Chronik.Ereignis1033 Feldzug Selaque 13
In der Baronie Selaque, 1. Rondra 1033 BF[Quelltext bearbeiten]
Auf Burg Albacim[Quelltext bearbeiten]
Autor: SteveT
Etwa zur selben Zeit, in der man sich in Grezzano ein karges Söldlingsmahl schmecken ließ, saßen auch einige Dutzend Meilen weiter südlich zwei Personen beim gemeinsamen Essen, wenngleich deren Tafel weitaus opulenter gedeckt war.
"Greif nur tüchtig zu, Junge!", lächelte Praiosmin Aureolus-Ramin mit mütterlicher Wonne zu und ließ sich selbst den geschmorten Kalbsbraten mit scharfen Calapuñios und Aliner Teigtaschen schmecken, den ihr Leibkoch für sie zubereitet hatte, obwohl rund um den steilen Berg Albamonte nach wie vor die Wachfeuer der Ferkinas brannten und sich drunten im Vorhof des Castillos über zweihundert halb-ausgehungerte Schutzbefohlene drängten. Aber jetzt war nicht die Zeit, sich um das Schicksal anderer Gedanken zu machen - sie hatte selbst ein paar Wochen vor der unverhofften Heimkehr ihres Sohnes in ihrer Schreibstube eine beunruhigende Entdeckung gemacht. Beziehungssweise sie hatte etwas nicht entdeckt, von dem sie sich sicher war, es normalerweise dort hätte finden zu müssen ...
"Ihr könnt euch zurückziehen! Ich habe mit meinem Mündel in privatim zu sprechen!", schickte sie die beiden grün-weiß livrierten Domestiken hinaus, die hinter ihrer beider hoher Lehnsstühle standen, um das Essen aufzutischen und abzuräumen oder ihnen zwischendurch Wein nachzuschenken. Ihr Stammhalter hatte spöttisch eine Augenbraue in die Höhe gezogen, als sie ihn ihr "Mündel" nannte.
Aber für das Gesinde von Albacim war er immer noch der Neffe einer Bediensteten und dass sie ihn offiziell als ihr Mündel angenommen hatte, machte wenigstens halbwegs plausibel, warum die "kinderlose" Hausherrin so viel Zeit mit dem jungen Mann verbrachte.
"Du weißt, mein lieber Sohn", fuhr Praiosmin fort, als die Diener die Tür des in güldenes Nachmittagslicht getauchten Erkerzimmers von außen geschlossen hatten, "dass ich gemeinhin nicht erfreut über deine Beschäftigung mit diesem ganzen Zauberwerk bin. Ich weiß, ich weiß, die Magie ist eine altehrwürdige und hochgelehrte Wissenschaft und unsere Academia in Punin gilt als die beste aller Lande. Dein Vater hat es seinerzeit weit gebracht in ihrer Beherrschung und Meisterschaft. Dennoch bin ich nach wie vor der Auffassung, dass es der Herr Praios und seine elf Geschwister nicht gerne sehen, wenn wir Menschen uns mit dieser Kraft der Sterne beschäftigen, die den Allmächtigen anderer Sphären denn der unseren vorbehalten bleiben sollte und die nur durch Madas Frevel in unsere Welt gelangte."
Sie sah, wie sich die Mundwinkel ihres Sohnes im Missfallen zusammenzogen und wie er offenbar gerade schon zu einer spöttischen Erwiderung ansetzen wollte. Deshalb fuhr sie schnell fort: "Aber da du nun einmal von deinem Vater diese ... äh, Gabe ... ererbt hast und mit ihr leben musst, weil er von allen von mir vorgeschlagenen Exorzismen nichts wissen wollte, um dich von dieser ererbten Last zu befreien, müssen wir nun das Beste aus diesen in dir schlummernden Hexen ... äh ... Geisteskräften machen! Also worauf ich hinaus will: Bist du in deinen Studien bereits soweit fortgeschritten, für deine liebe Mutter etwas wiederzufinden, was mir augenscheinlich jemand geraubt und gestohlen hat? Es handelt sich genau gesagt um ein Bündel Briefe deines Vaters, allesamt adressiert an mich. Jemand hat sie aus der silbernen Schatulle in meinem Schreibzimmer gestohlen - alles in allem mindestens ein Dutzend Briefe. Bei all den Missetaten, derer die dummen Menschen deinen Vater zeihen, könnten die Briefe auch gegen mich verwendet werden, da sie unsere geheimgehaltene Liebe, deren Spross du bist, vor aller Welt offenlegen und breittreten würden. Ich will nicht unken - aber in den falschen Händen könnten sie schlechtestenfalls das Ende meiner Amtszeit als Reichsvögtin dieses Landes bedeuten. Und das wollen wir beide nicht! Ich habe die verfluchte Metze Liguria in Verdacht, die Briefe gestohlen zu haben, die hier früher ein- und ausging. Sie wurde meines Wissens beim Angriff der Wilden auf Elenta grausam umgebracht, was ihr nur recht geschah - doch leider fanden sich die Briefe nicht in ihrem Turm dort, den ich vergangene Woche von meinen Reitern auf den Kopf stellen ließ. Diese kündeten mir aber davon, dass jemand bereits vor ihnen in den Turm der Suprema eingebrochen war und dort alles auf den Kopf gestellt habe."
Sie stürzte einen tiefen Schluck Wein hinunter, um die Aufregung in ihrer Stimme hinunterzuspülen und fuhr dann etwas ruhiger fort: "Es bedarf keiner großen Phantasie, wer das gewesen sein könnte, denn Elenta liegt nahe am Land dieser verrückten Rifada da Vanya. Als wir sie damals in der Falle hatten, in ihrem eigenen Burghof, sah ich, wie sie kurz vor ihrer Gefangennahme einem ihrer Begleiter hektisch etwas Weißes übergab. Dieser war nicht ihr Sohn, sondern ein anderer Mann - ein dunkler ragatischer Soldknecht – An... Anzunares oder dergleichen mit Namen. Leider ist uns dieser entwischt - zusammen mit der Scheffelsteinerin und dem Sohn der Verrückten. Aber das könnten - im allerschlimmsten Fall - tatsächlich die Briefe gewesen sein."
Sie ließ das Gesagte einen Moment auf ihren Sohn wirken und griff dann über den Tisch nach dessen Unterarm: "Deshalb meine Frage, Junge: Wenn ich dir erlaube, deine Kräfte drüben in meinem Schreibzimmer einzusetzen? Kannst du dann herausfinden, welchen Weg die Briefe genommen haben und wo sie sich heute befinden? Wir müssen sie wiederbeschaffen - selbst wenn wir dazu über Leichen gehen müssen!"
Autor: von Scheffelstein
"Wieso bewahrt Ihr Dinge auf, die gegen Euch verwendet werden können und lasst sie Euch dann noch stehlen? Das ist dumm!", erklärte Aureolus mit säuerlich verzogener Miene. Er ärgerte sich einmal mehr über sie, nicht nur über ihre übertriebene Frömmigkeit und die Art und Weise, wie sie über die hohe Kunst der Magie sprach, sondern auch über die Tatsache, dass ihre Unbedachtheit seine Pläne gleich auf zweierlei Art behinderte: Zum einen musste er sich jetzt mit Nebensächlichkeiten wie der Wiederbeschaffung ihrer verfluchten Liebesbriefe befassen, statt sich dem Dschinnen-Exorzismus widmen zu können und so auf eine baldige Beseitigung seines schamanischen Widersachers hoffen zu dürfen. Zum anderen gefährdete seine Mutter mit ihrer lächerlichen Fehde mit den da Vanyas und dem Verlust der Briefe nun auch noch sein Erbe. Der Streit kam viel zu früh. Er war nicht vorbereitet. Und sie hielt ihn nun auch noch von seinen Studien ab!
"Wie stellt Ihr Euch das eigentlich vor?", fragte er, schluckte den Rest einer der Teigtaschen hinunter und wies mit dem Messer auf die Reichsvogtin. "Wenn Ihr Euch nur einmal ernsthaft mit der Zauberei auseinandergesetzt hättet, wüsstet Ihr, dass es nicht so einfach ist. Ihr lasst Euch die Briefe stehlen, und der Sohn wird es mit etwas Hokuspokus schon richten, was?" Wütend rammte er das Messer in den Eichentisch, wo es zitternd stecken blieb.
"Ich befasse mich mit ernsthafter Zauberei, nicht mit solch einem Hokuspokus wie dem Wiederbeschaffen verschlampter oder gestohlener Habseligkeiten. Ernsthafte Zauberer halten Ordnung und lassen sich nicht einfach bestehlen, jedenfalls lassen sie nichts einfach offen herumliegen, was gegen sie verwendet werden kann."
Aureolus leerte den Silberpokal in einem Zug, stellte ihn betont lautlos auf dem Tisch ab und goss sich aus der Karaffe nach. "Also gut", sagte er ruhig. "Was wissen wir? Die Briefe wurden Euch möglicherweise von dieser Praiotin entwendet. Die aber ist tot, ja? Aus deren Inquisitionsturm wurden die Briefe vermutlich abermals gestohlen, ehe Eure Soldaten sie in Gewahrsam nehmen konnten. Ihr vermutet, dass die alte da Vanya sie genommen hat und ferner, dass sie sie einem Söldner, der vielleicht Anzunares und vielleicht irgendwie anders heißt, übergeben hat. Falls es sich bei dem, was die da Vanya jenem Mann in die Hand drückte, nicht um Taschentücher, Verbandszeug oder das Brevier der Zwölfgöttlichen Unterweisung gehandelt hat", spottete er. "Immerhin war es weiß, soviel meint Ihr erkannt zu haben. Sehr vage, Mutter, sehr vage!"
Aureolus zog das Messer aus der Tischplatte, säbelte sich ein weiteres Bratenstück ab und zerteilte es auf seinem Teller gedankenverloren in acht quadratische Bissen. Den Rand, der übrig blieb, steckte er sich in den Mund.
"Ich kann diesen Anzunares auftreiben, ihn fragen, was die da Vanya ihm in die Hand drückte und wohin er dieses Etwas verschwinden ließ", überlegte er laut. "Falls es sich nicht um die Briefe handelte, verschwende ich eine Menge Kraft, gehe ein unnötiges Risiko ein und - sollte der Mann in Diensten der da Vanya stehen – weiß diese dann, dass wir etwas von Bedeutung suchen." Aureolus schob eines der Bratenstücke an den Tellerrand.
"Ich kann versuchen, einen Zauberkundigen aufzutreiben, der sich mit Schnickschnack wie dem Wiederfinden von Liebesbriefen befasst, und ihn zwingen, uns bei der Suche behilflich zu sein. Da ich derlei Firlefanz-Zauberer nicht kenne, wird das eine Weile dauern. Egal, ob der Hokuspokus-Scharlatan uns helfen kann oder nicht, anschließend müssen wir ihn beseitigen." Er schob ein zweites Bratenstück an den Rand des Tellers.
"Ich kann Eure gute Freundin, die alte da Vanya selbst, ausfindig machen und bezirzen oder auch gewaltsam zwingen, mir freundlicherweise zu verraten, was sie diesem Anzunares übergeben hat und wo es sich jetzt befindet. Falls sie das weiß. Bleibt nur die klitzekleine Schwierigkeit, dass Eure Freundin weder besonders anfällig für freundliche Worte, noch für körperliche Gewalt oder geistigen Einfluss zu sein scheint. Dumm aber auch! Dies scheint mir daher eher eine Notlösung zu sein." Aureolus schob ein drittes Bratenstück diesmal an den unteren Tellerrand.
"Ich könnte meiner alten Lehrmeisterin einen Besuch abstatten und sie bitten, einen Diener zu rufen, der uns bei der Suche behilflich ist. Keine große Sache, sogar sehr sicher. Dumm nur, dass ich Mordaza zuletzt einige Zaubertränke und andere nützliche Utensilien aus ihrem Laboratorium entwendet habe und sie daher nicht allzu gut auf mich zu sprechen ist. Oh, ach ja, das bringt mich auf eine andere Geschichte: Wenn ich Euch helfen soll, benötige ich eine kleine Auffrischung meiner Kräfte. Zaubertränke, Mutter. Zehn sollten für den Anfang genügen."
"Natürlich, mein Liebling, alles, was du willst! Ich werde sofort jemanden nach Punin schicken, da gibt es solche Tränke mit Sicherheit!", nickte seine Mutter eifrig.
"Gut", sagte Aureolus.
"Wir haben ja jetzt genügend Gold von den da Vanyas beschlagnahmt", erklärte Praiosmin von Elenta süffisant. "Meinst du, hundert Dukaten reichen aus?"
"Für einen Trank?" Aureolus nippte an seinem Wein und machte eine beiläufige Handbewegung. "Das wird wohl reichen. Vielleicht auch für zwei." Er genoss es, sie nach Luft schnappen zu sehen. "Ich sehe", fuhr er fort, "die Lösung gefällt Euch. Mir gefällt sie auch. Ja, ich denke, die könnte erfolgversprechend sein." Er schob eines der Bratenstücke an den rechten Rand des Tellers.
"Um ehrlich zu sein, mein Goldschatz", wandte Praiosmin ein, "wäre es mir lieber, wenn die Sache unter uns bliebe. Deine ... äh ... Lehrerin ist ... ähm ... nun, vielleicht nicht ganz vertrauenswürdig. Und ... äh ... wer weiß schon, wie verschwiegen ihre Diener sind?"
"Oh, seid unbesorgt, Mutter", erwiderte Aureolus, während er eine Teigtasche auf dem Teller zerteilte, sich Bissen für Bissen in den Mund schob und die Reichsvogtin aus den Augenwinkeln weiter beobachtete. "Diese Diener sind verschwiegen. Das haben Dämonen so an sich."
"Dä ... Dä ...?" Alles Blut wich aus Domna Praiosmins Gesicht.
Aureolus ließ sich nicht beirren. "Ihr könnt es natürlich auch mit weltlicheren Methoden versuchen, wenn Euch die meinen nicht zusagen. Wie wäre es, wenn Ihr Euren Verstand gebraucht? Was wird man wohl mit diesen Briefen vorhaben, wenn sie solch treffliche Beweisstücke für Eure B... verbotene Liebschaft mit meinem Vater sind? Vielleicht versucht man ja abermals, Euch nach Al'Muktur zu bringen, um Euch in einer hübschen Zelle einzuquartieren, ganz wie damals? Aber das wird sicher nicht mehr so ohne Weiteres gelingen, nicht ohne Prozess und kaiserliches Urteil. Es mag also sein, dass man die Briefe nach Punin gebracht hat. Ins Reichsgericht? Die Reichskanzlei? Oder zum Tempel des Praios? Vielleicht auch nach Ragath zu einem Eurer anderen Freunde aus der Da-Vanya-Familie? Habt Ihr nicht stets treffliche Beziehungen zur Kirche des Sonnengottes gepflegt? Sicher wird man Euch dort beim Auffinden Eurer privaten Korrespondenz behilflich sein." Er schob ein Bratenstück nach links an den Tellerrand und nippte erneut an dem Wein.
"Natürlich ist auch Gewalt eine Lösung. Wo Ihr doch jetzt genügend Gold habt, könnt Ihr Euch sicher ein ganzes Heer von Söldnern und Mordknechten leisten. Sie werden gewiss diesen Anzunares für Euch ausquetschen und vielleicht auch die eine oder andere Person aus der Da-Vanya-Familie für Euch entführen. Geiseln machen sich immer gut. Heißt es nicht, die alte da Vanya habe Sohn und Tochter? Die will sie doch bestimmt nicht verlieren, nicht wahr? Und sagtet Ihr nicht, die kleine Scheffelstein sei Nichte der Alten? Vielleicht ist auch die Eurer Freundin inzwischen ans Herz gewachsen, jedenfalls eignet sie sich vortrefflich für eine Geiselnahme." Aureolus grinste böse. Allmählich bereitete das Spiel ihm Spaß. "Voraussetzung für ein solches Vorgehen wäre natürlich, dass Ihr Euch sicher wärt, dass die da Vanyas Eure Briefe hätten und auch Ehrgeiz und Macht genug, sie Euch im Zweifelsfall von anderswo zurückzuholen." Ein weiteres Bratenstück wanderte nach links.
"Vielleicht heuert Ihr auch einfach jemanden an, der sich auf die Beschaffung von Informationen und Besitztümern versteht, einen gerissenen Dieb, einen Spion, wen auch immer. Bestimmt kennt Ihr Euch in derlei Heimlichtuerei besser aus als ich, schließlich habt Ihr doch selbst mit Inquisitoren paktiert, während ich mich für gewöhnlich weniger um anderer als um meine eigenen Angelegenheiten gekümmert habe." Fleischstück nach links.
"Tja, Mutter", sagte er, während er das letzte Bratenstück aufs Messer spießte, "Ihr könnt natürlich auch warten, bis die Briefe irgendwann auftauchen und dann erst zuschlagen und solange noch ein wenig im Ungewissen zappeln." Er legte das Messer mit dem aufgespießten Fleisch sorgfältig in die Mitte des Tellers. "Da habt Ihr uns ganz schön was eingebrockt, was?"
Er versetzte dem Teller einen Stoß, sodass er über den Tisch rutschte und gegen Praiosmins Weinkelch stieß. "Also, Mutter, welchen Bissen wollt Ihr zuerst schlucken?"
Autor: SteveT
"Sprich nicht so undankbar und überheblich mit mir, mein Sohn!", warnte ihn Praiosmin und hielt ihm drohend den Zeigefinger unter die Nase. "Ist das der Dank dafür, daß ich dich Zeit deines Lebens vor der Welt da draußen beschützt habe, die meinem Jungen nur Böses will? Was würde dein Vater wohl sagen, wenn er dich so mit mir reden hören würde? Ich bin mir sicher, er hört uns zu - wo immer er jetzt auch ist!"
Sie starrte ärgerlich auf das Loch in ihrem schönen Esstisch und auf die säuberlich wie von einem Fleischer zerteilten Bratenstücke auf Ramins Teller vor sich. "Das mit den Dämonen und Mordaza Maraneta vergessen wir ganz schnell! Ich will, dass du dich für immer von dieser Person fernhälst und ihr auch niemals mehr Grund gibst, am Ende noch hier zu erscheinen. Eine Praiosmin von Elenta paktiert nicht mit Hexen und Dämonenanbeterinnen - das weißt du ganz genau."
Sie begann überlegend über ihr feistes Doppelkinn zu streichen - leider hatte ihr Filius ja mit fast allem Recht, was er ihr vorwarf. Es war leichtsinnig gewesen, die Briefe aufzubewahren - aber sie waren das einzige - neben Aureolus-Ramin natürlich - was ihr von Raihé Cuolu als Erinnerung geblieben war.
"Ich werde einen Unterhändler zu diesem Soldknecht schicken. Ein Söldner wäre kein Söldner, wenn er nicht käuflich wäre. Mein Gesandter soll ihn einfach fragen, ob er möglicherweise etwas in seinem Besitz hat, was in Wahrheit Praiosmin von Elenta gehört, ohne zunächst zu sagen, um was genau es sich handelt. Geht er darauf ein, würde ich ihm ... sagen wir zweitausend Taler für die Briefe zahlen. Das ist auch für einen Landsknecht, der wahrscheinlich nicht einmal Lesen und Schreiben kann, ein hübsches Sümmchen für ein paar gefaltete Blätter Papier. Wenn ich dann freilich die Briefe erst einmal habe, dann muss ihm leider etwas zustoßen, bevor er Selaque verlässt - nicht, daß er am Ende noch irgendwo zu plaudern anfängt."
Sie spießte eines der von ihrem Sohn geteilten Bratenstücke auf und schob es sich genüßlich in den Mund, da ihr eigener Teller bereits leer war. "Ja, so mache ich das!", nickte sie schmatzend. "Wenn du auch undankbar gegen deine liebe Mutter bist, so bist du doch inzwischen ein verständiger Ratgeber geworden, mein Sohn! Wenn die Sache schiefgeht, dann werde ich einen anderen deiner Vorschläge in Betracht ziehen."
Autor: von Scheffelstein
Aureolus schnalzte ungeduldig mit der Zunge. Sein Ärger war noch nicht verflogen. "Habt Ihr vergessen, wer Mordaza Maranetas Lehrmeister war? Mein von Euch so verehrter Vater! Dass sie nun mich unterweist, ist also nur folgerichtig. Ihr paktiert also nicht mit Dämonenanbetern? Was meint Ihr wohl, was mein Vater getan hat? Er war zu klug, um einen Pakt einzugehen, aber er hat Dämonenknechte für sich arbeiten lassen! Er wollte Macht und er hat sie bekommen. Weil er keine Furcht kannte! Fürchtet Euch, und andere werden Macht über Euch haben! Was mein Vater sagen würde ..."
Aureolus biss sich auf die Zunge. Nein, er wollte ihr nicht weh tun. Eigentlich war es genau das, was er an seinem Vater nicht gemocht hatte. Dass seine Mutter für ihn eben nicht das gewesen war, was sie in ihm gesehen hatte. Glaubte sie wirklich, er hatte sie geliebt? Wer war sie schon? Nützlich, das war sie für ihn gewesen. Ein Werkzeug, eine Frau, die seinen Sohn austrug. Das würde er ihr niemals sagen, auch wenn er fürchtete, dass sie es irgendwo in ihrem Herzen ahnte.
Er lehnte sich zurück und seufzte. Verstand sie nicht? Er war seines Vaters Sohn. Selbst wenn sie ihn in ein Kloster steckte, wie sie es vor Jahren versucht hatte - sein Vater hatte den Inquisitionsrat, der ihn hatte abholen sollen, von Höllenhunden zerreißen lassen - selbst dann wäre er noch seines Vaters Sohn für die Welt: Ein Verfehmter, ein Bastard, der es aufgrund seines Namens und seiner Abstammung nie zu etwas bringen würde, den man wegschließen würde, aus Angst. Wenn er erfolgreich sein wollte, musste er dem Weg seines Vaters folgen, nicht dem, den seine Mutter für ihn wünschte.
"Ihr könnt das mit dem Söldner versuchen", sagte er. "Aber wer sagt, dass der Mann die Briefe nicht längst weitergeleitet hat. Und dass er bei seiner Suche nicht zuviel redet? Das ist alles sehr unsicher und erscheint mir wie eine Geld- und Zeitverschwendung! Ihr solltet Euch das mit dem Dämon noch einmal überlegen, Mutter! Mordaza ist fähig genug. Der Dämon holt Euch die Briefe von überall her, wenn sie nicht gerade in einem von Euren Praiostempelm lagern. Schnell und sicher. Und in den Tempeln - nun, dann zeigt sich, wie gut Eure Beziehungen sind. Wir sollten nicht nur ein Eisen schmieden, sondern mehrere im Feuer haben, falls etwas schief geht. Holen wir uns die Tochter oder die Nichte der da Vanya, ihren Sohn oder irgendwen, der ihr sonst am Herzen liegt, falls Ihr so jemanden wisst. Ihren Mann vielleicht? Ihr habt ihn als schwach beschrieben, es sollte ein Leichtes sein, ihn zu fangen. Die Briefe gegen ein Leben. Wenn die Alte sich nicht darauf einlässt, hat sie Pech gehabt. Es versteht sich von selbst, dass wir alle Briefe zurückhaben wollen. Vollständig und unversehrt. Also erinnert Euch besser, wieviele Euch verloren gingen."
- Die Geschichte um Domna Praiosmin und Domnito Aureolus wird hier fortgesetzt: Schauplatz: Selaque, Teil 15
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