Chronik.Ereignis1033 Feldzug Selaque 28
In Kaiserlich Selaque, 4. Rondra 1033 BF
in Vanyadâl zu Füßen des Castillo da Vanya
4. Rondra 1033 BF, am frühen Nachmittag
Autor: SteveT
Etwa zur selben Zeit, in der sich die gefrässige Oger-Rotte auf sie zu bewegte, rüttelte Moritatio sacht an Richezas Arm, um sie endlich aus ihrem langen Traumschlaf zu erwecken. Er wagte dies nur, da Tsacharias Krähenfreund kurz aus der Hütte gegangen war, um am Dorfbrunnen einen Eimer mit frischem Wasser zu holen. Auch hier im Dorf Vanyadâl war das dumpfe Dröhnen laut zu vernehmen, das Moritatio noch niemals zuvor gehört hatte und das ihn durchaus mit Sorge erfüllte. Dahinter steckten die Wilden - kein Zweifel! Vermutlich war das ein Signal, um noch weitere Stämme von ihnen zum Krieg gegen das Bosquirtal aufzurufen.
"Richeza, wach auf!", rüttelte er seine schöne Cousine und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. "Komm zu dir! Du musst zu Kräften kommen! Wenn Mutter oder Gujadanya mit Verstärkung anrücken, müssen wir ihnen von innen das Tor des Castillos öffnen, und alleine schaffe ich es nicht, das zu vollbringen. Bitte, du musst mich in unsere Burg begleiten!"
Immerhin hatte sie nun die Augen geöffnet und blickte ihm halbwegs klaren Blickes in die Augen. Sie schien verstanden zu haben, was er gesagt hatte. "Hörst du das?", frug er sie. "Das sind die Wilden! Sie werden bald wohl mit noch mehr Kriegern hier sein. Bis dahin müssen wir in der Burg sein, wir können nicht länger warten."
Sie wollte antworten, er legte sich aber warnend den Zeigefinger auf die Lippen, denn von draußen vor der Hüttentür waren knirschende und zugleich leise klingelnde Schritte zu hören, die unmöglich von Tsacharias Krähenfreunds Gamaschen herrühren konnten, sondern die sich für ihn eher wie sporenbewehrte Reitstiefel anhörten.
Moritatio zog ein weiteres Mal sein abgebrochenes Rapier und schlich zum von zwei klappbaren Holzläden verschlossenen Fenster. Er lugte durch die schmale Ritze zwischen den Fensterläden und erblickte draußen einen ihm unbekannten jungen Edelmann mit schwarzem Haar und dunklen Augen, der ihre Hütte aufmerksam musterte. Der Bursche trug eine gute Rüstung und zwei Klingen an seinem Gürtel - er musste also auf der Hut sein, vermutlich war das auch einer von Praiosmins Speichelleckern.
Er verdrehte die Augen und stieß einen lautlosen Fluch aus, als es kurz darauf an die Hüttentür klopfte. Verflucht, diesmal war kein Krähenfreund da, um den Mistkerl abzuwimmeln.
Autor: von Scheffelstein
Richeza blinzelte ins Zwielicht der Hütte. Durch die verschlossenen Fensterläden drang spärliches Tageslicht, auf einer Holzkiste neben dem Bett stand eine fast heruntergebrannte Kerze. Benommen blickte die Edle sich um. Der alte Heiler war nicht zu sehen, dafür Moritatio, der eine Waffe zog – oder das, was davon übrig war.
Richeza setzte sich leise stöhnend auf. Ihr war, als würden sich sämtliche Verletzungen, die sie sich während der Suche nach Praiodor zugezogen hatte, wieder bemerkbar machen. Als hätte sie nun, da sie kein Ziel mehr hatte, für das sie kämpfte, mit einem Schlag alle Kraft verlassen, jeglicher Wille. Befremdet stellte sie fest, dass der Alte ihr, bis auf Brust- und Lendentuch, sämtliche Kleider ausgezogen hatte. Richeza zog sich die Decke um die Schultern und blickte Moritatio an. Wo waren sie hier? Wie war sie hierher gekommen? Und: War Moritatio nicht nach Punin aufgebrochen? Das Letzte, woran sie sich erinnerte, war, dass sie als Gefangene des Aranjuez ins Vanyadâl geführt worden war. Und dann? Sie wusste nicht, was geschehen war.
Erst als es ein zweites Mal klopfte, wurde Richeza bewusst, dass Moritatio die Situation offenbar als Bedrohung auffasste. Richeza angelte ihren Stiefel, der neben dem Bett lag und zog ihren Dolch unter die Decke, dann legte sie sich zurück. Die Wilden würden nicht klopfen, dachte sie, während sie durch halb geschlossene Lider zur Tür blinzelte und sich weit fort wünschte, zurück nach Scheffelstein oder Ragath oder sonstwohin, wo sie schlafen konnte, schlafen, ohne gestört zu werden.
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