünem Grund des Hauses Ehrenstein sowie das Geviert von Gold und Purpur mit den purpurnen Reben in den goldenen Feldern: das Wappen der Grafschaft Ragath.

Die Farben des Hauses Harmamund, hatte Richeza bislang gedacht und sich einen bitterbösen Blick ihrer Tante eingefangen, als es vor einigen Tagen während des Marsches durch die unterirdischen Gänge mal wieder um den Grafenthron gegangen war und sie es gewagt hatte, Moritatio in Schutz zu nehmen, der auf genau diese Ähnlichkeit der Wappen hingewiesen hatte.

'Falsch!', hatte Rifada da Vanya erklärt. 'Ragath trägt seit vielen Hundert Jahren die Farben unseres Hauses. Was glaubt ihr wohl? Die Harmamunds trugen seit jeher den roten Drachen auf Gold. Balbiano Calas, der Verräter, hat sich die Ragather Farben angeeignet, als er uns die Grafschaft gestohlen hat. Hat wohl gedacht, das würde die Leute glauben machen, die Harmamunds hätten irgendeinen Anspruch auf den Marmorthron.'

'Nicht ungeschickt', hatte Richeza gedacht, denn schließlich hatte auch sie im Wappen der Grafschaft mehr Ähnlichkeit mit dem der Harmamunds gesehen, auch wenn die Farben der da Vanyas dieselben waren. Aber sie hatte sich gehütet, dies auszusprechen, und auch jetzt schwieg sie beim Anblick der gräflichen Farben, denn die, die sie heute führten, gehörten keinem der beiden Häuser an. Ob aber ihre Tante recht hatte, dass die Farben der Grafschaft die der da Vanyas waren oder es vielleicht doch eher umgekehrt war, das wusste sie nicht zu sagen. Soweit ihr bekannt war, hatten auch die Häuser von Ragathsquell, von Jurios und auch von Graytenau immer mal wieder Grafen gestellt. Und woher die Rebe im Wappen der Grafschaft kam, wusste sie auch nicht.

Solcherart in Gedanken versunken, merkte Richeza erst spät, dass Mercenarios ihnen den Weg versperrten. Sie schienen eher Dom Hernán als dem Grafen unterstellt, so wie sie sich hielten, doch ihre Gesichter waren Richeza unbekannt.

"Halt!", rief eine Frau mit zusammengewachsenen Brauen und einer demolierten Hakennase, und ein Mann in nietenbesetzter Lederrüstung zeigte seine schwärzlichen Zahnstummel. "Ferkinas!", grinste er. "Gleich so viele. Und mal ohne Waffen und mit Weibern dabei, das 'nenn ich einen Glücksfall. Schnappt sie euch, Leute, mir ist so richtig danach, den Wilden die Fresse zu polieren!"

"Dummkopf!", sagte die Frau, als ihre vier Begleiter die Waffen zogen. "Das sind keine Wilden. Jedenfalls die Blonden nicht, und die Kleine da und das Mädchen auch nicht." Der alte Heiler und die drei jungen Burschen mit Praiodors Trage waren etwas zurückgefallen, sie hatte sie noch nicht entdeckt. "CONDOTTIERE!", rief die Krummnasige lautstark in Richtung eines der ärmlichen Häuser in der Nähe. "WIR HABEN BESUCH!"


Autor: Der Sinnreiche Junker

Es war einmal mehr Servando Cronbiegler, dem seine ausgezeichneten Augen abermals zum Vorteile gereichten, der es als erster feststellte: „Das ist Domna Romina!“

Der Condottiere indes hätte die Grafentochter auf diese Entfernung wohl nicht einmal im Ballkleid erkannt, geschweige denn gehüllt in Ferkinalumpen. Immerhin war ob des blonden Haarschopfes klar, wen der junge Caballero meinte, ebenso wie sich ob der gleichen Haarfarbe auch der hochgewachsene Thangolsforster erahnen ließ.

Während nun die Gräflichen in Richtung des Ortseinganges hasteten, folgte Hernán von Aranjuez ihnen gemessenen Schrittes. Weniger, weil er nicht gleichfalls über die Rückkehr der vormaligen Begleiter erfreut war – zumal ihn die Anwesenheit der Ehrenstein-Streitzigerin endlich seiner gräflichen Plagegeister entledigen würde – sondern weil er immer noch nicht genau wusste, wie es ob des Befehls des Kaiserlichen Marschalls nun weitergehen sollte.

So erreichten die Gräflichen – schwer atmend ob der Rüstungen, die nach Reise und Gefecht und Gebirge nur noch wenig mit den strahlenden Panzern des Ragather Grafenturnieres gemein hatten – weit vor dem Aranjuezer den Ortseingang. Servando Cronbiegler, der immerhin Domna Rominas Schwester Domna Rahjada einen Schwur geleistet hatte – im Geheimen zwar, doch ein Schwur war ein Schwur! – war der Erste, und beugte sogleich ein Knie vor der Tochter seines Grafen. „Domna Romina, Ihr seid wohlauf!“, strahlte sein jugendliches Antlitz sie an.

Kaum weniger strahlte der alte Castellan Rondrigo vom Eisenwalde hinter seinem imposanten Vollbart, als er beinahe überschwänglich die Rechte Dom Gendahars ergriff: „Es freut mich außerordentlich, Euer Hochgeboren. Ihre und Seine Hochwohlgeboren werden glücklich und erleichtert sein, dass Ihr Ihnen Ihre Tochter wohlbehalten zurück gebracht habt. Offengestanden befürchteten wir das Schlimmste.“

Bei so viel Überschwang ihrer männlichen Kameraden, blieb Lilithrud Ernathesa von Silvansbühler nicht viel anderes übrig, als Zaida de las Dardas y Sangrin wohlmeinend auf die Schulter zu klopfen, schien sie doch zu den beiden Grafensprösslingen zu gehören, derweil die da Vanyas ein, zwei Schritte Abstand hielten. „Wer ist das?“, fragte die Caballera dann die Domnita mit hochgezogenen Augenbrauen, als ihr Blick an den anderen vorbei auf Golshan fiel, die noch einmal einige Schritte Abstand hielt.

Inzwischen war auch Hernán von Aranjuez eingetroffen, und überließ erst einmal die Gräflichen ihrer Wiedersehensfreude, und neigte statt dessen zum Gruße leicht das Haupt vor der Scheffelsteinerin und dem jungen Moritatio. „Ihr habt nicht in Grezzano gewartet“, stellte er nur knapp fest, doch mochte der Umstand, dass er die Worte ohne jeden vorwurfsvollen Unterton gesprochen hatte, Zeugnis genug dafür sein, dass auch er erleichtert und froh war, sie hier zumindest halbwegs lebendig zu sehen.


Autorin: Simanca

Im ersten Moment schwirrte Zaida der Kopf, als sich die unhöfliche Truppe vor ihnen als freundlich entpuppt und in Vielzahl über ihr kleines Grüppchen hergefallen war. Ha, sie hatte doch gewusst, dass sie sicher aus der Sache herauskommen würden!

Mit keckem Blick, der ob ihres zerwühltem Haars und des ungewaschenen Auftretens jedem Zahori zu höchster Ehre gereicht hätte, wandte sie sich an die Domna. "Phex und Rahja zum Gruße, die Domna. Ich bin Zaida de las Dardas", erschien es ihr doch angebracht erst einmal für ein wenig Ordnung zu sorgen im allgemeinen Chaos um sie herum, ehe sie sich daran machte, die eigentliche Frage zu beantworten, "und das da ist Golshan undsiegehörtzuns." Hastig haspelte sie eben jenes hinterher, damit auch ja keiner auf die Idee käme, Hand an die junge Ferkina zu legen. "Ohne sie wäre die Comtessa jetzt nicht hier und in Sicherheit. Also wär's angebracht, mit Verlaub, wenn Eure Männer sie gut behandeln, denn ich glaub', das wird der Comtessa gar nicht gefallen, wenn ihr etwas zustößt."

Zu gut erinnerte sie sich ungut an Domna Raffeladas Verhalten. Da wollte sie hier einfach vorbauen und verhindern, dass es gleich wieder Ärger geben mochte.


Autorin: Romina Alba

Grezzano, Vaters Wappen, sie waren in Sicherheit!

Romina spürte, wie ihre Knie weich wurden und ein Kloß ihren Hals blockierte. Sie griff kurz nach Gendahars Unterarm, als sie auch schon erkannt wurde und man ihnen entgegeneilte. Allen voran ... Dom Servando ... was bei der Donnernden tat der hier? Und dann lag er auch schon auf einem Knie vor ihr und strahlte sie an. Früher hatte er sie kaum beachtet. Sie räusperte sich.

"Dom Servando", ihr Blick glitt zum Castellan, "Dom Rondrigo ..." Sie stockte - was sollte sie sagen? "Schön, dass Ihr da seid." Sie biss sich auf die Unterlippe. "Wir haben einen kranken Jungen dabei, er braucht ein Lager, und wir alle könnten etwas Richtiges zu Essen vertragen." Und andere Kleidung. Sie senkte den Blick, als sie sich wieder bewusst wurde, was für einen Anblick sie bot.


Autor: Ancuiras

Gendahar erwiderte den Gruß Rondrigos und zollte ihm Dank, höchstpersönlich den Suchtrupp für Romina angeführt zu haben. Auch seinen Rittern nickte er freundlich zu und wandte sich dann an Dom Hernán, bei dem gerade Dom Moritatio stand. Als der Blick des Barons von Dubios ihn traf, trat Gendahar näher. "Auch ich kann Euch kaum sagen, wir sehr es mich freut, Euch hier anzutreffen. Ohne Eure Gastfreundschaft gleich überstrapazieren zu wollen, wäre ich - neben ordentlicher Kleidung für die Domnas - für den einen oder anderen Schluck Rebensaft dankbar. Selbst wenn es von dem sauren Gesöff sein sollte, das im Ragathischen angebaut wird!", fügte er lachend hinzu.


Autor: von Scheffelstein

Richezas breites Lächeln schwand, als Dom Hernán nach des Thangolforsters Worten diskret ihre Kleidung musterte. "Wahrlich", sagte sie und zog den Umhang ihrer Base etwas enger um ihre Schultern, um die Lumpendecke darunter zu verbergen. "Wenn Ihr unter Euren Leuten jemanden fändet, der Hemd und Hosen für mich entbehren könnte, würdet Ihr mir einen großen Dienst erweisen."

Als zumindest Dom Gendahars Augen sich wieder den Gräflichen zuwandten, kehrte das Lächeln erneut auf ihre Lippen zurück, leiser diesmal. "Ihr seid ... wirklich hier", sagte sie, und es klang verwundert. "Ich ..." Sie schüttelte den Kopf und lachte plötzlich. "Verzeiht, Dom, Vertrauen gehört wohl nicht zu meinen Stärken." Sie grinste. "Schön, Euch zu sehen!" Ihr Lächeln war ebenso freundlich wie ehrlich. "Wir haben den Jungen gefunden. Vielleicht finden wir ja einen ruhigen Ort für ihn in einer der Hütten, es geht ihm nicht sehr gut. Für ihn und den Heiler, Tsacharias Krähenfreund, erinnert Ihr Euch? Den haben wir auch gefunden."

Sie ließ den Blick über das Dorf und die Bewaffneten wandern. "Einen ordentlichen Haufen habt Ihr da zusammengetrieben. Und wenn Ihr es lebend hierher geschafft habt, dann werden wir auch lebend wieder nach Ragath gelangen." Sie seufzte erleichtert.


Chronik:1033
Der Ferkina-Feldzug
Teil 12