Chronik.Ereignis1033 Feldzug Selaque 28
In Kaiserlich Selaque, 4. Rondra 1033 BF
in Vanyadâl zu Füßen des Castillo da Vanya
4. Rondra 1033 BF, am frühen Nachmittag
Autor: Vargas
Raúl de Vargas war müde, unfassbar müde. Er wusste nicht mehr, wie viele Tage lang er schon durch diese verfluchten Berge stapfte, seitdem eine krude Mischung aus Glück und Pech dafür gesorgt hatte, dass er als einziger nicht den Leuten in die Hände gefallen war, die Udinias Kate aufgerieben hatten. Er grinste zynisch beim Gedanken daran, dass ihm eine volle Blase das Leben gerettet hatte.
Jetzt aber war er allein, ohne Pferd, ohne Nahrung, und nur mit dem am Leib, was er getragen hatte, als er sich kurz aus der Hütte verabschiedet hatte. Raúl verfluchte den Tag, an dem seine Mutter ihn hierher geschickt hatte. Sein Bruder saß grad sicher auf einem bequemen Stuhl und aß Kuchen, und er lief wie ein abgerissener Streuner durchs Nirgendwo! Aber sie hatte doch Recht mit ihrem Misstrauen, sagte eine mahnende Stimme in ihrem Kopf. Du hast selbst gesehen, dass diese Rifada da Vanya Recht hatte, jedenfalls was die Elenterin betrifft. Er biss sich auf die Lippe und stapfte weiter.
In der Entfernung tauchte eine Hütte auf. Kurz hüpfte Raúls Herz vor Freude, bis es sich daran erinnerte, dass ihm schon die letzten beiden Türen verschlossen geblieben waren. Jeder hier schien Angst zu haben. Raúl dagegen hatte keine, dafür hatte er zu viel Hunger und Durst, die langsam übermächtig zu werden drohten. Wenn die mir nicht aufmachen, bin ich verloren, dachte er. Travia, bitte lass sie diese Tür aufmachen! Langsam näherte er sich und klopfte.
Autor: SteveT
Etwa zur selben Zeit, in der sich die gefrässige Oger-Rotte auf sie zu bewegte, rüttelte Moritatio sacht an Richezas Arm, um sie endlich aus ihrem langen Traumschlaf zu erwecken. Er wagte dies nur, da Tsacharias Krähenfreund kurz aus der Hütte gegangen war, um am Dorfbrunnen einen Eimer mit frischem Wasser zu holen. Auch hier im Dorf Vanyadâl war das dumpfe Dröhnen laut zu vernehmen, das Moritatio noch niemals zuvor gehört hatte und das ihn durchaus mit Sorge erfüllte. Dahinter steckten die Wilden - kein Zweifel! Vermutlich war das ein Signal, um noch weitere Stämme von ihnen zum Krieg gegen das Bosquirtal aufzurufen.
"Richeza, wach auf!", rüttelte er seine schöne Cousine und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "Komm zu dir! Du musst zu Kräften kommen! Wenn Mutter oder Gujadanya mit Verstärkung anrücken, müssen wir ihnen von innen das Tor des Castillos öffnen, und alleine schaffe ich es nicht, das zu vollbringen. Bitte, du musst mich in unsere Burg begleiten!"
Immerhin hatte sie nun die Augen geöffnet und blickte ihm halbwegs klaren Blickes in die Augen. Sie schien verstanden zu haben, was er gesagt hatte. "Hörst du das?", frug er sie. "Das sind die Wilden! Sie werden bald wohl mit noch mehr Kriegern hier sein. Bis dahin müssen wir in der Burg sein, wir können nicht länger warten."
Sie wollte antworten, er legte sich aber warnend den Zeigefinger auf die Lippen, denn von draußen vor der Hüttentür waren knirschende und zugleich leise klingelnde Schritte zu hören, die unmöglich von Tsacharias Krähenfreunds Gamaschen herrühren konnten, sondern die sich für ihn eher wie sporenbewehrte Reitstiefel anhörten.
Moritatio zog ein weiteres Mal sein abgebrochenes Rapier und schlich zum von zwei klappbaren Holzläden verschlossenen Fenster. Er lugte durch die schmale Ritze zwischen den Fensterläden und erblickte draußen einen ihm unbekannten jungen Edelmann mit schwarzem Haar und dunklen Augen, der ihre Hütte aufmerksam musterte. Der Bursche trug eine gute Rüstung und zwei Klingen an seinem Gürtel - er musste also auf der Hut sein, vermutlich war das auch einer von Praiosmins Speichelleckern.
Er verdrehte die Augen und stieß einen lautlosen Fluch aus, als es kurz darauf an die Hüttentür klopfte. Verflucht, diesmal war kein Krähenfreund da, um den Mistkerl abzuwimmeln.
Autor: von Scheffelstein
Richeza blinzelte ins Zwielicht der Hütte. Durch die verschlossenen Fensterläden drang spärliches Tageslicht, auf einer Holzkiste neben dem Bett stand eine fast heruntergebrannte Kerze. Benommen blickte die Edle sich um. Der alte Heiler war nicht zu sehen, dafür Moritatio, der eine Waffe zog – oder das, was davon übrig war.
Richeza setzte sich leise stöhnend auf. Ihr war, als würden sich sämtliche Verletzungen, die sie sich während der Suche nach Praiodor zugezogen hatte, wieder bemerkbar machen. Als hätte sie nun, da sie kein Ziel mehr hatte, für das sie kämpfte, mit einem Schlag alle Kraft verlassen, jeglicher Wille. Befremdet stellte sie fest, dass der Alte ihr, bis auf Brust- und Lendentuch, sämtliche Kleider ausgezogen hatte. Richeza zog sich die Decke um die Schultern und blickte Moritatio an. Wo waren sie hier? Wie war sie hierher gekommen? Und: War Moritatio nicht nach Punin aufgebrochen? Das Letzte, woran sie sich erinnerte, war, dass sie als Gefangene des Aranjuez ins Vanyadâl geführt worden war. Und dann? Sie wusste nicht, was geschehen war.
Erst als es ein zweites Mal klopfte, wurde Richeza bewusst, dass Moritatio die Situation offenbar als Bedrohung auffasste. Richeza angelte ihren Stiefel, der neben dem Bett lag und zog ihren Dolch unter die Decke, dann legte sie sich zurück. Die Wilden würden nicht klopfen, dachte sie, während sie durch halb geschlossene Lider zur Tür blinzelte und sich weit fort wünschte, zurück nach Scheffelstein oder Ragath oder sonstwohin, wo sie schlafen konnte, schlafen, ohne gestört zu werden.
Autor: Vargas
Nichts rührte sich. Jetzt tun sie wieder so, als wären sie nicht da. Er versuchte zu horchen, was von drinnen zu hören war, aber es blieb still. Dann klopfte er nochmal. Keine Reaktion. Und wenn wirklich niemand da ist? Ich will nicht hier im Nirgendwo verhungern!
Mit dem Mut der Verzweiflung klopfte er ein drittes Mal und erhob seine Stimme, die nur krächzend aus seiner trockenen Kehle kam. "So macht doch auf! Ich bin kein Ferkina, kein Feind, nur jemand, der dringend einen Unterschlupf und Wasser braucht. In Travias Namen, lasst mich ein!" Er zögerte kurz, seinen Namen zu sagen, verzichtete dann aber darauf. Wer wusste, ob die Elenterin ihn suchen ließ ...? "Ich schwöre bei den Zwölfen, ich komme in keiner feindseligen Absicht!"
Raúl ließ die Hand sinken. Es hatte nichts gebracht, auch hier machte ihm niemand auf. Seufzend ließ er sich mit dem Rücken gegen die Hauswand fallen und starrte in den Himmel.
Autor: von Scheffelstein
Richeza sah zu ihrem Vetter hinüber und hob fragend die Augenbrauen. "Wer ist das?", flüsterte sie und richtete sich auf die Ellenbogen auf, den Dolch noch immer in der Rechten. "Wo sind wir hier, Moritatio? – Los, mach ihm auf! Aber wenn das eine Falle ist – bei den Göttern, dann stich ihn ab!"
Sie legte sich wieder zurück und befeuchtete die spröden Lippen mit der Zunge. Nein, es sah nicht so aus, als wäre ihr länger Ruhe gegönnt. Sie musste weitermachen, weiterkämpfen, und war es nur, um zu überleben!
Autor: SteveT
"Wir sind in einer Fellachenhütte in unserem Dorf! Ich musste dem Aranjuezer versprechen, mit dir hier im Ort zu bleiben - andernfalls hätte er dich nicht bei mir gelassen und du wärst noch seine Gefangene!", zischte Moritatio leise zurück. Wegen der Stimme von draußen wollte er schon mit verstellter krächzender Stimme antworten, daß sie selber nichts zu essen hätten, was ja auch nicht weit von der Wahrheit entfernt war, aber dann kam er Richezas Aufforderung nach.
Vielleicht stand draußen ja wirklich jemand in Not, der immerhin in Travias Namen schwor. Aber andererseits traute er den Schergen der Elenterin durchaus auch einen Meineid und alle sonstigen Schandtaten zu.
Er zog mit einer Hand den quietschenden Riegel zurück und nickte Richeza zu, daß diese ihren Dolch unter der Decke bereithalten sollte. Er selbst hob seinen Rapierstumpf, bereit sofort zuzustechen, während er mit der anderen, freien Hand, der Tür einen leichten Schwung gab, so daß sie langsam aufschwang.
Wer immer jetzt eintrat - wenn es ein übler Geselle war, so hatte er nur einen Augenblick, um ihn sofort niederzustechen, andernfalls waren sie verloren.
Autor: Vargas
Raúl zuckte erschrocken zusammen, als er ein Quietschen neben sich hörte. Konnte es sein, dass ihm wirklich jemand aufmachte? Mit weit aufgerissenen Augen beobachtete er die Tür, die ganz langsam aufschwang. Tatsächlich! Er riss sich zusammen und reckte seinen Hals. Dann trat er vor die Tür, die Hände weit entfernt von seinen Waffen - er ahnte schließlich nicht, dass keine harmlosen Bauern in der Kate saßen.
"Hallo?", fragte er skeptisch, als er im Halbdunkel niemanden erkannte. War die Tür etwa von alleine aufgegangen? "Die Zwölfe zum Gruße? Ist jemand hier? Ich brauche nur etwas Wasser und etwas zu Essen, dann belästige ich Euch nicht weiter. Hallo?" Raúl kniff die Augen zusammen. Lag da jemand auf dem Bett, eine Frau? Sein Hunger war für den Augenblick vergessen, hier war womöglich jemand in größerer Not als er. "Ist Euch nicht wohl? Kann ich Euch helfen?"
Autor: von Scheffelstein
Richeza setzte sich auf, vermied es, Moritatio einen Blick zuzuwerfen, der im Schatten neben der Tür stand, noch vor den Blicken des Fremden verborgen. Sie kniff die Augen zusammen gegen die plötzliche Helligkeit, umfasste die Decke mit der Linken, um sie sich im Notfall rasch vom Leib reißen und aufspringen zu können, und ballte die Rechte um den Griff der Waffe.
"Wer seid Ihr?", fragte sie matt. "Wir haben nichts zu Essen." Der Mann war jung, höchstens so alt wie ihr Vetter, und er trug Waffen. Ein Vanyadâler schien er nicht zu sein, sonst hätte er anders gefragt, aber für einen Schergen der Elenterin war er bislang zu höflich. Was trieb einen Fremden in diesen Zeiten so weit nach Osten?
"Was macht Ihr hier? Wer schickt Euch?"
Autor: SteveT
Moritatio wartete, bis der junge Mann, der offensichtlich noch geringfügig jünger als er selbst war, einen Schritt in die Stube eintrat und packte ihn dann blitzschnell an seiner Gewandung und hielt ihm die gezackte Klinge seines abgebrochenen Rapiers dicht unter die Nase.
"Hereinspaziert, mein Freund! Mach keine Dummheiten!"
Er warf schnell einen hastigen Blick nach draußen, ob noch jemand vor der Tür stand und wandte sich dann sofort wieder dem Eingetretenen zu, als dies nicht so war.
"Redet! Wer seid Ihr, und was führt Euch her in Zeiten wie diesen? Schickt Euch die Vogtin, um hier herumzuspionieren? Da muss sie schon früher aufstehen! Lasst schön die Hände von Euren Waffen!"
Er gab sich alle Mühe, seine Stimme tief, männlich und bedrohlich klingen zu lassen.
Autor: Vargas
Nach Tagen des Umherirrens ohne Pause war Raúl schlicht zu langsam, um Moritatios 'Angriff' abzuwehren. Erschrocken sah er auf die Waffe vor seiner Nase und dann auf die Frau auf dem Bett. Soll ich die Wahrheit sagen? Gedanken rasten durch seinen Kopf, als er sich räusperte.
"Ich bin ..." Herumspionieren? Wenn er Spione der Vogtin fürchtet, dann ... "Ich bin Raúl de Vargas, Sohn von Aldea de Vargas, der Junkerin von Valenca. Sie schickt mich hierher, um dem Grund dieser ganzen Fehde nachzugehen." Er musterte die Gesichter der beiden, um ihre Reaktionen deuten zu können, doch vergebens. "Ich ... Ferkinas haben meinen Spähtrupp aufgerieben. Alle Überlebenden wurden von einer Kriegerin in eine Kate gebracht, aber die wurde von den Leuten einer gewissen Elenterin ausgehoben. Ich bin der Einzige, der da rausgekommen ist. Ich habe seit Tagen nichts Vernünftiges gegessen oder getrunken, habe mein Pferd verloren und bin nicht in der Stimmung, mich mit Euch zu schlagen, junger Dom. Also lasst mich um Travias Willen endlich los!"
Autor: von Scheffelstein
Richeza starrte den jungen Mann an und versuchte, sich aus seinen Worten einen Reim zu machen. Konnte man ihm trauen? Sie hatte Hunger und Durst, und ihre Gedanken irrten wie im Nebel umher. Irgendwas an dem, was er sagte, berührte etwas in ihrem Geist, verhallte wie der Klang eines Hornes im Dunst. Sein Name. Seine Name – wo hatte sie ihn schon einmal gehört?
Richeza ließ die Decke los und griff nach dem Wasserkrug neben der Kerze, führte ihn mit zittriger Hand an ihre Lippen, ungeachtet der Tropfen, die ihr Kinn herab und über ihre Brust rannen. Sie stellte den Krug ab, lehnte sich mit dem Rücken an die Wand und schloss die Augen. In ihren Schläfen pochte es dumpf, und sie war müde. Wenn sie nur nicht so unendlich langsam wäre, als sei ihr Körper der einer Puppe, den sie erst an Fäden ziehen musste, damit er sich bewegte und als sei ihr Geist weit entfernt in einem Traumland, in dem all das hier nicht wirklich war!
Gut, dass ihre Tante sie nicht so sehen konnte, sie würde sich ihrer schämen! Eine da Vanya, Richeza, du willst eine da Vanya sein?
Wieder klang etwas in ihrem Geist an, eine Saite, von zarter Hand berührt und sofort wieder verstummt.
"De Vargas", murmelte sie. Ihr war, als hörte sie die Stimme ihrer Tante diesen Namen sagen. Aber wann? Aber wo? War er ein Feind? Ein Freund?
"Rifada da Vanya", sagte sie und war sich selbst nicht sicher, ob sie die Worte an den Fremden, an ihren Vetter oder die Götter richtete. "Wo ist sie?"
Autor: Vargas
Einen ganzen Augenblick lang starrte Raúl die auf dem Bett liegende Frau an, bevor er sich räusperte.
"Das war der Name, genau. Diese Kriegerin, Domna da Vanya, hat helfend in den Kampf gegen die Ferkinas eingegriffen. Ich habe ihr dafür mein Pferd geliehen. Sie ritt ... in Richtung der Berge, doch was aus ihr geworden ist, weiß ich selbst nicht", erklärte er langsam. Dann sah er Moritatio prüfend an. "Würdet Ihr bitte die Waffe aus meinem Gesicht nehmen? Und vielleicht, wenn es nicht zu viel verlangt ist, könntet Ihr Euch mir ja nun vorstellen, da Ihr davon ausgehen könnt, dass ich keine Horde meuchelnder Ferkinas bin ... oder was immer Ihr sonst zu fürchten hättet."
Autor: von Scheffelstein
Pferd. Da war etwas. Ja, sie hatte etwas von einem Pferd gesagt. Langsam dämmerte es Richeza, der Nebel lichtete sich. Die Berge. Nachts vor der Höhle. Der Abschied von ihrer Tante.
"Wenn ihr ...", sagte sie stockend, während sie die Worte ihrer Tante zu fassen versuchte, "wenn euch ... ein Edelmann? Namens de Vargas? ... begegnet ... ja. Sagt ihm, ich halte immer meine Versprechen!"
Sie sah den Mann an. "Seid Ihr das? Ihr bekommt Euer Pferd zurück. Das hat sie gesagt. Das ... und ... noch ein weiteres. Pferd."
Sie rieb sich die Stirn. "Sie wird bald hier sein. Hoffentlich. Sie ist unsere Tante. Meine. Seine ...", sie wies auf Moritatio, "Mutter."
Sie konnten nicht hier bleiben. Sie mussten in die Burg. Hatte Moritatio gesagt. Er hatte wohl recht. Richeza schwang die Beine über die Bettkante und stand auf. Die Decke rutschte zu Boden. Die jungen Männer starrten ihren nur spärlich bedeckten Körper an. Sie zuckte die Schultern.
"Geht", sagte sie zu dem Fremden, "lasst mich einen Moment allein. Mo, hol mir Wasser!" Sie winkte mit der Rechten, in der sie noch immer den Dolch hielt, in Richtung der Tür, dann drehte sie den beiden ihren narbenversehrten Rücken zu und leerte den Krug. Das Wasser schmeckte abgestanden, aber es löschte den Durst.
Autor: SteveT
Moritatio blickte Raúl noch einen Moment lang prüfend an, als könne er in dessen Augen lesen, ob er die Wahrheit sagte. Aber alles, was er sagte, ergab einen Sinn. Seine Mutter hatte tatsächlich den Namen des jungen Mannes erwähnt, der ihr sein Pferd geliehen hatte - wobei er sich seinerzeit keineswegs sicher gewesen war, ob sie es nicht einfach gegen dessen Willen konfisziert hatte.
Als er Richezas Blöße erkannte, steckte er sofort den Rapierstumpf weg und hielt stattdessen die andere Hand halb vor Raúls Augen, sodass dieser seine schöne Base nicht noch eingehender betrachten konnte. "Gehen wir nach draußen!", schlug er diesem im Befehlston vor und zog ihn dabei schon am Arm mit sich vor die Tür nach draußen, wo gerade Tsacharias Krähenfreund mit einem vollen Eimer Wasser in den Händen vom Brunnen her zurückkam.
"Dom Raúl, das dort drinnen ist meine Base Richeza von Scheffelstein y da Vanya, dieser Rustikal dort ist der Heiler Tsacharias Krähenfreund, der uns einen guten Dienst erwiesen hat, und ich selbst bin Moritatio da Vanya, der Sohn der Junkerin, der Ihr dankenswerterweise Euer Pferd ... äh, geliehen habt. Seid versichert, dass Ihr es zurückerhalten werdet plus ein weiteres zur Entschädigung Eurer Unannehmlichkeiten."
Er blickte prüfend zum Castillo hinüber, von dessen Bergfried aus man sie sehr leicht entdecken konnte. "Kommt mit!", wank er Raúl zu, ihm zu folgen, und verzog sich mit ihm in den toten Winkel hinter der Nachbarhütte, wo man sie unmöglich sehen konnte.
"Bringt meiner Base das Wasser hinein!", befahl er dabei im Vorbeigehen dem alten Heiler. "Gerade eben hat sie danach verlangt."
Er musterte Raúl nochmals und überlegte ein wenig, inwieweit es klug war, ihn als Wildfremden ins Vertrauen zu ziehen, "Ihr seid also hier, um mehr über unsere Fehde zu erfahren? Nun, die Reichsvogtin hat wider jedes Recht unsere Burg besetzt - das ist der ausschlaggebende Punkt unserer Fehde, obwohl es noch zahlreiche andere Infamien gab, die alle aufzuzählen jetzt müßig wäre. Was genau habt Ihr jetzt vor, Dom Raúl, wenn Ihr mir die Frage gestattet? Ich will nicht unhöflich sein, aber es könnte sein, dass wir dort drüben erst einmal Eure Hilfe benötigen, ehe ich Euch ein reiches Mahl anbieten kann, wie es einem Gast Eures Standes normalerweise zustünde."
Mit einem Kopfnicken wies er auf das Castillo hinüber, auf dessen Zinnen das grün-weiße Selaquer Banner mit dem Marmorblock wehte.
Autor: Vargas
Raúl folgte ihm nur widerwillig, aber immerhin hatte sein Gegenüber sich jetzt vorgestellt. Hier draußen durfte man wohl nicht wählerisch sein. Er hörte sich an, was Moritatio zu sagen hatte, und nickte dabei bedächtig. Es dauerte seine Zeit, bis sein müder, hungriger Geist begriff, worauf der junge Mann hinauswollte. Erstaunt sah er zum Castillo.
"Das ist Euer Heim? Besetzt?" Seine Augen funkelten finster. Wenn es etwas gab, das er nachvollziehen konnte, dann das Gefühl, um seine Heimat betrogen worden zu sein. "Wenn es Euer Castillo ist, dann steht es für mich außer Frage, was ich nun vorhabe. Eure Mutter hat mir und meinem Freund das Leben gerettet, und auch wenn sie im Gegenzug mein Pferd erhalten hat - ich schulde Eurer Familia etwas. Bei der Ehre meiner Familia, wenn Ihr eine Verwendung für einen Schwertarm bei Eurem Vorhaben habt - ich bin Euer Mann!"
Er atmete kurz durch. "Aber eine kleine Mahlzeit und etwas Ruhe, die brauche ich vorher dennoch. Es muss kein festliches Mahl sein, nur genug, damit ich mich auf den Beinen halten kann", sagte er und schmunzelte.
Autor: von Scheffelstein
"Stell das Wasser dorthin", sagte Richeza, als die Tür sich wieder öffnete, "und dann lass auch du mich ... oh ... Ihr seid es", unterbrach sie sich, als sie den alten Heiler erkannte.
Der Alte stellte den Eimer neben das Bett und betrachtete sie eingehend. "Geht es Euch besser?"
"Leidlich", sagte sie. Er legte seine Hand auf ihre Schulter und brachte sie mit sachtem Druck dazu, sich zu setzen. Sie ließ zu, dass seine Finger über ihr Gesicht wanderten, ihren Schädel, das Schlüsselbein. Er drückte hier und da, und einmal zuckte sie zusammen, als er ihre Rippen zusammenpresste.
"Es wird noch einige Tage dauern, bis es verheilt", sagte er. Er klang besorgt. "Ihr solltet Euch schonen."
Richeza seufzte.
"Nehmt Eure Verletzungen nicht auf die leichte Schulter! Euer Kopf hat sehr gelitten. - Folgt meinem Finger!" Der Alte fuhr mit dem Zeigefinger vor Richezas Gesicht herum und hielt ihr Kinn fest. "Nur mit den Augen!" Sie tat, was er verlangte. Seine Finger waren angenehm kühl auf ihrer Haut.
"Habe ich Euch schon gedankt?", fragte sie. "Für das, was Ihr für mich getan habt? Und: Für Praiodor?"
Er lächelte nur.
Sie senkte den Blick auf ihre Füße und dachte an ihren Großvater. Ein Grund mehr, schnell in das Castillo zu gelangen. Von dort würde sie ihm eine Taube schicken können. Sie stand auf. "Bitte lasst mich einen Moment allein, ich will mich waschen."
Wortlos ging er hinaus, nahm den Eimer mit, der unter dem Bett stand.
Sie wusch sich das Haar, ließ das kühle Wasser über ihren Körper laufen. Trotz der stickigen Hitze in der Kammer fröstelte sie, und als sie in die Söldlingskleider stieg, war ihr schwindelig. Sie legte sich wieder hin.
Ihr war nicht nach Heldentaten zumute. Wo war er, der Prinz aus den Geschichten, der für sie die Burg erstürmte und sie auf Händen über die Schwelle trug? Hatte sie sonst nur Hohn und Spott für solche mädchenhaften Schwärmereien übrig, erschienen sie ihr im Augenblick doch zu verlockend. Eine Weile hing sie dem Gedanken nach, versonnen lächelnd, dann öffnete sie die Augen, versuchte, sich die Stimme ihrer Tante ins Gedächtnis zu rufen. Tun, was eine da Vanya tun muss! – Aber, seltsam: Gegen die zarte Kraft des unsichtbaren Prinzen konnte ihre Tante in ihrem Kopf anbrüllen, wie sie wollte, ihre Worte drangen wie durch Watte, schwebten davon wie Wolken, hatten keine Macht gegen die Versuchung, sich den starken Armen hinzugeben. Borons Armen? Schlaf und Träumen.
Ihr Magen knurrte.
Reiß dich zusammen, Richeza!
Widerwillig öffnete sie die Augen. Es gab keinen Prinzen. Nicht einmal ihre Tante war hier. Ihrer aller Leben war noch immer bedroht. Von Hunger, Schwäche, vor allem aber von Feinden. Mühsam richtete Richeza sich auf, steckte den Dolch zurück in den Stiefel und taumelte zur Tür. Draußen war es hell und heiß, aber immerhin wehte ein Wind.
Moritatio und der de Vargas standen ein paar Schritt weiter neben einer Hütte mit vernagelten Fenstern. Hoch über ihnen ragte auf dem Burgberg das Castillo da Vanya auf. Richeza wankte auf sie zu. Ihr schwindelte noch immer.
"Kommt!", sagte sie. "Gehen wir! Bring uns in die Burg, Moritatio! Dort gibt es sicher etwas zu Essen. Dort können wir ... schlafen!"
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